Tschick (Taschenbuch) / Wolfgang Herrndorf Testbericht

ab 4,23
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Summe aller Bewertungen
  • Handlung:  sehr spannend
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  sehr hoch
  • Spannung:  sehr hoch
  • Humor:  sehr humorvoll
  • Stil:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von BulmaZ

...und danach hieß ich eben Psycho.

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Dass ich seit einiger Zeit schon die Nase gestrichen voll habe von trivialer Thrillerliteratur, erwähnter ich ja bereits in meiner letzten Rezension. Entsprechend wird es auch nachfolgend wieder um ein Buch gehen, von dem ich mir persönlich nicht nur gute Unterhaltung, sondern gleichzeitig auch ein wenig Tiefgang versprochen hatte. Gestolpert bin ich über das dünne Taschenbüchlein durch Zufall im Zuge eines Streifzuges durch amazon. Und der Bücherwurm findet dort ja bekanntermaßen und leidlicherweise für das Bankkonto immer etwas.

=== Tschick – Wolfgang Herrndorf ===


+++ Bezugsquelle & Preis +++

Gekauft habe ich das Taschenbuch bei amazon.
Dort kostet es dank Buchbindung 8,99 €.

+++ Eckdaten +++

Titel: Tschick
Autor: Wolfgang Herrndorf
Erscheinungsjahr: 2012
Verlag: Rowohlt
Genre: Drama / Humor / Jugendbuch
Seitenanzahl: 254 Seiten

+++ Wolfgang Herrndorf +++

Wolfgang Herrndorf (* 12. Juni1965 in Hamburg) ist ein deutscher Schriftsteller, Maler und Illustrator. Er lebt in Berlin.Herrndorf studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Er arbeitete als Illustrator und Autor u.a. für das Fanzine Luke & Trooke, den Haffmans Verlag und die Zeitschrift Titanic.2002 erschien sein Debütroman In Plüschgewittern im Zweitausendeins-Verlag, bei dem es sich (trotz des knapp 30-jährigen Protagonisten) laut Herrndorf um einen 'Adoleszenzroman'handelt. Von der Kritik wurde der Roman der Popliteratur zugeordnet, eine überarbeitete Fassung von In Plüschgewittern erschien 2008 im Rowohlt-Verlag. 2007 brachte der Eichborn-Verlag unter dem Titel Diesseits des Van-Allen Gürtels eine Reihe zusammengehöriger Kurzgeschichten Herrndorfs heraus; im selben Jahr erschien im SuKuLTuR-Verlag ein von Herrndorf erfundenes Interview mit einem (nicht vollkommen vertrauenswürdigen) Kosmonauten, das Science-Fiction-Elemente enthält. Der unzuverlässige Erzähler ist ein wiederkehrendes Element in Herrndorfs Prosa, das auf den Einfluss Vladimir Nabokovs zurückgeht. 2010 erschien mit Tschick ein weiterer Bildungsroman, dessen Protagonisten etwa 14 Jahre alt sind. Das Buch stand wochenlang auf der deutschen Bestsellerliste.Im November 2011 erschien der Roman Sand, der Merkmale des Kriminalromans, des Gesellschaftsromans und des historischen Romans vereinigt. Laut Herrndorf ist es zudem möglich, Sand dem Genre des 'Trottelromans'zuzuordnen. Nachdem 2011 bereits Tschick für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert gewesen war, wurde Herrndorf dieser Preis 2012 für Sand schließlich zugesprochen.

Quelle: www.wikipedia.de

+++ Tschick +++

Es ist Sommer in Berlin, die Ferien haben gerade angefangen und der Achtklässler Maik Klingenberg weiß nichts mit sich anzufangen. Die Mutter ist gerade zum xten Male in einer Alkoholentzugsklinik und der Vater mit seiner Sekretärin in Urlaub geflogen. Was also anfangen? Freunde hat Maik keine, er ist nicht mal nach Werder zum Geburtstag seiner Angebeteten eingeladen, wo doch alle anderen eingeladen sind.

Eines Tages steht der Neue aus seiner Klasse aus heiterem Himmel vor seiner Tür. Sein Name ist Andrej Tschichatschow, aber alle nennen ihn nur Tschick. Zunächst hat Maik wenig Lust auf den 'Mongolen', denn er geht ihm gehörig auf den Geist. Als Tschick dann wenig später mit einem uralten geklauten Lada vor der Tür steht und sagt, dass er seinen Onkel in der Walachai besuchen will, zögert Maik nicht lange, vermutend, dass Tschick es sowieso nicht ernst meint. Aber Tschick meint es ernst. Und so beginnt eine Odyssee durch Berlin, Brandenburg und Umland – ohne wirkliches Ziel, ohne Landkarte, ohne Führerschein und vor allem Kontrolle.

