Good (DVD) Testbericht

ab 26,05
Auf yopi.de gelistet seit 11/2011

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Erfahrungsbericht von Prisca

Hitler ist doch nur ein Witz!

Pro:

passende Musikunterlegung, regt zum Nachdenken an

Kontra:

+++

Empfehlung:

Ja

Und weiter geht es heute mit einem Filmbericht.

Seit Herr der Ringe mag ich den Schauspieler Viggo Mortensen sehr gern, weil ich finde, dass er seinen Rollen immer sehr viel Leben einzuhauchen versteht. So bin ich auch auf diesen Film gestoßen, der es niemals in die deutschen Kinos geschafft hat.

*** GOOD ***

Fangen wir gleich mit dem

*** INHALT ***

an.

Deutschland, Anfang der dreißiger Jahre. Johann Halder ist kein politisch interessierter Mensch. Privat ist sein Leben von Stress beherrscht: zwei kleine Kinder, eine depressive Frau, die nicht einmal die einfachsten Haushaltsarbeiten auf die Reihe bekommt, eine chronisch kranke Mutter, ein nörgelnder Schwiegervater. Aber er ist ein guter Ehemann, Vater, Sohn und versucht allen gerecht zu werden.

Er arbeitet als Universitätsprofessor, leidenschaftlich und überzeugt von 'dem Schönen' in dieser Welt. Bücher und Musik, Proust und Mahler, das ist die Welt in der er sich sicher fühlt. Heimlich arbeitet er selbst an einem Roman, eine fiktive Geschichte über eine große Liebe und ein noch größeres Opfer – der Ehemann, der bereit ist seine geliebte Frau zu töten, als er erkennen muss, das sie unheilbar krank ist und ihr unendliche Leiden bevorstehen würden.

Dieser Roman ist es schließlich auch, der das Interesse der Nazis an ihm weckt. Selbst Hitler persönlich liest diesen Roman … und befindet ihn für gut. Kann man doch die Aussage, das Töten aus Liebe unter gewissen Umständen durchaus human ist gut für Propagandazwecke benutzen …

Ehe Halder sich versieht ist er mit den Nazis enger verbunden als er es sich je hätte träumen lassen. Von diesem Moment an verändert sich sein Leben …

Mehr möchte ich über den Inhalt an dieser Stelle gar nicht sagen, aber ich denke wenn ich versuche

*** MEINE EINDRÜCKE ***

über diesen Film zu schildern, wird sich der eine oder andere kleinere Spoiler nicht ganz vermeiden lassen.

Zunächst einmal sei gesagt, dass es ein sehr ruhiger Film ist, der ohne große Effekthascherei auskommt. Im Mittelpunkt dieses Films steht ganz klar die Geschichte des Johann Halder, der eigentlich nie etwas anderes wollte als auch ein kleines Stück vom Glück.

Sein Leben ist eintönig und nicht immer ganz einfach – seine Bücher und Musik sind seine einzige Flucht. Während sein Freund Maurice Grünberg, ein Psychoanalytiker und Jude, schon früh die Gefahr spürt, die von den Nazis ausgeht, weigert er sich genauer hinzusehen.

„Hitler ist doch nur ein Witz,“ sagt er in einem Gespräch mit ihm.
„Der wird sich nicht lange halten!“

Die ersten Bücherverbrennungen – darunter viele der Autoren, die er liebt und auf die er seinen Unterricht aufbaut – würden ihn vielleicht schockieren, wenn zu diesem Zeitpunkt nicht soviel in seinem Leben passieren würde. Hitler hat sein Buch gelesen! Hitler möchte, das er einen Artikel schreibt über die Humanität von Euthanasie! Endlich nimmt einmal jemand von ihm Notiz. Ein Teil von ihm genießt die Aufmerksamkeit die ihm zuteil wird. Zudem sich auch in seinem Privatleben einiges verändert hat, als er die junge Studentin Anne kennen lernt und sich in sie verliebt.

Anne entspricht dem Urbild der 'guten deutschen Ehefrau und Mutter' – und die Beziehung wird von den Nazis gern unterstützt (man darf nicht vergessen, seine Ehefrau ist depressiv und wird ihm sicherlich keine weiteren Kinder mehr schenken). Dafür ist Halder schließlich sogar bereit in den Partei einzutreten – ohne überhaupt zu wissen, was wirklich vor sich geht. Nicht, dass er es nicht hätte wissen können. Die Anzeichen sind da – Halder sieht sie nur nicht. Nicht etwa aus Gleichgültigkeit, eher weil er viel zu sehr damit beschäftigt ist, endlich 'zu leben'.

