Grand Theft Auto IV (Xbox 360 Spiel) Testbericht

Am 29. April diesen Jahres kam mit GTA IV ein Schwergewicht der Videospielindustrie auf den Markt. Monatelang wurden wir mit Werbung nahezu überschüttet: Riesige Werbeplakate auf Hauswänden, Trailer, eine eigene Website über den Schauplatz Liberty City. Dann, als wir den Titel endlich unser eigen nennen durften, kamen die Reviews, die im Großen und Ganzen eines gemeinsam hatten: Eine hohe Wertung für den sechsten Grand-Theft-Auto-Titel aus dem Hause Rockstar.

Verwundern darf man sich darüber natürlich nicht, schließlich sind die Damen und Herren von Rockstar zum einen keine Anfänger, zum anderen stellte sich eigentlich gar nicht die Frage, ob das Game gut wird, sondern wie gut es wird – immerhin konnte bisher die gesamte Reihe überzeugen, ohne größere Kritikpunkte zu liefern. Dazu kann sich auch GTA IV zählen, wobei es trotz überdurchschnittlich hoher Bewertungen und ungewöhnlich hoher Berichterstattungen (sogar ARD und ZDF haben, wenn auch kurz, über den Gangster-Titel berichtet) ein paar Punkte gibt, die zur Kritik aufrufen.

---> „Nice to have you here, cousin!“
Niko Bellic, der neue Protagonist, steigt aus einem Passagierschiff hinab und wird von einem leicht korpulenten Mann, mit dunkelbraunen bis schwarzen Haaren, herzlich begrüßt. Sie steigen in einen schwarzen Wagen und fahren los. Ihr Zielort ist ein mehrstöckiges Haus am Rande von Liberty City, wo sie aussteigen und in eine Wohnung gehen, die an eine Bruchbude erinnert. Da verliert Niko die Fassung: Sein Cousin, derjenige, der ihn kurz vorher abgeholt hat, erzählte ihm zuvor in unzähligen Emails von seinem Reichtum, seiner großen Villa und schönen Frauen. Tatsächlich ist die vermeintliche Villa das genannte Apartment, sein Reichtum nicht vorhanden. Stattdessen besitzt er ein mäßig erfolgreiches Taxiunternehmen und viele Probleme. Nicht nur, dass ihn viele Leute lieber tot als lebendig sehen wollen, auch Schulden bei der Mafia hat er, die er nicht zurückzahlen kann. Damit platzt Nikos Traum von einem unbeschwerten Leben in den USA, ohne Sorgen, ohne Schwierigkeiten. Zurück kann er nicht, in LC bleiben ohne seinem Cousin zu helfen will er ebenfalls nicht. Damit steht schon in etwa fest, was ihr zu tun habt: Ihr müsst die Angelegenheiten in eure Hände nehmen und Ordnung schaffen, koste es, was es wolle. Die Geschichte ist somit ganz GTA-typisch: Ein mehr oder weniger perspektiv- und hoffnungsloser Niemand versucht, aufzusteigen und geht dabei im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Innovativ ist die Story dahingehend nicht unbedingt, jedoch lebte GTA schon immer vor allem von den Dialogen und Zwischensequenzen – was hier nicht anders ist.

---> „Zuerst lernt man kriechen, dann laufen“
Zuerst benötigt ihr ein Fahrzeug, da ihr euch ohne ein solches nur mäßig durch die Großstadt bewegen könnt. Ihr könnt zwar alternativ ein Taxi benutzen, da dieses aber nicht umsonst ist und ihr zu Beginn alles andere als mit Kohle um euch werfen könnt, fällt dieses zunächst weg. Es gibt noch einen Zug bzw. U-Bahn, die euch allerdings nicht in Seitenstraßen bringt. Also muss eine schicke Karre her. Die Auswahl ist ziemlich groß ausgefallen, so dass ihr euch zwischen Sportflitzern, Limousinen, Schrottkarren, LKWs, SUVs, Familienkutschen und Motorrädern entscheiden könnt. Wie ihr euch eines besorgt, liegt ebenso in eurem Ermessen: Wahlweise könnt ihr in parkende Fahrzeuge einbrechen, in dem ihr die Scheibe einschlagt und es kurzschließt, oder aber ihr zerrt den Fahrer aus einem fahrenden Gefährt, steigt ein und fahrt davon. Käuflich erwerben könnt ihr leider keinen fahrbaren Untersatz, so dass ihr auf das Stehlen angewiesen seid, sofern ihr selbst fahren möchtet. Die Fahrzeugsteuerung erweist sich anfangs als schwammig, da die Autos hin und her schwanken und schnell ins Schleudern geraten. Mit etwas Übung ist das aber überhaupt kein Problem und geht leicht von der Hand.

