Stronghold (PC Strategiespiel) Testbericht

Stronghold-pc-strategiespiel
ab 8,82
Auf yopi.de gelistet seit 12/2008

5 Sterne
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4 Sterne
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Erfahrungsbericht von Art_Decay

Freibier für alle!

Pro:

detailverliebt und motivierend

Kontra:

technisch veraltet

Empfehlung:

Ja

Ich bin wahrlich kein Freund in Echtzeit ablaufender Aufbaustrategiespiele – Genrevertreter wie die infamosen „Siedler“ lösen bei mir bestenfalls gelangweiltes Schulterzucken, schlimmstenfalls das dringende Bedürfnis, mich in mein Bett zu kuscheln und einzudösen, aus. Umso mehr hat es mich verwundert, als ich „Stronghold“ von den Firefly Studios – unter anderem verantwortlich für die „Caesar“-Reihe – angespielt habe. Ich habe nichts erwartet und wurde großzügig entlohnt; das war Liebe auf den ersten Klick...

Worum es bei „Stronghold“ geht? Nun, streng genommen ist es genau der Typ von Spiel, den ich so sehr hasse. Du hast ein Fleckchen Land im Mittelalter, musst eine funktionstüchtige Wirtschaft hochziehen und schließlich mit den erwirtschafteten Ressourcen eine Burg bauen und meistens auch gegen einen oder gar mehrere Computergegner verteidigen. Der Wirtschaftspart ist wichtig und es werden auch einige Minuten vergehen, bis die Nahrungsmittelproduktion angekurbelt ist und der Ochsenkarren Steine aus dem nahegelegenen Steinbruch herankarrt. Der Schwerpunkt des Spiels allerdings liegt im kreativen Burgengestalten. Selten hat es mir jemals so einen Spaß bereitet, akribisch zu planen, mit kribbelnden Fingern auf die benötigten Rohstoffe zu warten und dann – endlich! – das Bollwerk zu errichten.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Spiel zu genießen. Zum einen wäre da wohl die Militärkampagne mit insgesamt 21 Missionen, über die ich gleich noch etliche Worte verliere. Des weiteren gibt es eine kurze Wirtschaftskampagne, die lediglich 5 Missionen umfasst. Hier darf man den Burgenbau vernachlässigen und muss stattdessen unter Zeitdruck eine bestimmte Menge bestimmter Rohstoffe fördern. Klingt relativ einfach und unspektakulär, ist jedoch teilweise unverschämt schwer. Wer beide Kampagnen durchgespielt hat, dem bieten sich noch eine Reihe von Einzelmissionen, deren Ziel es ist eine bestimmte Burg – oftmals nach dem Vorbild einer wirklich existierenden „nachgebaut“! – entweder einzunehmen oder zu halten. Oder man baut sich ungestört von allen Bösewichten einfach seine Traumburg im Modus „freies Bauen“ (und hetzt sich bei Bedarf eben jene Bösewichte selbst auf den Leib).
Zudem gibt es noch einen netten Szenarioeditor für alle angehenden Spieldesigner.
Ein Mehrspielermodus wurde dem Spiel selbstverständlich auch spendiert, inklusive Internetspiel via Gamespy – hier allerdings enden meine Erfahrungen, denn im Netzwerk oder Internet habe ich mich bislang nicht mit anderen Burgherren gemessen...

Zurück also zur Militärkampagne. In diesen 21 Missionen, die nett durch eine unspektakuläre, aber dem Ganzen einen angemessenen Rahmen verleihende, Hintergrundgeschichte verknüpft sind gilt es, gegen vier Computergegner zu bestehen und einen Landstrich, der in verschiedene Grafschaften unterteilt ist, komplett zu erobern. Das Missionsdesign ist vielfältig; meist werden Aufbau- und Verteidigungsanteil überaus ausgewogen in die Missionen integriert; später darf man dann auch selbst belagern, anstatt immer nur belagert zu werden. Militär- und Wirtschaftskampagne wurden mit insgesamt vier Schwierigkeitsgraden bedacht, so dass vom Anfänger bis zum Vollblutzocker ein jeder Burgherr bedienet ist – zumindest den einfachsten Schwierigkeitsgrad habe ich auch schon als zu einfach empfunden; wer also ein wenig Erfahrung mit dieser Art Spiel hat, darf gleich bei „normal“ bleiben. „Schwierig“ und „sehr schwierig“ machen ihren Namen allerdings alle Ehre. Die Intelligenz der Computergegner hat mich wenig beeindruckt. So ließ sich beispielsweise der Geschosshagel durch feindliche Katapulte größtenteils dadurch umgehen, indem ich weit vor der eigentlich zu erobernden Burg einen dicken Holzwall aufstellte. Statt auf meine Burg zu feuern, zerbröselten die Katapulte erst einmal gemütlich eben diesen Holzwall, nur um kurz darauf selbst von meinen Mannen zerbröselt zu werden. Und das, ohne auch nur einmal meine Mauern mit ihren Geschossen gekratzt zu haben. Dennoch: meist sind die Gegner in der Überzahl und die reine Masse macht so eine Belagerung schon zur gefährlichen Sache.

