Yankee (DVD) Testbericht

ab 27,07
Auf yopi.de gelistet seit 11/2010

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Erfahrungsbericht von mima007

Ironisch, brutal und sinnlich: der Kreuzzug des Yankees

Pro:

spannend, sinnlich, ungewöhnliche Optik und Bildsprache, passables Bonusmaterial, guter Sound, sehr gutes Bild

Kontra:

sehr gewalttätig, ironische religiöse Anspielungen

Empfehlung:

Ja

“Für nichts gibt es nichts” – so lautet das Motto des Mannes, den alle nur Yankee (Philippe Leroy) nennen. Er ist ein Kopfgeldjäger, der sich in die Bande des großen Concho (Adolfo Celi) geschlichen hat und dem brutalen Tyrannen und seiner steckbrieflich gesuchten Gefolgschaft den Garaus machen will. Doch nicht nur, dass der wortkarge Fremde nach und nach Conchos Bande dezimiert – auch auf dessen Frau Rosita (Mirella Martin) hat es der Eindringling abgesehen.
Filminfos
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O-Titel: Yankee (Italien 1966)
Dt. Vertrieb: Koch Media
FSK: ab 16
Länge: ca. 93 Min.
Regie/Schnitt: Tinto Brass
Kamera: Alfio Contini
Drehbuch: Tinto Brass, Alberto Silvestri, Giancarlo Fusco, Alfonso Balcazar
Musik: Nini Rosso
Darsteller: Philippe Leroy, Adolfo Celi, Mirella Martin, Tomas Torres, Paco Sanz, Franco de Rosa u.a.
Handlung
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Als beginnt damit, dass ein Bewaffneter in den Saloon reitet, in dem sich Yankee gerade rasieren lässt. Nachdem der Eindringling gleich zweimal erschossen worden, identifiziert ihn die Bardame als „Billiger John“. Und der Tote hat eine Menge Geld damit, dass die beiden Schützen jedoch keineswegs brüderlich teilen. Sie spielen darum, wer die Bardame und wer das Geld kriegt. Yankee zieht mit dem Geld ab. Denn: „Für nichts gibt es nichts.“
Am Fluss wird er Zeuge eines seltsamen Vorfalls. An der Grenze zum Gebiet des Großen Concho werden drei Männer von einer bewaffneten Patrouille Conchos aufgehalten. Obwohl sich das Trio bei Concho einkaufen will, werden die Drei abgeknallt. Das Rätsel löst sich, als Yankee in das Grenzdorf reitet, in dem Concho den Schmuggel über die Grenze kontrolliert. Drei Gehängte baumeln von einem Gerüst. Insgesamt sind das jetzt schon sieben Tote. Und wie ihm der Totengräber Consalvo erklärt, haben sich sieben Mann mit dem Geld des Großen Concho aus dem Staub gemacht. Nun ja, der Mann hat offenbar seine Rache gehabt. Aber Yankee besitzt nun einen Teil des geraubten Geldes, das er dem „Billigen John“ abgenommen hat, dem siebten Mann.
Die brutale Willkür, mit der Concho und seine Leute über das Dorf herrscht, ist Yankee offenbar ein Dorn im Auge. Er verhindert die Entführung einer Frau. Im Sheriffbüro sieht er die Fahndungsplakate: alles Männer des Großen Concho. Er lässt sich anheuern, woraufhin ihn man in die Berge bringt. Auf einem Plateau hat sich Concho in einer ehemaligen Kirche gemütlich eingerichtet, komplett mit Buntglasfenster, Königsporträt und Thron. Seine Gespielin Rosita liest ihm die Zukunft aus den Karten. Der caesarenhafte Bandenchef nimmt Yankees „Geschäftsvorschlag“ nicht ernst, sondern duldet ihn als Hofnarr.
Da beschließt Yankee, den Spieß umzudrehen und dem Spuk ein Ende zu machen. Er behauptet, das Gold des „Billigen John“ in einer aufgelassenen Mine versteckt zu habe. Dort steckt seine Investition. Doch die Männer, die ihn dorthin begleiten, überleben den Ausflug nicht, mit einer Ausnahme. Den fünften mann schickt Yankee zu Concho, um ihm seine Herausforderung zu überbringen. Während Conchos Bande ins Dorf reitet, um Yankee festzunageln, bereitet dieser eine List vor, um ungesehen ins Hauptquartier Conchos zu gelangen und dort Rosita als Geisel zu nehmen….
Mein Eindruck
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Nach einer ziemlich langweiligen und etwas klischeehaften ersten Viertelstunde fragte ich mich schon, weshalb dieser Streifen in die Western Collection von Koch Media aufgenommen wurde. Aber dann begann der Film zunehmend interessanter auszusehen. Das lag zum einen an den ungewöhnlichen Kameraperspektiven: Von einem Turm herab, unter einem Wagen hervor, in die unter- oder aufgehende Sonne. Es gibt Überblendungen und rasante Schnitte, so etwa in der Szene, als Yankee einen Golddollar in seinen Finger tanzen lässt, um die gierigen Banditen quasi damit zu hypnotisieren.
Hauptquartier der Sünde
Gespannt wartet ich auf weitere Offenbarungen. Und diese ergaben sich zunehmend auf der Ebene der Dialoge und des Settings. Das Hauptquartier der Bande des Großen Concho ist ein verfallenes Kloster, komplett mit Buntglasfenstern und „Heiligenbildern“. Diese zeigen allerdings Concho und seine Kumpane selbst. Auf der Stirnseite steht folgerichtig nicht ein Altar, sondern ein Thron.
Getrunken wird aus einem Kelch, und Concho sieht in seiner dunkelroten Toga wie Caesar himself aus. Später bricht Concho hier das Brot mit seinen „Jüngern“, als säßen sie beim Letzten Abendmahl.
Dies ist also der Tempel, in dem die Sünde verehrt wird. Daher verwundert es weder Yankee noch uns, ein Frauenzimmer wie Rosita (Mirella Martin) vorzufinden. Sie ist erotische Verlockung pur, und zuerst sehen wir nur ihre grazilen Füße, später überrascht Yankee sie in der Badewanne. Da sie Concho in Falle locken soll, fesselt Yankee die Halbnackte an einen Pfosten, der stark an einen Marterpfahl erinnert. Ein sehr hübscher Köder.
Judas und Jesus
In das Bild der religiösen Anspielungen passt auch Luiz, die Nr.2 hinter Concho, der von seinem Boss ungerecht behandelt wird. Er wird zu einem Judas, der Yankee aus Gefangenschaft und Folter befreit, so dass Yankee sein Werk der Gerechtigkeit vollenden kann. In der Gefangenschaft Concho wird Yankee auf das Rad geflochten. Er erinnert an Jesus am Kreuz, doch alle Verweise auf die Passion Christi sind ironisiert und verdreht.
