Medion GoPal P4410 Testbericht

Es gibt so einige Dinge im Leben, bei denen ist man felsenfest davon überzeugt, dass man sie garantiert nicht benötigt ... niemals benötigen wird ... dass man geradezu ein Narr sein müsste, auch nur einen Gedanken oder einen Cent daran zu verschwenden. Dieser Standpunkt ist wie in Stein gemeißelt und unerschütterlich. Manchmal über Jahre, manchmal ein halbes Leben lang, bis - ja bis man eines schönen Tages von den Verlockungen kostet, die diese Dinge mitunter mit sich bringen. Ist es erst einmal soweit gekommen, bröckelt der Widerstand zusehends bis man - so schnell kann man manchmal gar nicht kucken - schon vor dem PC hockt und im Internet recherchiert, wo es das denn nun am besten und schnellsten zu kaufen gibt, da man es ohne keine Minute mehr länger aushält.

Ich denke, jeder kann ein Lied davon singen. Mein Song würde u. a. von Spülmaschinen, Wäschetrocknern, elektrischen Zahnbürsten und mobilen Navigationsgeräten handeln. Bei einigen Dingen hält mein inneres Abwehrbollwerk noch, bei Spülmaschine (siehe Bericht "Mein liebster Spülkamerad) und Navi habe ich den Widerstand inzwischen aufgegeben.

Wie gesagt noch im Mai diesen Jahres war ich von der Sinnhaftigkeit eines mobilen Navigationsgeräten (im Folgenden der Einfachheit halber kurz Navi bezeichnet) keineswegs überzeugt, denn wofür hat man einen messbaren IQ, Augen im Kopf und den besten manuellen Kartenleser und Routenfinder der Welt neben sich auf dem Beifahrersitz?

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Lange Rede, kurzer Sinn: Stundenlanges Autokarten-Studieren war gestern, heute habe ich meinen Medion GoPal P4410, der mir in Sekundenschnelle auf die Sprünge hilft.

=== Äußerlichkeiten

Auch wenn man natürlich beim Kauf weniger nach den äußeren Werten gehen sollte, auch optisch macht der Medion GopPal P4410 einiges her: Schwarze Klavierlackoptik mit abgesetztem Silberstreifen und insgesamt hochwertige Verarbeitung erfreuen das Auge des Betrachters. Der Bildschirm ist mit 4,3" Bildschirmdiagonale und 65.536 dargestellten Farben (nicht selber gezählt, ich vertraue da einfach mal den Herstellerangaben) für ein Navi (noch!) State of the Art.

Da dies natürlich auch bei den Langfingern leicht zum Jucken in den selbigen führen kann, ist man besser beraten, das gute Stück nicht im Auto alleine zu lassen, sondern lieber mit sich herum zu tragen. Da interessiert auch das Gewicht, was mit 215 Gramm (also 2 Tafeln Milka-Schokolade) nicht so hoch ausfällt, aber im Gegensatz zu Schokotafeln im Laufe eines langen Wandertages im Rucksack gefühlsmäßig immer mehr statt weniger wird.

=== Innere Werte

Das A und O für vernünftige Navigationsergebnisse ist das zugrundeliegende Kartenmaterial (Aktualität, Umfang, Genauigkeit). Mit 40 europäischen Ländern, deren Straßennetz nahtlos (seamless) auf der Speicherkarte vorinstalliert ist, spart Medion wahrlich nicht an der falschen Stelle. Lieferant der Straßendaten ist Navteq, der einen Großteil der bekanntesten Hersteller von Navigationsgeräten mit der Kartenbasis versorgt. Allerdings ist der Stand 4. Quartal 2006 inzwischen etwas überholt, aber zum Glück habe ich einen Gutschein, der mir den Download des 2008er Updates erlaubt.

Die Bedienung erfolgt über einen Touchscreen oder über - man höre und staune! - per Ansage. Funktionier recht gut, allerdings sollte man möglichst akzentfrei und deutlich sprechen können. Unverständlicherweise wird in Österreich die gesprochene Zieleingabe verweigert mit dem Hinweis, dass das entsprechende Sprachpaket nicht installiert ist. Naja, nicht so schlimm, ich bevorzuge eh die direkte Eingabe am Display (aber natürlich nicht während der Fahrt!).

Ein besonders Bonbon ist der TMC-Dienst (Traffic Message Channel) zur automatischen Umfahrung von Verkehrsstaus und Behinderungen, vorausgesetzt man empfängt einen Radiosender, der qualitativ hochwertige und zeitnahe Verkehrsmeldungen ausstrahlt. Gerade im Berliner Gebiet konnte ich schon mehrfach diese geniale dynamische Zielführung in Aktion erleben. Wenn ein Stau gemeldet wird, denkt die Dame in meinem Navi kurz nach, um wenige Sekunden später stolz zu verkünden: "Die Route wurde neu berechnet." Mein Gerät hat sogar TMC pro onboard, welches statt auf manuelle Meldungen von Polizei, ADAC oder anderen menschlichen Staumeldern auf automatisch erfasste Daten wie Datensensoren an Autobahnbrücken oder in die Fahrbahn integrierte Sensorschleifen zurückgreift. Ob das nun die Genauigkeit der Staumeldungen in meinem Navi entscheidend verbessert hat, kann ich nicht sagen, da für mich nicht erkenntlich ist, welcher Dienst nun die Warnung (übrigens mit dem jeweils zutreffenden Verkehrsschild auf dem Display dargestellt) rausgeschickt hat. Funktioniert jedenfalls erstaunlich gut.

