Die Wahrheit über Alice (gebundene Ausgabe) / Rebecca James Testbericht

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ab 6,73
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Summe aller Bewertungen
  • Handlung:  sehr spannend
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  ausschmückend

Erfahrungsbericht von LilithIbi

"Ich wäre unsichtbar geworden."

3
  • Niveau:  durchschnittlich
  • Unterhaltungswert:  durchschnittlich
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  kein Humor
  • Stil:  ausschmückend
  • Zielgruppe:  jedermann

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

„Als die Polizei eintrifft und die Gegend absucht, sind die Typen längst verschwunden. Sie haben Rachel einfach liegen gelassen, auf dem Rücken und im Dreck, wie ein Tier. Einer der Polizisten versichert dir, dass sie friedlich aussieht, dass ihr kaltes, totes Gesicht einen gelassenen und ruhigen Ausdruck trägt. Das lässt hoffen, so sagt er, dass sie nicht mehr mitbekommen hat, was passiert ist. Sie wusste nicht, dass du sie da zurückgelassen hast. Allein mit ihnen.“
'''(Zitat, S. 192)'''

Aufgrund obigem Textauszuges könnte der potentiell Interessierte jetzt davon ausgehen, dass die gesamten 320 Seiten inmitten Rebecca James's Roman

===“Die Wahrheit über Alice“=== in der Du-Erzählperspektive verfasst seien und die zweifellose Intensität sich ebenfalls über das komplette Werk erstrecken.
Dem ist leider nicht so.

Trotzdessen mir bewusst ist, dass es sich hier um ein Werk handelt, welches sich eher an Jugendliche denn an erwachsene Leser richtet, vermisste ich persönlich hier und dort einen geraderen Erzählstrang. Darüber hinaus tat sich vereinzelt der Eindruck auf, als würde die Autorin ihrer Zielgruppe zu wenig zutrauen; so dass sie seitenlang Hinweise hinterlässt, die die Protagonisten Katherine auf Teufel komm raus nicht versteht, der Leser indes jedoch schon ungeduldig am Sofakissen zupft.
Während schon der Buchtitel an sich eine rigorose Andeutung hinterlässt, dass das plötzliche Interesse von der allseits beliebten Schülerin Alice an Katherine nicht auf einen Verlauf voller Güte und Hoffnung stecken dürfte, erschienen mir letztgenannte sowie die weitere Figur Robbie in manchen Situationen ein wenig unglaubwürdig bzw. von Anfang an zu sehr in Richtung „happy end“ gepusht.

_„Die Wahrheit über Alice“_ beginnt mit einem Kapitel, in der die Ereignisse, die in dem Roman eine Rolle spielen, bereits 5 Jahre zurückliegen. Katherine ist inzwischen Mutter, dass der Kindsvater wie auch Alice tot sind, offenbar die Lektüre bereits in den ersten Zeilen.

Von dort an erfolgt förmlich im Wechselspiel eine Rückblende, während im weiteren Verlauf überdies nach und nach herauskommt, auf welches vermeintlich düstere Geheimnis um Katherine bzw. ihre Schwester Rachel das Buch immer wieder und wieder anspielt. Für meinem Geschmack übertreibt die Verfasserin es ein wenig mit den mannigfaltigen Andeutungen, bremst ihre an für sich sehr emotional-verstörende Geschichte selbst immer wieder unnötig aus, statt wie gewollt die Spannung zu erhöhen.

Passagen wie

„Mein Therapeut sagt, wir müssen reden. Und in jenem endlosen langen Jahr, nachdem Rachel getötet worden war, habe ich versucht, über das Geschehene zu reden, meine Traurigkeit zum Ausdruck zu bringen, unseren Verlust in Worte zu fassen, mich meiner Verzweiflung zu stellen. Aber Dad weigerte sich, zuzuhören, und Mum fiel mir ins Wort, wechselte das Thema, und wenn ich nicht locker ließ, fing sie an zu weinen und verließ den Raum. Also gab ich auf.“
'''(Zitat, S. 29)'''

gehen durch und durch unter die Haut, bringen den tragischen Tenor auf eine der verteilten Spitzen und verleihen dem Werk die nötige Tiefe; während insbesondere im letzten Buchdrittel alles ein wenig zu romantisch-praktisch-gut ~ und damit leider unglaubwürdig ~ abläuft.
Ohne jetzt all jene Details beim Namen zu nennen, „störte“ mich schon die plötzliche Wendung der Stimmung während eines Restaurantbesuches. Alice, Katherine und Robbie treffen auf einen Exfreund von Alice, dessen weibliche Begleitung jene nicht davon abhält, absichtlich lediglich teilverdeckt unter dem Tisch ihre Avancen zu starten.
Generell handelt das Buch im Grunde genommen von den zwei Seiten der Titelfigur: auf der einen Seite erscheint sie dem Rest des Trios durch und durch liebenswert, auf der anderen Seite hingegen weiß sie um alle Schwächen und Verletzlichkeiten ihrer „Freunde“, um jene bei sich ihr passend erscheinender Gelegenheit rücksichtslos anzugreifen.
In vorgenannter Szene kracht es im Restaurant schließlich gewaltig ~ umso verblüffender für mich somit, dass nach einer kurzen Drüber-Hinweg-Gehung alles wieder auf Friede getrimmt ist und die 5 auf einmal den Abend gemeinsam fortsetzen und offenkundig Gefallen daran finden.