Dafür verlässt er seine Ehefrau, reißt seine kranke Mutter aus ihrer gewohnten Umgebung, übersieht, was mit seinem Freund Maurice geschieht. Selbst als Maurice' Wohnung mit Sprüchen 'Juden raus' beschmiert wird und dieser ihn schließlich bittet, ihm eine Fahrkarte nach Paris zu besorgen. Als er im Bahnhof auf andere SS Angehörige trifft, die schnell hellhörig werden, als er nur eine Hinfahrt nach Paris verlangt und ihn darauf ansprechen, macht er schnell einen Rückzieher. Es ist offensichtlich, dass er die Gefahr spürt, die sich hier anbahnt, trotzdem zieht er es vor, die Augen vor der Realität zu verschließen. Doch trotz alledem, Halder kommt dabei nicht unbedingt 'schlecht' rüber (der Vater, der seine Kinder verlässt, der Sohn, der seine kranke Mutter vernachlässigt, der Freund, der seinen Freund im Stich lässt) sondern eher … menschlich.

In dem ganzen Film geschieht so viel und eigentlich doch gar nichts. Ich weiß, viele werfen diesem Film genau das vor. Ich mag das eigentlich nicht tun. Für mich zeigt er sehr gut, was in den 'kleinen Mitläufern' wie Halder vorging. Natürlich könnte man Halder vorwerfen, das er die Augen vor dem offensichtlichen viel zu lange verschlossen hat. Das Problem ist nur, das er sich dessen gar nicht bewusst war. Halder ist so offensichtlich ein guter Mensch, bemüht, das Richtige zu tun – vielleicht zu gut, um zu glauben, das ein Mensch dazu in der Lage ist all das Schlechte zu tun von dem Gerüchte im Umlauf sind.

Über das Ende des Films möchte ich hier nicht allzu viel verraten. Zuerst habe ich nur gedacht: 'Wie, und das war's jetzt?' Es ist ein ziemlich abruptes Ende. Aber nachdem ich eine zeit lang darüber nachgedacht habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, das es einfach perfekt zu diesem Film passt. Man weiß nicht genau, wie es jetzt mit Halder weitergehen wird – klar ist nur, das sein Leben nie wieder so sein wird wie es vorher war, denn von jetzt an kann er nicht mehr mit 'geschlossenen Augen' durch's Leben gehen und so tun als sei das alles nicht geschehen.

Ich kann nur sagen, dass mir dieser Film sehr gut gefallen hat. Vielleicht gerade, weil er nicht auf nervenaufreibende Spannung setzt, sondern einfach versucht, dem Leben von Johannes Halder zu folgen. Dem Leben eines kleinen, unscheinbaren, unpolitischen Mannes, der nichts anderes wollte als auch ein kleines Stück vom Glück abbekommen. Er hätte sehen können, wenn er sich nicht selbst im Weg gestanden hätte. Ich denke, das es in der Nazipartei viele solcher Mitläufer gegeben hat (und ich glaube, das genau dasselbe auch heute noch überall auf der Welt geschieht). Menschen, bei denen es schwer ist zu entscheiden, ob sie nun (Mit)Täter oder Opfer sind – ob sie eine Strafe verdienen, für das, was sie getan (oder besser nicht getan!) haben.

Ich weiß nur, kein Gericht der Welt kann Halder so sehr bestrafen wie er selbst es tun wird. Er, der eigentlich nie jemandem etwas Böses tun wollte, wird leben müssen mit der Schuld, das er durch sein Wegsehen / Nichtsehen all das Schreckliche das ist geschehen ist (zumindest indirekt) mit unterstützt hat. Und ich bin mir nicht sicher, ob er daran nicht letztendlich zerbrechen wird. Okay, ich weiß, es ist ziemlich unsinnig, nach einem Film darüber nachzudenken, was nun weiter mit den (fiktiven) Hauptpersonen passieren wird … aber ich finde, es zeigt gut, wie weit ich mich darauf eingelassen habe. Und das spricht ganz klar für diesen Film!

Erwähnen sollte man an dieser Stelle zumindest noch kurz die Musikunterlegung mit Stücken von Mahler – Halders Lieblingskomponisten. Sie wird recht geschickt eingesetzt und unterstützt die Beklemmung, die an manchen Stellen des Filmes entsteht. Vor allem das Ende hat mir eine Gänsehaut beschert (aber das seht euch doch besser selbst an)

*** DIE SCHAUSPIELER / ROLLEN ***

Eigentlich steht und fällt dieser Film mit Viggo Mortensen, der hier eine völlig andere Rolle spielt als den Aragorn in Herr der Ringe. Aber ich bin sowieso schon länger davon überzeugt, dass er ein wandlungsfähiger und guter Schauspieler ist (auch wenn seine Rollenauswahl nicht immer die geschickteste ist).