Als nahezu einziger Nachteil wird in offiziellen Testergebnissen angeführt, dass der P4410 keine Streckeninterpolation bei Ausfall des GPS-Empfangs, etwa in Tunneln beherrscht. Da ich bislang in Tunneln eher selten in die Verlegenheit kam, abbiegen zu müssen, verkrafte ich diesen Malus wie ein Mann klaglos. Und für den Fall der Fälle habe ich ja immer noch Augen im Kopf und das beste Bio-Navigationsgerät (Danke Tekee!) der Welt neben mir.

=== Kompetent, aber etwas vorlaut

Das wichtigste an einem Navi ist zweifellos die Schnelligkeit und Genauigkeit der Routenberechnung. Und hier macht mein P4410 eine wirklich gute Figur. GPS-Empfang und Kenntnis der Zieladresse vorausgesetzt, dauert es nur wenige Sekunden, bis das Gerät "Die Route ist berechnet." von sich gibt. Die Zielführung klappt dann sehr gut und präzise. Sehr hilfreich in diesem Zusammenhang ist die "Text-to-Speech"-Funktion, die meinen Medion-Navi die Straßennamen ansagen lässt, was die Orientierung gerade in Städten mit mehreren Abbiege-Optionen zusätzlich erleichtert. Dass die dafür digitalisierte Dame die Tendenz hat zu nuscheln und manche Wortendungen verschluckt, verzeihe ich ihr großzügig.

Wenn man sich aus Versehen oder vorsätzlich (um die vorlaute Dame mal so richtig zu ärgern und ins Schwitzen zu bringen) verfährt bzw. nicht an die empfohlene Route hält, versucht die Gute zuerst noch, einen über kleine Nebenstraßen auf die Ursprungsstrecke zurück zu dirigieren, und das mehr oder weniger resolut ("Bitte wenden!" ... "Jetzt wenden!" ... "Nun mach endlich was ich sag und reiß das Steuer herum!"). Bald schon aber fügt sie sich dem Willen desjenigen am längeren Hebel und berechnet - wahrscheinlich zähneknirschend - blitzschnell eine Alternativroute, die dem Autofahrer umgehend auf dem Bildschirm präsentiert wird.

Man hat übrigens die Auswahl zwischen schnellster, kürzester und ökonomischer Route. Wir nutzen meist die angeblich Benzinverbrauch-optimierte Variante und sind bisher damit auch in 99 Prozent der Fälle gut gefahren. Nett zudem die Berechnung der ungefähren Ankunftszeit bzw. der vermutlichen Dauer der Fahrt.

Ein Abfallprodukt des GPS-Empfanges ist die genaue Ermittlung der Fahrgeschwindigkeit. Interessanterweise lässt sich so das Gerücht bestätigen, dass ein Tachometer im Fahrzeug meist 3 bis 4 km/h zu viel anzeigt. So lassen sich die Geschwindigkeitsbegrenzungen natürlich viel effektiver ausreizen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass das Navi die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Bundesstraßen und Autobahnen kennt (zumindest die in Deutschland und Österreich), und damit, sofern man diese Option unvorsichtigerweise aktiviert hat, die Dame im Navi je nach Überschreitung (bei mir geht es bei +10 km/h los) den Fahrzeugführer vorlaut kritisiert, er möchte doch bitte die Geschwindigkeit reduzieren. So was kann ich leiden! :o)

=== Eierlegende Wollmilchfunktionen

Der Medion GoPal P4410 bietet neben der Navigation einen Reiseführer für ausgesuchte Städte Europas, einen MP3-Player, ein mit Outlook abgleichbares Adressverzeichnis und einen Bildbetrachter. Eher Ballast und Preistreiber, denn wer benötigt während der Fahrt schon neben dem Autoradio eine zusätzliche Schallquelle? Der Reiseführer ist auch eher rudimentär und einem echten handfesten Buch nicht ebenbürtig. Einzig der integrierte Bildbetrachter hat mir als Extrabonus richtig gefallen. Einfach die SD-Karte aus der Kamera austauschen gegen die mit dem Kartenmaterial des Navigationsprogrammes und schon kann man auf dem erfreulich großen Bildschirm des Navis abends die neuesten Schnappschüsse des Tages genießen.

Interessant, aber nicht ganz so intuitiv einzurichten, ist die integrierte Freisprechfunktion, die es erlaubt in Verbindung mit einem kompatiblen Bluetooth-Handy das Navigationssystem als Freisprecher einzusetzen.

Noch mehr Extras findet man derzeit nur bei den Spitzenmodellen von Garnim und TomTom, die dann dafür aber auch ne ganze Ecke mehr kosten.

