Rabeneick Vitality Spectro 7-Gang Testbericht
Erfahrungsbericht von Tut_Ench_Amun
Doppelherz
Pro:
- Ordentliches Mittelklasse Pedelec - Heimische Fertigung - Unverwüstliche Schaltung
Kontra:
- Viele chinesische 08/15 Komponenten - Vergleichsweise pummelig/schwer
Empfehlung:
Ja
Rabeneickseltern
Der deutsche Hersteller bietet seine Fahrräder nicht nur unter eigenem Namen an, sondern produziert auch für Fremdfirmen. Zu nennen wäre hier als recht prominentes Beispiel das wiederauferstandene Label "Kreidler". Rabeneick setzt bei dem rund 1000.- Euro teuren "Vitality"-Modell auf einen ordentlich verarbeiteten und geschweißten Aluminium Wave-Rahmen mit tiefem Einstieg (landläufig als die klassische "Frauen"-Form angesehen), verbaut daran allerdings auch mannigfaltig Komponenten aus China. Federgabel und Kurbeltrieb sind zum Beispiel von "CS Sunstar", einer Marke, die auch bei vielen Discount-Bikes immer wieder anzutreffen ist. Der "Bafang"-Naben-Motor ebenfalls. Auch die Beleuchtungseinheiten sind eher vom Typus 08/15-Baumarkt: Halogenscheinwerfer und Standrücklicht sind von "Basta". Die tun allesamt aber ihren Dienst zuverlässig, nicht dass wir uns falsch verstehen. Man sieht aber, dass man auch in dieser schon gehobeneren Preisklasse nicht unbedingt Premium-Marken bei der Ausstattung erwarten darf.
Spectroanalyse
Seinen Namen verdankt das gesamte Rad in erster Linie seinem Schaltwerk. Die SRAM Spectro-7 Nabenschaltung ist die logische Fortführung der Klassiker "Torpedo" (3-Gang), "Pentasport" (5-Gang") des Hauses "Fichtel & Sachs" und hieß früher einmal "Super-7". Im Prinzip steckt in der Spectro genau das gleiche Planetengetriebe, heißt heute aber anders. Egal. Die praxistaugliche Abstufung und die quasi unzerstörbare Nabe haben sich zurecht einen guten - fast schon legendären - Ruf erworben und dürften so ziemlich das letzte, deutsche Bollwerk gegen die übermächtig scheinende, fernöstliche Shimano-Fraktion (mit dem direkten Konkurrenzmodell "Nexus") darstellen. Geschaltet wird das Rad - wie bei Nabenschaltung üblich - während einer kurzen Tretunterbrechung mittels Drehgriff am linken Lenker. Der jeweilige Gang wird per mechanischem Zeiger in einem Sichtfenster angezeigt. Mit der serienmäßigen Übersetzung lassen sich 35 km/h problemlos erreichen, bevor es von der Tretfrequenz her unangenehm wird, noch weiter zu beschleunigen.
Moulinette - Nettes Muli
Der (Front-)Antrieb bezieht seine Energie aus einem hinter dem Sattelrohr parallel-senkrecht positionierten Li-Ion-Akku. Diese gibt es mit unterschiedlicher Kapazität - angefangen bei 10 Ah bis 14 Ah. Vor allem das ganze Elektro-Zeugs macht das gesamte vergleichsweise schwer, nackt bringt der metallene Zosse stramme 28 Kilo auf die Waage. Zudem ist der Schwerpunkt ein Thema, der liegt nämlich ziemlich hoch und begünstigt ein nicht zu vernachlässigendes Kippmoment. Während der Fahrt wird das durch die Kreiselkräfte kompensiert, doch je weiter man in Richtung Stillstand verlangsamt, umso mehr muss man den Packesel ausbalancieren. Nicht weiter tragisch, doch muss man sich daran erst einmal gewöhnen. Man - oder besser gesagt frau - flucht dementsprechend auch gelegentlich beim engen Rangieren, besonders dann, wenn auch noch Packtaschen (Schön: der großzügige Alu-Gepäckträger) oder Lenkerkorb ins Spiel kommen. Schließlich bietet sich so ein Pedelec nicht nur für die Spritztour sondern auch für den Transport des Wocheneinkaufs an.
