Zatoichi - Der blinde Samurai (DVD) Testbericht

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Zatoichi-der-blinde-samurai-dvd-actionfilm
ab 8,40
Auf yopi.de gelistet seit 02/2011

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Erfahrungsbericht von wildheart

„Even with my eyes wide open ...

Pro:

Typisch Kitano, deshalb gut

Kontra:

Nichts

Empfehlung:

Ja

... I can’t see a thing.”

Kann er nun oder kann er nicht – sehen? Zatoichi sieht, wie auch immer. Und Kitano erhebt wohl eine der berühmtesten japanischen Legenden, den ab den 60er Jahren von Katsu Shintaro erfundenen und bis 1997 von ihm auch in etlichen Filmen verkörperten Kämpfer Zatoichi, dessen Geschichten von Kan Shimozawa aufgeschrieben wurden, in den Stand eines nun weltweit bekannten Helden.

Im Spannungsfeld zwischen Blindheit, seherischen Fähigkeiten, die sich nicht nur auf die Kampfkraft und Geschicklichkeit beziehen, und der Frage, ob er nicht vielleicht visuell wahrnehmen kann, streift ein ruhig wirkender Mann, der mit Worten ebenso sparsam, aber auch präzise umgeht wie mit dem Schwert, durch das Japan des 19. Jahrhunderts. Und Kitano ist sich in keiner Weise zu schade, diesen Mann als alten Mann, als einen dem man das Alter am wippenden Gang wie an den blonden Haaren ansieht, zu spielen – den Kopf meist gesenkt, als wenn er blind zur Erde schauen würde, einer, der des öfteren (wie in der Eingangsszene) am Wegesrand sitzt und zu schlafen scheint. Vieles scheint Schein an diesem Helden, einem Masseur und Würfelspieler, der zu den einen freundlich wirkt und sie anlächelt, andere ohne Zögern in Blitzesschnelle ins Jenseits befördert – so etwa die Straßenräuber, die ihm (dem Schlafenden) durch einen Jungen sein Schwert wegnehmen lassen, um Zatoichi den Garaus zu machen, und bis auf wenige, die fliehen, selber das Zeitliche segnen.

Zatoichi schaut seinen Feinden nicht in die Augen; schließlich ist er blind, könnte man sagen. Aber nicht nur das. Er schaut eher dem Schicksal entgegen, an dem es für ihn keinen Zweifel zu geben scheint. Eines Tages, wie es so schön heißt, kommt Zatoichi in ein Nest, in dem rivalisierende Banden miteinander um die Herrschaft ringen und die arbeitenden Bauern und Handwerker ausplündern. Zunächst aber hilft Zatoichi einer Frau beim Tragen, O-Ume, die ihn in ihr Haus aufnimmt und sich eine Massage verpassen lässt. Ihr Holz hackt und stapelt (indem er es über den Rücken nach hinten wirft) der Masseur ebenso präzise, wie er mit dem Schwert umgeht.

Im Dorf herrschen der Bandenführer Ginzo im Verein mit Ogi einerseits, der Clan der Funahachis auf der anderen Seite. Und Ginzo hat sich fest vorgenommen, Funahachi und seine Anhänger auszumerzen. Ein Ronin, Hattori, der Arbeit sucht, um durch das verdiente Geld seiner schwer kranken Frau O-Shino zu helfen, kommt Ginzo gerade recht, als der ihm seine Dienste anbietet. Hattori hat sein Handwerk gelernt.

Noch andere Neuankömmlinge sieht das Dorf, die Geschwister O-Sei und O-Kinu, die als Geishas durchs Land ziehen, wobei O-Sei ein Mann ist, der – um beiden Geld zu verschaffen – als kleiner Junge auf den Strich gegangen war. Sie erzählen Zatoichi, der am Geruch gemerkt hat, dass O-Sei ein Mann ist, ihre Geschichte. Sie suchen nach den Mördern ihrer Eltern, Banditen, die das Vermögen ihrer Familie vor zehn Jahren gestohlen haben.

Und dann wäre da noch der Neffe von O-Ume, der etwas dickliche, sympathische Shinkichi, der seine Zeit lieber in der örtlichen Würfelstube vertreibt und viel Geld verliert, anstatt nützlicheren Tätigkeiten nachzugehen. Zatoichi und Shinkichi kommen sich über das Würfelspiel näher. Denn Zatoichi hört am Fallen der Würfel, ob eine ungerade oder gerade Zahl gewonnen hat. Shinkichi ist begeistert.

