Erlösung (Taschenbuch) / Jussi Olson Adler Testbericht

Erloesung-taschenbuch
ab 7,69
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Erfahrungsbericht von LilithIbi

"Dem fürchterlichen Wissen um das, was er ihnen antun würde."

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

_„Der jüngste Mann an Bord des Kutters „BrewDog“ hatte sofort gesehen, dass es keine gewöhnliche Flasche war. „Schmeiß sie wieder ins Meer, Seamus!“, rief der Skipper, als er den Zettel in der Flasche entdeckte._ _„Solche Flaschen bringen Unglück. Bei uns heißen die Flaschenpest. Der Teufel steckt in der Tinte und wartet nur darauf, freigelassen zu werden._ _Du kennst doch die Geschichten!“ Aber der junge Seamus kannte die Geschichten nicht und beschloss, David Bell die Flasche zu geben.“_
'''(Zitat, S. 22)'''

~ Auch ich persönlich kannte bis dato weder jene Legende, noch war ich mit einem der Veröffentlichungen seitens Jussi Adler Olsen vertraut. Dass das 588seitige Taschenbuch

===“Erlösung“=== darüber hinaus eigentlich den dritten Fall für die literarische Figur Carl Mørk behandelt, offenbarte sich mehr in der damit verbundenen Teilproblematik erst Seite um Seite. Soll heißen: mir fiel es hier schwer, mich in die unterschiedlichen Figuren, die untereinandrigen Konstellationen wie auch gemeinsame Vergangenheiten einzufinden. Wer ist wer, was tut er und warum, welche Verbindungen gibt es... es braucht ein gewisses Maß an Zeit, Geduld wie auch Konzentration, sich in sämtliche Nebenhandlungen hineinzfinden; worüberhinaus die Frage, ob man nicht gut daran getan hätte, mit den beiden Vorgängerwerken anzufangen, nicht lange auf sich warten lässt.

Ebenfalls erschwerend gesellt sich der Aspekt hinzu, dass Jussi Adler Olsen nicht, wie der Klappentext es suggeriert, einen einzelnen Fall, respektive eine einzelne Mordserie zum Themenmittelpunkt machte. Vielmehr geht es, ähnlich wie in diversen TV-Formaten aka _„CSI“_ und _„Bones“_ um gleich zwei Fälle, gepaart mit dem ein oder anderen grenzwertig überbordenden Ausflug in die Privatleben der jeweiligen Protagonisten ~was mich für meinen Teil ebenfalls an die 3. Staffel von „Bones“ denken ließ. Im Klartext formuliert bedeutet dies für den Leser eine recht ausgeprägte Aufmerksamkeitsspanne; ferner sollte man meiner persönlichen Erfahrung nach keine allzu großen Lesepausen einlegen.

Was jedoch kaum schwer fallen dürfte.

Dank des bereits sehr fesselnden Prologs geht von dem Thriller rund um einen Serienmörder ein immenser Sog aus, besticht schnell durch gelungene Wortwitze, Situationskomik und schlagfertige Sprüche, ohne die notwendige Ernsthaftigkeit nebst Emotionalität je aus den Augen zu verlieren.

Dem entgegen steht bedauerlicherweise der Umstand, dass der Fall, mit dem das Buch sich selbst bewirbt, hin und wieder zu sehr in den Hintergrund gerät. Die Flaschenpost, die eingangs benannt wird, stammt von zwei entführten Jungen, die ein einem Boothaus mehrere Tage gefangen gehalten werden. Nervenzerfetzend im eigentümlichen Sinne fürwahr, dass jene gefundene Flasche jahrelang unbeachtet im Polizeipräsidium auf einer Fensterbank vor sich hindümpelt ~ ohne Hilfe von König Zufall hätte vermutlich niemand jenem Strandgut weitere Beachtung geschenkt. Doch kaum einmal angefangen, den inzwischen stark verblichenen Brief zu entziffern, lässt die Sache Carl Mørk zwar durchaus gut schlafen; seine Assistenten Rose und Assad hingegen umso weniger.

Es dauert ein wenig, bis der Fall ins tatsächliche Rollen gerät ~ um keine allzu große Langatmigkeit aufflammen zu lassen, versorgt der Autor Jussi Adler Olsen den Leser rundherum mit Informationen, die dieser aus mehreren verschiedenen Blickwinkeln zusammensetzen kann. Dass der Zeitablauf hierbei schon beinahe zwangsweise nicht immer absolut chronologisch sein kann, liegt zum einen auf der Hand, übt sich zum anderen keinesfalls erschwerlich auf den Leseprozess aus. Ganz im Gegenteil: hätte ich nicht zwischendurch den Zug wechseln bzw. schlicht und ergreifend etwas anders machen müssen, so hätte ich die Lektüre womöglcih an einem Stück durchgelesen.

