Slow Down - Keb Mo Testbericht

Kevin Moore (Keb' Mo') hat Robert Johnson zum Vorbild – zu merken ist das spätestens bei dem Song „Love In Vain“ von Johnson aus dem Jahre 1937, den Keb' auf dem Album „Slow Down“ nachspielt. Robert war, und das muss man wissen um gescheite Vergleiche anstellen zu können, ein ganz besonderer „Bluesman“: er schien seine Stücke nicht für sein Publikum, sondern nur für sich selbst zu spielen. Außerdem sang er nicht nur, sondern spielte gleichzeitig Gitarre und Mundharmonika – was man allerdings nicht hörte. Es klang, als würde er von weiteren Musikern unterstützt werden. Entsprechend schwer dürfte der Versuch also werden, einen Johnson-Song so nachzuspielen, dass er nicht nachgemacht klingt. Auf jeden Fall darf man hohe Erwartungen in Keb' Mo' stecken, denn auch er ist ein einzigartiger Bluesman.

Seine Lieder komponiert er – bis auf wenige Ausnahmen – meines Wissens nach alleine, er begleitet sich bei seinen Stücken oft nur mit einer Gitarre und weiß seine tiefe und warme Stimme einzusetzen. Nicht selten behandelt auch er das Blues-typische Thema: „Meine Frau hat mich verlassen“, dennoch gleicht kein Song dem anderen – vielleicht liegt es daran, dass es sich wirklich anhört, als würde er fühlen, was er singt und seine Musik lieben. Aber genug davon; kommen wir Moores Album „Slow Down“ von 1998..

1. Muddy Water (04:21)
„Wenn ich nie in den Himmel komme, ist mir das auch egal..“ beginnt der Song, der wohl eine Liebeshymne für Kalifornien darstellen soll. Wahrscheinlich sieht er in seiner Heimat sein Paradies, zumindest singt er sehr fröhlich und verspricht, dass er immer dorthin zurückkehren würde. „.. ich war an der Kreuzung. Da unten gibt’s keinen Teufel“ geht der Text weiter, bevor er von seiner Sorglosigkeit berichtet: „Mein Wagen war kaputt. Also ging ich in die Stadt und fand ein billiges Hotel; dort bekam ich ein Zimmer für zwanzig Dollar. Am nächsten Tag wachte ich auf und es war vier Uhr am Nachmittag! Aber ich mach' mir keine Sorgen über Dinge, die ich nicht ändern kann. Ich lass einfach alle glauben, dass ich sie nicht mehr alle hab'..“

Er begleitet sich mit der Gitarre, zwischen manchen Zeilen hört er auf zu singen, macht dafür aber mit der Mundharmonika weiter.

2. I Was Wrong (04:20)
Kevin hat etwas falsch gemacht – was, wird in dem Song nicht verraten – und nun droht ihn seine Freundin zu verlassen. Das ist natürlich keine schöne Sache, so singt er verzweifelt seine Warnung: „wenn du mich verlässt, ist es mit mir zu Ende.“ In der zweiten Strophe fragt er dann mit flehender Stimme, was mit den guten Zeiten ist, die sie gemeinsam erlebt haben und hofft weiter, dass sie „eine solche Kleinigkeit“ nicht zwischen ihre Liebe lässt. Ob das ganze ein HappyEnd findet, ist nicht bekannt. Zumindest schwört er, dass ihre Liebe „größer als Leben und das Universum“ ist. Ich gehe wohl recht der Annahme wenn ich behaupte, dass ein jeder von uns schon einmal einen Fehler gemacht hat, der einen wichtigen Menschen verletzt hat. Von daher kann man sich mit dem Lied problemlos identifizieren.

Im Hintergrund ist ein Schlagzeug sowie ein Klavier zu hören; er selbst begleitet sich mit der Gitarre und einer Mundharmonika. Ist weder ein schneller, noch ein langsamer Track -eher mittelmäßig und dadurch klar zu verstehen.

3. Everything I Need (03:56)
„Everything I Need“ ist ein wahrlich schöner Song, der erinnern soll, dass der eigene Wille und die eigene Gesundheit am wichtigsten ist. „Ich habe kein Geld, keinen Platz zum Schlafen, keine Freunde und auch keine Familie und kein Essen – aber ich klettere immer noch den Berg hinauf, niemand kann mich aufhalten. Denn solange ich mein Herz und meine Seele habe, habe ich alles, was ich brauche.“ Euphorisch singt Keb' diese Zeilen und man kauft es ihm ab.

Begleitet wird er von einem Klavier, einer Trommel, Schlagzeug und seiner Gitarre. Seine Stimme sticht jedoch deutlich hervor und es macht Spaß, dem zu lauschen.

