Pink Floyd - The Wall (DVD) Testbericht

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ab 20,59
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Erfahrungsbericht von Elslaesstgruessen

Schön ist das nicht.

Pro:

Die Texte, die Umsetzung, das Geniale daran, die Themen

Kontra:

Das Abstossende, das Unverständliche, die Hoffnungslosigkeit

Empfehlung:

Nein

Hey Folks.
Ich hab das Glück, den besten Lehrer, den ich je hatte auch immer noch in einem meiner Leistungskurse zu haben, in diesem Fall Englisch. Er schafft es nämlich, selbst eine Einführung zur Analyse von Gedichten und Co. spannend und innovativ zu machen und zeigt uns dann mal eben einen Film von Pink Floyd. Eine Art Musikvideo in Filmlänge, wo wir Metapher und Symbole herausschreiben sollten und davon gibt es darin wahrlich mehr als genug. Und es ist auch ganz bestimmt keine Art von „Musikvideo“, was man je auf Viva oder MTV finden würde, es hat es nämlich ganz schön in sich.

Es geht um einen Musiker, Pink, der nicht weiß, wie er irgendwie mit seinem Ruhm umgehen soll und mit sich und der Welt aber auch so überhaupt nicht mehr klarkommt. Nun sitzt er in einem Hotelzimmer, starrt blind auf einen Fernsehen und macht äußerlich nichts weiter. Innerlich muss ein irrsinniger Krampf herrschen, man taucht quasi in ihn hinein und erlebt mit ihm zusammen die Erinnerungen seiner Vergangenheit. Einmal steht er auf und rastet völlig aus, am Ende ist er so fertig, dass wiederbelebt werden muss und trotzdem nicht so richtig da ist. Aber das alles ist nur die Rahmenhandlung, die meiste Zeit des Filmes spielt sich in seinem Kopf ab. Vergangenheitsbewältigung nennt man das glaube ich. Aber ich bezweifle ein bisschen, dass es für ihn so wirklich hilfreich ist. In seiner Vergangenheit gibt es verschiedene Bereiche, aus denen man die verschiedensten Schlüsselerlebnisse nahegebracht bekommt. Jedoch kann man insgesamt nicht von einer vollständigen Handlung sprechen, man findet auch überhaupt keine Chronologie, und doch macht es insgesamt soweit Sinn, wie ein solcher Film Sinn machen kann.

Thema Krieg. Ganz bestimmt kann man diesen Film als Anti-Kriegs-Film sehen. Denn hier wird nichts von Heldentum gezeigt, oder was auch immer sonst als kriegsverherrlichend gemacht werden kann. In brutaler Deutlichkeit wird gezeigt, wie Soldaten und Zivilisten sterben, verletzt und blutend daliegen und ihnen nicht geholfen werden kann oder wie Leichen in Massengräbern wie Müll ihr letztes Ende gefunden haben. Und doch empfindet man durch die Szenenauswahl es nicht als abstoßenden Voyeurismus, sondern viel mehr die Tatsache der Möglichkeit als abstoßend. In diesem Film ist der Vater von Pink im zweiten Weltkrieg gestorben, jedoch kann die Brutalität und Sinnlosigkeit dieses Sterbens und des Elends auf jeden anderen Krieg und jede Not übertragen werden.

Thema Familie. Der Vater also im Krieg gestorben, die Mutter kümmert sich nicht. Sie ist nicht in der Lage, sich zu kümmern. Der vielleicht 10jährige Pink wächst auf, ohne elterliche Liebe, ohne Vorbilder und Ideale, die er auch nicht in anderen Erwachsenen finden kann. Einfach aus Mangel an Menschen, die ihn irgendwie beachten würden. Sein Gesichtsausdruck im Film ist eine einzige Frage, Antworten sind aber nirgends zu finden, es wird immer nur über seinen Kopf hinweg über ihn geredet. Auch Freunde hat er keine, in den wenigen Szenen, in den er mit anderen Kindern zu sehen ist, scheint er auch eher auf sich selber konzentriert. Deutlicher als in diesem Film kann die soziale Einsamkeit wohl kaum mehr gezeigt werden.

Thema Schule. Wohl allen ist das Lied „Another Brick In The Wall“ bekannt. Die in dem Film verwendete Version ist zwar in zwei verschiedene Thematiken unterteilt und leicht abgeändert von dem aus dem Radio bekannten „Hit“ und bekommt mit dem durch The Wall verdeutlichten Hintergrund eine völlig neue Bedeutung. Es ist nicht einfach nur ein „Hurra, Hurra die Schule brennt“-Mitgröhler, irgendwoher muss die im Song zum Ausdruck kommende Aggression ja kommen, und mit den Bildern aus dem Film wird auch schnell klar, woher. Nachkriegsschule in Großbritannien strebte offensichtlich gänzlich anderen Ziele an, als heutzutage. Es ging nicht um die Förderung der Kreativität und des Individuums, vielmehr bekommt man den Eindruck einer Gleichmachung und Abstumpfung. Pinks Lehrer lässt sämtliche Aggressionen an seiner Klasse aus und die Kinder sind nur noch anonyme Glieder in einer Art Fabrik.