Energizer
Die Konstruktion mit Nabenmotor hat einen großen Vorteil: Gas geben kann man wahlweise per Drehgriff, wie am Mopped oder das Rad bzw. dessen Elektronik im Economy-Modus ständig einen gewisses Maß an elektrischer Unterstützung beisteuern lassen. Meist dürfte jedoch der Normal-Modus mit Drehpoti verwendet werden, der ermöglicht unter anderem nämlich auch bei sehr geringen Tretfrequenzen volle 250 Watt Leistung, das heißt: solange auch nur wenig Rotation m Kurbeltrieb gemessen wird, beschleunigt der Motor bis zur Kappgrenze von 25 km/h voll durch und zieht die ganze Fuhre somit quasi auch im Alleingang vorwärts. Trick: Kleinsten Gang rein und Alibi-mäßig mit trampeln. Selbstverständlich lutscht das das Powerpack recht fix leer. Rund eine Stunde Dauerfeuer auf Vollgas und es ist Sabbat. Übrigens: Li-Ion-Akkus kennen zwar keinen Memory-Effekt, sind aber nicht frei von Marotten. So dürfen sie weder ganz leer gefahren werden, noch vertragen sie Temperaturen um und schon gar nicht unter dem Gefrierpunkt.
Geladen wird die Energiezelle in der Regel im eingebauten Zustand direkt am Bike. Etwa 2,5 Stunden braucht der Akku bis das Ladegerät "grün" meldet. Den Ladezustand kann man auch am Akku selbst ablesen. 5 Dioden verraten wie viel Saft noch vorhanden ist. Eine weitere Anzeige befindet sich am Gasgriff neben dem Modus-Schalter, wo zwei Dioden (grün/gelb) sehr grob - aber während der Fahrt im gut Blick - darüber Auskunft geben, wie es um den Energiehaushalt steht. Der Akku kann bis zu 500 vollständige Ladezyklen verdauen, bis irgendwann ein Austausch angesagt ist, weil die Energiedichte nicht mehr gegeben ist. Zu erkennen oft daran, dass der Füllstand zwar als "voll" angezeigt wird, die Leistung unter Last aber rapide ein- und zusammenbricht. Dieses Symptom zeigt sich allerdings auch, wenn der Akku einmal tiefentladen wurde. Hier hilft meist ein "Refresh", d.h. mehrfach laden/entladen weiter. Die Chancen stehen gut, dass sich der Akku wieder erholt, sofern er nicht obendrein auch noch Frost abbekommen hat.
Komfort - und zurück
Der Akku wird nicht auch noch mit der StVO-konformen Lichtanlage belastet - die bekommt ihre Power aus einem einfachen Seitenläufer-Dynamo am Hinterrad. Mit allen seinen Nachteilen, wie laut singendem, charakteristischen Laufgeräusch und zusätzliche mechanische Belastung in Form von Reibung und Induktion. Wer ein Spectro des Modelljahres 2009/2010 nur mit Muskelkraft trampelnd und dazu noch im Dunkeln bewegen muss (weil einem der Saft für den E-Antrieb ausgegangen ist): Nacht Matthes! Abhilfe gibt es in diesem kaum - einziger Tipp: Sorgsam darauf achten, dass der Energiespeicher immer genug Ladung hat oder sich für den Fall der Fälle die Oberschenkel Conans antrainieren. Das Rad allein ist ohne Motor auf Dauer schon schwer genug zu bewegen. Bequemlichkeit und Komfort hat seinen Preis - die ansonsten komplette Ausstattung fordert ihren Tribut. Verstellbarer Vorbau, gedämpfte Vordergabel, Doppelarm-Mittelständer und weitere Anbauteile lassen das Leergewicht trotz des 7005er Alu-Rahmens weiter anschwellen.
Der ist dafür über jeden Stabilitätszweifel vollkommen erhaben und bietet eine solide Basis für das Bike. Muss er auch, denn die vergleichsweise wuchtigen 28-Zollräder sind auch nicht unbedingt in Leichbauweise entstanden. Das heißt die auftretenden Kreiselkräfte, die rotierende Massen nun einmal immer erzeugen, müssen ja irgendwo aufgefangen werden. Zumal der Nabenmotor diesbezüglich noch einmal zusätzliche Kräfte generiert, sowohl was Rotation anbelangt, wie auch Kippmoment, da sein Schwerpunkt konstruktiv in Höhe der Vorderradnabe liegt. Das führt bei höheren Geschwindigkeiten generell zum Pendeln um die Hochachse und wird beim Spectro durch den vergleichsweise langen Radstand wieder ausgeglichen. Umkehreffekt: speziell bei forciertem Tempo neigt das Rad dazu eher behäbig geradeaus zu laufen. Agil ist anders.