Seid ihr mobil, kann es losgehen: Die ersten Missionen bestehen, wie üblich, aus Aufgaben, die nicht direkt langweilig sind, doch keine Action beinhalten. Dort hinfahren und jemanden abholen, ihn da absetzen – dadurch lernt ihr allmählich die Stadt kennen. Selbstverständlich dauert es nicht lange, bis ihr richtige Jobs bekommt: Schutzgeld erpressen, Personen effektiv einschüchtern oder jemanden jagen, um ihm anschließend gewaltig eins auf die Zwölf zu geben. Das Kampfsystem bzw. die Handhabung derer ist recht einfach: Mit dem linken Trigger visiert ihr euren Gegner an, mit Y, X, B und A kontert ihr, verpasst ihm einen Faustschlag oder tretet ihm in die Weichteile. Das Schießen funktioniert auf ähnliche Weise, nur dass ihr mit dem rechten Trigger feuert und mit dem rechten Stick zwischen den Zielen switcht (sofern mehrere vorhanden). Letzteres funktioniert nicht immer reibungslos: Stehen mehrere Feinde nebeneinander, die es zu treffen gilt, wirkt das Wechseln zwischen ihnen gelegentlich krampfhaft, da es nicht unmittelbar klappt. Auch wenn ihr einen von ihnen erschossen habt, passiert es ab und an, dass das Visier nicht automatisch auf einen der noch zu bekämpfenden Typen wechseln, sondern bei dem bereits kampfunfähigen bleibt.

---> „Das Leben ist scheiße“
Je weiter euer Spielfortschritt, desto härter und vielfältiger die Aufträge. So müsst ihr z.B. ganze Organisationen allein ausschalten, mit einem Scharfschützengewehr eine Person gezielt ins Jenseits befördern oder bei Verfolgungsjagden aus dem fahrenden Auto feuern. Besonders letztgenanntes ist nicht so einfach wie es klingt, da das Zielen eine Herausforderung ist. Das Visier wackelt (resultierend aus dem sich bewegenden Fahrzeug), der Verfolgte fährt natürlich auch davon und so kann es schonmal dauern, bis man trifft, was man treffen möchte. Glück ist dann, wenn das Zielfahrzeug einen Unfall baut und ihr euch gelassen um die Erfüllung eures Auftrages kümmern könnt. Durch erledigte Missionen knüpft ihr immer neue Kontakte zu neuen Charakteren, die in GTA IV intensiver ausfallen als je zuvor. Musstet ihr früher zum Haus der Freundin oder des Freundes fahren um eine Mission zu beginnen, könnt ihr heute ebenso anrufen und dadurch an neue Aufträge gelangen. Außerdem könnt ihr euch mit den Personen beschäftigen, in dem ihr sie zum Beispiel zum Essen ausführt, mit ihnen zum Bowling geht oder das Theater besucht. Dadurch erhöht sich die Sympathie für euch, was euch neue Möglichkeiten eröffnet. Little Jacob beispielsweise, ein chilliger Rastafari der mit Waffen handelt, bietet euch schonmal günstige Schießeisen an, wenn ihr befreundet seid.

Und das sind sehr nützliche Möglichkeiten, denn Maschinengewehre, Shotguns und Pistolen spielen in GTA IV keine unerhebliche Rolle. Niko ist im weitesten Sinne so etwas wie ein Hitman, ein Auftragskiller. Daraus macht er keinen Hehl, im Gegenteil. Er sagt: „Wenn das Geld stimmt, kein Problem“, wird er gefragt, für wen er arbeitet, heißt es nur: „Für den, der mich bezahlt“ - es ist ihm in der Regel egal, wen er warum über den Haufen schießen soll. Es gibt aber durchaus Momente, in denen er zweifelt. Diese Zweifel hängen mit seiner Vergangenheit zusammen, über die der Serbe nur bruchstückhaft spricht. Klar ist, auch aus den Trailern: Er hat Menschen geschmuggelt, ermordet und generell viel Schlimmes getan und gesehen. Was genau er getan hat, das klärt sich nur langsam auf. Durch diese Unklarheit eröffnen sich für euch erneut Türen. Ihr müsst nicht alles tun, was euch gesagt wird. Beispiel: Jemand sagt euch, er möchte, dass jemand getötet wird. Warum, spielt keine Rolle. Eure Entscheidung ist es, ob ihr denjenigen laufen lasst oder den Auftrag ausführt. Es kommt auch vor, dass ihr von zwei eurer eigenen Freunden angeheuert wird, um jeweils den anderen zu töten. Wem ihr dann ein paar Kugeln in den Kopf jagt, ist allein eure Sache – moralische Entscheidungen in GTA, wer hätte das gedacht?

