Australia (DVD) Testbericht

Es gibt sie noch, die epischen Leinwandabenteuer, die uns bewusst machen, warum es überhaupt Kinos gibt. Machen wir uns nichts vor: Den größten Teil der in den letzten Jahren angelaufenen Filme könnte man genauso gut in den heimischen vier Wänden ansehen, ein entsprechendes Heimkino Equipment einmal vorausgesetzt. Seit die lukrative Zweitvermarktung über DVD / Blu-Ray nur noch wenige Monate nach Erscheinen eines Streifens in den Lichtspielhäusern einsetzt, muss man sich da noch nicht einmal besonders lange gedulden.
Es waren gewiss viele sehenswerte Movies darunter, aber wann wurde zuletzt schon mal die Größe der Leinwand so richtig ausgenutzt, um sich als Zuschauer mit Haut und Haaren darin verlieren zu können? Hektische Schnitte, Action-Gedöns, seichte Komödien oder Kammerspiele kann man sich fast ohne Stimmungseinbußen auch zuhause ankucken, es sei denn man steht auf das Geraschel und Getuschel links und rechts, das nur mühsam unterdrückte Husten, das Gekicher angeheiterter Teenager, den Duft von frisch gerösteten Popcorn, die Schattenrisse von Kinogängern mit schwacher Blase usw. usf.

Okay, ihr merkt ich gehe gern ins Kino, denn unabhängig von der Qualität des gezeigten Streifens ist das Flair dort nun mal einmalig und auch in keiner häuslichen Umgebung vergleichbar zu simulieren.
Nichtsdestoweniger fehlten mir zuletzt wie erwähnt die XXL-Filme, die Cinemascope-Szenerien, die geeignet sind, einen vollkommen zu fesseln und die Wirklichkeit vergessen zu machen. Aber seit 25.12.2008 ist es wieder so weit: "Australia" vom Regisseur Baz Luhrmann ("William Shakespeares Romeo & Julia") verspricht genau das, was die wahrhaft großen Leinwandepen auszeichnet: Romantik, Abenteuer, Action, Dramatik vor traumhafter Kulisse.

=> Die Handlung (in aller Kürze)
Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erbt die britische Aristokratin Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) die Farm ihres Mannes und muss deshalb nach Australien reisen. Als nur ein Viehtrieb durch den gefährlichen, unwegsamen Outback den Besitz retten kann, benötigt sie die tatkräftige Unterstützung eines raubeinigen Viehtreibers (Hugh Jackman). Tragische Umstände lassen die Adlige zur Beschützerin eines 8-jährigen Aborigine-Jungen werden. Gemeinsam durchqueren sie das Outback, um später in Darwin das Bombardement der Japaner erleben.

=> Meine Filmkritik
Was Regisseur Luz Luhrmann in seinen Monumentalfilm hineinpackt, sind eigentlich alles Zutaten, die den Kinokenner mit der Zunge schnalzen lassen. Ein opulenten Bilderreigen mit großen Gefühlen, dramatische Verwicklungen, aufregenden Abenteuern, politischen Verwicklungen und das alles vor der großartigen Kulisse der australischen Landschaft.

Und Luhrmann lässt sich Zeit, viel Zeit. In knapp 3 Stunden baut er so viele Handlungsstränge auf, dass man sich mitunter verzweifelt fragt, ob es nicht ein paar weniger auch getan hätten.
Trotz bombastischer, bildgewaltiger Kamerafahrten wirkt der Beginn wie eine Klamotte. Die Konfrontation der unterkühlten Aristokratin mit den rauen Sitten des Landes ist zu slapstickartig und eines wahren Hollywood-Klassikers nicht würdig. Fast beiläufig entwickeln sich die tragischen Ereignisse, in deren Folge aus der linkischen Adligen schließlich die Heilige wird, die einen selbstlosen Kampf gegen soziale Schranken führt.

Hugh Jackman ist also angeblich der "Sexiest Man Alive" (hatte wahrscheinlich Glück, dass ich nicht zur Auswahl stand *lach*). Nun gut, ich bin nicht Frau genug, um das realistisch einschätzen zu können. Er ist ganz sicher keine visuelle Zumutung, aber darüber hinaus bin ich zu keinen weiteren enthusiastischen Äußerungen bereit. Ich hätte ihn jedenfalls nicht küssen mögen, aber ich kam ja auch nicht in die Verlegenheit, sondern Nicole Kidman, die ich als Schauspielerin sehr schätze, aber keineswegs als Sexgöttin betrachte. Was an dem gegenseitigen Näherkommen bis zum unausweichlichen Sich-In-Die-Arme-Sinken nun also so prickelnd erotisch sein soll, wie manche Kinogängerin begeistert verkündete, erschließt sich mir nicht.
Herrn Jackman bin ich bislang noch nie bewusst in einer Hauptrolle auf der Leinwand begegnet, er macht seine Sache recht ordentlich und auch der Kidman kann ich nichts Negatives unterstellen. Allein das Drehbuch und die Dialoge lassen keine besondere emotionale Bindung zu den beiden entstehen und auch die Blicke und Gesten der liebenden Akteure wirken eher professionell als von großer Leidenschaft entflammt.

Erst als die von Nicole Kidman dargestellte Lady Ashley den kleinen Aborigine-Jungen Nullah (Brandon Walter in seiner allerersten Rolle überhaupt) adoptiert, schlägt der Film ernstere Töne an und gewinnt zunehmend an Fahrt und Spannung. Leider ist die große Linie der Story nur allzu vorhersehbar und das Schwarz-Weiß-Schema der Gut- und Böse-Menschen völlig übertrieben. Es gibt nur absolut edle Protagonisten und absolut Fiese. NATÜRLICH wird aus der anfänglichen Neckerei zwischen Lady und Viehtreiber schon bald die ganz große Liebe, NATÜRLICH versuchen die Bösen alles Mögliche (NATÜRLICH möglichst kompliziert und hintenrum), um die Guten in ihrem Tun zu behindern und NATÜRLICH gewinnen zu Guterletzt die Guten auf ganzer Linie.
Leider gelingt es den Drehbuchschreibern genauso wenig wie den Akteuren vor und hinter der Kamera nur selten, große Gefühle zu vermitteln. Selbst die sicher gutgemeinte Kritik an der seinerzeit gängigen Praxis in Australien der Zwangsassimilierung von meist "halbblütigen" Aborigines Kindern (Stolen Generations) ist eher ein halbherziger Aufhänger für einen weiteren Handlungsbogen. So sitzt man da, beobachtet eher uninteressiert und distanziert das Treiben auf der Leinwand und fragt sich unwillkürlich, ob es nicht ein Dokumentarfilm über Australien nebst der x-ten Wiederholung von "Jenseits von Afrika" viel besser getan hätten.

Dass der Kinobesuch für mich nicht gänzlich zur Enttäuschung geriet, lag vor allem an den wirklich grandiosen Landschaftsaufnahmen, dem tollen Soundtrack und den herrlich großen, melancholischen Kulleraugen des kleinen Aborigine Nullah. Und immerhin wurde "Australia" mir trotz seiner 166 min Lauflänge nicht wirklich langweilig. Aber kurzweilig bedeutet eben nicht toll und so schwanke ich in meiner Bewertung zwischen 2 und 3 Sternen. Mit dem Abstand von einigen Tagen gebe ich die mildere Bewertung, wohl wissend dass das Gros der Kinogänger dieses Epos entweder hassen oder lieben wird.

Euer Mr. Andrew