Er spielt den Johannes Halder mit all seiner Zerrissenheit / 'Blindheit' sehr glaubwürdig. Er ist eben nichts anderes ein Mensch wie du und ich, mit Träumen und Fehlern. Diese Rolle trägt den ganzen Film, alle anderen Personen sind eher Nebenrollen.

Zwei etwas größere möchte ich hier noch nennen. Da wäre Jason Isaac zu nennen, der die Rolle von Halders Freund Maurice Grünberg spielt. Eine recht kleine, wenn auch entscheidende Rolle, denn letztlich wird es sein Schicksal sein, das Halder immer wieder zum Zweifeln bringt. Sehr gut besetzt, glaubwürdig gespielt.

Jodie Whittaker spielt die junge Studentin Anne, die sich in ihren Professor verliebt und für die Halder schließlich seine Familie verlässt. Spielt sie die Rolle gut? Ich weiß nicht – wahrscheinlich hätte jede andere Schauspielerin mit ähnlichem Aussehen diese Rolle auch besetzen können. Eigentlich ist es eher eine kleine Rolle die kaum etwas zu sagen hat. Entscheidend eigentlich nur, dass ihr Bild der typischen 'deutschen Frau und Mutter' entsprach.

Alle anderen Rollen huschen mal durch's Bild und haben recht wenig Bedeutung für den Fortlauf des Films. Ich will nicht sagen, dass sie schlecht besetzt sind oder gar schlecht spielen, ich denke nur, diese Rollen sind austauschbar und bleiben nicht im Gedächtnis hängen.

*** FAKTEN ZU FILM UND DVD ***

Good (erstaunlich, dass man sich entschieden hat, diesen Titel beizubehalten)
basierend auf ein Theaterstück von C. P. Taylor
gedreht 2008 in Deutschland / Großbritannien
DVD Veröffentlichung in Deutschland: August 2011

Lauflänge: 92 Minuten
FSK: 12 Jahre

Bild: 16:9
Ton: dolby digital
Sprachen: deutsch, englisch
Untertitel: deutsch
Ton und Bild sind in Ordnung, obwohl ich an einigen Stellen die Musik im Verhältnis zur Sprache als etwas zu laut empfunden habe

Kaufpreis: neu um die 12,-- Euro, gebraucht etwas günstiger

Extras:
die üblichen Interviews
ein paar unkommentierte Szenen vom Set
und die unvermeidlichen Trailer

nichts, was einem vom Hocker reißen würde, aber wen's interessiert, der kann getrost mal einen Blick riskieren

*** MEIN FAZIT ***

Mit persönlich hat dieser Film sehr gut gefallen. Er zeigt sehr gut wie schnell ein Mensch zum Mitläufer werden kann ohne aktiv etwas dazu zu tun.

Darum würde ich allen, die sich für dieses Thema interessieren zumindest ein Ausleihen des Films empfehlen. Ob man ihn unbedingt kaufen will kann man hinterher immer noch entscheiden.

@ Prisca – Oktober 2011

38 Bewertungen, 11 Kommentare

  • Langenberger

    26.10.2011, 17:36 Uhr von Langenberger
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW-Nachlieferung hiermit erfolgt!!

  • Lale

    19.10.2011, 01:14 Uhr von Lale
    Bewertung: besonders wertvoll

    Allerbesten Gruß *~*

  • austin77

    18.10.2011, 19:42 Uhr von austin77
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht,würde mich über deine Gegenlesung sehr freuen. lg

  • campino

    18.10.2011, 18:06 Uhr von campino
    Bewertung: besonders wertvoll

    liebe Grüße, Andrea

  • morla

    18.10.2011, 16:28 Uhr von morla
    Bewertung: besonders wertvoll

    lg. ^^^^^^^^^^^^petra

  • Hansi04

    18.10.2011, 16:00 Uhr von Hansi04
    Bewertung: besonders wertvoll

    Heißt das beim Film eigentlich auch Rezi? naja egal toll vorgestellt, verdientes BW, liebe Grüße

  • katjafranke

    18.10.2011, 15:23 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele liebe Grüße. KATJA

  • Mondlicht1957

    18.10.2011, 15:11 Uhr von Mondlicht1957
    Bewertung: besonders wertvoll

    Sehr hilfreich und liebe Grüsse

  • Tweety30

    18.10.2011, 15:03 Uhr von Tweety30
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW und liebe Grüße!

  • schmusenase

    18.10.2011, 15:02 Uhr von schmusenase
    Bewertung: besonders wertvoll

    Klasse Bericht. Den Film habe ich mir vorgemerkt! GlG,

  • goat

    18.10.2011, 15:02 Uhr von goat
    Bewertung: besonders wertvoll

    Danke für den tollen Tipp. Ich liebe diesen Schauspieler auch.