Was ich für meinen Teil in der Lektüre vermisse, ist ein Erklärungsansatz für das psychologisch als manische Depression erkennbare Muster. Zwar löst sich zum Buchende der gesamte Hintergrund auf (der dem Leser schon 3-5 Seiten, bevor es auch bei Katherine „klick“ machte, klar war), doch so wirklich glücklich bin ich mit _„Die Wahrheit über Alice“_ nicht.

Positiv hervorzuheben definitiv einige gefühlvolle Szenerien, die dem Leser eine Gänsehaut verursachen, während die nachfolgenden durchaus erwähnenswerter kritischer Natur sind und speziell an TV-Formate wie _„Prominent“_ erinnern:

„Und als Rachel noch am Leben war, wollten die Zeitungen dauernd was über sie bringen und sich in ihrem Glanz sonnen. Alle naselang gab es Artikel über „Melbournes Wunderkind“. Sie waren begeistert, solange Rachel am Leben war. Aber nach ihrer Ermordung änderte sich alles. Plötzlich fielen sie über uns her und wurden unsere Feinde. Wir waren nicht mehr die Familie, auf die Melbourne stolz war, nein , auf einmal waren wir die ruhmsüchtige, furchtbare, egoistische Familie, über die jeder gerne herzog.“
'''(Zitat, 143-144)'''

Leider ist es Rebecca James meines persönlichen Empfindens nach nicht gelungen, die im Leser verursachte Faszination und zugleich Abscheu Alice gegenüber aufrecht zu erhalten. Zu sehr muss man sich manchesmal über Aktion und Reaktion von Katherine, Robbie und im weiteren Verlauf Philippa wundern, um so richtig mitleiden zu können. Ich will nicht von der Hand weisen, dass Persönlichkeiten wie Alice eine echte Herausforderung darstellen und ich ebenso verfahren würde wie Katherine, die Alice weiterhin die Treue halten will, gerade weil diese nicht einfach ist und somit mehrfach „abserviert“ wurde. Über den Umstand, dass sich diese Information rigoros von dem „beliebteste Mädchen auf der Schule“ Status unterscheidet, die dem Leser anfänglich eingeimpft wurde, will ich mal getrost hinwegsehen.
Ebenso kann ich nachvollziehen, unter welcher Schockstarre Katherine mehrfach steht, als Alice ihr Spiel weiterhin zu perfektionieren versteht.
Knackpunkt vielmehr der, dass alle drei Charaktere, so erwachsen und reif sie an anderer Stelle agieren, viel zu schnell wieder in die gleiche Falle tappen. Vorrangig Philippa ist es, die mir somit etwas zu Grübeln gibt ~ soll heißen: die Wendung, die der Restaurantbesuch nimmt, kaufe ich dem Buch fürwahr nicht ab.

Die Schwerpunkte der Schuldfrage, der damit verbundenen Last, Trauerarbeit und nicht zuletzt dem sich-erlauben-könnens, nach vorne zu blicken und glücklich zu werden, sind die zentralen Themen, die Rebecca James durch die Bank gelungen sind. Die Tiefgründigkeit wie auch Weisheit, die hinter vielen Zeilen steckt, tröstet mich immens über die ~ in meinen Augen ~ kleineren Patzer hinweg.
Dass Katherine mit 18 Jahren Mutter wird, ist dem Leser bereits auf der ersten Seite klar, so dass ich an dieser Stelle kaum etwas vorweg nehme, wenn ich offenbare, dass mich die elterliche Reaktion auf jene Hiobsbotschaft ebenfalls ein wenig irritiert hat. Schön und gut, wenn sich jemand freut, früh Großmutter zu werden ~ doch der plötzliche Wortschwall bezüglich Rachels Tod und der eigenen Art, damit (falsch?) umgegangen zu sein... der brachte mich persönlich wiederum eher zum seufzen.
Dass es die ganze Zeit über scheinbar niemand für nötig befand, nach dem absolvierten Schwangerschaftstest einmal zum Frauenarzt zu gehen, naturgemäß ebenfalls.

