Der Kruzifix-Killer Testbericht

Chris Carters Thriller-Erstling "Der Kruzifix Killer" sprang mir mit seinem markanten Cover mit dem roten Doppelkreuz dieses Frühjahr immer wieder ins Auge. So die ganz große Lust das Buch zu lesen, hatte ich nicht, da mir in den letzten Jahren in der einschlägigen Literatursparte schon genug Leute ans Kreuz genagelt wurden. So mein Vorurteil.

Dann hatte ich einen Gutschein für Karstadt und da das Warenangebot dort gerade eher gering ist und das Buchangebot katastrophal, endete der Thriller dann doch in meiner Einkaufstasche (in der Zwischenzeit hatte ich positive Leserstimmen vernommen).

Der positiven Stimmung kann ich mich nicht ganz anschließen. Einmal mehr habe ich festgestellt, dass ein Autor mit Vorbildung auf dem Kriminalsektor (Carter studierte forensische Psychologie und arbeitete dann zeitweise für die Staatsanwaltschaft) nicht gleich ein guter Schreiberling ist.

Die Handlung ist das übliche. Zum siebenhundertunddrölfzigsten mal sind zwei Polizisten auf Serienkillerjagd in Los Angeles. Garcia ist ein junger Anfänger, der aber nicht doof ist. An seinem ersten Tag bei der Mordkommission gerät er sofort an einen Serienkillerfall. Dieser metzelt sich in bester Hostel- oder Saw-schlächtermanier durch ganz verschiedene Opfer, zwischen denen offenbar kein Zusammenhang besteht. Der zweite Ermittler im Bunde, Robert Hunter, ist bereits ein alter Bekannter des Killers, denn dieser ist nach einer Pause wieder zurückgekehrt. Hunter vertritt den Typus des einsamen Wolfes, der kein wirkliches Privatleben hat und seit der ersten Morde an Schlaflosigkeit und verstärktem Alkoholkonsum leidet. Trotz anfänglicher Vorbehalte finden die beiden Ermittler schnell zueinander - vielleicht hätte hier ein wenig Reibung gut getan. Zwar sind die beiden Charaktere durchaus sympathisch, aber sie bleiben dem Leser trotzdem fern. Es ist schwer Anknüpfungspunkte zu finden.

Der Killer ist ein Kreativling. Im Gegensatz zu vielen seiner Berufskollegen folgt er keinem Modus Operandi, sondern denkt sich gern etwas Neues auf. Ihm sind psychische Qualen fast noch wichtiger als die körperlichen Schmerzen, die er seinen Opfern in endlosen Foltersessions zufügt, bevor sie sterben. Hier wird gewohnt dick aufgetragen - heutzutage geht es ohne bluttriefende Makabermorde anscheinend gar nicht mehr. So tritt den der Mörder auch regelmäßig mit Hunter per Handy in Kontakt, denn auch die Qualen des frustrierten Ermittlers scheinen ihm wichtig zu sein. Neuerdings fordert er Hunter auch immer wieder zu Spielchen auf.

Ein Knaller in Sachen Originalität ist dieser Thriller also sicherlich nicht, milde ausgedrückt. Der Autor hat relativ konventionelle, bereits bekannte und oft ausgelutschte Elemente zusammen getackert und neu verwurstet, weshalb sich also wieder einmal eine Figur nur ein Kreuz abholen durfte, um dran festgenagelt zu werden (hab ich doch gesagt, oder?!). Kann man ja machen, aber dann sollte man wenigstens gut schreiben. Eine kleine Ablenkung entsteht durch eine Nebenhandlung, die aus den Mordermittlungen entspringt, vom Einheitsbrei ablenkt und Hunter am Ende vielleicht eine Ecke und eine Kante verleiht. Im Grunde ist dieser Teil überflüssig, aber da ich am Ende fast vermute, dass das urtypische Duo Hunter/Garcia noch in Serie gehen wird, sollte der Versuch Figurenentwicklung zu betreiben, vielleicht einfach begrüßt werden. Wer der Killer ist, habe ich mir leider sehr schnell zusammenstricken können, sein Motiv ist nachvollziehbar, trotzdem kommt mir das alles sehr konstruiert vor.

Was mich stellenweise genervt hat, waren die erzählerischen Mängel. Wozu brauche ich einen Cliffhanger, wenn dieser nach einer Absatzschaltung sofort aufgelöst wird? Warum muss ich mir über zwei Seiten durchlesen, wo eine bestimmte Figur geboren wurde, zur Schule ging, studiert hat und nun arbeitet? Mehr Mitleid für die Opfer etwa? Kann funktionieren, hier langweilt es. Man kommt sich vor, als würde man im TV eine Werbeeinblendung ertragen müssen. Gewisse Aspekte sind, denke ich, durch die Übersetzung entstanden. An zwei / drei Stellen habe ich Seitenhiebe gefunden, die einen englischunkundigen Leser ziemlich irritieren dürften, weil die Textstellen im Deutschen ihren Sinn verlieren. Richtig auf den Geist ging es mir aber, wenn Hunter einen Geistesblitz hatte, wild in seinem Papier wühlte. Klar, dass sich hier die Ermittlungen weiter entwickelten, aber der Leser wird allein gelassen und Hunters Idee wird dann pflichtgemäß herunter gespult. Das kann ein interessantes Mittel zur Spannungserzeugung sein, sollte aber nicht inflationär eingesetzt werden. So habe ich das Gefühl, dass der Autor pure Effekthascherei betreibt.

Trotz der Mängel kann man nicht verleugnen, dass das Buch ganz spannend zu lesen ist, wenn man nicht zu viel erwartet. Nach einem 800seitigem Fantasywäscher, war dieser kleine Krimi mal eine recht nette Abwechslung für einen warmen Sommertag.