4. Henry (05:19)
Henry ist ein fiktiver(?) Blues-Musiker. Er spielt oft Gitarre und wenn er es tut, kann Keb' plötzlich sowohl seine Zukunft als auch seine Vergangenheit sehen. Er sieht Cotton und die Anfänge vom Blues, sieht eine kleine Kirche auf einem Berg und er hört dann den Delta-Blues spielen, der ihn ruft. Ein schöner und vor allem langsamer Song, bei dem neben seiner Stimme insbesondere die akustische Gitarre zum Vorschein tritt.

5. Soon As I Get Paid (04:37)
„Ist der Hausherr da? Ihre Mastercard ist überzogen. Wir bekommen Geld von ihnen.“ Was Keb' Mo' dazu zu sagen hat? „Sie kriegen ihre Kohle, sobald ich bezahlt werde.“ Bei der Frage, welche Kernaussage dieses Lied hat, bin ich überfragt. Vielleicht soll es den ewigen „Geldkreislauf“ veranschaulichen: man kann nur Geld geben, wenn man welches bekommt. Auf jeden Fall ist es ein recht fröhlicher und abwechslungsreicher Song, da er zwischendurch auch mit einer Dame ausgeht, sie bezahlen lässt und dann nur sagt „Du bekommst es zurück. Sobald ich bezahlt werde.“ Moore singt sehr fröhlich und klingt unbesorgt.

Begleitet wird er von einer Gitarre und einem Schlagzeug, die flott und rhythmisch spielen, sich dabei dem Gesang perfekt anpassen.

6. A Better Man (05:15)
Die Kunst der Selbstmotivation. Nicht darauf zu warten, dass jemand kommt und Anweisungen gibt, sondern sich selbst sagen „nur du kannst dir helfen“ - darum geht es in dem Lied. „Jetzt sitze ich hier mit meinem Problem. Was soll ich tun? Versuchen, es zu lösen? Vielleicht sollte ich die Lösung nicht wissen. Vielleicht ist es mir vorbestimmt, nur zu weinen.“ Im Refrain fängt er sich dann wieder und singt, mit kräftiger und entschlossener Stimme: „Ich mache meine Welt zu einem besseren Platz. Behalte das Lächeln auf meinem Gesicht, unterrichte mich selbst im Verständnis und mach aus mir einen besseren Mann.“

Seine Stimme schwankt. In den Strophen wird sie leiser und wirkt leicht hoffnungslos. Im Refrain singt er dann kraftvoll und fröhlich. Begleitet wird er von einem Schlagzeug und seiner Gitarre; manchmal schaltet sich auch O. Osbourne ein (nicht Ozzy!), der mit ihm singt.

7. Don't Know (04:12)
Kevin hat Probleme mit seiner Frau, die er in diesem Lied mehr oder weniger offen anspricht. Er sagt, dass er und seine Freundin alle Schwierigkeiten ausführlich besprochen und aus der Welt geschafft haben, doch trotzdem ist nichts so, wie es sein sollte. Deshalb fragt er sich, ob er bleiben oder gehen soll – er weiß es nicht. „Bis wir die Antwort kennen: Schicksal ist immer dabei, unser Vertrauen ist im Moment und die Angst ist vorbei.“ Damit endet das Lied.

Der Song ist sehr langsam und wirkt traurig. Man hört nur eine Gitarre und ganz leise ein Klavier im Hintergrund, während Keb' sehr verzweifelt und fragend über seine Gefühle singt.

8. A Letter To Tracy (04:08)
Tracy Chapman ist ein Name, der jedem bekannt sein dürfte und sollte. „A Letter To Tracy“ ist eine Würdigung, ein Tribut von Kevin an Tracy. „Du bist nicht immer ein Engel, Baby. Und ich nicht immer ein Heiliger“ beginnt die zweite Strophe. Vermutlich meint er damit, dass wir alle nicht „unschuldig“ sind. In den vorletzten Zeilen bekundet er dann, dass er keine „Trophäe braucht um zu beweisen, dass er ein Mann“ ist. Er klingt durchgehend ernst (bis zum Ende, da hört man ein Lachen), was den Song insgesamt etwas hart klingen lässt – zumindest im Vergleich zu den anderen.

Begleitet wird er von einem mit Kraft gespieltem Schlagzeug und einer Gitarre, deren Saiten klar und deutlich zu hören sind.