Das auf dem Klappentext vorzufindende Urteil seitens der „Nordjyske Stiftstidende“ verspricht hier nicht zu viel: unabstreitbar tut sich ein _„faszinierendes Bild eines kaltblütigen Kidnappers“_ auf; _„der charmante Psychopath, der alles unter Kontrolle hat“_ erwischte auch mich als Leser des öfteren derart eiskalt, dass ich mich myself dabei ertappte, wie sehr ich auch für ihn mitfieberte.

Entschuldigung, ich weiß, das gehört sich nicht ~ aber dennoch: von der ganzen Art des Täters, von der bewundernswerten Raffinesse, mit der dieser vorgeht... war, bin und bleibe ich vehement beeindruckt.

Nicht minder berührend, bewegend und zugleich verstörend die Ausflüge in die Vergangenheit, um nicht zu sagen: verstörende und „begründende“ Kindheit des Entführers. Erfreulicherweise ist _„Erlösung“_ weit davon entfernt, das Motiv gen „ich hatte eine schwere Kindheit“ zurechtzubiegen und somit gen trantütig zu kasteien. Stattdessen kann man jene durchaus akzeptieren, in einem gewissen Spielraum nachvollziehen und intensiviert die umstrittenen Gefühle dem bis zuletzt quasi namenlosen Täter unfreiwillig.

Wie sehr man über dein eingedeutschen Titel des Buches, welches eigentlich _„Flakepost fra P“_ (somit _„Flaschenpost von P“_) geheißen hat, debattieren kann, zeigt sich mitunter an den eingeflochtenen Lerngehalten, die sich meines Erachtens nach nicht minder interessant anlesen:

_„Für ein halbwüchsiges Mädchen in einer Familie, die sich zur Kirche der Gottesmutter bekannte, gab es viele Restriktionen und Tabus:_ _Tanz, Musik, alles Gedruckte – abgesehen natürlich von den Veröffentlichungen der Kirche selbst -, Alkohol, Kontakte zu Menschen außerhalb der Gemeinde_, _Kuscheltiere, Fernsehen, Internet. Alles war verboten, und die Strafe für Übertretungen war hart: Man wurde aus der Familie und der Gemeinde ausgestoßen.“_
'''(Zitat, S. 45)'''

Besonders hervorzuheben an „Erlösung“ durchaus der Fakt, dass sich die kleinen Gemeinheiten sowie nicht zuletzt die Dimension der Schwierigkeiten inmitten den Ermittlungen gestalten, nach und nach aufdecken. An für sich sind es keine allzu großen Offenbarungen, sondern vielmehr das, was man leicht übersieht. Charakteristisch hierfür der Umstand, dass über jene, die von der Gemeinde verstoßen wurden, schlicht und ergreifend nicht mehr gesprochen wird ~ und somit auch keine entsprechenden Hinweise an die Polizei herangetragen werden.

Ein weiterer Reiz entsteht dadurch, dass die ahnungslose Ehefrau des Täters, Mia, diesem durch einen rigorosen Zufall auf die Spur kommt ~ der fundamentale Spannungsaufbau, der sich somit von dieser ehefrau- und mütterlichen Perspektive ebenfalls auftut, fesselte mich noch mehr und ließ mich trotz immenser Reise- und familär-bedingter Müdigkeit das Buch kaum aus der Hand legen. Zu bedrohlich und somit vielversprechend die Atmosphäre, die nicht nur von den nachfolgenden Zeilen ausgeht:

_„Die Kinder waren kreidebleich, aber sie lebten. Im Bootshaus kettete er sie in gehörigem Abstand voneinander an, löste ihnen das Klebeband vom Mund und passte auf, das sie sich nicht übergaben, nachdem er ihnen zu trinken gegeben hatte._ _Nach dem üblichen Gewinsel aßen sie ein wenig, dann klebte er ihre Münder wieder mit Packband zu. Als er wegfuhr, hatte er ein gutes Gefühl._ (…) _Wieder sah er auf die Uhr. Heute würde er seine Frau nicht anrufen, wie er es sonst tat, wenn er sich auf den Heimweg nach Roskilde machte. Warum ihr einen Hinweis geben, wann sie ihn zu hause erwarten konnte?“_
'''(Zitat, S. 168)'''

Generell versteht der Autor es, den Erzählstrang immer dann auf eine andere Perspektive zu lenken, wenn der Leser vollends gebannt-gespannt nahezu ins Buch hineinkriecht.
Sodann fährt Adler-Olsen an anderer Stelle fort, pappte mich für meinen Teil Kapitel um Kapitel weiter an die Lektüre... mit anderen Worten: dass es sich hier meiner Auffassung nach um ein nahezu großartiges Werk handelt, stellt im Grunde keine wirkliche Überraschung dar.

