Summer Wars (DVD) Testbericht

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Summer-wars-dvd-zeichentrickfilm
ab 8,73
Auf yopi.de gelistet seit 03/2012

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Erfahrungsbericht von atrachte

Second Life weitergesponnen

Pro:

sB

Kontra:

sB

Empfehlung:

Ja

Die Vorstellung von einer vollständig miteinander vernetzten Welt, in der das Internet keine nebensächliche Aktivität, sondern Zentrum des Alltages ist, mag eine für viele beängstigende Vision sein, ist mittlerweile aber für viele auch Realität geworden. Freunde braucht man nicht mehr treffen, Zeitungen nicht mehr lesen, den Gang in Geschäfte kann man sich ebenso sparen, wie das raus kramen eines Lexikons. Das Internet bietet für alle analogen Tätigkeiten unlängst digitale Gegenpole, die bequemer und schneller sind. Die nächste Stufe kann eigentlich nur darin bestehen, den Menschen komplett vom analogen Leben zu trennen, und das gesellschaftliche, geschäftliche und private Leben komplett zu digitalisieren. In Mamoru Hosodas („Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“) Zeichentrickfilm „Summer Wars“ ist die Menschheit diesen nächsten, logischen Schritt bereits gegangen.

Oz nennt sich die virtuelle Welt in Hosodas Film. Und tatsächlich mutet diese auf den ersten Blick wie Lyman Frank Baums Märchenland an: sie ist kunterbunt, irgendwie sehr surreal, vermittelt aber gleichzeitig einen idyllischen, harmonischen Eindruck. Die Privatsphäre sei schließlich durch komplexe Verschlüsselungssysteme geschützt, außerdem lasse sich der Alltag einfach mit Oz bestreiten – keinen Grund zur Sorge. Man kann dort mit seinem eigenen Avatar einkaufen gehen, Freunde treffen, Geld verdienen und Spaß haben. Auf Oz lässt sich von überall her zugreifen, und man kann mit Oz auch auf alles zugreifen. Für den reibungslosen Betrieb eines Atomkraftwerkes über Handy sorgen? Dank Oz kein Problem. Satelliten steuern? Null problemo. Medizinische Dienste mit Oz verknüpfen? Solange das System nicht ausfällt, kann da nichts schiefgehen. Und warum sollte in Oz auch schon etwas schief gehen.

Der Umgang der Menschen mit der virtuellen Welt Oz erfolgt vollkommen unkritisch, mögliche Gefahren werden durch die Versprechen der Betreiber bei Seite geschoben. Und doch geht etwas schief. Natürlich. Sonst würde „Summer Wars“ ja nur ein Abbild der gegenwärtigen Internetgeneration sein. Doch Hosodas Werk ist keine düstere Dystopie, die mit erhobenen Zeigefingern mahnt. Die Botschaft ist nicht vordergründig, wird nicht mit einem Vorschlaghammer in die Köpfe der Zuschauer geprügelt, nein, sie ist fein in die Geschichte eingewoben, beinahe schon hintergründig. Denn in erster Linie ist „Summer Wars“ ein Familien-Film. Über eine Familie, ebenso wie für Familien.

Hauptfigur ist der Teenager Kenji, ein schüchterner Kerl, aber ziemlich begabt in Mathe und in allem, was mit Computern zu tun hat. Er begleitet seine Schulfreundin Natsuki in den Sommerferien zu einem Familientreffen aufs Land, welches zu Ehren des bald anstehenden, 90. Geburtstages von Natsuki Großmutter Sakae abgehalten wird. Dort stellt Natsuki ihren Begleiter als ihren Verlobten vor – von einer solch intensiven Beziehung zwischen den beiden wusste der Junge zuvor selbst noch nichts, dachte er doch eigentlich, er solle Natsuki und ihrer Familie nur bei ein paar organisatorischen Angelegenheiten helfen. Tatsächlich hat ihn seine Freundin aber als Alibi mitgebracht, um der Großmutter eine Freude zu machen, und diese in dem Glauben zu wiegen, das ihre Enkelin einen sie liebenden Mann an ihrer Seite hat. Nach einem unterhaltsamen Abend im Kreise von Natsukis ziemlich großer Familie, folgt für Kenji am nächsten Morgen bereits der nächste Schock, als im Fernsehen über einen Hacker berichtet wird, der in Begriff ist Oz zu zerstören. Und dieser Hacker soll ausgerechnet Kenji selbst sein. Das ist allerdings erst der Anfang, einer weiten reihe von sich bald überschlagenden Ereignissen...

