Dezembersturm (Taschenbuch) / Iny Lorentz Testbericht

=== Um was geht es? ===

Ostpreußen, 1875: Lore von Trettin ist zwar Enkelin eines wohlhabenden Großvaters. Allerdings geraten sie und ihre Familie von Beginn an in den Zwist um das Erbe, dass der Großvater einmal zu hinterlassen hat. Die Erbfolge berücksichtigt nur direkte männlich Nachfahren, der der alte Nikolaus von Trettin nicht hat. Seine einzige Tochter hat einen Landlehrer gehreitatet, und so ist der Onkel Lores der nächste Erbe. Dieser setzt allerdings schon zu Lebzeiten alles daran, frühzeitig den Erbbesitz in seine Finger zu bekommen: Mit Gerichtsbeschluss besiegelt muss Nikolaus von Trettin alle seine Güter dem Onkel aushändigen und fristet sein Dasein in einem ärmlichen Jagdhaus.
Lores Eltern und ihre Geschwister kommen bei einem mysteriösen Feuer allesamt ums Leben, sodass Lore zu ihrem Großvater zeiht und ihm im Haushalt behilflich ist. Auch hier bedrängt der Erbonkel den Großvater weiterhin, ihm angeblich zur Seite gelegtes Vermögen auszuhändigen. Doch zum einen gibt es dieses nicht, zum anderen würde der Großvater dem Raffzahn von Verwandte keinen müden Taler können. Ihm ist aber klar, dass, sollte ihm etwas zustoßen, Lore dem Onkel ausgeliefert sein würde und der Onkel bzw. seine Frau allen Hass an Lore auslassen würde.
In aller Heimlichkeit macht der Großvater seinen restlichen Besitz zu Geld, verkauft sein Jagdhaus und bildet so einen Grundstock, um Lore aus den Fängen des Erbonkels zu befreien: Diese soll in die vereinigten Staaten reisen und mit dem kleinen Vermögen, dass er zusammengespart hat, fern von der Verwandtschaft ihr eigenes Leben leben.
In aller Heimlichkeit macht sie sich mit einer Bediensteten auf den Weg nach Bremen , wird aber schon hier von dieser um ihr Reisegepäck und scheinbar auch um die Geldmittel betrogen. Alleine muss sie die Fahrt auf dem Dampfer Deutschland antreten, trifft allerdings hier auf einen Adeligen mit seiner mehr als verzogenen Enkelin, der seinerseits ein alter Bekannter des Großvaters ist.
Im Sturm läuft die DEUTSCHLAND aber auf einer Sandbank auf, die viele Passagiere, darunter der Adelige, kommen ums Leben. Lore und die kleine Enkelin können sich retten und Lore kümmert sich auch weiterhin um diese. Damit rutsch sie aber auch in einen Erbstreit, der im Vergleich zu den Problemen zu Hause absolut skrupellos abläuft und bei dem auch vor Mord nicht zurückgeschreckt wird.





