Zorn, Tod und Regen (Taschenbuch) / Stephan Ludwig Testbericht

ab 10,82
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Summe aller Bewertungen
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  sehr hoch
  • Humor:  humorvoll
  • Stil:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von LilithIbi

„Weil ich's konnte.“

5
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  sehr hoch
  • Humor:  humorvoll
  • Stil:  ausschmückend
  • Zielgruppe:  Erwachsene

Pro:

Schreibstil, Spannung, Tiefgang, Wendungen, Finale

Kontra:

nix, nada, niente, nothing (wie Schröder sagen würde)

Empfehlung:

Ja

„Als er die Bank endlich erreichte, blieben ihm nur Sekundenbruchteile, um zu erkennen, was sich darauf befand: Das blasse, feuchte Ding, das noch vor einigen Tagen eine beliebte Deutschlehrerin war, hockte zurückgelehnt auf der Bank und starrte ihn aus leeren Augenhöhlen an, den lippenlosen Mund zu einem grotesken Grinsen verzehrt.
Ein jüngerer, stärkerer Mensch wäre wohl mit einem fürchterlichen Schrecken davongekommen. Das Herz des alten Mannes aber war verbraucht, über achtzig Jahre hatte es zuverlässig geschlagen, und jetzt, als die Bilder sein Hirn erreichten, zog ein weißer, blendender Schmerz seinen Brustkorb zusammen, ächzend ging er in die Knie und war bereits tot, als sein Kopf auf dem rissigen Beton aufschlug.“
(Zitat, S. 47)

Dass ich die meinige Lektüre über die Ermittlungen des Kommissaren Claudius Zorn und dessen Assistenden Schröder mit dem zweiten Band begann, sollte sich hinsichtlich der davor veröffentlichten

ldquo;Zorn ~ Tod und Regen&ldquo als lediglich minimal spannungs-abschwächend erweisen. Alles, was sich in den gesamten 366 Seiten (nach der 351ten Seite erfolgt der Dank sowie eine Leseprobe) ereignet, gestaltete sich für mich derartig spannend, dass ich den Thriller beinahe an einem einzigen Tag komplett ausgelesen hätte.

Der Schreibstil des Autoren Stephan Ludwig gehört zu der Gattung, die mich persönlich ad hoc gefangen nimmt; verzichtet der Verfasser auf umfangreichste Ausführungen, verleiht den Charakteren dahingegen eine unglaubliche Tiefe, so dass man diese beinahe selbst zu kennen glaubt. Bereits nach Seite 15 konnte ich mir den gelangweilten, lustlosen und verbal-direkten Claudius Zorn plastisch vor Augen führen, während die nachfolgenden Zeilen die Figur alles andere als oberflächlich entlarven:

„Als er sich nun verkatert und übernächtigt umsah, stellte er überrascht fest, dass ihm nichts fehlte. Diese Erkenntnis traf ihn völlig unvorbereitet, denn jetzt wurde ihm klar, dass seine Verlorenheit und Trauer nichts anderes gewesen war als verletzte Eitelkeit, und nur der Gedankle, dass es jemanden gab, der ihm, Zorn, vorgezogen wurde, hatte ihn so aus der Bahn geworfen. Er vermisste Jana nicht, wahrscheinlich hatte er sie nie geliebt, und jetzt, da er darüber nachdachte, wurde ihm bewusst, dass es in seinem Leben so etwas wie Liebe wohl niemals geben würde. Aber das war eine Tatsache, die ihn nicht sonderlich schockierte. Liebe war nichts Greifbares, ein undefinierbares, rauchiges Etwas, dem er von nun an erst recht aus dem Weg gehen würde.“
(Zitat, S. 59)

Tief unter die Haut gehen in der Lektüre zweifellos die Morde an sich, die mit einer Grausamkeit einhergehen, die eine durchweg beklemmende Atmosphäre erschaffen. Das erste Kapitel beginnt mit dem Mord an der Lehrerin, die vollkommen nackt so lange mit diversen Schnittwunden versehen wird, bis diese verblutet. Der Umstand, dass das Opfer kurz zuvor eine geraume Menge Schmerzmittel nahm, ist nur ein großes Fragezeichen, welches den Ermittlern im weiteren Verlauf über dem Kopf schwebt.
Weitere brutalst ermordete Leichen folgen nach und nach... und sorgten bei mir, die Dank der wechselnden Erzählperspektive manches früher ahnte als es die literarischen Hauptfiguren tun konnten, für höchstmögliche (An)Spannung.

Hinzu gesellt sich der Aspekt, dass es scheinbar jemanden innerhalb der polizeilichen Institution gibt, der die Ermittlungsarbeit behindert, manipuliert und bewusst Informationen vorenthält. Stets darf dich der Leser Zorn und Schröder einen kleinen Schritt voraus fühlen, erkennt jedoch immerfort, dass er erneut einer falsche Fährte folgte... um wenig später doch wieder mit seinen eigenen Thesen zurückzuschwenken.

