Sarahs Schlüssel (DVD) Testbericht

Sarahs-schluessel-dvd-drama
ab 7,01
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Summe aller Bewertungen
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  anspruchsvoll
  • Romantik:  durchschnittlich
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Spannung:  sehr spannend

Erfahrungsbericht von LilithIbi

"Was hätten wir unternehmen sollen?"

4
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  sehr anspruchsvoll
  • Romantik:  niedrig
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Spannung:  spannend
  • Altersgruppe:  ab 12 Jahren
  • Meinung bezieht sich auf:  DVD-Version

Pro:

großartige Darstellerleistungen, keine Effekthascherei, Einfühlsamkeit, informativ (Bonusmaterial)

Kontra:

wird mir pers . ab einem gewissen Punkt "zu künstlich verlängert"

Empfehlung:

Ja

Ohne zu zögern würde ich persönlich darauf wetten, dass jeder, der an das Naziregime und / oder die „Aufbewahrungslager“ für die Juden, denen die endgültige Deportation noch bevor steht, ad hoc an Deutschland denken wird. Weiterhin haben nach wie vor nur wenige je etwas von dem Wintervelodrom (Vélodrome d’Hiver) gehört, in das am 16. und 17. Juli 1942 knapp 13.000 Juden untergebracht wurden ~ ohne Betten, ohne Wasser, ohne Toiletten.

Dass französisch-britische Kriegsdrama

==“Sarahs Schlüssel“== kokettiert ein wenig mit der dessenbezüglichen Unwissenheit der folgenden Generationen, in dem die Journalistin Julia Jarmond (Kristin Scott Thomas) ihre jüngeren Kollegen kurzerhand über die damaligen Ereignisse aufklärt und ferner einen 10seitigen Artikel veröffentlichen will. Nach anfänglicher Skepsis lässt ihr Redakteur Julia gewähren ~ was nicht zuletzt dafür Sorge tragen soll, dass Julia sich von ihrem Mann Bertrand (Frédéric Pierrot) zu entfernen beginnt. Teenager-Tochter Zoé (Karina Hin) indes bleibt meines Empfindens nach die ganze Zeit über seltsam außen-vor, obschon sie zugleich eine nicht minder bedeutende Rolle spielen sollte.

Die Handlung selbst offenbart anhand eines Wechselspiels zwischen der Vergangenheit – 1942 - und der Gegenwart (2009) und macht im Grunde die Wohnung, in der die Familie einziehen möchte, zum Dreh- und Angelpunkt.
Aus eben jener Wohnung wurde 1942 die zehnjährige Sarah Starzynski (Mélusine Mayance) mitsamt ihren Eltern (Natasha Mashkevich, sowie Arben Bajraktaraj) zwangsbefördert, während Sarah es im letzten Moment schafft, ihren Bruder Michel in einem Wandschrank zu verstecken ein. Sarah, die sich der Konsequenzen der Deportation nur sehr bedingt bewusst ist, hält im Verlauf ihrer Gefangenschaft gedanklich stetig an ihrem Versprechen fest, Michel abzuholen.

Zu dem weiteren Inhalt darf man meines Erachtens nach nicht wirklich etwas äußern, ahnt man zwar bereits, in welche Richtung die Geschichte einzig und allein laufen kann, würde eine weitere Detailoffenbarung die elementare Wirkung der

===Umsetzung=== jedoch schmälern. An das Wechselspiel zwischen Vergangenheit wie Gegenwart gewöhnt man sich meiner Erfahrung nach schnell, hält sich ferner nicht lange an der kleinen Zufälligkeit, dass ausgerechnet eine themen-recherchierende Journalistin den Mann geheiratet hat, dessen Familie in den 50ern die Wohnung der Starzynskis übernommen hat, auf und kann sich vielmehr direkt in die bewegend-schmerzlichen Bilder hineinversetzen. Ein buchstäbliches nachfühlen wird für all jene, die nicht selbst in solchen Lagern zugegen waren, gewiss nicht möglich sein.... dennoch legt sich das unbeschreiblich beklemmende Gefühl während des Guckprozesses auf die zuschauerliche Seele, ohne hierbei förmlich erdrückend statt bedrückend zu wirken.

