Die Frau in Schwarz (DVD) Testbericht

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ab 59,84
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Summe aller Bewertungen
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  anspruchsvoll
  • Romantik:  niedrig
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Spannung:  sehr spannend

Erfahrungsbericht von Hindenbook

Gnadenlose Rache aus dem Grab

4
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  durchschnittlich
  • Romantik:  sehr niedrig
  • Humor:  kein Humor
  • Spannung:  spannend
  • Altersgruppe:  ab 16 Jahren
  • Meinung bezieht sich auf:  DVD-Version

Pro:

Inhaltlich wie formal eine richtig gute Geistergeschichte.

Kontra:

Film voller Schocks aber ohne Überraschungen.

Empfehlung:

Ja

Kurzinfo für Ungeduldige

Anwalt Kipps soll eine Testamentsangelegenheit klären und gerät in ein Dorf, dessen Bewohner das Gespenst einer schwarzgekleideten Frau fürchten, die es auf ihre Kinder abgesehen hat … – Inhaltlich wie formal sehr ‚klassische‘ Gruselgeschichte, die nicht auf plakativen Horror, sondern auf Spukeffekte setzt; gut besetzt und erlesen ausgestattet, kann diese ‚altmodische‘ Spuk-Mär sehr wohl unterhalten.

Das geschieht:

Seit ihm vor vier Jahren die Gattin im Kindbett starb, lässt Anwalt Arthur Kipps seiner Trauer freien Lauf und beruflich die Zügel schleifen. Chef Mr. Bentley gibt ihm eine letzte Chance und schickt ihn in das abgelegen an der nordostenglischen Küste gelegene Dorf Crythin Gifford. Dort ist die wohlhabende Klientin Mrs. Drablow verstorben, und Kipps soll ihren Nachlass ordnen.

Nach anstrengender Reise erreicht der Anwalt sein Ziel. Die Dorfbevölkerung zeigt sich ungastlich bis offen ablehnend, nur Gutsbesitzer Sam Daily freut sich über den Gast aus der Stadt und heißt ihn willkommen. Kipps stellt fest, dass Mrs. Drablow allein in dem auf einer kleinen, der Küste vorgelagerten Insel errichteten Eel Marsh House gelebt hatte, das nur bei Ebbe über einen schmalen Pfad erreicht oder verlassen werden kann. Er quartiert sich dort ein, um die Papiere der Verstorbenen durchzugehen. Die Einsamkeit des Hauses drückt auf Kipps Gemüt, zumal er den Eindruck hat, nicht allein auf der Insel zu sein: Mehrfach erspäht er die Gestalt einer schwarz gekleideten Frau, die indes verschwindet, wenn er nach ihr sucht.

Die Lektüre der hinterlassenen Unterlagen enthüllt, dass Mrs. Drablow einst mit ihrer geistesgestörten Schwester Jennet Humfrye im Eel House gelebt und deren unehelich geborenes Kind adoptiert hatte. Der Junge war 1889 in der Marsch ertrunken; die Leiche konnte nie geborgen werden. Jennet konnte den Tod des Sohnes nicht verwinden und brachte sich im Haus um. Zuvor hatte sie ihre Schwester verflucht und diese als Geist bis zu ihrem Tod gepeinigt.

Außerdem hasst die Frau in Schwarz glückliche Eltern. Wenn eine Mutter oder ein Vater sie sieht, muss kurz darauf ein Kind sterben. Bis die Menschen von Crythin Gifford diese bittere Lektion gelernt hatten, waren viele Opfer zu beklagen. Noch immer lauert das Gespenst auf neue Opfer, und Arthur Kipps erinnert sich mit Schrecken daran, dass ihn am Wochenende Söhnchen Joseph auf der Arbeit besuchen soll …

Geisterspuk mit Klasse

Wer hätte damit gerechnet, dass die Verfilmung einer Geistergeschichte so viel besser als die höchstens mittelprächtige Vorlage gerät? Normalerweise ist es bekanntlich umgekehrt; die Verfilmung fällt hinter der Buchvorlage zurück. In unserem Fall hat erstens Drehbuchautorin Jane Goldman diverse Schwächen des Romans von Susan Hill ausgebügelt, während zweitens Regisseur James Watkins die Handlung bildgewaltig aber nie übertrieben sowie spannend ohne übertriebene Kompromisse an den Horrorfilm des 21. Jahrhunderts umgesetzt hat.