Als man Yankee und Rad auf den Boden legt, zieht Concho mit Schwarzpulver einen Flammenkreis um ihn. Dies ist ein Echo auf eine frühere Szene, in der Concho einen Skorpion in einer Pfanne – in Untersicht durch eine Glasplatte gefilmt – erhitzt, bis dieser sich selbst stach. Er wolle niemals selbst so verbrennen, schwört Concho, sondern vielmehr anderen das Feuer bringen. Er legt das Grenzdorf in Schutt und Asche und massakriert fast alle Einwohner.
Nun liegt also Yankee in einem Flammenkreis und soll den Skorpion spielen. Doch er tut Concho nicht den Gefallen zu verbrennen oder einfach zu sterben. Er ist nämlich weder willig leidender Jesus noch Erlöser, sondern wird vom Judas gerettet. Dass Rosita diesen Jesus-Verschnitt küssen musste, passt in ihr Image als Maria Magdalena. Concho erschießt sie denn auch hinterrücks, da er eifersüchtig auf die Macht Yankees ist, der Rosita ja entführt – und wer weiß was mit ihr angestellt - hatte.
Showdown
Yankee als Erlöserfigur oder „Rächer von Waisen und Witwen“ anzusehen, wäre zuviel der Ehre. Er ist ein Spieler und Kopfgeldjäger. Dass er den Schurken im Showdown in einem endlosen „Spiel“ zur Strecke bringt, gehört zur Konvention des Genres. Als Last Man Standing verlässt er mit einem Batzen Geld den Schauplatz der letzten „Heldentat“ Conchos. Nini Rossos schmissige Musik begleitet ihn in den nächsten Sonnenuntergang.
Bizarr, brutal, sinnlich
Tinto Brass hat einen frühen Italo-Western gedreht, seinen einzigen. 1966 entstanden noch „Django“ und Leones „Zwei glorreiche Halunken“. Die Grenzen dessen, was ein Western sagen darf, waren noch nicht festgelegt, von Parodien und Komödien noch keine Rede bis vier Jahre später. Daher herrscht hier sowohl die Gewalt als auch das Bizarre vor. Leute werden reihenweise massakriert, und es sind auch Frauen darunter. Die schwarzen Hüte der beiden Kontrahenten sind so groß, dass sie übertrieben wirken, und der Colt Yankees hängt so tief, dass er ihn kaum erreichen kann.
Die Erotik, Brass’ Spezialität, kommt ebenfalls nicht zu kurz, und die Art und Weise, wie die Kamera Mirella Martin einfängt, nimmt schon Szenen aus „Caligula – Aufstieg und Fall eines Tyrannen“ (1979), aus „Salon Kitty“ (1976) und „Der Schlüssel“ (1983) vorweg, späteren bekannten Werken des Meisters. Seine Vorliebe für üppige weibliche Reize kann er aber hier noch nicht herausstellen. Dafür war damals die Zensur noch zu mächtig.
Die DVD
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Technische Infos
Bildformate: 2.35:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0, Italienisch in DD 2.0
Sprachen: D, Italienisch
Untertitel: D
Extras:
- Dt. Trailer
- Ital. Trailer
- Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Mein Eindruck: die DVD
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Die Bildqualität der digital überarbeiteten und um Originalszenen ergänzten Fassung ist außerordentlich gut und genügt modernen Ansprüchen. Ich habe kaum einmal ein Artefakt gesehen. Die Tonqualität, die auf dem Niveau des Standards DD 2.0 angeboten wird, geht in Ordnung, ist aber besonders in der deutschen Synchronisation alles andere als überragend.
Der deutsche Trailer (2:12 Min.) sieht schauderhaft verregnet aus. Man sollte ihn sich nur aus historischem Interesse ansehen. Sein italienisches Gegenstück (3:35 Min.) ist im Vergleich damit ein Prachtstück. Er sieht aus, als wären die Bilder dem Hauptfilm entnommen worden, so gut ist die Qualität.
Da es diesmal keine Interviews gibt, konzentriert sich das Interesse des Sammlers auf die Bildergalerie. So unscheinbar diese Bezeichnung klingt, so umfangreich ist dieses Feature, wenn Koch Media es anbietet. Geboten werden folgende Bildmaterialien:
- Filmplakate
- Standfotos von kombinierten Szenen (Kompositbilder)
- Szenenfotos für den Kinoaushang
- Screenshots (darunter Rosita am Marterpfahl)
- Plattencover zu Nini Rossoas Musik (45 rpm-Platten)
- Ein Werbeheft mit Fotos und Texten (ein Fall für die Zoom-Funktion)
Man sieht also, was für ein leistungsfähiges Feature so eine Bildergalerie sein kann. Trotzdem wundert die Abwesenheit eines Interviews. Meines Wissen ist der alte Erotomane Tinto Brass (geboren 1933) immer noch am Leben. Gleiches gilt für Philippe Leroy (geboren 1930). Adolfo Celi (geboren 1922) segnete bereits 1986 das Zeitliche.
Filmessay in der Klappeninnenseite
Wolfgang verrät wie schon in „Der Tod sagt Amen“ den gesamten Plot, aber das ist OK. Seine Einordnung des Films in die Epoche ist ebenso kenntnsireich wie seine Aufzählung der religiösen Anspielungen. Er hebt die interessante visuelle Gestaltung ebenso hervor, wie er die übermäßige Gewaltdarstellung im Film kritisiert. Nach einer Erläuterung der Bezeichnung „Yankee“ stellt er die Biografien von Tinto Brass. Ph. Leroy und Adolfo Celi vor. All dies ist gute Handwerksarbeit, aber über eine tiefere Intention des Films lässt sich der Autor nicht aus. Vielleicht wollte Brass ja bloß gut unterhalten.
Unterm Strich
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Vermutlich können sowieso nur Western-Experten etwas mit diesem Titel anfangen. Der auf Normal-Westernkost abonnierte Filmfreund dürfte angesichts des unglaublichen langen Showdowns und der üblen Folterszene – Yankee aufs Rad gekreuzigt, in einem Flammenkreis - sowie anderer Giallo-Elemente etwas ins Staunen oder Grübeln kommen, aber es sind ja genau diese Elemente, die den Film seinen eigentümlichen Reiz verleihen. Besonders die einfallsreiche Optik und die schmissige Musik haben mir gefallen. Die zahlreichen religiösen Anspielungen sind allesamt ironisch zu verstehen, und wer Brass’ einen ketzerischen Strick draus drehen will, dürfte schon bald ins Leere laufen.
Die DVD bietet diesmal keine Interviews, dafür aber einen Textessay zum Film sowie eine umfangreiche Bildergalerie – ein ausführlicher Augenschmaus. Für Western-Buffs ist diese „Genre-Perle“ wohl ein Leckerbissen, zumal in der weltweit ersten restaurierten Fassung. Für Sammler empfiehlt sich die DVD, für Western-Normalverbraucher wohl weniger.
Michael Matzer (c) 2007ff