Während die Geschwister Ogi als einen derjenigen verdächtigen, der am Mord ihrer Eltern beteiligt war, und ihm seine Dienste anbieten, um Klarheit zu gewinnen, räumt Zatoichi mit dem Schwert in der Würfelstube auf, als man ihn betrügen will. Inzwischen hat Ginzo den Ronin Hattori auf Funahachi und seine Männer angesetzt. Doch Ginzo weiß, dass es noch eine andere Gefahr für seine unumschränkte Herrschaft am Ort gibt: Zatoichi. Im Ort selbst versteckt sich zudem noch jemand, der die wahre Identität Zatoichis kennt und dem der blinde Masseur auf den Fersen ist – bedächtig, behutsam und zielstrebig – wie immer ...

Wer glaubt, diese Geschichte sei bitter ernst, täuscht sich gewaltig. Immer wieder löst Kitano die Brutalität in Komik auf, etwa durch den verrückten dicken Sohn irgendeines Nachbarn von O-Ume, der in knapper Kleidung wild schreiend durch die Gegend rennt, weil er ein Samurai werden will. Oder durch Shinkichi, der drei jungen Dorfbewohnern den Schwertkampf beibringen will (den er selbst nicht beherrscht) und sich dabei (durch eine Übung, die er selbst „erfunden” hat) Prügel einhandelt.

Überhaupt ist der Film ein gelungener Genre-Mix, dem man die Mischung allerdings nicht ansieht, weil die Inszenierung so homogen ist, dass es Freude macht. Kindheitstrauma, Familiengeschichte (Zatoichi, O-Ume, die beiden Geschwister und Shinkichi), Samurai-Film, Komödie – und zum Schluss lässt Kitano das gesamte Ensemble – einschließlich der im Film bereits Getöteten – auf der Bühne zum Tanz antreten, ein ebenso gelungenes wie überraschendes Finale.

Die Dramatik der Samurai-Geschichte – im Dreieck Zatoichi, Hattori, Ginzo – ist für sich genommen klassisch und erinnert in vielem an Kurosawas „Die sieben Sumarai”, aber eben mit der spezifischen Erzählweise und Dramaturgie Kitanos. Die Kampfszenen sind extrem kurz, keine langen Schwertkämpfe, wie man sie aus Martial-Art-Filmen gewohnt ist, dafür in der Knappheit umso effektiver. „Zatoichi” ist kein bluttriefendes Spektakel, sondern in aller erster Linie eine durchdachte, konsequent durchgehaltene Geschichte, in der ein Schwertkämpfer zum Helden eines kleinen Dorfes wird. Die Tragik des Films liegt vor allem in dem Subplot über den Ronin Hattori, der sich auf die Seite der Verbrecher stellt, um seiner Frau zu helfen. Tadanobu Asano, einer der bekanntesten japanischen Jungschauspieler, glänzt in der fast stoisch gespielten Rolle des Hattori.

Wer einen rasanten Schwertkampf-Film erwartet, wird durch „Zatoichi” sicherlich enttäuscht. Das, was an Kampf gezeigt wird, ist allerdings durchaus sehenswert. Kitano legt Wert auf Geschichte und Charaktere, auf eine ihm eigene Mischung aus Tragik und Komik sowie auf eine Moral, die sich nicht in heldenhaft in Szene gesetzten Personen realisiert, sondern sich aus der Geschichte, aus dem Gezeigten selbst ergibt. Gerade der tänzerische und musikalische Schlussakkord lässt spüren, dass Kitano die Sache selbst nicht so ernst nimmt – zumindest nur „zur Hälfte”.

Ein Film voller Gegensätze, voller Zweifel, und doch auch voller Klarheit. Blind oder nicht blind, Samurai, der nicht käuflich ist, kontra Samurai, der sich verkauft hat. Mann als Frau verkleidet. Ein Verbrecher, der sich für etwas anderes ausgibt und im Hintergrund die Fäden zieht. Ein Samurai, der seiner Frau helfen will, aber ihr nur schadet, ein anderer, der einer Frau hilft, indem er das Richtige tut. Eine Linie ist gerade deswegen erkennbar. Ein Hausbau am Schluss zeigt den (filmisch) gelungenen Weg aus der Barbarei und die aus der Geschichte selbst sich erschließende Zusammenfügung einer neuen Familie.