Goldmans großes Verdienst ist es, die von Hill allzu abschweifend und sprunghaft geschilderte Geschichte zu vereinfachen. Den Literaten mag es wundern, aber der Filmfreund nickt weise: Ein sauber gestricktes, auf die Unterhaltung des Publikums zielendes Garn kann im Kino durchaus besser funktionieren als eine ehrgeizig die literarische Vorlage auch formal aufgreifende Verfilmung. „Die Frau in Schwarz“ von Susan Hill war 1983 der Versuch einer klassischen britischen Geistergeschichte im Stil von M. R. James (1862-1936). Der Autorin gelang es nur ansatzweise, dem König der „ghost story“ das Wasser zu reichen, was u. a. an einem leerlaufreichen Mittelteil, einer gleichgültig lassenden Hauptfigur und einem der Logik gar nicht bekömmlichen Ortswechsel im melodramatischen Finale lag.

Bei Goldman ging viel Ballast über Bord. „Die Frau in Schwarz“ ist wieder und ausschließlich eine Geistergeschichte. Auf diesem Fundament wurde ein Story-Gebäude errichtet, dessen Grundriss wir einerseits schon kennen, bevor wir es betreten haben. Andererseits ist es eine alte Weisheit, dass man eine gute Geistergeschichte immer wieder gern liest oder sieht

Die Welt als Spiegel des Schreckens

Dieses Genre funktioniert zwar sehr gut in der Gegenwart, wird aber gern in vergangene Zeiten zurückverlegt, in denen die Menschen mindestens bereit waren, an Phantome zu glauben. James Watkins verortet seine „Frau in Schwarz“ in einer Ära, die ein letztes Mal ein Nebeneinander von Diesseits & Jenseits für möglich hielt. Die 1910er und 20er Jahre wurden eine Hochzeit des Spiritismus, der auch in dieser Geschichte eine Rolle spielt. Hill und Goldman entwerfen ein entsprechendes Spiegelbild: Zum geistergläubigen Dorfvolk gesellen sich Sam Daily, der dem „Aberglauben“ seiner Mitmenschen nur Spott entgegenbringt, und Arthur Kipps, der Skeptiker, der glauben will, weil er anders als der rationale Daily den erlittenen persönlichen Verlust nicht verwinden kann.

Weil die Anwesenheit geschickt heraufbeschworener Phantome den Unterhaltungswert eines Films erheblich steigern kann, geht es im Eel Marsh House und in Crythin Gifford tatsächlich um. Das zugrundegelegte Konzept ist klassisch: Die dramatisch verblichene Janet Humfrye ist ein Rachegeist. Schon im Leben keine erfreuliche Zeitgenossin, trieb sie der Wahnsinn nicht nur in den Tod, sondern ließ sie zum blindwütig um sich schlagenden Schrecken mutieren.

Mit dieser Figurenzeichnung sind Watkins und Goldman (aber auch Hill) ganz bei M. R. James, dessen Geister durch ihre außerordentliche Bosheit überraschen. Sie haben es strafend keineswegs nur auf jene abgesehen, denen sie ihr unschönes Schicksal verdanken, oder beschränken sich auf deren Nachkommen. Stattdessen fallen sie über alle und jeden her, die ihnen – meist unabsichtlich und völlig unschuldig – in die Quere kommen. Deshalb gibt es auch keine Erlösung: James-Geister packen sogar jene, die sich ins Zeug legen und heimliche Gräber suchen, um verscharrte Leichen zu bergen und ihnen ein anständiges Begräbnis verschaffen.

Das alte Haus am Ende der Welt

Würde man nicht wissen, dass der Name „Hammer“, der dem filmhistorisch bewanderten Grusel-Fan zu Recht wie ein Fanfarenstoß im Ohr dröhnt, allein & genau wegen dieses Effektes wiederbelebt wurde, könnte man glauben, „Die Frau in Schwarz“ sei eine jener Mischungen aus Horror und Kostüm-Drama, mit denen das ursprüngliche „Hammer“-Studio seit den späten 1950er Jahren auf unvergleichliche Weise handfesten Schrecken mit handwerklicher Opulenz verband. Kulissen und Kostüme sind erlesen, Licht und Schatten höchst wirkungsvoll eingesetzt. Viele Szenen entstanden im pittoresken Dorf Halton Gill, das in der urwüchsigen Landschaft des nordenglischen Yorkshire-Dales-Nationalparks liegt und über die erforderliche zeitgenössische Architektur verfügt.

