Lost in Translation (DVD) Testbericht

ab 8,14
Auf yopi.de gelistet seit 05/2008

Erfahrungsbericht von jacktyper

Gefangen im Leben

Pro:

Darstellerische Leistungen / Geniale Verknüpfung von Inhalt und Inszenierung / Authentische Darstellung der Gefühlswelt

Kontra:

---

Empfehlung:

Ja

Eine Geschichte zweier Menschen...
Schauspieler Bob Harris (Bill Murray) verlässt die USA Richtung Japan, um einen Werbespot zu drehen. Unter Jetlag leidend, vertreibt er sich die nächtlichen Stunden in der Hotelbar.
Die junge Charlotte (Scarlett Johansson), die ihren geschäftlich nach Tokio gereisten Mann begleitet, sitzt ebenfalls oft gelangweilt an einem der Tische - bemüht sich zu amüsieren.
Bis sich die Blicke der beiden treffen, die sich sofort magnetisch zueinander hingezogen fühlen. So kommen sie ins Gespräch und bemerken schnell, dass sie sich perfekt miteinander verstehen und eine Art Seelenverwandtschaft sie zu verbinden scheint. Da Charlottes Ehemann mehrere Tage abwesend ist und Bobs Familie hunderte Kilometer entfernt weilt, beschließen sie, sich gemeinsam zu vergnügen. Sowohl im Besuch verschiedener Partys in Japans schillernder Metropole, als auch in unterhaltsamen Zwiegesprächen, finden die beiden ein Amüsement, das sie wenige Tage zuvor noch für undenkbar gehalten hatten.

\"Lost in Translation\" beschreibt die Einsamkeit zweier scheinbar verlorener Seelen und zeigt den Versuch des Ausbruchs aus der Eintönigkeit des Alltags. Auf der einen Seite der alternde Bob, der täglich für Whiskeyreklame vor der Kamera posiert, und selten versteht, was der Regisseur wirklich von ihm will. Auf der anderen Seite die deprimierte Charlotte, deren Mann viel zu wenig Zeit für sie hat und die somit oft alleine im Hotelzimmer sitzt und das Leben aus dem Fenster betrachtet. Beide fühlen sich ausgestoßen - isoliert von der Außenwelt. Niemand da, der sie wirklich versteht oder versucht, ihre Gefühle wahrzunehmen.
Bob bekommt von seiner Frau die Nachricht, dass er den Geburtstag seines Sohnes vergessen hat...
Charlotte versucht das Schnarchen ihres Mannes auszunutzen, ihn zu wecken, um sich zu unterhalten...
Er bekommt Teppichmuster aus den USA geschickt, mit der Bitte sich für eines zu entscheiden...
Sie hört von ihrem Gatten nur ein \'Amüsier dich schön!\'...
Bis das Schicksal Bob und Charlotte zusammenführt und ihrem tristen Dasein neuen Schwung verleiht.
Der Film schafft eine beeindruckende Darstellung zwischenmenschlicher Beziehungen und zeigt unglaublich authentisch zwei Menschen, die einander so sehr brauchen, die sich - unabhängig von sexuellen Gefühlen - gegenseitig Lebensgefühl zurückgeben.
Eine melancholisch, verkrampft anmutende Atmosphäre wandelt sich zu einer lockeren Stimmung, die dennoch nie den Draht zur Realität verliert und durchgehend nachdenklich stimmt. \"Lost in Translation\" verwendet viele stille Bilder mit Fokus auf den Charakteren und schafft somit eine Einsicht in deren emotionale Ebene. Die Hauptdarsteller Bill Murray und Scarlett Johansson tragen mit ihrer umwerfenden Leistung ihren Teil dazu bei. Vor allem im Mimikspiel wissen die Schauspieler zu überzeugen; der Zuschauer bekommt das Gefühl, Gedanken könnten sprechen. Längere dialogarme Filmsequenzen lassen den Betrachter ein eigenes Bild vom Innenleben der Protagonisten erstellen. Regisseurin Sofia Coppola legte Wert auf einfache Stilmittel ohne unsinnigen \"Schnick-Schnack\" und verlieh dem Film damit die besondere, angemessene Note.
Passend zur Lokalität wurde teils japanische Musik verwendet, im bunten Wechsel zwischen melodramatischen und heiteren Klängen. Viele Szenen wurden an einem Ort aufgenommen, Dreh- und Angelpunkt ist das Hotel, in dem sich praktisch alles abspielt. Was möglicherweise eintönig klingt, macht den Streifen jedoch auf seine Weise einzigartig, denn hiermit wird eine Parallele zum Inhalt gezogen... die Monotonie, Gefangenheit, seelische Zerrüttung.
Bemerkenswert ist weiterhin, wie der Film es schafft, immer zum richtigen Zeitpunkt, die Nichtigkeiten im Leben, die als solche erst im richtigen Moment wahrgenommen werden, aufzuzeigen.

Die Inszenierung arbeitet stark auf das Finale hin, das Ende von Bobs Geschäftsreise und die damit verbundene Trennung des gemeinsamen Weges von Charlotte. Coppola, die auch das Drehbuch schrieb, produzierte eine perfekte, wünschenswerte Auflösung - ein offenes Ende, das aber eigentlich nur eine Interpretationsmöglichkeit zulässt.

Mit \"Lost in Translation\" ist ein kleines Meisterwerk der Filmgeschichte entstanden, eine Inszenierung, die sich nur schwer einem Genre zuordnen lässt. Am treffendsten wäre wohl der Begriff \'Romanze\', doch da der Film tiefer blickt und sich nicht an der Oberfläche aufhält und keine seichte Liebesgeschichte erzählt, kann der Streifen durchaus auch als Tragikomödie mit stark dramatischen Zügen, eingeordnet werden.
Ein Film, der die Augen öffnet, zum Nachdenken anregt, große Gefühle zeigt und als zweites Werk beweist, das Sofia nicht umsonst den Namen Coppola trägt.


Lost in Translation
USA 2002
D: Bill Murray, Scarlett Johansson, Akiko Takeshita
R: Sofia Coppola
98 Min.
FSK 6

16 Bewertungen, 2 Kommentare

  • Bea_im_Netz

    11.11.2005, 18:32 Uhr von Bea_im_Netz
    Bewertung: sehr hilfreich

    schöner schräger film, vor allem japanisches karaoke…

  • morla

    18.10.2005, 16:59 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr hilfreich