Katzenbach, John Das Opfer Testbericht

Als ich im Juni ein Buchgeschenk für eine Freundin kaufte, schaute ich nur noch kurz in der Thrillerabteilung nach einem Schmäckerchen für mich. Aus einem wurden dann letztendlich 3. Eins wählte ich weil Titel und Klappentext interessant klangen, das zweite weil es mir von der mir bekannten Buchverkäuferin empfohlen wurde.

"Das Opfer" von John Katzenbach wählte ich aber ganz bewusst. Nach "Der Sumpf", "Der Patient" und "Die Anstalt", habe ich doch eine gewisse Vorliebe für die abstrusen Einblicke in die finstersten Ecken menschlichen Denkens entwickelt, die mir dieser Autor gewährt.
John Katzenbach wurde 1950 in Princeton, New Jersey geboren. Er wollte schon als Kind Schriftsteller werden. Durch seine Mutter, einer praktizierenden Analytikerin, wurde er schon früh mit der Psychoanalyse vertraut. Als Gerichtsreporter erwarb er sich dann einen Großteil seines Wissens über Verbrechen und Strafe. Das Markenzeichen seiner Bücher ist eine besondere Mischung aus gründlicher Recherche an den Orten des Geschehens und fundierter psychologischer Analyse von Täter und Motiv.

Die junge, attraktive und selbstbewusste Studentin Ashley Freeman hat endlich mal ein Date mit einem Jungen, der es wirklich mal schafft ihr Interesse zu wecken. Leider ruft er sie, nach einem flüchtigen Kuss bei der Verabschiedung, nie wieder an. Was Ashley zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, er kann es gar nicht. Er wurde von Michael O´Connell, wegen diesem einen Kuss, in den Rollstuhl geprügelt.
Für sie war es ein One-Night-Stand, nichts Ernstes. Sie hatte den gutaussehenden Michael nach einem beschwingten Abend angeheitert mit in ihre Wohnung genommen. Danach war die Sache für sie aus und vorbei. Sie wusste ja nicht, dass Michael, nachdem sie ihm an der Tankstelle, an der er arbeitete aufgefallen war, alles daran gesetzt hatte, sie kennen zu lernen. Sie ahnte nicht, dass er ein Psychopath, ihr Stalker, ist und in ihr die Frau seines Lebens sieht.

Michael O´Connell drängt sich gnadenlos in Ashleys und das Leben aller die ihr nahe stehen. Alle Versuche, ihn abzuschütteln, schlagen fehl. Dieser Stalker reißt Ashley, ihre Familie und Freunde in Abgründe, von denen sie nicht einmal ahnten, dass sie existieren...
John Katzenbach hat es mit "Das Opfer" einmal mehr geschafft, mich zu fesseln. Immer wieder dachte ich, dass es schlimmer nicht kommen kann und hatte mich geirrt. Ein flüssiger und gut verständlicher Schreibstil führte mich durch die Handlung. Emotional erlebte ich mit den Protagonisten alle Höhen und Tiefen der Geschichte. Nicht selten standen mir die Haare zu Berge.

Bereits am Anfang steht die unterschwellige Bedrohung. Alle Hauptpersonen werden vorgestellt und sehr genau beschrieben. Sie werden schnell Vertraute, man fühlte sich in sie hinein. Fassungslos erlebt man dann mit, wie Michael O´Connell eiskalt und skrupellos ihr Leben manipuliert. Die krankhafte Denkweise des Psychopaten lässt mir nicht nur einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Nahezu hilflos sieht man, dass auch von Polizei oder Justiz keine Hilfe zu erwarten ist. Die Maschinerie des Gesetzes wird leider erst in Kraft treten, wenn es für das Opfer eigentlich schon zu spät ist. Zu oft halten sich gestörte Persönlichkeiten nicht an juristische Verfügungen, im Gegenteil diese verleiten einen Stalker eher zu überstürzten und unvorhersehbaren Reaktionen.

Eigentlich beginnt das Buch aber mit einer anderen Geschichte. Diese spielt bereits in der Zeit nach den eigentlichen Geschehnissen um Ashley und Michael und läuft immer wieder parallel. Eine Frau trifft sich regelmäßig mit dem Autor und lockt ihn mit der Geschichte, in der jemand sterben muss. Sie wirft ihm Brocken zu dem Geschehen hin, streut Anhaltspunkte die der Schriftsteller dann gründlich recherchiert. Lange Zeit ist unklar, um welche der Protagonistinnen es sich bei dieser Frau handelt, dass es eine Beteiligte sein muss, wird aber immer deutlicher.

Droemer Knaur Verlag 2008
Übersetzung: Anke Kreutzner
ISBN: 978-3-426-63757-9
656 Seiten