Dank CGI und eines ansehnlichen Budgets sind auch die Spezialeffekte und hier vor allem die Ansichten von Eel Marsh House, das nur durch einen fragwürdigen ‚Weg‘ mit dem Festland verbunden ist, durchweg überzeugend geraten. Ausgerechnet die geisterhafte Janet ist nicht besonders eindrucksvoll geraten. Wenn sie ihr ‚Gesicht‘ zeigt, sieht sie wie eine durchschnittliche B-Movie-Buh-Frau aus und benimmt sich auch so. Wirklichen Schrecken verursacht sie höchstens, wenn sie ruhig und lauernd dasteht. Auf diese Weise gelingt eine Schluss-Szene, die leicht ins Lächerliche hätte abrutschen können: Janet schaut stumm in die Ferne. Plötzlich richtet sie ihren Blick auf den Zuschauer. „Du bist der Nächste“, soll dies ausdrücken – und es funktioniert!

Wer auf harten Horror hofft, ist in diesem Film falsch. Er funktioniert durch die Andeutung und arbeitet mit entsprechenden Klischees, die man vielleicht besser als Konventionen bezeichnen sollte, weil sie wirkungsvoll eingesetzt werden. Die ‚Exhumierung‘ von Janets vor Jahren im Schlamm der Marsch ertrunkenen Sohnes ist ein gutes Beispiel dafür, wie Schrecken stimmungsvoll in Szene gesetzt werden kann. (Dagegen ist die Begegnung mit einer überirdisch leuchtenden, engelsgleichen Stella Kipps der pure, peinliche Kitsch.)

Einfach gute Arbeit leisten

„Die Frau in Schwarz“ konnte auch deshalb mit einigem Aufwand verfilmt werden, weil es gelang, Daniel Radcliffe für die Hauptrolle zu gewinnen. Beide Seiten gewannen: Radcliffe sucht nach dem Ende der „Harry-Potter“-Serie, in der er die Hauptfigur verkörperte, neue, seinem Alter angemessene Betätigungsfelder. James Watkins konnte einen Schauspieler engagieren, dessen Namen das Interesse der Medien ebenso weckt wie die Aufmerksamkeit potenzieller Zuschauer.

Wer wie dieser Rezensent weder einen „Potter“-Roman gelesen noch einen der Filme gesehen hat, kann unbeeinflusst den Hauptdarsteller bei seiner Arbeit beobachten. Das Urteil fällt subjektiv wie objektiv positiv aus: Daniel Radcliffe ist ein guter Arthur Kipps, was besonders deshalb wichtig ist, weil er die meiste Filmzeit allein gestaltet. Dieser Kipps ist von Traurigkeit durchdrungen, ohne dabei zum Trauerkloß zusammenzufallen. Man glaubt Radcliffe den harten Kampf, den Tod seiner Frau zu überwinden, um dem vernachlässigten Sohn endlich ein Vater zu sein, den dieser nicht nur mit traurig-abwesender Miene kennt. (Zum Glück sehen wir Zuschauer den kleinen Joseph Kipps nur selten – er ist einerseits Daniel Radcliffes Patenkind und andererseits einer der schlechtesten Kinderdarsteller aller Zeiten.)

Die Figur des Sam Dailey wird von Jane Goldman wesentlich logischer in die Handlung integriert als von Susan Hill. Ciarán Hinds (alias Aberforth Dumbledore und als dieser bereits Daniel Radcliffes Arbeitskollege im letzten „Potter“-Film) ist interessant als Mann, der sich so eindeutig als Rationalist sieht, dass er in seiner Ignoranz des Übernatürlichen der eigenen Ehefrau Unrecht tut und nun Arthur Kipps in Lebensgefahr bringt.

„Die Frau in Schwarz“ ist sicher kein Höhepunkt des (phantastischen) Films aber im Wissen um die gehypten „Blockbuster“ des Kinojahres etwas viel Wertvolleres: eine simple, gut erzählte, gut gespielte, ausgezeichnet ausgestattete und solide inszenierte (Grusel-) Geschichte.