32 Bewertungen, 10 Kommentare

  • ingoa09

    17.06.2008, 15:00 Uhr von ingoa09
    Bewertung: sehr hilfreich

    Klingt sehr spannend! Gruß Ingo

  • anonym

    25.05.2008, 18:12 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht lg pidi

  • Zzaldo

    23.05.2008, 23:23 Uhr von Zzaldo
    Bewertung: sehr hilfreich

    ein klasse Bericht von dir. LG Stephan

  • MasterSirTobi

    19.05.2008, 22:13 Uhr von MasterSirTobi
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein sehr hilfreicher Bericht! LG MST

  • anonym

    17.05.2008, 20:07 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    ;O) Lieben Gruß Sabrina

  • Clarinetta2

    17.05.2008, 15:39 Uhr von Clarinetta2
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr gut geschrieben

  • may786

    16.05.2008, 13:27 Uhr von may786
    Bewertung: besonders wertvoll

    Klasse Bericht!! LG und ein schönes WE

  • Bunny84

    15.05.2008, 23:28 Uhr von Bunny84
    Bewertung: sehr hilfreich

    Einen schönen Abend und liebe Grüße von Anja

  • web242

    15.05.2008, 19:12 Uhr von web242
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht, wússte garnicht, das Brass mal nen Wetsern gedreht hat. Grüsse web242

  • Lici17

    15.05.2008, 17:14 Uhr von Lici17
    Bewertung: besonders wertvoll

    sehr guter bericht, dafür ein bw!