Die Eleganz des Igels (Taschenbuch) / Muriel Barbery Testbericht

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ab 6,97
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Summe aller Bewertungen
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  durchschnittlich
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  durchschnittlich
  • Stil:  sehr ausschmückend

Erfahrungsbericht von LilithIbi

Den Rückzug antreten um den Kampf zu verweigern....

5
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  durchschnittlich
  • Stil:  ausschmückend
  • Zielgruppe:  Männer

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

„Das Leben hat einen Sinn, den die Erwachsenen gepachtet haben“ ist die universelle Lüge, an die alle glauben müssen. Wenn man im Erwachsenenalter merkt, dass das nicht stimmt, ist es zu spät. Das Rätsel bleibt bestehen, doch die ganze verfügbare Energie ist seit langem mit stupiden Aktivitäten verpufft. Es bleibt einem nur noch, sich so gut wie möglich zu betäuben, indem man versucht, vor sich selbst die Tatsache zu vertuschen, dass man in seinem Leben keinen Sinn sieht, und macht seinen Kindern etwas vor in dem Versuch, sich selbst wirkungsvoller zu überzeugen.“
_(ZITAT; S. 15/16)

Nicht nur jene Zeilen sind es, die mich im momentanen Bestseller

==Die Eleganz des Igels==
in alter Manier betroffen fühlen ließen. Auf jenen Roman wurde ich gegen Ende des letzten Jahres in einer Buchhandlung aufmerksam, konnte mich jedoch nicht zu einem Kauf bewegen, eben weil ich mit Lektüren, die aus Frankreich stammen, oftmals nicht sonderlich viel anfangen kann. Nachdem ich jedoch Dahias Bericht gelesen habe, war es mir ein inneres Bedürfnis, sobald als möglich jene 364 Seiten einmal selbst zu lesen.
DarkShadowTB verdanke ich es, dass dieses Erlebnis nicht sonderlich lange auf sich warten lassen musste ~ nochmal herzlichen Dank dafür.

_Der Inhalt des Romans ist im Grunde kaum nacherzählbar; Dahia fasste es mit den Worten „Ein Buch über Menschen“ zusammen; was eigentlich nicht treffender formuliert werden kann.

„Die Eleganz des Igels“ wird aus zwei Hauptperspektiven erzählt; zum einen ist da die durchaus gebildete Concierge Renée, die sich jedoch dumm stellt um sich an die allgemeine Meinung bezüglich ihrer Stellung anzupassen. Das Leben hat sie schmerzlich schlussfolgern lassen, dass ein niemand ungestraft aus seiner hierarchischen Zugehörigkeit ausbrechen kann.
Gleichso geht es um die 12jährige Paloma, ebenfalls überdurchschnittlich begabt, die sich regelrecht gefangen und ihrer Familie unzugehörig fühlt, nicht weiß, wie sie mit alledem umgehen soll und demnach beschließt, sich an ihrem 13. Geburtstag das Leben zu nehmen.

Palomas Beschreibungen sind oft sarkastisch, zeugen jedoch von einer gewissen Traurigkeit, während Renée nicht umhin kommt, sich ein wenig über die Menschen zu amüsieren, die sich von ihr so leicht täuschen lassen. Gleichermaßen jedoch ist zwischen den Zeilen ebenso eine Sehnsucht erkennbar, eine Sehnsucht jedoch, die Renée sich selbst zu verbieten scheint.

Erst als nach der ungefähren Buchmitte ein neuer Mieter, der ebenfalls verwitwete Kakuro, als neuer Mieter ins Haus zieht, scheint sich Renées Leben beinahe völlig zu ändern. Kakuro schafft es rasch, hinter die Fassade zu blicken, verschwört sich obendrein mit der kleinen Paloma und beschließt, Renèe so richtig auf den Zahn zu fühlen.

Schließlich kommen alle drei sich irgendwie näher; und doch irrt ein jeder, der hier eine elegante Liebesgeschichte mit beinahe einfältigem Happy end erwartet.