Anmerkung 1:

Bevor Daniel Radcliffe von der rachsüchtigen Frau in Schwarz gepiesackt wurde, erlitt Adrian Rawlins als „Arthur Kidd“ erstmals 1989 dieses Schicksal. Zwar wurde „Die Frau in Schwarz“ ‚nur‘ als TV-Film umgesetzt, doch hielten hier die Veteranen Herbert Wise („Tales of the Unexspected“, „Inspector Morse“) als Regisseur und Nigel Kneale („Quatermass“-Serie) als Drehbuchautor die Fäden fest in der Hand. Die Fassung von 1989 hält sich enger an die Vorlage und gilt als moderner Klassiker der Fernseh-Phantastik.

Anmerkung 2:

Während die Kritik verhältnismäßig verhalten blieb, gefiel einem zahlenstarken Publikum der Film von 2012 so sehr, dass er bereits im Kino mehr als 125 Mio. Dollar einspielte. „Die Frau in Schwarz“ wurde damit in England zum einspielstärkten Horrorfilm seit vielen Jahren. Da klingelnde Kasse jedes Kettenklirren übertönen und die Angst vor Racheflüchen vertreiben, war klar, was geschehen würde: Janet Humfrye kehrt in „The Woman in Black II: Angels of Death“ zurück.

Daten

Originaltitel: The Woman in Black (GB/Kanada/Schweden 2012)
Regie: James Watkins
Drehbuch: Jane Goldman
Kamera: Tim Maurice-Jones
Schnitt: Jon Harris
Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Daniel Radcliffe (Arthur Kipps), Ciarán Hinds (Sam Daily), Janet McTeer (Elisabeth Daily), Liz White (Jennet Humfrye), Roger Allam (Mr. Bentley), Tim McMullan (Jerome), Daniel Cerqueira (Keckwick), Shaun Dooley (Fisher), Mary Stockley (Mrs Fisher), Sophie Stuckey (Stella Kipps), Misha Handley (Joseph Kipps), Aoife Doherty, Alexia Osborne, Molly Harmon, Ellisa Walker-Reid, Emma Shorey (Kinder) uva.
Label/Vertrieb: Concorde Home Entertainment (www.concorde-home.de)
Erscheinungsdatum: 09.08.2012
EAN: 4010324029454 (DVD) bzw. 4010324038456 (Blu-ray)
Bildformat: 16 : 9 (2,35 : 1, anamorph)
Audio: DTS 5.1 (Deutsch) Dolby Digital 5.1 (Deutsch, Englisch)
Untertitel: Deutsch
DVD-Typ: 1 x DVD-9 (Regionalcode: 2)
Länge: 92 min. (Blu-ray: 96 min.))
FSK: 16

DVD-Features

Da „Die Frau in Schwarz“ sich als Kassenerfolg entpuppte, wurde nicht nur die deutsche Blu-ray, sondern auch die DVD mit echtem Beiwerk bestückt. Während die Interviews mit Darstellern und Filmcrew primär den Tatbestand der verkappten Zusatzwerbung erfüllen, darf sich der an Hintergrund-Infos interessierte Zuschauer über einen Audiokommentar mit Regisseur James Watkins und Drehbuchautorin Jane Goldman freuen.

Hinzu kommen der Trailer sowie drei Featurettes („Was steckt hinter dem Spuk?“, „Das Rezept für den perfekten Thriller/Making-of“, „Keine Angst – Daniel Radcliffe als Arthur Kipps“), die insgesamt immerhin ein halbe Stunde laufen.


(Copyright 09.08.2012/Dr. Michael Drewniok)

Dieser Text erscheint auch auf anderen Websites meiner Wahl; er wird durch meinen Namen identifiziert und bleibt dadurch – hoffentlich – auch für Faker-Sheriffs als mein geistiges Eigentum erkennbar, mit dem ich AGB-konform umgehen darf wie es mir beliebt. M. D.

19 Bewertungen, 4 Kommentare

  • Miraculix1967

    12.08.2012, 01:03 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schönes Wochenende, SH und LG Miraculix1967

  • Noire

    10.08.2012, 17:13 Uhr von Noire
    Bewertung: sehr hilfreich

    Auf ins Wochenende :D Lieben Gruß Noire

  • Esoxli2

    10.08.2012, 13:27 Uhr von Esoxli2
    Bewertung: besonders wertvoll

    sehr ausführlich und vorallem interessant verfasst. gerne bw. lg

  • XXLALF

    10.08.2012, 12:11 Uhr von XXLALF
    Bewertung: sehr hilfreich

    ...und ein wunderschönes wochenende