So cool und kaltblütig Niko auch sein mag, ebenso sehr scheint er mit Depressionen zu kämpfen. Oft philosophiert er über das Leben, stellt fest, wie ungerecht all das ist, wie „scheiße“ es ist. Doch er ist nicht depressiv im Sinne von melancholisch. Seine Depressionen äußern sich in Aggressionen. Niko sagt, er hat nichts zu verlieren und genauso verhält er sich. Das macht ihn nicht selten unfreiwillig komisch, z.B. wenn er Taxifahrer beschimpft oder selbstironische Kommentare abgibt. In einer Sequenz etwa sagt er, als er als „sich bewegender Idiot“ beschimpft wird: „Ich bin ein Idiot..“, dann fängt er an zu tanzen, „und bewegen tu ich mich auch“.

---> Unterwegs im Internet
Spielinterne soziale Kontakte (klingt komisch, ist aber so) aufzubauen und zu pflegen ist zwar keine Pflicht, hat aber nur Vorteile. Nebst den Personen, denen ihr während eurer Missionen begegnet, könnt ihr per Internet Freundinnen finden. Dazu begebt ihr euch in ein Internetcafé und ruft die Seite von Love-Meet auf. Dort findet ihr eine kleine Partnerbörse, in der übrigens auch Niko eingetragen ist, auf der potenzielle Partnerinnen findet und nach einem Date fragen könnt. Sagen sie zu oder ab, erhaltet ihr eine Email, ebenfalls aufrufbar über ein Café. Bei einer Zusage begebt ihr euch einfach an dem in der Mail genannten Zeitpunkt zu einem bestimmten Ort und holt die Herzensdame ab, geht mit ihr aus und fahrt sie wieder nach Hause. Essengehen verläuft nicht mehr so wie im Vorgänger „San Andreas“, sondern wird übersprungen – ihr fahrt lediglich zu einem Restaurant und wieder zurück. Dann könnt ihr euer Glück probieren: Beim ersten Treffen könnt ihr nach der Nummer fragen, beim zweiten geht es schon um die Frage, ob sie Niko nicht hineinbitten möchte. Neben Freundinnen findet ihr hin und wieder auch blaue Männchen auf der Map, die Freunde markieren. Lauft ihr an ihnen vorbei, halten sie euch an und bitten euch um einen Gefallen. Manchmal entsteht dadurch eine „richtige“ Freundschaft, so dass ihr weitere, bezahlte Aufträge erhaltet. Diese sind unabhängig eures Fortschritts in der Hauptstory und daher eine nette, gelungene Abwechslung. Derartige Missionen könnt ihr auch beginnen, in dem ihr das Handy von Niko benutzt.

In diesem sind sämtliche Nummern der Charaktere gespeichert, mit denen ihr während einer Hauptstory-Mission in Kontakt wart. Ihr könnt sie anrufen und sehen, ob sie Arbeit für euch haben. Gelegentlich bekommt ihr auch von ihnen Emails, in denen sie euch den ein oder anderen Job anbieten; z.B. bestimmte Wagen auftreiben und in eine Garage bringen. Zielorte wie auch Fahrzeuge, die ihr besorgen müsst, werden im GPS angezeigt – auch ein Wegpunkt wird gelegt, und zwar von dem Standpunkt an dem ihr euch aktuell befindet bis zum Ziel. Das erleichtert die Wegfindung ungemein, da Liberty City alles andere als klein ist.

---> Comedy, Fernsehen, Kabarett
Freizeitangebote gibt es haufenweise. Sowohl während einem Date oder einem Treffen mit einem Freund, als auch allein könnt ihr euch unterschiedlichen Aktivitäten widmen. In euren Verstecken – die ihr bedauerlicherweise nur im Story-Modus erhält und selbst nicht erwerben könnt -, könnt ihr fernsehen oder schlafen (gleichzeitig der Speicherforgang). Allerdings läuft im TV meist nur Mist, so dass ihr besser unterhalten seid, euch zum Beispiel einen Komiker anzusehen. Die Witze mögen natürlich eine Sache des Geschmacks sein, so macht sich ein Comedien über krankhaft korpulente Menschen lustig bzw. darüber, dass dies als Krankheit anerkannt und gehandhabt wird. Alternativ gibt es ein Kabarett, in dem ihr euch Möchtegern- Sängerinnen ansehen könnt oder in dem euch ein Jongleur seine Künste vorstellt. Das sind Innovationen die zum Großteil unterhalten. Klar, es gibt nach wie vor Strip-Clubs, Billard und Darts.