== Meinung ==


Büchner aus der Adelsgesellschaft Ostdeutschlands des frühen Kaiserreiches haben durchaus schon gezeigt, dass die Leserschaft diese begierig verschlingt.
Das Problem der Figuren in diesem Buch freilich ist durchgehend, dass diese im Vergleich zu andere Iny Lorenz - Bücher blass, bisweilen fad wirken. Es fehlt der Hauptdarstellerin das Esprit der anderen Hauptdarstellerinnen der großen Romanerfolge, es fehlt den Guten wie den Bösen das Etwas mehr an Eigenständigkeit und Charakter, um diese von den bloßen Schubladenfiguren lösen zu können, wirken nicht aufgeschärft.
Insofern wirkt auch die spätere Liebschaft und Beziehung Lores zu einem verwandten eher weniger romantisch, als es sein sollte und könnte, weniger naheliegend als die Handlung des Buches es notwendig machen könnte, weniger ergreifend, als das in diesem Genre so üblich ist und somit in Summe nur wenig überzeugend.
Zwar mag der arme aber doch durch und durch ordentliche Onkel Fridolin auch so seine guten Seiten haben: Aber weder als Retter, als Adeliger, als Freund, als Leibhaber oder Erfolgsgarant für die Zukunft kann er in der vorliegenden Form herhalten. Er ist dazu in der Anlage seiner Rolle eben nicht überzeugend genug. Und auch der böse, böse Erbonkel ist zwar erkenntlich dieser Seite zuzuordnen, für einen erfolgreichen bösen Onkel fehlt ihm aber auch Witz und geistige Größe und es mag sich dem einen oder anderen Leser die Frage stellen, wie ein Krautjunker (abfällige Bezeichnung zur damaligen Zeit über die östlichen Adeligen mit Landbesitz) mit diesen Eigenschaften der nur mittelschwer ausgeprägten Bauernschläue zum anerkanntesten Menschen des Landkreises werden konnte.
Schön sind auch diverse sozialen Projekte, die von handelnden Personen angestoßen werden, so ganz zeitgemäß sind sie aber nicht und wirken durchaus aufgesetzt, nicht aber authentisch.


Das Autorenpaar Lorenz hat mit dem Buch Dezembersturm (passend dazu auch im Dezember 2010 auf dem Buchmarkt eingeführt) zwar einen profunden und gut gemacht historischen Roman aufgelegt, der aber bei weitem nicht die Klasse der Bücher wie "Die Wanderhure" oder "Die Ketzerbraut" erreichen kann, schlicht weil weder Handlung noch Personen wirklich die Bannkraft erreichen, wie diese in den vorhergenannten Büchern durchgehend vorhanden war.



== Das Autorenpaar INY LORENZ ==

Das hinter einem Namen gleich zwei Autoren stecken, ist zwar nicht gänzlich neu, aber doch weiterhin so selten, dass es erwähnenswert scheint.
Wer hinter diesem Pseudonym steckt, hatte ich schon zum Bericht "Die Ketzerbraut" beschrieben.
Iny und Elmar Lorentz ist die Bezeichnung des Autorenpaares, bürgerlich heißen beide Ingrid Klocke und Elmar Wolrath.
In den bisherigen Büchern, die dem breiten Publikum bekannt geworden sind und von diesen in Massen verschlungen werden, stand vor allem das Mittelalter im Vordergrund. Mit dem Buch "Dezembersturm" öffnen sie den Zugang zu einer neuen zeitlichen Epoche, der späten Neuzeit.
Infos allgemein findet ihr unter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Iny_Lorentz

Direkte Informationen finden sich weiterhin unter: http://www.iny-lorentz.de/



== Angaben zum Buch ==
Dezembersturm
Droemer/Knaur
2009
540 S.
ISBN-13: 9783426504055
ISBN-10: 3426504057


Der Nachfolgeband ist ebenfalls schon im Buchhandel unter dem Titel "Aprilgewitter" zu haben.



== Fazit ==
Handfester historischer Lesestoff, das ist der neue Band von Iny Lorenz "Dezembersturm". Nicht überraschen kann, dass im Gegensatz zum zeitgleich erschienenen Buch "Die Ketzerbraut" dieses Buch als Taschenbuch aufgelegt wurde und nicht als hochpreisiges Hardcover - Buch.
Auch wenn ich nichts direkt dazu gefunden habe, werde ich den Verdacht nicht los, dass "Dezembersturm" ein Frühwerk sein muss, dass aufgrund des Erfolges des Autorennamens entweder nochmals aufgelegt worden ist oder aber als Manuskript dienlich war, auf der Erfolgswelle die Verkaufszahlen des Autorenpaares nochmals zu puschen.


Nicht wirklich schlecht enttäuscht dieses Buch aber ein wenig die Leser, die die großen Erfolge des Autorenpaares verschlungen habe.

Michael