9. Slow Down (04:52)
„Als ich ein junger Mann war, versuchten mir alle zu sagen, dass ich mich zu schnell bewege. Doch ich wusste alles über alles, deshalb wollte ich wirklich nicht auf das hören, was mir ein Haufen alter Leute erzählen wollte. Also ging ich auf die Autobahn, Fuß auf dem Gaspedal, geraucht und getrunken und noch vieles mehr. Doch als sie (die „alten Leute“) mich aus dem Gefängnis abholten sagten sie, dass ich das nächste Mal die Kaution selbst zahlen muss“ - so fängt der sehr amüsante Song an, mit dem sich wohl auch die meisten identifizieren können. Jahre später macht Kevin noch immer Blödsinn, die „alten Leute“ helfen ihm trotzdem aus der Patsche. Irgendwann fährt er dann lässig mit seinem neuen Minivan auf dem Highway, genauso wie er es früher tat. Da beginnen seine Frau und seine Kinder zu schreien und er realisiert, dass er nun Familienvater ist und alles langsam angehen muss..

Er singt sehr fröhlich und klingt selbstironisch. Im Hintergrund hört man Rasseln, Trommeln, eine Mundharmonika und Trompeten. Natürlich fehlt auch die Gitarre nicht. Insgesamt ein sehr stimmungsvoller und positiver Song, der auch Potenzial zum Ohrwurm hat.

10. Rainmaker (04:15)
„Rainmaker“ hat nichts mit Regen und schon gar nichts mit dem Wetter zu tun. Vielmehr ist es eine Metapher für Tränen und für die Gefühlslage. Erneut dreht es sich um eine Frau, die Keb' Mo' das Weinen beigebracht hat. „Ich hätte nie gedacht, dass eine Träne das Auge eines Mannes, der niemals geweint hat, verlassen könnte. Jetzt bin ich froh.. nein, traurig – wegen dem Wetterwechsel (Gefühlswechsel).“ Schöner Song und sehr langsam. Zu hören ist nur eine leise Mundharmonika, ein Klavier und eine Gitarre. Keb' singt langsam und mit viel Gefühl.

11. Love In The Vain (03:05)
.. und da ist er, der Robert Johnson-Song von 1937. Er handelt darüber, dass Kevin bzw. Robert seiner Frau mit einem Koffer zum Bahnhof folgt, sie dort verabschiedet und ihr noch ein letztes Mal in die Augen sieht. Dann beginnt er zu weinen und begreift, dass nun seine ganze Liebe vergebens ist. Wie es auch schon in der Originalaufnahme der Fall ist, begleitet sich Kevin nur mit der Gitarre. Er singt sehr depressiv und wirkt verzweifelt, traurig, als hätte er seine Hoffnung verloren. Mir kommt es in der Tat so vor, als würde er den Song nur singen, um seine eigene Trauer zu lindern und nicht, um ein Publikum zu unterhalten: Super!

12. God Trying To Get Your Attention (04:08)
„Du magst in Sicherheit sein, du magst wiedergeboren werden, du magst ein eigenes Auto mit einer mächtigen Hupe zu haben, vielleicht sind es auch nur Nachrichten im Fernsehen, aber vielleicht versucht Gott auch, dich zu warnen.“ In diesem Lied ruft Keb' also auf, sich Gedanken zu machen und nicht alles so oberflächlich zu sehen. Eventuell steckt hinter einer auf den ersten Blick dümmlichen Nachricht etwas wichtiges, das uns warnen oder aufwecken soll? In diesem Fall ist es Gott, der uns laut Kevin warnt. Ob wir die Warnung sehen oder nicht, ist dann nicht mehr sein Bier.

Moore singt sehr fröhlich und mit viel Schwung. Begleitet wird er von einer Gitarre, Rascheln, Trommeln, Backgroundsängerin. Der Fuß wippt dabei einfach mit – macht Spaß, zu hören und ist ein echter Ohrwurm – ein angenehmer Ohrwurm, wohlgemerkt.

13. I'm Telling You Now (02:36)
„.. und lass die Vergangenheit Vergangenheit sein, die Probleme weit hinten. Und wenn ich dir niemals gesagt habe, wie ich für dich fühle, dann sag ich es dir jetzt..“ lautet der Chorus von diesem sehr langsamen Lied. Einerseits ist das Lied recht traurig, andererseits auch schön. Gegen Ende singt Keb' Mo' mit sanfter, aber schwacher Stimme: „.. und wenn das mein letzter Moment wäre, mein letzter Atemzug, dann würde ich umgeben von Freude und Fröhlichkeit sein.“ Wie er nun über die Person fühlt, wird übrigens nicht verraten. Neben seiner Stimme ist nur eine akustische Gitarre zu hören.

---> Fazit
„Slow Down“ ist ein weiteres, schönes Album von Keb' Mo'. Wie gewohnt besticht es vor allem durch den Emotionsgehalt, durch die vielen akustischen Instrumente, die abwechslungsreichen Lieder und Themen und die Authentizität, die durch Kevins Art zu Singen ausgelöst wird. Einige Ohrwürmer, einiges zum Nachdenken und auf jeden Fall vieles, das man selbst so oder so ähnlich erlebt hat. Fünf Sterne, keine Frage.