Vergebung (Taschenbuch) / Stieg Larsson Testbericht

Stieg Larsson Vergebung Originaltitel: Luftslottet som sprängdes – Das gesprengte Luftschloss

*** Vorbemerkungen: Neues aus der Gerüchteküche ***

Den dritten Band muss man nach dem zweiten zwangsläufig lesen, da der zweite geradezu nahtlos in den dritten übergeht und keinen echten eigenen Abschluss bildet.
Aus den vorherigen Buchbesprechungen weiß mein lieber Leser ja schon alles über den Autor, daher diesmal nur Neuigkeiten, inhaltlich entnommen dem Feuilletonteil der SZ vom 23./24. Januar 2010 „Der Plot und seine Sprache“.

In diesem Beitrag wird die Frage gestellt, ob Stieg Larsson seine Bücher selber formuliert oder jemand anders für ihn die sprachliche Darstellung übernommen hat. Mehrere frühere Kollegen behaupten nämlich unabhängig voneinander, dass Stieg Larsson einfach nicht schreiben konnte, was Wortfolge, Satzaufbau und Syntax beträfe.
Angenommen, dem wäre so, dann stellt sich die Frage, wer die Ideenfülle, die Erfahrungen, die gründlichen Recherchen, das Material von Stieg Larsson in die doch recht gute sprachliche Form gebracht haben könnte.
Eigentlich bliebe dann als Lösung nur eine Möglichkeit. Stieg Larsson müsste mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Eva Gabrielsson ein Autorenteam à la Nicci French gebildet haben.

Damit würde erst recht verständlich, warum ein erbitterter Kampf zwischen der Verwandtschaft und Eva Gabrielsson um die Honorare der vergangenen Jahre, mindestens 15 Millionen Euro aber auch um die Herausgabe des Laptops, entbrannt ist. Andererseits, da Eva Garbielsson über den Laptop ihres Lebensgefährten bzw. ihren gemeinsamen Laptop verfügt, besteht erst recht die Möglichkeit, dass sie die Arbeit an der zehnteiligen Reihe um Millennium zu mindestens um die bereits vorhandenen Buchteile weiterführt.
Natürlich kann dies erst geschehen, wenn eine verbindliche rechtliche Einigung mit der Verwandtschaft Stieg Larssons erzielt worden ist.
Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir eines Tages doch noch weiteres über Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander erfahren, vielleicht sogar, was es mit ihrer Schwester Camilla auf sich hat. Also, Daumen drücken und hoffen, dass aus der vermeintlichen Trilogie doch noch eine mehrteilige Folge wird. 10 Bände werden es wohl nie werden, da nach bisherigen Informationen z.B. der 4. Band nur fragmentarisch, hingegen der 5. Band stofflich vollständig als Plot vorhanden sein soll. Lassen wir uns überraschen, was der Laptop Eva Gabrielssons und sie selbst noch so her gibt.


*** Inhaltsanriss ***


Wer den zweiten Band noch nicht gelesen haben sollte, darf auf keinen Fall mit dem dritten, Vergebung, beginnen. Die Spannung für den zweiten, Verdammnis, litte darunter, aber auch das Verständnis für den dritten würde erheblich erschwert werden. Der deutsche Titel Vergebung ergibt für mich außer der Weiterführung der V-Reihe keinen Sinn, die Übersetzung des schwedischen Titels: Das Luftschloss, das gesprengt wurde, hingegen hat inhaltlichen Bezug, auch wenn dieser mehrdeutig ist.
Nach der Rettung in letzter Sekunde durch das beherzte Eingreifen Mikael Blomkvist liegen Lisbeth Salander und ihr mörderischer Erzeuger recht dicht nebeneinander im Krankenhaus.
Zunächst scheinen die Vorteile in der Fortführung des tödlichen Duells ziemlich deutlich auf der Seite Alexander Zalatschenkos, ihres Vaters zu liegen, wird Lisbeth doch nach wie vor des Mordanschlags auf ihn verdächtigt und muss nach einer Notoperation medizinisch erst einmal die schlimmsten Folgen ihrer drei Schussverletzungen durch Papi, Hüfte, Schulterblatt und vor allem Kopfschuss, auskurieren.

Zwar blieben auch Lisbeths Gegenwehrmaßnahmen mit Holzbeil nicht ohne Folgen für Zalatschenko, doch schon sehr rasch erholt sich dieser von seinen Verletzungen und plant sein mörderisches Werk endgültig zu vollenden.
Trotz aller zusätzlicher Aufklärungsarbeit durch Mikael Blomkvist wird die Zeit knapp, Lisbeths Unschuld in wesentlichen Punkten zu beweisen und die Verschwörungen um den schwedischen Geheimdienst in Verbindung mit Zalatschenko aufzudecken. Nicht nur Zalatschenko, auch Mitarbeiter dieses Geheimdienstes trachten Lisbeth, aber auch Mikael Blomkvist nach dem Leben, ganz zu schweigen von dem immer noch auf freiem Fuß sich befindenden Mehrfachmörder Ronald Niedermann, dem schmerzunempfindlichen blonden Riesen, dem Halbbruder Lisbeths.