Pink als Musiker. Könnte man nun glauben, dass er wenigstens als Erwachsener in diesem Bericht seine Kreativität ausleben kann und seine Erfüllung findet, jedoch versteht man durch geniale Kameravergleiche sofort, warum dies nicht der Fall ist. Wie ähnlich sind sich doch Massenkonzerte und blindes Hinterherlaufen hinter „einem Führer“. Zumindest in diesem Film. Die Vergleiche mit diktatorischen Vergangenheiten sind absolut eindeutig und schockierend dargestellt.

So sind es alles extrem problembehaftet Themen, die durch ihrer direkte Art schon schockierend genug wären, jedoch wird dies noch weitergeführt. Realitäten, die einfach so brutal sind, dass man sie nicht mehr mit der Kamera einfangen und einfach so zeigen kann, werden in animierten Comic-Strips dargestellt. Oft wirklich einfach nur die krasse Realtität, noch öfter jedoch auch durch überspitzte Symbole, die durch ihre klassische Bedeutung wie die Friedenstaube oder Kreuze oder Blut eindeutig sind, jedoch mit Nachdenken noch so viel mehr aussagen als bei erster oberflächlicher Betrachtung. Und es kann noch so sehr Comic und Trickfilm und „ja nicht echt sein“, wir alle sassen nur noch eingeschüchtert und geschockt da, und es haben wohl fast alle Situationen gehabt, in denen sie sich das einfach nicht mehr angucken konnten und den Blick für einige Sekunden abwandten.

Musik
Nun war ja zuerst das Album von Pink Floyd – The Wall da. Und davon kennen sicher alle „Another Brick In The Wall“. Allerdings – meiner Meinung nach ist diese Single überhaupt nicht repräsentativ für das Album. Nach dem ich die Musik nun nur als „Soundtrack“ zum Film kenne, kann ich mir eigentlich überhaupt nicht vorstellen, wie es ein eigenständiges Album sein kann, welches man „versteht“, ohne die Bilder, die ja erst im Nachhinein dazu kamen, gesehen zu haben. Nun bin ich wirklich kein Experte auf dem Gebiet dieser Art von Musik – aber für Popverwöhnte Ohren ist es bestimmt nichts. Wahrscheinlich wird man mit der Musik einfach mal überhaupt nichts anfangen können, wenn man sich nicht darauf einlassen kann oder generell solche Art von Musik mag, ich würde sie mal als experimentell werden. Und: sie ist nicht meins.
Was aber unbedingt zu beachten sind, sind die Texte. Sicher ist auch da ganz ganz viel bei, wo man einfach nur denkt: „freak.“ Aber wenn man dann wirklich mal auf die Lyrics achtet und sich nicht von so einigen unverständlichen Zeilen, sind sie fast immer treffend für die Situation im Film und auch alleine betrachtet absolut zum fünf-Minunten-drüber-nachdenken wert.

Nun ist es aber immer noch kein klassischer Film, denn Dialoge gibt es so gut wie keine. Also doch eher ein Musikvideo. Aber eben eins, wo der Text wirklich mal in Verbindung zu den Bildern gebracht wurde und sie einander auch brauchen.

Was nun? Ich hab keine Ahnung, wie ich diesen Film für mich einschätzen soll. Ich könnte ihm alles geben von fünf bis – na sagen wir mal - zwei Sternen. Denn die Darstellung der Themen ist nötig, es rüttelt wach und regt zwangsläufig zum Nachdenken an. Es ist faszinierend dargestellt, wie etwas noch nicht Gesehenes. Es ist abstoßend und fesselnd zugleich, es ist kritisch und enthält soviel Wahrheit. Aber es ist eben auch so abstrakt. So krass und heftig. Es ist deprimierend und tiefschwarz. So hoffnungslos. 90 Minuten lang nichts Schönes. Alles ist schockierend, eklig, abstoßend, unverständlich. Man braucht auf jeden Fall jemanden, mit dem man hinterher darüber reden kann. Und man muss sich darauf einlassen können und gewillt sein, nachzudenken. Sonst funktioniert es überhaupt nicht. Wenn man die Kraft hat, sich mit Isolation und Vereinsamung, Krieg und alle möglichen gesellschaftlichen und sozialen Problemen zu beschäftigen, ist es wahrscheinlich empfehlenswert. Wenn man nicht 100prozentig überzeugt ist, dass man es wirklich sehen will und auch kann, sollte man es lieber lassen. Und überredet niemanden dazu, es mit Euch zu gucken, denn es kann einiges kaputt machen, wenn ihr Euch wirklich darauf einlassen wollt und jemand anders versucht gar nicht erst, es zu verstehen.

Els.

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