+++ Eindrücke +++

Zugegeben – es klingt wie ein aberwitziges Roadmovie, das eigentlich schon allein mit seinem Grundplot so ziemlich alles falsch zu machen scheint. Erinnert das Ganze doch irgendwie an eine kindliche Version von „Thelma & Louise“ - nur eben durch die ostdeutsche Pampa. Kann doch nicht gutgehen, oder? Die Klischeefettnäpfchen stehen schon wohl positioniert bereit? Nö. Das macht Wolfgang Herrndorf recht bald mit „Tschick“ deutlich.

Denn bei seinem kurzen, aber feinen Roman handelt es sich keineswegs um durchschnittlichen Mainstream. Deutlich wird dies zwar nicht unbedingt gleich ab Seite eins, aber dennoch recht frühzeitig. Der geneigte Leser wird direkt und ohne Umschweife mit dem Ende der eigentlichen Handlung konfrontiert, versteht natürlich noch gar nichts und bleibt zurück mit Vermutungen. Ein zwar nicht neuer, aber durchaus gelungener Einstieg in einen Roman.
Wolfgang Herrndorf zeichnet wider Erwarten kein trostloses Berliner – Ghetto – Bild, allein dies muss man ihm wohl hoch anrechnen. Jeder andere wäre wohl geneigt gewesen, seinen Plot in einem so genannten Problemkiez spielen zu lassen und die entsprechenden Figuren dazu zu zeichnen. Herrndorf tut dies nicht. Vielmehr zeigt er einen ganz normalen Alltag eines ganz normalen Jungen, mit zwar wenigen bis gar keinen Freunden, aber ohne depressive Auswüchse oder die übliche Pespektivlosigkeit, die einem solchen Grundszenario innewohnen könnte. So gestaltet sich auch das folgende Roadmovie der beiden Jungen Tschick und Maik so ganz anders als man meinen könnte. Sie ziehen nicht etwa bekifft und besoffen durch die Gegend, stehlen nicht in einem Fort Autos und prügeln sich auch nicht. Vielmehr sind sie vollkommen normale (für unsere heutige Zeit vermutlich schon fast unnormale) Jugendliche, die ihre Freiheit genießen und mit dem geliehenen, wie ihn Tschick nennt, Lada unterwegs. Sie tun niemandem etwas zuleide. Allein das gefällt, bewirkt es doch eine gewisse Grundsympathie, die von Beginn an aufflammt. Auch müssen die beiden sich keineswegs irgendwelchen aberwitzigen Widrigkeiten stellen. Herrndorf trägt also niemals zu dick auf. So rauscht der Roman vor sich hin, unterhält den Leser auf sehr angenehme Weise mit Witz, Humor und einem leisen Hauch Moral.

Herrndorfs Stil ist dabei nicht unbedingt als außergewöhnlich zu bezeichnen. „Tschick“ ist aus der Ich – Perspektive von Maik Klingenberg geschrieben. Dabei hält der Autor sich weitgehend an die typische Sprache. Keine Gossensprache, kein Berlinern, fast keine grammatikalischen Unverschämtheiten. Vielmehr schreibt Herrndorf so, wie Maik der Schnabel gewachsen ist – manchmal ohne Punkt und Komma, manchmal in Bandwurmsätzen, immer dann, wenn Maiks Gedanken sich gerade zu überschlagen scheinen. Nur manchmal kommt in wenigen Dialogen ein wenig des typischen Jargons durch. Dieser ist dann aber wieder dermaßen überzeichnet, dass man ihn nicht ernst nimmt und folglich nicht als störend empfindet. Der Stil an sich ist simpel, rasant und sympathisch. Er bringt einem nicht nur den Erzähler Maik näher, sondern auch seinen neuen Freund Tschick, seine Angebetete Tatjana und all jene, denen sie auf ihrer kurzen kleinen Reise durch Ostdeutschland begegnen. Witzig ist mitunter, wie Maik über diverse Dinge sinniert, die für den erwachsenen Leser absolut klar sind, über die er sich aber nicht ganz klar ist. Etwa, ob es die Walachai wirklich gibt. Immerhin ist das doch nur so ein Wort, ein Ausdruck, synonym für Pampa – oder? Auch überlegt er, ob ein Anwalt dasselbe ist wie ein Rechtsanwalt und dergleichen mehr. Mit solchen Episoden zeigt Herrndorf eben auch, dass es sich bei Maik und seinem Freund erst um Achtklässler handelt und nicht um Erwachsene. Sehr sympathisch und vor allem sehr liebenswert.