Nun ist ein Rad in dieser Bauform sicher weder auf Rennen noch auf Downhill ausgelegt. Doch muss man sich an das sänftengleiche Gleiten mit dem ausgewiesenen City-Hobel erst einmal einschießen und möglichst vorausschauend fahren, damit die Bremsen Ross und Reiter nicht zu drastisch zusammenstauchen müssen. Die V-Brakes ohne Namen haben zwar kein Problem damit die gesamte Fuhre einzufangen, verschleißen aber entsprechend schnell. Artgerecht aber flott bewegt rubbeln sich innerhalb eines Jahres die Bremsschuhe der Vorderachse mindestens einmal komplett runter - die Hinterachse hat weniger dynamische Radlast abzufangen bzw. -bremsen und ist etwa alle zwei Jahre fällig. Ansonsten gibt es keinerlei nennenswerten Schäden oder Verschleiß zu berichten, die auf Verarbeitungsmängel oder Konstruktionsfehler schließen lassen. 2 Jahre Intensivnutzung hat es bis dato verdaut.
Kleinere Upgrades hat das Rabeneick inzwischen auch erfahren, so wurde der originale "BikeMate"-Foltersitz durch einen wesentlich komfortableren Gel-Sattel von "Selle Royal" ausgetauscht, welcher auch der weiblichen Anatomie endlich mehr Rechnung trägt. Ein "Sigma BC 509" Tacho verrät wie lange man/frau wie schnell unterwegs ist und wieviel Kilometer bereits abgespult wurden (und da ist eine ganz beachtliche Menge zusammengekommen, da das Rad unseren Hybrid-Streitwagen als Nahbereichsfahrzeug inzwischen fast komplett ersetzt hat). Ein lenkermontierter B+M Spiegel sorgt dabei für bessere Übersicht - nicht nur - im Stadtverkehr. "Schwalbe Marathon Plus" Bereifung hat die No-Name Pellen abgelöst und zuguterletzt wurde ein spezieller Schnell-Adapter für "FollowMe"-Anhänger montiert. Das war allerdings ein wenig umständlicher und machte kleinere bauliche Veränderungen am Gepäckträger nötig, doch das ist eine andere Geschichte.
Fazit
Ein eher gemütliches Stadt-Fahrrad, welches aber an sich keinen wirklichen Grund zum Meckern bietet und sein Geld absolut wert ist. Die täglich auf dem Arbeitsweg oder die nach Einkaufstour zu bewältigenden Höhenmeter bügelt der Elektromotor sanft gerade. Selbst ordentlich beladen. Die Göttergattin ist bis auf Kleinigkeiten voll des Lobes für den elektrischen Packesel. Ich selbst bevorzuge die sportlichere Gangart und fahre daher inzwischen ein eigenes Pedelec, bin dem - mir etwas zu pummeligen - Spectro 7 allerdings nie abgeneigt gewesen und fahre es gelegentlich auch immer noch. Just for Fun oder wenn die Herrin des Hauses meint: "Da stimmt was nicht, guck Du mal!". Somit beschränkt sich unser Kontakt zumeist lediglich auf kleinere Wartungs- und Reparaturarbeiten, von denen es löblicherweise nicht viel zu berichten gibt.
48 Bewertungen, 12 Kommentare
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18.11.2011, 20:51 Uhr von goat
Bewertung: besonders wertvollHier kommt mein versprochenes bw.
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17.11.2011, 11:45 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreichprima berichtet, lg willi
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17.11.2011, 11:08 Uhr von mima007
Bewertung: besonders wertvollbw. Viele Gruesse, mima007
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17.11.2011, 11:00 Uhr von anonym
Bewertung: besonders wertvollPrima beschrieben. Über eine Gegenlesung würde ich mich freuen!
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17.11.2011, 09:57 Uhr von Miraculix1967
Bewertung: besonders wertvollAuch hier gibt es die Bestnote: BW! Morgendliche Grüße aus dem gallischen Dorf Miraculix1967
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17.11.2011, 09:32 Uhr von Langenberger
Bewertung: sehr hilfreichsehr schöner Bericht, freue mich über Gegenlesungen, Gruß vom Langenberger
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17.11.2011, 08:48 Uhr von fopinion
Bewertung: sehr hilfreichViele Grüße! Fopinion
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17.11.2011, 07:06 Uhr von [email protected]
Bewertung: sehr hilfreichlg. simone
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17.11.2011, 05:10 Uhr von austin77
Bewertung: besonders wertvollIch lese bei dir und du bei mir, nur so macht yopi Spaß. Liebe Grüße
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17.11.2011, 00:28 Uhr von Lale
Bewertung: sehr hilfreichAllerbesten Gruß *~*
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16.11.2011, 23:22 Uhr von anjaangelina123
Bewertung: sehr hilfreichLiebe Grüße, freue mich über Gegenlesungen.
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16.11.2011, 21:32 Uhr von michelle975
Bewertung: besonders wertvollviele Grüße, michelle975
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