Nun, zu viel Spannung nehme ich sicherlich nicht vorweg, wenn ich hier verrate, dass Zalatschenko den Bogen überspannt und seine Geheimdienstpartner etwas unterschätzt in ihrem Bestreben, sich nicht länger mehr als Aufräumtruppe für seine Untaten benutzen zu lassen. Dieser Irrtum erweist sich als tödlich und verschafft Lisbeth eine weitere Galgenfrist, um zu überleben und dann zu gesunden.
Diesen Aufschub nutzt sie obwohl unter Bewachung im Krankenhaus recht geschickt zur Kommunikation über ihren Palm Tungsten T3 und einem sich in ihrer Nähe befindlichen Handy drahtlos per Bluetooth per Internet.
Trotz ihrer misslichen Lage läuft sie wieder einmal zu Hackerhochtouren auf und zusammen mit Mikael Blomkvist sind sie ihren Gegenspielern immer einen kleinen Schritt voraus.

Doch wird es beiden gelingen, sich gegen Staatsanwaltschaft, Geheimdienstsektion, Zalatschenkos Gefolgschaft zu behaupten und sich vor allem von der immer noch lauernden tödlichen Gefahr eines zu allem fähigen Ronald Niedermanns zu befreien?
Den Leser erwartet auf jeden Fall wieder einmal ein dramatisches actionreiches sehr spannendes Finale, das Duell zwischen Bruder und Schwester, welches mit teilweise recht ungewöhnlichen Kampfmitteln entschieden wird.

Ach ja, Lisbeth Salander lässt am Schluss auch Mikael Blomkvist wieder in ihr Leben, was eigentlich heißt, dass die Geschichte noch weitergehen müsste.


*** Wertung bzw. eigene Gedanken zum Buch ***

Auch für den dritten Band bevorzugte ich die Taschenbuchausgabe. Schade finde ich auch hier, dass in Deutschland andere Cover als für Schweden genutzt wurden. 9,95 Euro ist der Lesespaß auf jeden Fall wert. Manche Buchkritiker kreiden Larsson an, zu viele Charaktere der SiPo und ihres geheimen Zirkels zu ausführlich dargestellt zu haben, wodurch der Roman phasenweise zu langatmig würde.

Diese Meinung teile ich nicht. Die psychologische Wirkung der Taten ist eine ganz andere, wenn ich zuvor eine Beziehung zur fiktiven Person aufgebaut habe. Das Verhältnis von Psychologie und Handlungsdichte ist generell ein schwieriges Unterfangen, weil auch die Welt der Leser, ihre Auffassungsgabe, Fantasie und Vorstellungskraft entscheidend für die Wirkung eines Romans ist. Einen Roman zu schreiben, der allen Lesern in gleichem Ausmaße gefällt, ist nahezu unmöglich. Im Grunde kommen Autorenteams am ehesten dem Ziel nahe, z.B. sowohl bei Frauen und Männern als Leser ein gleich hohes Maß an Zustimmung zu erreichen. Dieses Argument spräche sogar als Indiz, dass vielleicht Stieg Larsson seinen Roman nicht ganz alleine geschrieben hat.
Mir gefällt abgesehen von den dramatischen Entwicklungen, den psychologisch stimmigen dargestellten, teilweise extremen Persönlichkeiten die Vielfalt der angerissenen gesellschaftlichen Problemfragen. Brauchen wir geheime Polizeiapparate, in welchem Ausmaße und wer kontrolliert diese und wer dann wieder die Kontrolleure? Sind die Gefahren seitens dieser sich der demokratischen Kontrolle entziehenden Dienste nicht vielleicht genau so groß oder größer als der angebliche Nutzen für die Sicherheit des Staates bzw. seiner Bürger?

Einmal begonnen konnte ich mit dem Buch nicht mehr aufhören und bin geradezu süchtig nach weiteren Geschichten um Lisbeth Salander geworden. Ich gebe daher eine klare Leseempfehlung für alle erwachsenen Leser ab, 5 Sternchen so wie so und gebe die Hoffnung nicht auf, dass vielleicht doch noch eine Episode um Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander folgt.
Vielleicht wird mir diese Wartezeit durch eine den Romanen etwas nähere TV-Verfilmung des zweiten und dritten Teiles erleichtert, denn eine Kinofilmfassung kann wie die Verfilmung von Verblendung zeigt, diesen Anspruch nicht erfüllen.

Ich freue mich auf eure Kommentare und Meinungen.