Behrens, Ulrich Gier! (Taschenbuch) Testbericht

Oh, mein Gott, was für ein Krimi, welchen Ulrich Behrens geschrieben hat, wobei dieser Ausruf „Oh, mein Gott“ bei mir nicht Ausdruck von Bestürzung oder Entsetzen ist, sondern einzig und allein NUR Zeichen meiner Bewunderung, meines Staunens ist. Im Grunde, und das kommt wirklich sehr, sehr selten vor, fehlen mir dazu einfach die Worte, nicht nur weil das Buch von der ersten bis zur letzten Seite recht spannend und fesselnd geschrieben ist, sondern ich darin auch ganz allgemein, Lebenserfahrungen und –erwartungen, Wünsche, Träume, Sehnsüchte aber auch Ängste wahrgenommen hab, die mir zumindest sehr auf die Tränendrüse gedrückt haben. Na ja, eine wirkliche Krimileserin bin ich nun wirklich nicht, aber da mir Ulrich Behrens Schreibstil so ungemein gut gefällt, und ich auch so seine Filmberichte, die er über viele Jahre hinweg geschrieben hat, noch heut ungemein gerne lese, sehe ich es zumindest nicht als Pflicht, aber als „Freundschaftsbeweis“, wenn ich bereits sein drittes Buch als mein eigen nennen darf. Ich mag einfach seinen ganzen Schreibstil, das sag ich frei heraus, welcher wohl ins Detail in die Tiefe geht, aber dennoch nicht überaus ausschweifend wirkt.

Aber nun, um was für einen Kriminalroman geht es denn? Dass es sein zweiter ist, wird wohl niemand entgangen sein, wobei es eigentlich unerheblich ist, ob man nun seinen ersten Krimi „Krieg“ kennt oder nicht, oder gleich beim zweiten mit einsteigt, welcher „Gier“ heißt.

Okay, das Hamburger Kripoteam, mit Dinah von Ungern an der Spitze und Tom Haller mit seinen Kollegen und Kolleginnen existiert noch, aber ein ganz anderer Fall wartet auf sie. Nämlich es werden in kurzen Abständen gleich vier Frauenleichen an verschiedenen Orten gefunden, wobei drei davon richtig bestialisch hingerichtet wurden. Was allen Leichen gemein ist, ist, dass sie nach ihrer Hinrichtung gewaschen wurden und pudelnackt sind, wobei bei drei, Körperteile abgeschnitten wurden, welche jedoch unauffindbar sind.

Wie in einem Gruselfilm, sieht man beim Lesen diese Frauen vor sich, welchen die Augen und Ohren, bei der zweiten die Gliedmaßen, und der dritten die Brüste abgetrennt wurden, weil der Autor dies bis ins kleinste Detail beschrieben hat. Natürlich nicht wie der oder die Täter vorgegangen sind, sondern wie sie von Passanten, bzw. dem Kripoteam vorgefunden wurden. Na ja, das ist eigentlich der Fall, mit welchem sich in diesem Krimi das Team auseinanderzusetzen hat, wobei wahrscheinlich die Leser von seinem ersten Krimi „Krieg“ noch wissen, dass Tom und Dinah sehr eng befreundet sind, was sich in „Gier“ jedoch ändern wird.

Und jetzt heißt es für mich „reiß dich am Riemen“ damit du nicht zu viel verrätst, und den anderen die Spannung nimmst, was ich nicht beabsichtige.

Ein Mann wacht am Rheinufer mit sehr starken Kopfschmerzen auf, wobei er sich an rein gar nichts mehr, absolut nichts, erinnern kann. Nicht wer er ist, und schon gar nicht wo und wie er dort hingekommen ist. Einen richtigen „Black-out“, oder „Filmriss“ muss er gehabt haben, denn alles was in seiner Vergangenheit liegt, ist ihm gänzlich fremd. Ab und zu hat er so „Geistesblitze“ oder wie man dazu sagt, bei welchem ihm z.B., wenn er nur an die Polizei denkt, richtig mulmig wird.

Na ja, und jetzt frage ich mich, warum nur. Warum bekommt jemand ein mulmiges Gefühl, wenn er an die Polizei denkt? Der hat bestimmt irgendetwas auf dem Kerbholz, zumal die Frauenmorde dazu parallel in dieser Geschichte laufen. Aber der Autor fragt sich das auch, und stellt an sich und an uns, genau dieselben Fragen. Im Grunde sind wir so keine passiv Leser, sondern aktiv, weil wir uns unweigerlich auch den Kopf zerbrechen, was dieser Mann für eine Vergangenheit hat. Und das macht es eigentlich auch aus, dass man bei diesem Krimi schon von der ersten Seite an Spannung spürt, die sich soweit steigert, dass es einem schier unmöglich erscheint, das Buch zur Seite zu legen. Nicht umsonst hab ich für dieses Buch mit seinen 309 Seiten nur zwei Tage gebraucht, was eben mitunter auch an der sehr guten und flüssigen Lesbarkeit liegt.

Aber weiter im Text.