Etliche Szenen gehen von jetzt auf gleich eindrucksvoll unter die Haut, während Regisseur Gilles Paquet-Brenner vorbildlicherweise auf plakative wie auch effekthaschende Momente verzichtet, ohne hierbei die Ereignisse zu beschönigen. Unpathetisch und oft mit ruhigen wie zugleich ausdrucksstarken Bildern mit viel Gefühl, welche hier und dort eine völlig unvorhergesehene Szene nach sich ziehen entsteht eine Atmosphäre, die die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers erfordert wie fördert und eine deprimierende Stimmung verursacht. Gleichermaßen schließt man die kleine Sarah rasch ins Herz; leidet still vor sich hin, wenn diese immerfort von ihrem Bruder spricht, dem sie die Rückkehr versprochen hat.

Obschon durchaus auf der Hand liegt, dass es kaum eine Wiedervereinigung im Guten Sinne geben kann, involviert „Sarahs Schlüssel“ in eben jenem Kontext eine Szene, die mir persönlich hochgradig ans Herz wie auch die Nieren geht. Grandios in diesem Moment zweifelsfrei das darstellerische Spiel der betreffenden Personen, so dass ich ad hoc ein Erstickungsempfinden durchlebte und vollständig ergriffen, schmerzlich berührt wie nachhaltig verstört fühlen durfte.

Definitiver weitere Pluspunkt in diesem Zusammenhang, dass die Macher zumeist auf Direkt-Aufnahmen verzichten, diverse körperliche Grausamkeiten somit eher andeuten und im Grunde genommen im gesamten Film ausschließlich eine einzige Leiche zu sehen ist. Wild herumgeschossen, geprügelt oder gar getötet wird hier somit nicht ~ „Sarahs Schlüssel“ funktioniert unterschwelliger, psychologischer und interpersonell brutaler; werden die Szenen, in denen die Mütter von ihren Kindern getrennt respektive auseinandergerissen werden, meiner Vermutung nach niemanden kalt lassen können.

Für mich persönlich durchaus überraschend der weitere Verlauf von Sarahs Schicksal, hatte ich mich zwar vor einiger Zeit mit der Story befasst, konnte mich jedoch nicht mehr an die innewohnende Handlung erinnern und legte die DVD ein, ohne mein Gedächtnis aufzufrischen. Auf eben jene Weise erhöht sich meines Erachtens nach die Spannung, mit der man der Geschichte folgt, ist in Bezug auf Jules (Niels Arestrup) und Geneviève Dufaure (Dominique Frot) bei der Erstbegegnung somit ähnlich ratlos wie die 10jährige, die in ihrer Art und ihrem Wesen zweifelsfrei etwas ganz besonderes ist.

Allem vorgenannten zum Trotze wunderte ich mich ab einem gewissen Zeitpunkt, dass erst knapp 60 Minuten Spielfilmzeit vorüber waren, während das Gesamtwerk hingegen 110 Minuten umfassen sollte.

Ungünstigerweise begann „Sarahs Schlüssel“ mir tatsächlich über kurz oder lang als etwas „gedehnt“ zu erscheinen, hätte ich mir, konkreter formuliert, ein Ende nach der ungefähren 80ten Minute gewünscht.

An dessen Statt wird der Fokus (mehr oder minder zwangsläufig) immer mehr auf Julia gerichtet, die sich weiter mit der Geschichte nebst der eventuell noch lebenden entfernten Verwandten von Sarah zu befasst und hierbei auf ein „Oha“ zum nächsten „Hui“ stolpert.

Soll heißen: in „Sarahs Schlüssel“ geht es nicht zuletzt um zig Geheimnisse, die Person a) vor Person b) hat und wiederum Person c) bittet, nichts davon zu erzählen, was erwartungsgemäß nicht immer geschieht. Nicht genug damit, dass Julia tatsächlich jemanden findet, der weitere Informationen über Sarahs Schicksal liefern kann; vielmehr tauchen für meinen Geschmack doch etwas zu viele weitere Personen auf der Bildfläche auf, die ebenfalls mit Geheimnissen, Unwahrheiten und beschönigten Versionen aufwachsen durften.
Für mich persönlich lag die finale Auflösung, die versucht-überraschend vorgebracht wurde, ohnehin auf der Hand, so dass ich bedauerlicherweise ein wenig Langatmigkeit zu vermelden habe. So mitreißend, einfühlsam und atmosphärisch „Sarahs Schlüssel“ insgesamt auch gestaltet wurde, so sehr leidet der dramaturgische Spannungsbogen unter den diversen Enthüllungen, die sich zu guter Letzt herauskristallisieren sollen.