Im weiteren Kontext zu Thema Überraschung muss ich allerdings hinzufügen, dass sich die ein oder andere Wendung als keine wirklicher „oha“-Effekt auftat. Rose mitsamt ihrer Zwillingsschwester Yrsa spielt eine nicht minder gewichtige Rolle, wenngleich der Autor hier ein wenig über das Ziel hinaus schießt.
Hier und dort liegt die Gewichtung fast schon mehr auf den zwischenmenschlichen Vorgängen als auf dem Ermittlungsfall selbst, was einerseits etwas langwierig daherkommt, andererseits jedoch den Fan neugierig auf potentielle Fortsetzungen macht, um in eben jenen mehr über Assads Geheimnisse zu erfahren und ferner fulminanter in die Zwillingsgeschichte einzudringen.

Ebenso dadurch, dass das eigentliche Motiv des Entführers respektive Mörders bereits auf Seite 246 aufgedeckt wird, tun sich hier und dort tatsächlich winzige Längen auf ~ wobei sich diese tatsächlich eher mehr auf das beziehen, was „privater“ Natur im Sonderdezernat Q oder gar bei Carl Mørk selbst so vor sich geht.

===Summa summarum=== bin ich von _„Erlösung“_ durchaus beeindruckt und nicht zuletzt vom Schreibstil des Autoren nahezu hin und weg. Winzigkeiten, die durchaus zur Erheiterung beitragen _(„Der Tag, an dem Jesper lernte, aus einem Glas zu_ _trinken, konnte nichtmal Nostradamus vorhersagen“_; '''Zitat, S. 11''') gleichen meine kleine Frustration ob diverser Nicht-Überraschungen durchaus wieder aus.

Meiner Ansicht nach wird um manches, was ich an dieser Stelle nicht näher benennen werde, um den potentiellen Lesern nichts vorneweg zu nehmen, viel zu lange das alte Spiel der mannigfaltigen Hinweise zelebriert. Möglich, dass ich einfach zu ausgebufft bin ~ oder aber Jussi Adler Olsen stattdessen seine Leser unterschätzt. Auf diese Weise gehen gleich zwie vermeintliche „woha-Effekte“ völlig an sich selbst vorbei; wobei ich allerdings gerne die Möglichkeit einräume, dass es bei dem vermeintlich superschwer zu entschlüsselnden fragmentarischen Flaschenpostbrief eine Sache der Übersetzung aus dem Dänischen sein könnte.

Die große Frage, ob es mehr Sinn gemacht hätte, die Lektüren des Schriftstellers mit dem ersten Fall seitens Carl Mørk zu beginnen, kann ich naturgemäß nicht beantworten, eben weil ich bislang lediglich dieses Werk besitze und mir _„Erbarmen“_ sowie _„Schändung“_ keinen Deut bekannt sind.

Nichtsdestominder bleibt auszuschließen, dass ich jenes Versäumnis beizeiten nachholen werde ~ was erwartungsgemäß die volle, wenn auch minimal schwächelnde Besternung sowie eine vollends umgehauene Empfehlung nach sich zieht.

38 Bewertungen, 10 Kommentare

  • hameln58

    13.09.2011, 11:10 Uhr von hameln58
    Bewertung: sehr hilfreich

    liebe Grüße...Gina

  • sigrid9979

    13.09.2011, 09:59 Uhr von sigrid9979
    Bewertung: sehr hilfreich

    Prima geschrieben...Lg

  • dsander

    13.09.2011, 00:58 Uhr von dsander
    Bewertung: besonders wertvoll

    Beste Grüße von David - Freue mich über Gegenlesungen!

  • Luna2010

    13.09.2011, 00:46 Uhr von Luna2010
    Bewertung: besonders wertvoll

    Und wieder einen Bericht bei dir gelesen. Ich freue mich natürlich sehr über Gegenlesungen. Dir noch eine schöne Restwoche =)

  • FurkanYilmaz

    13.09.2011, 00:34 Uhr von FurkanYilmaz
    Bewertung: sehr hilfreich

    Gut beschrieben. LG, Furkan

  • anonym

    12.09.2011, 23:58 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Prima beschrieben. Über eine Gegenlesung würde ich mich sehr freuen. LG

  • morla

    12.09.2011, 23:46 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg. ^^^^^^^^^^^^petra

  • tina08

    12.09.2011, 23:04 Uhr von tina08
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße ... Tina

  • katjafranke

    12.09.2011, 22:57 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße...KATJA.

  • JoergTh

    12.09.2011, 22:51 Uhr von JoergTh
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüße und einen schönen Abend aus Hessen!