„Zorn ~ Tod und Regen“ stellt sich hier und dort als leicht verwirrend heraus, was jedoch durchweg positiv gemeint ist. Irrungen, Wirrungen, Wendungen, Offenbarungen und neue Spuren sind es, die mich förmlich an die Seiten pappten und das Buch kaum aus der Hand legen lassen wollten.

Generell besticht der Thriller (der sich übrigens selbst als „Krimi“ deklariert) auf vielerlei Ebenen. Der besondere Schreibstil seitens Stephan Ludwig zog mich persönlich ad hoc in seinen Bann, liefert jener amüsante Charakterbeschreibungen bezüglich der beiden Hauptfiguren, von denen Claudius Zorn noch ein wenig mehr im Mittelpunkt steht. Nicht nur, dass Stephan Ludwig seinen Figuren anstatt einer Art Superhelden-Status einzuimpfen jene vorrangig menschlich darstellte; sondern ebenfalls die Nachvollziehbarkeit der einzelnen Momente auf Ermittler, Täter- wie Opferseiten sind es, die das gesamte Buch so absolut authentisch wirken lässt.

Während die geschilderten Ereignisse an den Nerven zerren, die Luft zum Zerreißen gespannt ist und die Atmosphäre immerfort bedrohlicher zu werden scheint, liest man sich zugleich durch Seiten, in denen deutlich die momentane Machtlosigkeit der Ermittler in den Vordergrund tritt.

Längen oder Langatmigkeiten hält „Zorn ~ Tod und Regen“ zu keiner Stelle parat; wenngleich manche vermeintliche Randentwicklungen hier und dort den Eindruck (!) erwecken, nicht sonderlich gewichtig zu sein. So oft, wie sich die Geschehnisse in einer weiteren ungeahnten Wendung begeben, könnte man nun fälschlicherweise schlussfolgern, dass das Buch automatisch unglaubwürdig werden muss. Wird es aber nicht.
Trotz des von mir nicht sonderlich gemochten Erklärungsmonolog im Vor-Finale kann ich in der gesamten Lektüre nichts finden, was mich tatsächlich „gestört“ hätte.

Für allzu schwache Nerven und seichte Gemüter sei indes ausdrücklich erwähnt, dass die Lektüre jene Leser an ihre Grenzen bringen könnte. Obschon an keiner Stelle die geschilderte Rohheit als effekthaschend eingesetzt wurde, blieb ebenso für mich nicht aus, (nicht nur) Dank einer einzigen bestimmten Passage, auf die ich hier lediglich durch die Erwähnung eines tatkräftig eingesetzten Hammers weiter eingehen werde, innerlich zusammenzuzucken. An eben jener Stelle setzte für mich der absolute Kabumm-Brutalitätsfaktor ein, woraufhin ich um ein tendentiell flaues Gefühl in der Magengegend kaum umhin kommen konnte.

Besonders hervorzuheben meines Erachtens nach, dass sich der Leser hier wie auch im Nachfolgeband Leser zwangsläufig mit der Frage um verwischte Grenzen zwischen Täter und Opfer, Schuld und Unschuld, Mitgefühl und Ablehnung auseinandersetzen.
Man könnte fast schon soweit gehen zu sagen, dass gerade durch die kleine Berührungsschnur zu diesen Themen der Leser umso eindringlicher aufgefordert wird, sich seine eigenen Gedanken zu diesem Dilemma zu machen.
An (Nach-)Wirkung mangelt es „_„Zorn ~ Tod und Regen“_ so oder so keineswegs.

===Summa summarum=== wurden meine doch recht hohen Erwartungen durch die Bank erfüllt. Grade durch die kleinen Vorahnungen, die dem Leser seitens des Autoren zugestanden werden, schnürt sich die Atmosphäre immer weiter zu, bis die befürchtete Situation fürwahr eintrifft um sich sodann beinahe schon wie eine kleine innere Erlösung anfühlt.

Die Mischung aus beklemmend-verstörenden Umständen, kleinen (mitunter selbst)ironischen Seitenhieben wie dem bravourösen Showdown nebst Motiv, Ursache wie auch getroffenen Entscheidungen zieht förmlich zwangsweise die volle Punktzahl in der vorzunehmenden Bewertungsskala nach sich.
Wie vorfreudig ich zu guter Letzt einer hoffentlich bald erhältlichen Fortsetzung entgegensehe, dürfte darüber hinaus durchaus auf der Hand liegen.

16 Bewertungen, 4 Kommentare

  • allegra1805

    30.03.2013, 16:50 Uhr von allegra1805
    Bewertung: besonders wertvoll

    Schöne Ostern.

  • mausi1972

    30.03.2013, 14:28 Uhr von mausi1972
    Bewertung: sehr hilfreich

    Viele Grüße Marion

  • Lucky130

    30.03.2013, 10:54 Uhr von Lucky130
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH & viele Ostergrüße!

  • Lale

    30.03.2013, 10:47 Uhr von Lale
    Bewertung: sehr hilfreich

    Allerbesten Gruß *~*