Oberwasser (Taschenbuch) / Jörg Maurer Testbericht

Fischer-taschenbuch-vlg-oberwasser-taschenbuch
ab 7,82
Auf yopi.de gelistet seit 02/2012
5 Sterne
(3)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(2)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)
Summe aller Bewertungen
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  durchschnittlich
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  humorvoll
  • Stil:  sehr ausschmückend

Erfahrungsbericht von LilithIbi

"Eine anonyme mail! Das ist ja schon ein Widerspruch in sich."

2
  • Niveau:  anspruchslos
  • Unterhaltungswert:  durchschnittlich
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  sehr ausschmückend
  • Zielgruppe:  jedermann

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

„Hier zum Beispiel, unter der Schädeldecke, befindet sich das motorische Brodmann-Areal, das für ihre Füße zuständig ist. Sie werden die einmalige Gelegenheit bekommen, zusehen zu können, wie ich durch Stimulierung ihres Homunkulus in Ihrem Gehirn Ihren großen Zeh zum Wackeln bringe. Morgen nehmen wir uns dann das sensorische Areal vor und tauchen in die wunderbare Welt der Schmerzen ein.“
'''(Zitat, S. 22)'''

~ Wer Dank dieser Passage auf ein ultraspannendes und womöglich galant-brutales Büchlein hofft, der wird von Jörg Maurers Alpenkrimi

===“Oberwasser“=== vermutlich recht enttäuscht werden. Für mich selbst stellte der Leseausflug in dieses Unter-Genre eine absolute Neuigkeit dar, so dass ich mit gemischten Gefühlen an die Lektüre des 396seitigen (von denen die letzten 8 zum Anhang gehören) heranging. Fakt ist, dass ich das Buch zwar erneut an einem einzigen Nachmittag ohne allzu erwähnenswerte Unterbrechungen gelesen habe, dies jedoch eher dem Umstand zu verdanken ist, dass ich das Ganze über kurz oder lang nur noch hinter mich bringen wollte.

Auf den ersten Blick indes sticht die besondere (und irgendwie nur teilweise erfreulich-verkitschte) Aufmachung ins Auge: nicht genug damit, dass das Werk mit einer Art Interview mit dem Autoren beginnt ~ vielmehr wurde alle Seiten lang das titelbildgebende Eichhörnchen an den unteren Seitenrand platziert. Darüber hinaus beginnt die Lektüre mit einem Kapitel, welches wie ein Drehbuch erscheint und erst im weiteren Verlauf einen endgültigen Sinn ergibt ~ ganz im Gegensatz zu Kapiteln 11 und 19, die zumindest ich für meinen Teil als absolut überflüssig und unpassend betrachte. In jenen wird die Story zwar irgendwie weiterhin thematisiert, doch so wirklich voran trieb dies nur die Faltenbildung auf meiner fragenden Stirn.

Generell mussten erst einmal ein paar Seiten vergehen, bis ich mich in den angewandten Schreibstil hineinfühlen konnte. Dass der Autor Jörg Maurer Zeit seines Lebens vorrangig Musikkabarettist war, und wohl gleichermaßen noch ist, lässt sich womöglich an den zig platzierten Liedchen, die den Lesefluss beinahe komplett unterbrechen, erkennen und unterstreicht die meinige recht früh gefasste These, dass ich mit dem, was laut Klappentext als „urkomisch“ bezeichnet wird, nicht wirklich warm werden konnte. Zeilen wie

„Hansjochen Becker war verheiratet, seine Frau unterrichtete am Gymnasium (war also auch eine Art Spurensucherin - nach Anzeichen von Intelligenz), aber beide redeten grundsätzlich nie über Dienstliches, das stand bei den Beckers sozusagen im Ehevertrag.“
'''(Zitat, S. 24-25)'''

können Lesern wie mir höchstens ein müdes Lächeln entlocken, während die Front, die Dialekte aka

„Und wem g'herscht na du?“
'''(Zitat, S. 143)'''

nicht verstehen, vereinzelt – wenngleich auch nur an wenigen Stellen – ihre Probleme haben dürften. Hinzu gesellt sich eine recht oberflächliche Figurenzeichnung: obschon klar ist, dass Kommissar Jennerwein der eigentliche Protagonist ist, erfährt der Leser nur das Allernötigste über ihn, nimmt so gut wie gar nicht Teil an dessen Gedankengütern oder gar privatem Tun. Nebeneffekt von der blassen Personenvorstellung naturgemäß der Fakt, dass es mir im Grunde genommen recht egal war, wem was zu geschehen drohte ~ sonderlich lieb gewonnen habe ich keinen einzelnen Charakter, wenngleich immerhin die junge bemühte Ermittlerin Nicole Schwattke für einige lauwarme Highlights in der Geschichte sorgt.

Nichtsdestotrotz lässt sich nachfolgendes festhalten: Je mehr man sich in die Story hineinliest, desto mehr scheint auf der Hand zu liegen, dass „Oberwasser“ eher eine Liebeserklärung an den idyllischen alpenländischen Kurort darstellt statt eine hochgradig spannend-ernstzunehmende Kriminalgeschichte.

Die _Handlung_ rund um den verschwundenen BKA-Ermittler weitet sich auf mehrere interpersonelle wie auch gesetzeswidrige Verbrechen aus, in die so viele Personen verstrickt sind und deren Zusammenhang sich erst nach und nach herauskristallisiert, so dass es mir persönlich eingangs ein wenig schwer fiel, mich in der Lektüre zu orientieren.