Nun zu den Frauenmorden. Auch da hab ich so meine Gedanken, aus was für einem Milieu stammen diese, zumal es sich um recht hübsche und junge Damen handelt. Jedoch als von einer Fabrikantenfrau die Rede ist, kommen mir doch Zweifel, ob es eine solche Frau überhaupt nötig hat, ins Rotlichtmilieu abzusteigen, wobei es den Anschein hat, dass die vier Frauenmorde irgendwie im Zusammenhang miteinander stehen, weil diese mit Messerschnitten „Nummeriert“ vorgefunden wurden.

Na ja Prostitution kommt in „Gier“ wohl auch vor, jedoch in einer recht, recht abscheulichen Art von Kinderpornographie und -prostitution nicht nur im Internet. Ja, da hat der Autor wieder einmal ein Thema angeschnitten, welches so ab und zu in den Medien auftaucht, und dann heiß zur Debatte steht, aber im gleichen Zug auch ganz schnell wieder vom Tisch ist, weil, ja weil…und darüber hält sich Ulrich Behrens nicht in Schweigen. Warum auch? Zumal ja jeder weiß, dass man immer erst beim kleinen Mann die Schuld sucht, und sich niemand wirklich an die tatsächlichen Urheber ran wagt, welche in den obersten Etagen sitzen, dort wo Macht und Geld regiert.

Da gehört schon mächtig viel Mut, gegenüber den Vorgesetzten dazu, welche dies zu vertuschen und verhindern versuchen. Und dass dies nicht immer glimpflich abgeht, man mit Verletzen und gar Toten zu rechnen hat, sogar in den eigenen Reihen, das nimmt das Kripoteam in Kauf. Muss es ja schließlich. Denn sie sind die einzigen, die trotz der falschen Fährte und trotz der Niederlagen die sie einzustecken haben, bis zuletzt am Ball bleiben, nur damit der „Ring“ ausgehoben wird und die Gerechtigkeit siegt.

Na ja, oftmals hab ich schon gehört, dass ich bei einem Krimi nicht allzu sehr eine Liebesgeschichte darin suchen soll, wobei natürlich so eine kleine Liebelei so zwischendurch mit den Kolleginnen doch etwas für Abwechslung sorgt. Nicht nur für Tom Haller, Dinah und Birgit, sondern auch für die Leser, denen so vermittelt wird, wie gut sich das Team versteht und in jeder Hinsicht zusammenarbeitet.

Tom, wenn ich mal diesen Kripobeamten, welcher die Position von Dinah von Ungern einnimmt kurz beschreibe soll, so ist das ein Mann, der die Gabe besitzt, sich in Personen reinzuversetzen und mit ihnen mitfühlen, was sie bedrückt und was ihnen am Herzen liegt, wobei sie dann bei ihm immer auf ein offenes Ohr stoßen. Ein recht sympathischer und liebenswerter Mann ist er, welcher wohl schönen schlanken Frauen mit langen Beinen nachschaut und von ihnen träumt, jedoch oftmals den ersten Schritt nicht wagt. Aber das ist ja bei recht vielen Männern so der Fall, wobei dies meiner Ansicht unerheblich ist, ob sie nun schon mal Enttäuschungen einstecken mussten oder nicht. Ich denke mal, das liegt in der Natur des Mannes. Er ist, so wie ich es sehe, derjenige, welcher das Team zusammenhält und es zu motivieren versteht, wobei es auch ihm gut tut, wenn er jemanden sein Herz ausschütten kann. Im Grunde arbeitet JEDER im Team auch wirklich IM Team. Und das macht die Zusammenarbeit auch bombig. Auch in den Zeiten, in welchen Tom gleich zwei Frauen zu Füßen liegen, gibt es keine Rivalen-Kämpfe, oder gar Intrigen. Tränen gibt es. Bittere Tränen. Auf beiden Seiten.

Von Birgit wissen wir vom ersten Buch „Krieg“ her, dass sie verheiratet ist und Kinder hat, wobei sie damals nur knapp diesem Bombenanschlag in der Stadt entkommen war. Ja, und in „Gier“ hat sie ihr Mann vor die Entscheidung gestellt. Entweder er und die Kinder oder die Arbeit bei der Kripo. Das da der tägliche „Zoff“ zuhause vorprogrammiert ist, was den Kindern garantiert nicht gut tut, das kann sich jede/r denken. Bloß gut, dass sie in Tom jemanden findet, der für sie ein offenes Ohr hat, und Verständnis rüberbringt. An ihn kann sie sich in jeder Hinsicht anlehnen. Richtig anlehnen. Und das tut nicht nur ihr gut, sondern auch ihm, weil er merkt, da ist jemand, der zu mir vollstes Vertrauen, in jeder Hinsicht hat.

Ja, und Dinah zieht deshalb jetzt nicht den Kürzeren, nur weil Tom Birgit mag, sondern sie gibt unter Tränen den Weg für Birgit frei, wobei sie Freunde bleiben, aber sie in eine höhere Position und größtenteils aus Toms Augen rückt. Beruflich werden sie noch in Kontakt bleiben, aber dabei wird es auch nach Aussage von Tom bleiben.