---> Grafik und Sound
Grafisch überzeugt GTA IV besonders durch Vielseitigkeit. Liberty City präsentiert sich als Stadt – mit allem, was zu einer solchen gehört. Es gibt heruntergekommene Sozialbauviertel, in denen die Fahrzeuge verrostet sind und alt wirken. Andererseits gibt es auch gehobenere Viertel mit Einfamilienhäusern und Villen, teuren Autos, großen Grundstücken. Industriegebiete in denen schwere Nutzfahrzeuge durch die Gegend kurven. Am Flughafen – übrigens könnt ihr nur einen Heli fliegen, Flugzeuge bleiben euch verwehrt – sind riesige Flugzeuge zu bestaunen, ebenso wie spezielle Fahrzeuge der hiesigen Fluggesellschaft. Nirgendwo gibt es einen Deja-Vu-Effekt, jede Ecke ist einmalig. Besonders schön auch, dass die Straßen vor Menschen nur so wimmeln und sie sich individuell verhalten und ebenso aussehen: Angefangen bei Gangstern, HipHoppern, Geschäftsmännern- und frauen, Polizisten bis hin zu Hotdog-Verkäufern, pausierenden und rauchenden Angestellten, Straßenkehrern und Straßenmusikern ist alles und jeder vertreten.

Wie es von Rockstar zu erwarten war, stimmt beim Sound erneut alles. Die Stimmen der Synchronsprecher passen optisch fabelhaft zu den Personen im Spiel, sie haben ganz individuelle Dialekte und eine individuelle Wortwahl. Motorsounds passen, man hört, wenn man durch LC fährt, unterschiedliche Sprachen – sogar deutsch -, Musik, Hupen, Polizei. LC wirkt richtig lebendig. Gelungen auch der Soundtrack, wo es aktuellere Musik gibt: Im Radio könnt ihr so TUFF GONG-RADIO hören, angelehnt an Tuff Gong-Records von Bob Marley, wo eben seine Musik zu hören ist. Rock-, Pop-, Rap-, Folk-Stationen. Alles nur erdenkliche gibt es, so dass für jede Stimmung das musikalisch passende vertreten ist. Klasse!

---> Das Spiel
Titel: Grand Theft Auto IV
Jahr: 2008
Entwickler: Rockstar North
Publisher: Rockstar Games
Genre: Third-Person-Shooter / Open-World
Multiplayer: Ja
Preis: 43 – 80 EU

---> Zusammengefasst
Pro:
+ Große Spielwelt
+ Viel Freiheit
+ Viele Fahrzeuge
+ Nette Story
+ Sympathische Charaktere
+ Grafik
+ Sound
+ Spielinterne Freizeitangebote (Comedy, Bowling..)
+ Spielzeit nach oben offen (gibt viel zu entdecken)

Kontra:
- Keine käuflichen Wagen
- Keine käuflichen Gebäude
- Teilweise fummelige Steuerung

---> Fazit
Es war ja nicht anders zu erwarten: GTA IV schlägt ein wie eine Bombe – in jegliche Hinsicht. Niko ist einerseits ein gnadenloser Killer, der nichts zu verlieren hat und jeden unter die Erde bringt, wenn er genügend Kohle dafür einkassiert. Andererseits ist er meist etwas depressiv, aggressiv, aber immer temperamentvoll, was ihn unfreiwillig witzig und ungemein sympathisch macht. Erst recht, wenn er sich betrinkt, durch die Straßen schlendert, sich hinlegt und dann Taxifahrer beschimpft, die nicht anhalten – herrlich! Die Umsetzung der Story ist dagegen eher monoton, was durch die lebhaften und ironischen Zwischensequenzen, von denen GTA seit jeher lebt, wett gemacht wird. Schlussendlich auszusetzen gibt es kaum etwas, weil einfach alles passt. Schön gewesen wäre allerdings, wenn man die durch die Missionen verdiente Knete auch wieder irgendwo ausgeben könnte, z.B. für ein neues Fahrzeug oder ein Häuschen. So muss man sich mit kleineren Investitionen zufrieden geben. Die etwas fummelige Steuerung, besonders beim Drive-By, macht es euch möglich, in alle Richtungen zu schießen, ist aber gewöhnungsbedürftig. Alles in einem gehört dieser GTA-Teil insgesamt wohl zu den besten Videospielen überhaupt, mit einer nach oben offen Spielzeit, hohem Wiederspielwert, durchweg gelungenem Soundtrack und vielen Unterhaltungsmöglichkeiten in Liberty City.