Bereits an der Stelle jedoch, als die Hauptfigur Kommissar Jennerwein beschließt, die Ortschaft durch einen fiktiven Fall zu verunsichern und von den eigentlichen Untersuchungen abzulenken, hatte mich der eigentümliche Reiz des Buches gepackt.
Auch diverse debattierwürdige Passagen verstehen es, den Leser schließlich doch noch an die Buchseiten zu pappen und einen weiteren Spannungsbogen einzuflechten:

„Manche lernen es nie, manche rumpeln immer wieder hinein in dieselbe Gefahr, aus der sie gerade eben mit Mühe und Not entkommen sind. Man möchte fast meinen, sie sind nur deswegen froh, der Bedrohung entkommen zu sein, weil sie sich gleich darauf auf der Hacke umdrehen und sich erneut in den finsteren Wald mit den spitzen Messern und gespannten Fallen stürzen.“
'''(Zitat, S. 70)'''

Bedauerlicherweise handelt es sich hierbei jedoch stetig eher um kurzzeitige Spannungsflämmchen, die viel zu schnell wieder abflauen. Atmosphärisch liest sich „Oberwasser“ ungefähr so beklemmend wie sich eine Folge von „Der Bulle von Tölz“ ansehen lässt: nicht wirklich langweilig, aber eben doch eher urig-gemütlich, während so viel „drumherum“ platziert wird, dass sich kaum einer noch eindringlich auf das eigentliche Thema konzentriert.

Ferner kredenzte Jörg Maurer einen weiteren Handlungsstrang: der junge Oliver Krapf, der mit ein paar Freunden gemeinsam das bestandene Abitur mit einer Nordafrikarundreise feiert, gelangt zu einer Münze, dessen geheimnisvolle Inschrift ihn das komplette Buch über beschäftigen wird.

Jene Nachforschungen gestalten sich durchaus lesenswert, erwischen den Leser auf einer andersartigen, wenn nicht sogar zusätzlichen Interessestufe und sorgen dadurch, dass die story quasi wechselseitig vorangetrieben wurde, für höhere Leselust.

Dieser Schachzug des Autoren könnte durchweg genial sein... für mich als Leser indes erschien die Lektüre mehr und mehr chaotisch, überladen und stellenweise so überdreht, dass man schon ein bis zwei Augen vor der damit verbundenen Unglaubwürdigkeit zudrücken muss.

Das Team um Kommissar Jennerwein deckt zwar immer weitere verbrecherische Kleinigkeiten auf, kommt mit den eigentlichen Ermittlungen jedoch kaum voran ~ und genauso missmütig liest sich _„Oberwasser“_ weiterhin dann auch. Zu viele Zufallsverstrickungen tun sich auf, die ich persönlich ehrlich gesagt in ein bis zwei Fällen schlussendlich nicht einmal nachvollziehen konnte. Der Hauch von Mystik respektive Legenden, die _„Oberwasser“_ eine weitere Tiefe geben sollten, lassen in diesem Fall den Krimi nur noch befremdlicher wirken und mich persönlich zu dem Resümee gelangen, dass der Leseausflug ins Jörg Maurers Werke alles andere als uninteressant war, aber nicht das darstellt, was ich mir künftig noch mal vornehmen würde.

===Summa summarum=== involviert „Oberwasser“ zweifellos einige Details, auf die Liebhaber jenes Genres sicherlich mit Verzücken reagieren werden. Die vorherrschende Lockerheit wird durch eine handvoll Zeichnungen, knuffige Versuche, den örtlichen Dialekt zu erlernen und nicht zuletzt dem sturen Versuch, einen „Kostenausgleich wegen Sonderausgaben im laufenden Einsatz“ für den Verzehr einiger Leberkäsesemmeln durchzusetzen, durchaus unterstrichen und ins heitere Lesevergnügen gelenkt.

Meinen persönlichen Geschmack trifft dies jedoch nur bedingt; so dass ich „Oberwasser“ zwar nicht als „schlecht“ oder gar „langweilig“ bezeichnen würde.

Zu guter Letzt ist der guten Ordnung halber anzumerken, dass ich bei einem Kauf (9,99€) und der mir nicht gegebenen Möglichkeit, über die _crimethrill_-Webpräsenz ein Gratis-Exemplar zu erhaschen, vermutlich noch etwas enttäuschter gewesen wäre.
Nichtsdestrotz: drei Sterne, Neutralitätsempfehlung.

27 Bewertungen, 6 Kommentare

  • campino

    23.02.2012, 00:00 Uhr von campino
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg andrea -----------

  • morla

    22.02.2012, 22:10 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg. ^^^^^^^^^^^^^petra

  • sirikit06

    22.02.2012, 21:53 Uhr von sirikit06
    Bewertung: besonders wertvoll

    Wünsche Dir einen schönen Abend! LG

  • Colly24

    22.02.2012, 19:55 Uhr von Colly24
    Bewertung: sehr hilfreich

    Wie versprochen, mir entgeht nix, alles wird bewertet, ich hoffe du bist auch so fleissig? es grüsst Colly24

  • anonym

    22.02.2012, 18:56 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr informativ beschrieben. GLG und eine schöne Restwoche.

  • Lale

    22.02.2012, 13:37 Uhr von Lale
    Bewertung: sehr hilfreich

    Allerbesten Gruß *~*