Tom hat in dieser Hinsicht seine Prinzipien denen er auch treu bleibt.

Oh-Gott, schon wieder bin ich in den Trott einer Liebesgeschichte geraten, aus welchem ich ganz, ganz schnell raus muss, bevor ich zu sentimental werde. Ulrich Behrens hat wohl diese Szenen recht mitfühlend und auch nachvollziehbar rübergebracht, ist aber dabei nicht einer zu großen Sentimentalität und Gefühlsduselei verfallen. Der sehr, sehr überwiegende Teil des Krimis „Gier“, ist und bleibt ein Krimi, ja, wenn man so will, sogar ein Thriller, welcher jedoch garantiert nicht von schlechten Eltern ist.

Mir persönlich hat ja auch sein erster Krimi „Krieg“ sehr gut gefallen, jedoch muss ich wirklich sagen, dass ich „Gier“ um einige Nummern besser finde, weil, so meine ich, Ulrich Behrens Schreibstil von der ersten Seite her viel flüssiger aufgebaut ist, und, weil er diesem eine Story gegeben hat, welche nicht nur immer wieder heiß diskutiert und in den Schlagzeilen erscheint, sondern auch wahrscheinlich viel mehr Anhänger findet, bzw. interessiert und anspricht, zumal jede/r normaldenke/r Kinderpornographie und – prostitution und Menschenhandel als das widerlichste auf der Welt findet.

Ich finde es eigentlich sehr schön, dass Ulrich Behrens immer wieder in seinen Büchern Themen aufgreift, in welchen er für mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit appelliert. Ob nun für Täter oder Opfer. Das ist ganz egal, zumal JEDEM das Recht der Menschenwürde zusteht.

Ganz kurz zum Schreibstil. Wie schon oben kurz erwähnt, geht Ulrich Behrens nicht oberflächlich an Sprache und Sätze heran, sondern verleiht ihnen Tiefe und Inhalt, sodass sie beinahe schon 3-Dimensional erscheinen. Man sieht förmlich das vor einem, was man liest. Auch, und das bewundere ich auch sehr, ist seine Fantasie und sein Ideenreichtum, überhaupt einen 300seitigen Kriminalroman zu schreiben. Okay, vielen mag z.B. das Motiv vom Mann ohne Gedächtnis bekannt vorgekommen sein, was ich jedoch keinem Autor für übel nehme, wenn sie „Fäden“ als Anregung und Idee aus diesem oder ähnlichem Muster zupfen und mit IHREN „Fäden“ IHRER eigenen Idee und Fantasie miteinander verweben, sodass am Ende nicht nur eine ganz neue Struktur, sondern auch ein ganz neues Muster entsteht. Eben eine ganz andere Geschichte.

Ich bin sogar der Auffassung, dass so jede/r Autor/in vorgeht. Denn irgendwo taucht immer wieder dasselbe Motiv auf, welches dank Fantasie und Ideenreichtum des Autors ein ganz Aussehen und Muster bekommt. Schon oft hatte ich ein Buch in der Hand, wo ich dachte: Mensch, das hab ich doch schon in ähnlicher Form mal in einem Film gesehen, oder in einem Buch gelesen.

Und ob es leicht oder schwierig ist, Anhaltspunkte aus einer mir vertrauten Geschichte, eine neue zu stricken, das hab ich selber mal versucht, aber bald wieder aufgegeben, weil ich immer in die mir schon vertrauten zurückgefallen bin. Ist nämlich verdammt schwer, seine Fantasien darin gänzlich unterzubringen.

Deshalb, Hut ab vor Ulrich Behrens, dem es wieder einmal gelungen ist, einen recht spannenden und fesselnden, mit einem Hauch knisternder Erotik durchzogenen Krimi, oder besser gesagt Thriller zu schreiben.

Ich wünsche Ulrich Behrens von ganzen Herzen, dass sein Buch „Gier“ ein großer Erfolg wird. Verdient hätte er es nämlich.

Daten zum Kriminalroman „Gier“

Broschiert: 312 Seiten
Verlag: Books on Demand; Auflage: 1 (6. Februar 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3844815562
ISBN-13: 978-3844815566
Größe: 21,6 x 15,1 x 2 cm

Ach ja, zum Preis, wobei ich nur kurz erwähnen möchte, dass dieser Krimi „Gier“ auch als Kindle Edition für 15,99 € erschienen ist. Ansonsten kostet dieses Buch 19,90 € im Handel, wobei es jedoch auch jederzeit möglich ist, dieses um einige Euros billiger, direkt beim Autor Ulrich Behrens zu bestellen, welcher den Usern auf den Verbraucherplattformen unter dem Namen „Posdole“ und „Wildheart“ bekannt sein dürfte.

Ein Blick ins Buch (Leseprobe) (Link funktioniert wieder!)

http://www.amazon.de/Gier-Ulrich-Behrens​/dp/3844815562/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF​8&qid=1330776820&sr=1-2#reader_384481556​2