Cassina Maralunga Testbericht

Zeit für einen Bericht. Heute dreht sich alles um italienisches Design Mitte der 70er Jahre. Genauer gesagt dreht sich der heutige Bericht um das Maralunga Sofasystem von Vico Magistretti. Der Italiener hat es im Jahre 1973 entworfen und es wird bis heute von der Mailander Firma Cassina produziert.


Zur Marke Cassina:

Cassina hat im Querschnitt gesehen viele Entwürfe führender Designikonen lizenziert. So wird beispielsweise der Red-Blue Chair von Gerrit Rietveld exklusiv von Cassina vertrieben (und hat auch nur von diesem Hersteller einen echten, hohen Stellenwert im Gegensatz zu vielen dilettantischen Nachbauten oder anonymen Gesellenstücken). Cassina hat sich generell einer der exklusivsten Designer-Sammlungen ergattern und legt deren Entwürfe bis heute erfolgreich neu auf. Zahlreiche Entwürfe von Le Corbusier wie die LC-Modelle (prominentestes Modell wohl die LC4-Liege aber auch die LC2 und LC3 Variante), aber auch der Revers Stuhl von Andrea Banzi, aber auch Tische von Gianfranco Frattini oder aber der Sessel Wink vom Japaner TOSHIJUKI KITA zählen zu diesen Errungenschaften.


Insgesamt kann die Marke Cassina vollkommen zurecht als Blue Chip der Designerwelt angesehen werden (Blue Chip steht für solide Wertanlage, Bonität, Sicherheit und stammt ursprünglich aus der Casinowelt, da die „besten“ Chips, also die wertvollsten, in blau gehalten waren.

Erfahrungen:

Ich selbst bin auf den Entwurf von Vico Magistretti im Laufe der Zeit gestoßen. In meiner Heimat tauchen Entwürfe des Designer selten bis gar nicht auf und so war es für mich ein geschichtsträchtiger Spätsommertag in der Region um Bad Dürkheim, als ich ein Maralunga Sofa erstmals sah und mich sofort in den Entwurf verliebte. Bis heute schätze ich auch landschaftlich die Region um Neustadt an der Weinstraße sehr und freue mich immer wieder beruflich auch dort tätig sein zu dürfen. Denn durch die Strahlungsweite von BASF finden sich in dieser Region um der wenig schönen Stadt Ludwigshafen viel tolle Kunststoffausführungen wie Verner Pantons, Ernest Igl etc.


Auch ein Teil der Sofagarnitur Maralunga ist in Polyurethan gehalten, nämlich die Unterseite der Sofas und des Ottomanen. Das System Maralunga 975 gibt es nämlich nicht nur als 3-Sitzer, 2-Sitzer, Sessel, sondern eben auch als Ottoman. Das System bleibt dabei aber immer bestehen: Die Rückenlehnen sowie die Seitenteile lassen sich je nach Belieben im Handumdrehen hoch- bzw. herunterklappen.
Herstellerangaben:
„Sessel, Hocker und Sofas mit Stahlgestell und Sockel aus schwarzem Plastikgleiter.
Füllung aus FCKW-freiem Polyurethanschaumstoff und Polyesterwatte.
Sitzkissen aus Polyurethan und Polyesterwatte.
Rückenlehne mit Kopfstütze, die mit einem einfachen Griff hoch- oder runtergeklappt werden kann. Die Sofas haben unabhängige, einzeln verstellbare Kopfstützen für alle Sitzplätze.
Bezug aus Stoff oder Leder.“
http://www.architonic.com/de/pmsht/675-maralunga-cassina/1020488

Der Entwurf Maralunga ist einfach durch und durch gelungen, in sich stimmig und sehr harmonisch. Man bemerkt beim Platznehmen einfach die enorm hohe Qualität die Cassina an den Tag legt und auch Modelle aus den 70er Jahren sind bei pfleglichem Gebrauch bis heute noch nicht wirklich im renovierungsbedürftigen Vintage-Look. Ich würde gerne mal die Zeit vordrehen und sehen, wie Polstergarnituren führender Möbelhäuser in 40 Jahren bei intensiver Beanspruchung aussehen. Sicherlich nicht so gut wie viele die von Cassina.

Die Qualität von Cassina hat aber auch ihren – man bemerke – stattlichen Neupreis. Denn für ein Maralunga zahlt man je nach Bezugstoff und Farbvariante 5000 Euro aufwärts. Die Stoffvariante ist in diesem Segment angesiedelt, die Lederversion hingegen fängt erst bei 25 % on top an. Es ist jedoch anzumerken, dass die Ledervariante auch einen viel geringen Wertverfall hat und auch im gebrauchten Zustand noch gute Zuschläge von 1000 Euro+ erhält. Klar ist das im ersten momentan ein wahnsinniger Wertverlust, aber eine Sofagarnitur ist eben auch ein Gebrauchsgegenstand und hatten einen dementsprechenden Wertverlust wie auch ein Auto bei entsprechender Nutzung.


Generell gilt jedoch festzuhalten, dass das Maralunga eines der gefragtesten Entwürfe Vico Magistrettis im breitgefächerten Interessenfeld ist. Die Stuhlentwürfe Gaudi oder Selene, die er für die ebenfalls italienische Firma Artemide (die eher für ihren formschönen Lampenentwürfe bekannt ist), sind keine wirklich Wertanlage und daher auch nicht beständig.

Das Proleten-Design der LC2- und LC3-Entwürfe – an für sich ein sehr schöner, stilvoller und zeitloser Entwurf - , die von Cassina aufgelegt werden haben ebenfalls einen soliden Anlagewert, jedoch zeugt es nicht gerade von Geschmack sich damit zu bestücken, da es jeder besitzen möchte. Die LC-Entwürfe sind somit eine Art Einstiegsdesigndroge, auf der viele hängen bleiben. Das Maralunga ist meines Erachtens viel gehaltvoller, weil harmonischer proportioniert.

Der Sitzkomfort ist gigantisch und die Verarbeitung aller erste Güteklasse. Ich finde den Mechanismus, der auch beim Entwurf Veranda von Magistretti verwendet worden ist, einfach ungemein praktisch. Heruntergeklappt hat das Sofasystem einen völligen neuen Look als in aufgerichteter Position. Momentan ist sogar ein Wertanstieg auch gebrauchter Maralungas festzustellen, sodass mal wieder intuitiv richtigerweise azyklisch gehandelt wurde und ein Verkauf mit einem Gewinn zu Buche schlagen wird.


Fazit:

Insgesamt gesehen, kann ich daher das Maralunga ohne Murren empfehlen. Es ist einfach ein edler, ausgefeilter Entwurf. Kein Sofa von der Stange, sondern ein erlesenes Designaushängestück. Vico Magistretti hat bewiesen, dass in den 70er Jahren nicht nur Plastik-Fantastik oder aber bunte, schrille, psychodelische Entwürfe Erfolg versprechen musste. Bravo.