Entsprechend gut gelungen ist natürlich die Figurenzeichnung, allen voran die des Erzählers Maik Klingenberg. Maik wohnt keineswegs in einer Berliner Plattenbausiedlung und auch sind seine Eltern nicht arm. Im Gegenteil – er wohnt in einem schicken Haus und seine Eltern sind nach eigener Aussage stinkreich. Dass dies kein Garant für ein heiles Familienleben ist, wird allerdings bald deutlich, wenn auch auf eher humorvolle Weise mit leicht ernstem Anschlag. Denn Maiks Mutter ist Alkoholikerin, die in regelmäßigen Abständen auf Entzug geht, in eine „Beautyfarm“, wie sie es nennt. Maiks Vater steht mit seiner Maklertätigkeit kurz vor dem Bankrott und macht nebenbei noch mit seiner Sekretärin rum. Alles andere als ein heiles Familienleben, also. Trotzdem wirkt Maik dabei nicht wie das Opfer oder gar das zu oft bemühte Schlüsselkind. Er ist vielmehr recht abgeklärt, aber dabei kein bisschen resigniert. Er ist manchmal frustriert, aber er gibt sich dem nicht hin. Außerdem ist er ein kleiner Schisser, hat er doch erst mal so gar keine Lust mit Tschick zusammen in einem geklauten Auto durch die Gegend zu fahren. Die gewissen moralischen Grundsätze bleiben also nicht aus. Ebenso wenig bei Tschick, der sich später weigert, weitere Autos zu klauen, als die beiden es nicht schaffen zu tanken. Über Tschick selbst erfährt man nicht so viel. Tatsächlich bleibt er fast ein wenig im Hintergrund. Dennoch schafft Herrndorf es beeindruckenderweise ihn plastisch erscheinen zu lassen. Selten erlebt, umso überraschender hier.

Unterm Strich ist „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf ein absolut angenehmes Buch, das gute Laune macht, zum schmunzeln verleitet und vielleicht auch ein ganz klein wenig zu nachdenken. Alles in allem hebt der Autor aber niemals den Zeigefinger. Er erzählt eine Geschichte, nicht mehr, nicht weniger. Dabei zeichnet er seine Figuren und das, was sie erleben und wie sie es erleben auf eine enorm sympathische Art und Weise. Man könnte vielleicht sagen, dass das Ende ein klein wenig übertrieben ist. Aber das liegt an jedem selbst. Es passt vielleicht in die eigentlich bis dahin eher gediegene und ruhige Geschichte nicht so ganz wie die Faust aufs Auge, aber es fällt auch nicht gänzlich aus dem Rahmen. Daher sei „Tschick“ jedem empfohlen, der sich angenehm und kurzweilig, dabei aber nicht profan oder trivial unterhalten lassen möchte.

37 Bewertungen, 6 Kommentare

  • Grashalmperspektive

    25.09.2014, 17:47 Uhr von Grashalmperspektive
    Bewertung: besonders wertvoll

    Super Einschätzung des Buches!

  • Gregor1709

    16.09.2012, 22:14 Uhr von Gregor1709
    Bewertung: sehr hilfreich

    macht spaß zu lesen!

  • katjafranke

    15.09.2012, 16:45 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele liebe Grüße Katja

  • trampastheo

    15.09.2012, 14:50 Uhr von trampastheo
    Bewertung: besonders wertvoll

    exzellent rübergebracht

  • Nina1805

    15.09.2012, 13:52 Uhr von Nina1805
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH und einen schönen Samstag!

  • giselamaria

    15.09.2012, 10:42 Uhr von giselamaria
    Bewertung: sehr hilfreich

    ich hatte es mehrmals in der Hand, reingelesen, weggelegt. Es sprach mich gar nicht an, Naja - vielleicht gegen Mitte des Buchs, aber da hatte ich keine Geduld, andere Bücher warteten :-)I - lG gisela