Überdies fühlt sich für mich die Entscheidung, die Julia in Bezug auf ihre eigene Familie trifft oder gar wie sie sich im Zuge ihrer Recherchen ihnen gegenüber verhält, schlicht und ergreifend ein wenig befremdlich an.

==Die DVD selbst== wurde auf Französisch wie Deutsch vertont, was in Bezug auf die britische Zusammenarbeit ein wenig merkwürdig klingen könnte. Als Untertitel liegt einzig und allein der deutsche vor; weder über Bild noch Ton lässt sich etwas negatives feststellen.

Neben (drei) '''Programmtipps''' sowie den Originaltrailern zu „Sarahs Schlüssel“ bzw. „Elle s'appelait Sarah“ verfügt die DVD über weiteres '''Bonusmaterial welches in Gänze (deutsch) untertitelt wurde.

'''Der Ursprung der Geschichte''' dauert eine satte Stunde und lässt eingangs die Autorin Tatiana de Rosnay zu Wort kommen, die offen bekennt, dass sich anfänglich niemand für ihr Werk interessierte und sie deswegen nach wie vor beleidigt ist. Groteskerweise brauchte es sodann mehrere Anfragen bei ihr, damit die Autorin ihr Werk an den Verleger herausrückte. Davon mag man halten, was man will ~ und offen gesagt habe ich bereits nach einer Viertelstunde die entsprechende Sichtung des Bonusmaterials beendet und kann somit nichts weiterführendes zu den Punkten '''Beim Dreh''' oder '''Hinter den Kulissen''' äußern.

Meiner These nach bedarf es einer entsprechenden Stimmung oder gar einer Pause, bis man sich nach der Sichtung des Hauptfilmes vollends auf die mannigfaltigen Informationen, die das Bonusmaterial bereithält, einlassen kann, gehen die geschichtlichen Hintergründe durchweg an die zuschauerliche Substanz.

Die Altersfreigabe wurde hier auf '''ab 12 Jahren''' festgelegt, ein Entscheid, der meines Gutdünkens nach befürwortet, dass „Sarahs Schlüssel“ als Unterrichtsmaterial genutzt werden könnte, anstatt immerfort ausschließlich auf „Schindlers Liste“ zurückzugreifen und somit mehr oder minder unfreiwillig unter den Teppich zu kehren, dass nicht ausschließlich die bösen deutschen Nazis diejenigen waren, die Juden zusammenpferchten und auszurotten versuchten.

===Summa summarum=== geht „Sarahs Schlüssel“ spürbar unter die Haut und beinhaltet nicht zuletzt Szenen, die den ein oder anderen Zuschauer innerlich verkrampfen lassen. Der eingangs angebrachte Monolog
„Manchmal können wir unsere eigenen Geschichten nicht erzählen. Aber wenn wir unsere Geschichten nicht erzählen, wird sie irgendwann vergessen“
ist eine Aussage, die ebenfalls wehmütig stimmt, beizu die wahren Begebenheiten geschickt-informativ in ein Redaktions-Gespräch eingeflochten wurden.

Kleiner Punktabzug meinerseits für die etwas schleppenden und für mich doch zu breitgefächerten Entwicklungen im letzten Drittel ~ doch insgesamt betrachtet würde ich „Sarahs Schlüssel“ uneingeschränkt weiterempfehlen, während man sich gewiss Zeit nehmen sollte, den Film bei entsprechender Gemütslage nachwirken zu lassen und sich ebenfalls mit dem Bonusmaterial auseinanderzusetzen.

10 Bewertungen, 3 Kommentare

  • Little-Peach

    17.12.2013, 15:53 Uhr von Little-Peach
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh =))

  • Gi22Fr

    16.12.2013, 21:03 Uhr von Gi22Fr
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schönen Advent wünsche ich dir!

  • katjafranke

    16.12.2013, 12:07 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Vorweihnachtliche Grüße. KATJA