=== Ich steigere das Bruttosozialprodukt

Meinen staatsbürgerlichen Verpflichtungen zur Steigerung des Wirtschaftswachstums in Deutschland bin ich als Konsument im Internet-Shop von notebooksbilliger.de nachgekommen. Hier gab es das gewünschte Gerät in einem Rundum-Sorglos-Paket (inkl. 2008er Karten-Update, aktive Halterung, schützende Aufbewahrungstasche fürs Navi und 220V-Ladegerät) zu einem (damals noch) Schnäppchenpreis von 269 Euro. Das mit jedem Monat immer größere (und damit un-überschaubarere) Angebot an Navis wird allerdings zu einem weiteren Preisverfall in diesem Segment führen, so dass meine Anschaffung sicherlich bald als pure Geldverschwendung abgestempelt werden wird.

Wem das noch nicht genug ist mit dem eigenen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung, der kann sich aus einem ganzen Pool von Medion-Partnern die Autowerkstatt seines Vertrauens wählen, die fachgerecht die restlichen Kabel hinter den Armaturen verschwinden lässt (Stromanschluss und TMC-Wurfantenne, letztere wird mit der Autoantenne verbunden). Je nach Autotyp soll das etwa 30 bis 50 Euro kosten, eine vernünftige Investition, wie ich finde, die in meinem Fall anscheinend der Weihnachtsmann übernehmen will, so habe ich es jedenfalls läuten gehört. :o)

=== Die Quintessenz meiner Erfahrungen

Keine Ahnung, wie ich früher ohne so einen genialen Navi überhaupt zurande gekommen bin. Der Aha-Effekt war fast so groß wie nach der Inbetriebnahme des Geschirrspülautomaten. Natürlich benutze ich das Ding nicht um meine gewohnten Wege zu erledigen, aber schon bei seinem ersten ernsthaften Einsatz während unseres diesjährigen Österreich-Urlaubs hat sich der GoPal-Wunderknabe mehr als bezahlt gemacht:

Das Szenario: Süßester Fratz von Welt verbrüht sich auf dem Campingplatz mit heißem Wasser und wird mit Mutter im Krankenwagen mit unbekanntem Ziel "verschleppt" => Anruf 2 Stunden später: "Wir sind jetzt im Landesspital in Salzburg. Kleiner Mann soweit wieder okay!" => Navi an => Salzburg eingetippt => unter den POI (points of interest) das Krankenhaus ausgewählt => darum gebeten Autobahnen zu meiden (Spartrieb trotz Notfall. So was berechnendes, also nee!) => losgefahren und 45 Minuten später liebe Familie in die Arme geschlossen, obwohl das Spital irgendwo mittendrin in Salzburg statt nur dabei liegt. ... ... ... Knöllchen kassiert :-( , weil Navi die Kurzparkzonen von Salzburg unbekannt sind (Verbesserungsvorschlag für die Nachfolgerversionen!).

Auch wenn das Kartenmaterial (noch!) nicht auf dem allerneuesten Stand ist, ich fühle mich auf unbekannten Terrain, insbesondere fremden Großstädten einfach sicher mit einem zuverlässigen Navigationsgerät wie dem Medion GoPAl P4410 an Bord.

In meinem üblichen Einzugsgebiet kann die Dame im Navi allerdings nicht so ganz mit meinen eigenen Insider-Tricks mithalten, was sie aber durchaus nicht gewillt ist einzusehen. Letztendlich könnte sie ruhig einmal kleinlaut zugeben, dass meine tatsächliche Ankunftszeit die von ihr vorberechnete klar unterbietet. Stattdessen reagiert sie patzig: "Bitte die Geschwindigkeitsbegrenzung beachten" (Pah! Weiß sie oder ich denn, wo die Blitzer erfahrungsgemäß lauern?) und wenig lernwillig, da sie das nächste Mal genauso wieder auf ihrer semioptimalen Route beharrt. Männer und Frauen passen eben einfach nicht zusammen, aber das stört mich eigentlich herzlich wenig, da ich ihr in heimischen Gefilden einfach den Mund verbiete (Gerät aus) und es mir in der Fremde nicht ganz so wichtig ist, ob es sich nun um die 100% beste Route handelt, solange ich nur sicher und exakt zum gewünschten Ziel geleitet werde und das hat bisher immer hervorragend geklappt.

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Bleibt zu hoffen, dass durch die geradezu sinnflutartige Verbreitung von Navigationsgeräten im Alltag nicht die Fähigkeit verloren geht, eine Karte zu lesen oder mithilfe von Verkehrsschildern zum Ziel zu finden. Ein blindes Vertrauen ist genauso wenig angebracht, wie die temporäre Abschaltung bewussten Denkens im Straßenverkehr. Um nicht ganz aus der Übung zu kommen, empfehle ich z.B. am Wochenende den Weg zu einem Ausflugsziel auch mal ganz ohne elektronische Unterstützung anzusteuern. Und immerhin schweigt dann auch endlich mal diese vorlaute Dame, die ständig was am Fahrstil des Fahrzeugführers zu mäkeln hat. Und diese Ruhe ist auch mal eine Wohltat.

Euer Mr. Andrew