==Die Umsetzung==
besteht, wie gesagt, vorrangig aus den sich fast-immer abwechselnden Perspektiven seitens Paloma wie auch Renée, hier und dort erfolgen mehrere kleine Kapitel des gleichen Blickwinkels hintereinander; die Übersichtlichkeit ist jedoch dank der jeweiligen Zwischenüberschriften und dem darüber hinaus anderen Schriftbild zweifelsfrei zu jeder Zeit gegeben.

Anfänglich tat ich mich ein wenig schwer, mich in den hier und dort arg philosophischen Schreibstil hineinzufinden, manches mal erschien mir die Lektüre fast schon zu anspruchsvoll; einmal vertieft jedoch legte ich das Buch zwischendurch nur selten aus der Hand. Viele Absätze sind es wert ~ oder bestehen sogar darauf ~ mehrfach gelesen zu werden, um richtig (nach)wirken zu können; oft verliert man sich in seinen eigenen dazugehörigen Gedankengütern.

Um es nochmal in aller Deutlichkeit zu sagen: in dem Roman passiert im Grunde nicht viel; eine durchweg spannende und abswechslungsreiche Handlung ist so gut wie nicht gegeben. Vielmehr bezieht sich der Inhalt mehr auf die Charaktere, auf deren Seelenleben, deren Vergangenheit, deren Gegenwart und wohl auch vermeintlicher Zukunft.

„Die Eleganz des Igels“ wird auf dem Klappentext als „mitreißende und lebenskluge“ Geschichte ausgewiesen; eine Beschreibung, der ich mich anschließen möchte.
Trotz der fast schon eher bedrückenden Stimmung, die hier vorherrscht, bietet der Roman ausreichenden Anlass zum Schmunzeln: insbesondere die flappsigen Beobachtungen der jungen Paloma sind es, der man immer wieder zustimmen möchte:

„En passant serviere ich Ihnen die Hypothese des Feld-Wald-und-Wiesen-Psychiaters: Colombe ist so chaotisch in ihrem Innern, so leer und gleichzeitig überfüllt, dass sie versucht, Ordnung in sich selbst zu schaffen, indem sie ihr Zimmer aufräumt und sauber macht. Lustig, was? Ich habe shcon lange begriffen, dass Psychiater Spaßvögel sind, die glauben, die Metapher sei etwas für große Weise. In Wirklichkeit ist sie jedem Sechstklässler zugänglich. Doch man muss nur zuhören, wenn Mamas Psychologenfreunde sich über das geringste Wortspiel hermachen, und man muss auch gehört haben, welchen Blödsinn Mama von ihrer Therapie mit nach hause bringt, denn sie erzählt jeder und jedem von ihren Sitzungen beim Psychiater, als sei sie ins Disneyland gegangen.“
_(ZITAT; S. 90)

wie auch

„Wenn ich an die Zeiten denke, als die Jugendlichen in den Toiletten Klebstoff snifften, das war wie Honiglecken. Meine Klassenkameraden ziehen Ectasy rein, wie man Smarties futtert, und das Schlimmste ist, dass es da, wo es Drogen gibt, auch Sex gibt. Sie dürfen sich nicht wundern: man schläft heute sehr früh miteinander. Es gibt Sechstklässler (na gut, nicht viele, aber es gibt trotzdem einige), die schon sexuelle Beziehungen hatten. Das ist sehr bedauerlich. Erstens glaube ich, dass Sex, genau wie die Liebe, etwas Heiliges ist. Ich heiße nicht de Broglie, aber wenn ich über die Pubertät hinaus gelebt hätte, wäre es mir wichtig gewesen, daraus ein wunderbares Sakrament zu machen. Zweitens bleibt ein Teenager, der Erwachsener spielt, srotzdem ein Teenager. Sich vorzustellen, man werde plötzlich zu einer vollwertigen Person, weil man am Abend einen Trip reinzieht und miteinander schläft, ist etwa dasselbe wie zu meinen, eine Verkleidung mache aus einem einen Indianer.“
_(ZITAT; S. 212)


~ „Die Eleganz des Igels“ lässt sich von mir spontan mit keinem anderen Buch vergleichen, welches ähnlich agierte. Der Autorin Muriel Barbery ist meiner Ansicht nach ein Werk gelungen, dass sich völlig von den meisten anderen unterscheidet.

