Summer Wars (DVD) Testbericht
Erfahrungsbericht von atrachte
Second Life weitergesponnen
Pro:
sB
Kontra:
sB
Empfehlung:
Ja
Oz nennt sich die virtuelle Welt in Hosodas Film. Und tatsächlich mutet diese auf den ersten Blick wie Lyman Frank Baums Märchenland an: sie ist kunterbunt, irgendwie sehr surreal, vermittelt aber gleichzeitig einen idyllischen, harmonischen Eindruck. Die Privatsphäre sei schließlich durch komplexe Verschlüsselungssysteme geschützt, außerdem lasse sich der Alltag einfach mit Oz bestreiten – keinen Grund zur Sorge. Man kann dort mit seinem eigenen Avatar einkaufen gehen, Freunde treffen, Geld verdienen und Spaß haben. Auf Oz lässt sich von überall her zugreifen, und man kann mit Oz auch auf alles zugreifen. Für den reibungslosen Betrieb eines Atomkraftwerkes über Handy sorgen? Dank Oz kein Problem. Satelliten steuern? Null problemo. Medizinische Dienste mit Oz verknüpfen? Solange das System nicht ausfällt, kann da nichts schiefgehen. Und warum sollte in Oz auch schon etwas schief gehen.
Der Umgang der Menschen mit der virtuellen Welt Oz erfolgt vollkommen unkritisch, mögliche Gefahren werden durch die Versprechen der Betreiber bei Seite geschoben. Und doch geht etwas schief. Natürlich. Sonst würde „Summer Wars“ ja nur ein Abbild der gegenwärtigen Internetgeneration sein. Doch Hosodas Werk ist keine düstere Dystopie, die mit erhobenen Zeigefingern mahnt. Die Botschaft ist nicht vordergründig, wird nicht mit einem Vorschlaghammer in die Köpfe der Zuschauer geprügelt, nein, sie ist fein in die Geschichte eingewoben, beinahe schon hintergründig. Denn in erster Linie ist „Summer Wars“ ein Familien-Film. Über eine Familie, ebenso wie für Familien.
Hauptfigur ist der Teenager Kenji, ein schüchterner Kerl, aber ziemlich begabt in Mathe und in allem, was mit Computern zu tun hat. Er begleitet seine Schulfreundin Natsuki in den Sommerferien zu einem Familientreffen aufs Land, welches zu Ehren des bald anstehenden, 90. Geburtstages von Natsuki Großmutter Sakae abgehalten wird. Dort stellt Natsuki ihren Begleiter als ihren Verlobten vor – von einer solch intensiven Beziehung zwischen den beiden wusste der Junge zuvor selbst noch nichts, dachte er doch eigentlich, er solle Natsuki und ihrer Familie nur bei ein paar organisatorischen Angelegenheiten helfen. Tatsächlich hat ihn seine Freundin aber als Alibi mitgebracht, um der Großmutter eine Freude zu machen, und diese in dem Glauben zu wiegen, das ihre Enkelin einen sie liebenden Mann an ihrer Seite hat. Nach einem unterhaltsamen Abend im Kreise von Natsukis ziemlich großer Familie, folgt für Kenji am nächsten Morgen bereits der nächste Schock, als im Fernsehen über einen Hacker berichtet wird, der in Begriff ist Oz zu zerstören. Und dieser Hacker soll ausgerechnet Kenji selbst sein. Das ist allerdings erst der Anfang, einer weiten reihe von sich bald überschlagenden Ereignissen...
Zuweilen mutet „Summer Wars“ überfrachtet an, reicht doch das Genre-Spektrum von einem zwischen Drama und Komik stehenden Familien-Film, gepaart mit einem omnipräsenten Science-Fiction Element, sowie der archetypischen Überstilisierung eines Animes. Das mag nach sehr viel klingen – ist es auch – jedoch erschafft Hosoda erstaunlich elegant eine Homogenität zwischen den einzelnen Genres und Ebenen, jongliert gekonnt zwischen realer und virtueller Welt, sowie zwischen Stimmungen. „Summer Wars“ ist ein kurzweiliger Film, aber auch ein Film, den man so schnell ins Herz schließt, das man sich am Ende wünscht, er würde noch zwanzig Minuten weiter gehen. Dies ist nicht zuletzt den liebevoll ausgearbeiteten Figuren zu verdanken. Aber „Summer Wars“ ist auch ein optisch ungemein eindrucksvoller Film, der gekonnt klassischen Anime-Stil mit modernen Zeichentrickfilm verbindet. Während die reale Welt beinahe schon minimalistisch gezeichnet ist, haben sich die Zeichner in der Gestaltung von Oz komplett ausgetobt. Das Hosoda und seine Zeichner ihre Inspiration für die virtuelle Welt bei den Werken von Takashi Murakami geholt haben, ist kaum zu übersehen, wirkt Oz doch so, als wären die Bilder und Figuren des japanischen Künstlers zum Leben erwacht
„Summer Wars“ ist gewiss nicht immer ganz ausgereift, hier und da fallen kleine handwerkliche Mängel bei der Inszenierung und Haltung einer konstanten Dramaturgie schon auf. Dennoch macht der Film durch seinen lebendigen Charme und seiner tollen Optik einen ungemeinen Spaß, bietet Dank der Technik-Kritik gar noch einen gehaltvollen Kontext. Man darf Hosoda spätestens nach „Summer Wars“ als einen der interessantesten Anime-Macher der Gegenwart betiteln, und gespannt darauf sein, was der Japaner in den nächsten Jahren noch aus dem Hut zaubert.
45 Bewertungen, 8 Kommentare
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04.06.2012, 18:15 Uhr von Raith1337
Bewertung: sehr hilfreichLiebe diesen Film! Guter Testbericht! LG
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17.03.2012, 15:41 Uhr von anonym
Bewertung: sehr hilfreichPrima vorgestellt. Über eine Gegenlesung würde ich mich sehr freuen.
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17.03.2012, 10:39 Uhr von campino
Bewertung: sehr hilfreichlg andrea
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17.03.2012, 10:09 Uhr von hjid55
Bewertung: sehr hilfreichSehr hilfreich & liebe Grüße Sarah
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17.03.2012, 08:35 Uhr von XXLALF
Bewertung: sehr hilfreich..und ein wunderschönes wochenende
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16.03.2012, 21:28 Uhr von Miraculix1967
Bewertung: sehr hilfreichSchönen Freitagabend, schönes Wochenende und LG aus dem gallischen Dorf Miraculix1967
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16.03.2012, 21:23 Uhr von katjafranke
Bewertung: sehr hilfreichViele liebe Grüße. KATJA
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16.03.2012, 19:55 Uhr von Clarinetta2
Bewertung: sehr hilfreichsehr gut beschrieben
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