Nett fand ich auch, dass das Spiel den Burgherren in spe langsam an seine verantwortungsvolle Aufgabe heranführt – so startet man im frühen Mittelalter mit der Möglichkeit, gerade mal Bogenschützen und Holzwälle zu bauen. Mit zunehmender Missionszahl steigt auch die Vielfalt produzierbarer Einheiten, Steinmauern kommen hinzu, neue Gebäude und so weiter... Das sorgt nicht nur für eine stetig wachsende Lernkurve, sondern auch für ungeheure Motivation im Sinne von „was mir wohl in der nächsten Mission neues zur Verfügung stehen wird?“

Es ließe sich die gesamte Spielmechanik hier ausbreiten, was jedoch zu einem überlangen Bericht und Ermüdungserscheinungen Deinerseits führen würde. Schauen wir uns stattdessen einfach mal an, wie ein typischer Arbeitstag im Leben eines Burgherren aussieht:
Nach Platzierung meines Bergfriedes und meines Lebensmittellagers kümmere ich mich erst einmal um grundlegende Rohstoffe: um mit Holz für den Bau weiterer Gebäude versorgt zu sein, errichte ich ein paar Holzfällerhütten. Während die Holzfäller fröhlich pfeifend ihrer Arbeit nachgehen, lasse ich ein paar Jäger Nahrung heranschaffen. Gleichzeitig lege ich etliche Getreidefarmen an, baue eine Mühle und eine Bäckerei, um die Bevölkerung zusätzlich noch mit Brot zu versorgen. Im nahegelegenen Steinbruch lasse ich auch arbeiten; Ochsenkarren bringen mir die Steine ins Materiallager. Mittlerweile scheinen alle meine Untertanen recht beschäftigt zu sein, also errichte ich zusätzliche Wohnstätten, um die Zahl der möglichen Arbeiter und Soldaten zu erhöhen. Da mein Volk recht zufrieden ist, beschließe ich, es ein wenig auszubeuten und erhebe Steuern. Das gefällt ihnen nicht sonderlich (und sorgt, wenn ich es denn übertreibe, dafür, dass niemand mehr in meine Siedlung einwandert oder - noch schlimmer - dass meine Untertanen auswandern), bringt aber Gold in die Staatskasse. Gleichzeitig erhöhe ich die Rationen – denn Lebensmittel habe ich gerade genug auf Lager. Ein satter Untertan ist ein zufriedener Untertan, selbst wenn sein Burgherr im die Moneten aus der Tasche zieht! Vom eingenommenen Gold (das ich übrigens auch verdienen kann, in dem ich überschüssige Waren auf dem extra dazu errichteten Marktplatz feilbiete) wird die Rüstungsindustrie angekurbelt. Bogenmacher, Waffenkammer und Kasernen sorgen dafür, dass ich keinerlei Bedrohung fürchten muss. Gleichzeitig ziehe ich mit den abgebauten Steinen einen dicken Wall um meine Feste, auf dem ich meine frisch rekrutierten Bogenschützen abstelle. Möge der Feind sich an meiner Feste die Zähne ausbeißen!

Nun denn, das war wahrlich ein kleiner Ausschnitt, der jedoch ganz gut geeignet ist, die Spielmechanik zumindest andeutungsweise zu durchleuchten. In der Tat wurde sehr viel aufs Detail geachtet – die Zufriedenheit meiner Bevölkerung beispielsweise lässt sich durch Steuern, Rationierung der Lebensmittel, Drohungen (wie etwa einem schicken Galgen auf dem Markplatz) oder allerlei feinen Dingen (beispielsweise dem Bau von Kirchen oder – noch besser – Freibier für alle!) beeinflussen. Etliche unerwartete Ereignisse (die Pest, Diebe in der Kornkammer, verdorrte Ernten, unter mysteriösen Umständen verschiedene Kühe... BSE im Mittelalter?), meist dann eintretend, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann, führen zu häufigem Raufen des Haupthaars... alles in allem grandios detailverliebt und dennoch recht unkompliziert zu bedienen.

Weniger detailverliebt präsentiert sich allerdings die Grafik. Oder besser gesagt: die Details sind da, wurden allerdings schlampig zusammengepappt. Denn wenn die Untertanen mit gerade mal vier Animationsstufen ihres Weges gehen, dann fühlt man sich – vor allem, wenn man die Spielgeschwindigkeit auf ein Minimum reduziert – gleich ein paar Jahre zurückversetzt. Teilweise haben die „Age of Empires“-Titel schönere Animationen. Allerdings führen diese Einsparungen auch dazu, dass „Stronghold“ schon auf einem Pentium II mit 300 MHz laufen soll. Dennoch: die Grafik ist alles andere als zeitgemäß, leider.
Auch mit der Soundausgabe gibt es auf vielen Rechnern Probleme: im Spiel selbst läuft alles wie geschmiert, nur in den Zwischensequenzen scheint die Sprachausgabe über die eigenen Füße zu stolpern. Teilweise klingt das nach schlechtem Radioempfang, also einfach unschön. Glücklicherweise kann man den gesprochenen Text gleichzeitig mitlesen – man verpasst also nichts.

Trotzdem – und hier kommen wir endlich zum Schluss – begeistert „Stronghold“ als toller Aufbau/Schlachtenhybride, der selbst einen Echtzeitaufbaumuffel wie mich restlos begeistert. Schöne Missionen, äußerste Detailverliebtheit und viele verschiedene Spielmodi sorgen für massenweise Spielspaß. Und wer alles schon gesehen hat, der beschafft sich einfach das Add-On „Stronghold Crusader“ und reist als Burgherr ins gelobte Land, um den Sarazenen mal zu zeigen, was ’ne Harke ist.

Mehr als 10,- € muss man für das Spiel auch nicht mehr hinlegen – bei eBay bin ich für 1,50 € fündig geworden. Und zu dem Preis kann man auch über alle technischen Schwächen hinwegblicken, oder?

9 von 10 Punkten!


Thomas Faust, 23.01.2004

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