Allem vorgenannten zum Trotz sagte mir der Roman im Großen und Ganzen zu; wirklich empfehlen würde ich es jedoch eher bedingt.
Generell weiß _„Die Wahrheit über Alice“_ durchaus zu fesseln. Der Umstand jedoch, dass die einstigen Geschehnisse in diversen Rückblenden und nicht zuletzt Teiläußerungen wieder und wieder angedeutet werden, erscheint ~ überspitzt formuliert ~ fast schon als Füllstoff missbraucht. Was die (An)Spannung schüren sollte, weckte in mir persönlich eher Ungeduld und ansatzweise Genervtheit. Ob dies allerdings tatsächlich von einem ungeschickten oder doch eher raffinierten Schreibstil zeugt, ist mir indes selbst noch nicht so ganz klar.

Fakt ist, dass die Autorin von _„Die Wahrheit über Alice“_ stellenweise zu vergessen scheint, an welches Lesealter sie sich generell wenden wollte. So ernsthaft und schonungslos offen viele Passagen sind, so sehr verblüfft es, wie akribisch die Wendung zum Guten eingeschlagen wurde. Der Schrecken über einzelne Taten und damit verbundene Auswirkungen bleibt zweifellos bestehen; wohingegen für meinen Geschmack die stete Abmilderung dem Psycho-Drama seine absolut-tragische Nachwirkung nimmt.
Es scheint, als hätte Rebecca James sich zu guter Letzt nicht „getraut“, dem jugendlichen Leserkreis allzu viel zuzumuten, als hätte sie unbedingt noch ein Flämmchen Trost, das altbekannte Licht am Ende des Tunnels hinterherschieben müssen.

Weiterhin für mich persönlich bedauerlich, dass die spezielle Eindringlichkeit durch die in lediglich einem Kapitel benutzte Du-Form nicht im Gesamtwerk angewendet wurde.

===Summa summarum=== überzeugt die zwischenmenschliche Brutalität zweifellos und verfehlt ebensowenig an verstörender Wirkung für den Leser. Vereinzelt mag man den Protagonisten zwar einen Schritt voraus gewesen zu sein, während andererseits genug Überraschungen und Wendungen für einen weiteren Unterkiefer-Runterklapp-Moment sorgen. Die Bedrohlichkeit, die von Alice ausgeht, ist durchweg spürbar; überdies trifft es den Leser selbst an empfindlichster Stelle, sofern dieser bereit dazu ist, sich regelrecht in die Ereignisse hineinzufühlen.

Punktabzug somit lediglich dahingehend, dass _„Die Wahrheit über Alice“_ insgesamt etwas unausgewogen wirkt; hier und dort zu dick gen Naivität aufgetragen wird. So „stört“ mich selbst einerseits die 100%ig funktionierende _„Liebe auf den ersten Blick“_ Geschichte ~ nicht, dass ich an solcherlei nicht glauben würde, doch (fast) alles weitere läuft meines Ermessens nach ein wenig zu glatt ab. Damit, dass zwischendurch scheinbar niemand mehr zur Schule gehen muss, kann ich durchaus noch leben ~ doch mit dem Aspekt, wie perfektionistisch die Beziehung zwischen Katherine und ihrem _„wir kennen uns schon einen halben Tag, also kann ich mich von dir ja auch entjungfern lassen weil ich dich so sehr liebe“_ dargestellt wird, gehe ich ganz und gar nicht konform.

Nichtsdestotrotz verleihe ich dem Büchlein aufgrund seiner wunderbare Eignung für einen erneut viel zu kalten Nachmittag 4 Sternchen nebst einer Neutralitätsempfehlung. Einen Fehler macht man mit dem Griff zu diesem Buch definitiv nicht, sollte sich jedoch bewusst sein, dass die Autorin ihren Lesern schlussendlich doch nicht allzu viel Härte zumuten wollte.

32 Bewertungen, 6 Kommentare

  • sirikit06

    11.02.2012, 23:16 Uhr von sirikit06
    Bewertung: besonders wertvoll

    Wünsche Dir einen schönen Abend! LG

  • senora

    11.02.2012, 23:15 Uhr von senora
    Bewertung: besonders wertvoll

    Einen winterlichen Gruß aus Hamburg

  • Miraculix1967

    11.02.2012, 18:15 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schönes Wochenende und lieben Gruß Nr. 1 für heute aus dem gallischen Dorf Miraculix1967

  • XXLALF

    11.02.2012, 18:06 Uhr von XXLALF
    Bewertung: besonders wertvoll

    ...und ein wunderschönes wochenende

  • 0Laggy0

    11.02.2012, 18:00 Uhr von 0Laggy0
    Bewertung: sehr hilfreich

    Lieben Gruß. vom Laggy

  • anonym

    11.02.2012, 14:54 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    Prima vorgestellt, Saludos Negerle