DVD
Sprachen: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Japanisch (mit dt. Untertiteln)
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 16:9, 1.85:1
Dolby, DTS Surround Sound, Surround Sound, PAL

Die von Concorde Home Entertainment im Januar 2005 herausgegebene DVD besticht durch Ton und Bild, wobei ich empfehlen würde, die japanische Originalfassung auf jeden Fall (auch) zu hören. Das Bild mag manchem in den Farben zu schwach sein – im Unterschied z.B. zu Kitanos Film „Dolls” (2002). Was allerdings bei „Dolls” ins „Bild”, das heißt zur Geschichte gepasst hat, passt eben zu der vor allen in matten Grau-, Grün- und Blautönen gefilmten Geschichte um Zatoichi ebenso exzellent.

Bei den Extras findet man neben Trailer, Cast & Crew Infos, einer Fotogalerie und einem in Texttafeln wiedergegebenen Beitrag des Regisseurs zum Film ein ca. 40 Minuten langes Making Of, das sich v.a. auf die Dreharbeiten und ihre verschiedenen, vielfältigen Aspekte konzentriert – eine interessante und oft auch amüsante Ergänzung zum Film, wobei Kitano, Schauspieler und Crew-Mitglieder zu Wort kommen.

Derzeit (21.2.2005) kostet die DVD bei amazon € 14,99, bei jpc € 15,99.

Wertung Film und DVD: 10 von 10 Punkten.

Zatoichi – Der blinde Samurai
(Zatôichi)
Japan 2003, 116 Minuten
Regie: Takeshi Kitano

Drehbuch: Takeshi Kitano, nach den Erzählungen von Kan Shimozawa
Musik: Keiichi Suzuki
Director of Photography: Katsumi Yanagishima
Montage: Takeshi Kitano, Yoshinori Oota
Produktionsdesign: Norihiro Isoda
Darsteller: Takeshi Kitano (Zatoichi / Ichi), Tadanobu Asano (Hattori Genosuke), Michiyo Ookuso (Tante O-Ume), Gadarukanaru Taka (Shinkichi), Daigorô Tachibana (Geisha O-Sei), Yuuko Daike (Geisha O-Kinu), Yui Natsukawa (O-Shino, Hattoris Frau), Ittoku Kishibe (Ginzo), Saburo Ishikura (Boss Ogi), Akira Emoto (Pops, Wirt), Ben Hiura (alter Mann in Kneipe), Kohji Miura (Fürst Sakai), Koji Koike (Boss Funahachi)

Internet Movie Database:
http://german.imdb.com/title/tt0363226


© Ulrich Behrens 2005

60 Bewertungen, 6 Kommentare

  • XXLALF

    13.03.2011, 18:42 Uhr von XXLALF
    Bewertung: besonders wertvoll

    die story hört sich recht interessant an. aber dennoch bin ich kein freund der samurai filme. bw und ganz liebe grüße

  • manu63

    05.10.2010, 17:01 Uhr von manu63
    Bewertung: sehr hilfreich

    viele Grüße von Manuela

  • Estha

    31.05.2006, 12:24 Uhr von Estha
    Bewertung: sehr hilfreich

    .•:*¨¨*:•. ... sh ... .•:*¨¨*:•.

  • myra-belle

    22.02.2005, 16:36 Uhr von myra-belle
    Bewertung: sehr hilfreich

    ich habe den film noch nicht gesehen, habe aber bisher nur gutes davon gehört. dein bericht war ohne kenntnisse des geschehens etwas schwierig zu lesen, da ich die gedankensprünge nicht vollständig nachvollziehen konnte. vielleicht bessert s

  • athomzombie

    22.02.2005, 00:09 Uhr von athomzombie
    Bewertung: sehr hilfreich

    seeßlens lieblingsfilm im letzten jahr, glaube ich. hab ich noch nich gesehn ... ich hadere mit kitano, aber geb ihm noch mal ne chance .-)

  • Bjoern.Becher

    21.02.2005, 21:18 Uhr von Bjoern.Becher
    Bewertung: sehr hilfreich

    Die Haare fand ich aber eher blond, denn silbrig-grau, aber trotzdem ein hervorragender Bericht zu einem sehr guten Film. Mfg Björn.