Man selbst hat die ganze Zeit das Gefühl zu wissen, wie sich die Story weiterentwickelt, empfindet sie jedoch trotzdem nicht als voraussehbar, so sehr und oft das bereits Erahnte auch zu- bzw. eintrifft. Viel zu viele Denkanstöße finden in der Lektüre ihren Platz, um mich als Leser nicht in den Bann zu ziehen; mannigfaltige Wahrheiten, denen man sich selbst zwar irgendwo bewusst ist, kommen dergestalt daher, dass man jenes erstmalig wirklich auf die Bewusstseinsebene hievt.
Das Gesamtwerk wimmelt von Erkenntnissen, Weisheiten, Feststellungen wie auch Denkanstößen, ohne dabei zu überladen oder gar belehrend zu wirken.

Vielmehr legt sich eher eine eigentümliche, beinah schwermütige und schier hoffnungslose Stimmung auf den Leser, die sich im Gegenzug dazu ebenso vertraulich und herzerwärmend anfühlt. Um diese scheinbare Ausschließlichkeit nachempfinden zu können, muss man vermutlich selbst das Buch einmal gelesen haben... vergessen wird man es sicherlich nicht mehr.


==Summa summarum==

würde ich die Lektüre jedem empfehlen, der etwas mit stilleren, tiefgründigen Werken anfangen kann, welches darüber hinaus einige (wenn auch wenige) ausführende Passagen bereit hält, denen man nicht unbedingt folgen können muss.
Womöglich bin nur ich selbst an dem ein oder anderen gescheitert, eben weil ich nicht sonderlich gebildet bin und mich erst recht nicht so intensiv mit der Apprehension einer Sache auseinander setzen mag wie die Concierge es anfänglich tat. Offen gestanden hatte ich das Wort Aprprehension zuvor noch nicht einmal gekannt.

Da im weiteren Verlauf des Buches jedoch auf weitere zu analytische Gedankenketten nahezu verzichtet wird, konnte ich mich mehr und mehr mit dem Buch anfreunden ~ um zu guter letzt beinah völlig verstört aus den Zeilen entlassen zu werden.

„Die Eleganz des Igels“ stellt in meinen Augen eine Lektüre dar, die nicht unbedingt einfach ist, die darüber hinaus nicht allzu viele positive Empfindungen hervorruft und trotzdem gleichzeitig wahnsinnig gut zu unterhalten weiß.

„Die Eleganz des Igels“ hinterlässt das Gefühl eines Sommerregens:
„....diese respektvolle Angst, die das Herz erfasst; sich so lächerlich zu fühlen inmitten des Erhabenen, so zerbrechlich und so erfüllt von der Majestät der Dinge, sprachlos, gebannt, hingerissen von der großen Freigebigkeit der Welt.“ (_vgl. S. 259)











„Denn wenn man das morgen fürchtet, dann darum, weil man nicht fähig ist, die Gegenwart aufzubauen, und wenn man nicht fähig ist, die Gegenwart aufzubauen, redet man sich ein, dass man es morgen tun könne, und das geht nicht auf, weil morgen schließlich immer heute wird, verstehen Sie, was ich meine?“
_(ZITAT; S. 141)

30 Bewertungen, 8 Kommentare

  • tina08

    05.02.2010, 15:21 Uhr von tina08
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße .... Tina

  • Polarlicht1960

    02.02.2010, 18:04 Uhr von Polarlicht1960
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH von mir und auch viele liebe Grüße von Larissa

  • WhiskyJim

    02.02.2010, 17:36 Uhr von WhiskyJim
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gruß und einen schönen Tag wünscht Whisky-Jim

  • Skybob

    02.02.2010, 17:22 Uhr von Skybob
    Bewertung: besonders wertvoll

    für mich ein toller Bericht und da gebe ich sehr gern ein BW - GLG Sven

  • NancyNoack

    02.02.2010, 14:42 Uhr von NancyNoack
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH und liebe Grüße aus Berlin

  • cleo1

    02.02.2010, 14:41 Uhr von cleo1
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schöner Bericht. LG cleo1

  • sigrid9979

    02.02.2010, 14:14 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Nett Berichtet..Lg sigi

  • Iris1979

    02.02.2010, 13:54 Uhr von Iris1979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Super Bericht. LG Iris