Zuweilen mutet „Summer Wars“ überfrachtet an, reicht doch das Genre-Spektrum von einem zwischen Drama und Komik stehenden Familien-Film, gepaart mit einem omnipräsenten Science-Fiction Element, sowie der archetypischen Überstilisierung eines Animes. Das mag nach sehr viel klingen – ist es auch – jedoch erschafft Hosoda erstaunlich elegant eine Homogenität zwischen den einzelnen Genres und Ebenen, jongliert gekonnt zwischen realer und virtueller Welt, sowie zwischen Stimmungen. „Summer Wars“ ist ein kurzweiliger Film, aber auch ein Film, den man so schnell ins Herz schließt, das man sich am Ende wünscht, er würde noch zwanzig Minuten weiter gehen. Dies ist nicht zuletzt den liebevoll ausgearbeiteten Figuren zu verdanken. Aber „Summer Wars“ ist auch ein optisch ungemein eindrucksvoller Film, der gekonnt klassischen Anime-Stil mit modernen Zeichentrickfilm verbindet. Während die reale Welt beinahe schon minimalistisch gezeichnet ist, haben sich die Zeichner in der Gestaltung von Oz komplett ausgetobt. Das Hosoda und seine Zeichner ihre Inspiration für die virtuelle Welt bei den Werken von Takashi Murakami geholt haben, ist kaum zu übersehen, wirkt Oz doch so, als wären die Bilder und Figuren des japanischen Künstlers zum Leben erwacht

„Summer Wars“ ist gewiss nicht immer ganz ausgereift, hier und da fallen kleine handwerkliche Mängel bei der Inszenierung und Haltung einer konstanten Dramaturgie schon auf. Dennoch macht der Film durch seinen lebendigen Charme und seiner tollen Optik einen ungemeinen Spaß, bietet Dank der Technik-Kritik gar noch einen gehaltvollen Kontext. Man darf Hosoda spätestens nach „Summer Wars“ als einen der interessantesten Anime-Macher der Gegenwart betiteln, und gespannt darauf sein, was der Japaner in den nächsten Jahren noch aus dem Hut zaubert.

45 Bewertungen, 8 Kommentare

  • Raith1337

    04.06.2012, 18:15 Uhr von Raith1337
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe diesen Film! Guter Testbericht! LG

  • anonym

    17.03.2012, 15:41 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Prima vorgestellt. Über eine Gegenlesung würde ich mich sehr freuen.

  • campino

    17.03.2012, 10:39 Uhr von campino
    Bewertung: sehr hilfreich

    lg andrea

  • hjid55

    17.03.2012, 10:09 Uhr von hjid55
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich & liebe Grüße Sarah

  • XXLALF

    17.03.2012, 08:35 Uhr von XXLALF
    Bewertung: sehr hilfreich

    ..und ein wunderschönes wochenende

  • Miraculix1967

    16.03.2012, 21:28 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schönen Freitagabend, schönes Wochenende und LG aus dem gallischen Dorf Miraculix1967

  • katjafranke

    16.03.2012, 21:23 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele liebe Grüße. KATJA

  • Clarinetta2

    16.03.2012, 19:55 Uhr von Clarinetta2
    Bewertung: sehr hilfreich

    sehr gut beschrieben