Klimt (DVD) Testbericht

ab 36,73
Auf yopi.de gelistet seit 07/2012
5 Sterne
(0)
4 Sterne
(0)
3 Sterne
(1)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)
Summe aller Bewertungen
  • Action:  wenig
  • Anspruch:  anspruchsvoll
  • Romantik:  hoch
  • Humor:  durchschnittlich
  • Spannung:  langweilig

Erfahrungsbericht von mima007

Verstümmeltes Künstlerporträt

3
  • Action:  wenig
  • Anspruch:  anspruchsvoll
  • Romantik:  hoch
  • Humor:  durchschnittlich
  • Spannung:  langweilig
  • Altersgruppe:  ab 12 Jahren
  • Meinung bezieht sich auf:  DVD-Version

Pro:

sinnlich, humorvoll-ironisch, schöne Ausstattung, passables Bonusmaterial, guter Sound, gutes Bild

Kontra:

gekürzte Fassung, wenig unterhaltsam, meist langweilig, erfordert Hintergrundinformationen

Empfehlung:

Ja

Am Totenbett lässt der Wiener Maler Gustav Klimt sein Leben Revue passieren. In erlesenen Bildern führt der Film durch das Leben des Jugendstil-Künstlers zwischen 1900 und 1918.

"Die Weltausstellung von Paris, 1900. Der österreichische Maler Gustav Klimt, in Begleitung seiner platonischen Lebensgefährtin Emilie Flöge, wird für sein Bild "Philosophie" mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Während eines Gala-Diners findet ihm zu Ehren die Vorführung eines Filmes statt, in dem ein fiktives Zusammentreffen zwischen dem Maler und einer Tänzerin dargestellt wird. Klimt ist fasziniert von der Schönheit der Schauspielerin (Saffron Burrows). Als er die Dame im Palais ihres Gönners aufsucht, trifft er deren Double an, aber auch die echte Lady lockt den Frauenfreund in ihre Laken. Ein erotisches Trugbild entsteht, ein Vexierbild aus Wahrheit und Lüge, Verwirrung und Verführung, Taumel und Lust." (Verleihinfo)

"Klimt" erhielt den Silbernen Bären in Berlin, allerdings wohl in der ungekürzten Fassung.

Filminfos
°°°°°°°°°°°°°°

O-Titel: Klimt (D/Österreich/GB/F 2006)
Dt. Vertrieb: MC-One
EAN-Nummer: 4042662355025
FSK: ab 12
Länge: ca. 93 Min. (Director's Cut: 130 min!)
Regisseur/Drehbuch: Raoul Ruiz
Musik: Jorge Arriagada
Darsteller: John Malkovich (Klimt), Veronica Ferres (Emilie Flöge), Saffron Burrows (Lea di Carlo), Egon Schiele (Nikolai Kinski), Stephen Dillane (Sekretär) u.a.

Handlung
°°°°°°°°°°°°°°

Egon Schiele, sein tabubrechender Zeichner, besucht seinen sterbenden Freund Gustav Klimt in der Klinik zu Wien. Es ist Februar 1918, und die Syphilis hat Klimt, gerade mal 56, endlich doch erwischt. Er hat nur noch wenige Tage zu leben. In Spiegelszenen erblickt Klimt Bilder seines Lebens…

Im Atelier tummeln sich drei nackte Grazien, eine vierte schmuggelt sich herein. Als Klimt sie wegschickt, bleibt die vierte... Kein Wunder, dass Klimt von sechs Kinder von sechs verschiedenen Frauen hat. Seiner Schwester Emilie fällt auf, dass sie alle Jüdinnen sind. Ob das wohl etwas zu bedeuten hat. Mutter ist beunruhigt, doch Gustl beruhigt sie. Und wenn eine, wie die Mizzi, ihr Töchterlein im jüdischen Glauben erziehen lassen will, so soll's ihm recht sein. Die Mizzi ist erleichtert.

Gustl hat andere Sorgen. Er hat sich nämlich mit der Kunstkritik ebenso angelegt wie mit den Kunstprofessoren, und das sind in der Tat formidable Gegner. Bei der Ausstellung in der Secession, einer Galerie im Herzen der Stadt, kommt es zum Eklat. Man lehnt seine extra für die Fakultät der Uni geschaffenen Werke ab. Er nimmt sie einfach zurück, gibt sie nicht wieder her, sie verschwinden in einem niederösterreichischen Schloss, wo sie 1945 allesamt verbrennen.

Die einzige, die ihn vor der gnadenlosen Ausgrenzung bewahrt, ist Emilie alias Midi Flöge (Ferres). Sie hat beste Verbindungen zum Kultusminister. Doch der wendet seine Meinung wie ein Blatt im Wind. Dessen Sekretär - erst im Kultus-, dann im Finanzministerium - verfolgt Klimt wie ein böser Geist, als wär er Mephisto und Klimt sein Faust (Dillane).

So auch nach Paris auf die Weltausstellung. Hier erregen Klimts Bilder nicht nur Aufsehen - sie bringen Österreich auch die Goldmedaille in der Disziplin "Kunst" ein. Klimt ruft bloß "Scheiße!", aber das reicht natürlich nicht. Die Franzmänner zeigen ihm, wohin der Wind weht: Kinematographie, Monsieur! Georges Méliès heißt der Filmemacher, der im Salon exklusiv einen kurzen Film zeigt, in der "Klimt" nach einem Tanz der Künstlerin Lea di Carlo (Burrows) auftritt und ihr dankt.

Der echte Klimt ist fasziniert. Fortan folgt er diversen Einladungen der Lea di Carlo bzw. ihren Doubeln, Agenten, Filmemachern sowie Intriganten wie Herzog Lernet Holenia. Eine Welt voller Hinterlist, schönem Schein und erotischem Spiel. Fortan ist Klimt Lea verfallen - und das bringt seine engste Freundin Midi Flöge auf die Palme…

Mein Eindruck
°°°°°°°°°°°°°°

Bevor ich diese DVD anschaute, war ich in der glücklichen Lage, zuvor auf ARTE eine Dokumentation über Klimt gesehen zu haben. Daher waren mir bereits die Grundzüge seines lebens, seines Schaffens und seiner Beziehungen bekannt. Ohne dieses Wissens hätte ich wirklich Mühe gehabt, die Filmhandlung auf Anhieb zu verstehen. Merke: Die gekürzte Fassung, die auf dieser Signle-DVD verkauft wird, richtet sich nur an Kenner des Malers und seines Werks. Über den ungekürzten Director's Cut, der auf einer Doppel_DVD angeboten wird, kann ich kein Urteil abgeben, aber ich vermute stark, dass dessen Handlung weitaus weniger wie Stückwerk anmutet.

Der Regisseur pocht darauf, dass es sich um eine Phantasie handle, und das ist auch zutreffend, denn so etwa wie eine dramatische Handlung mit Anfang, Mitte und Ende sucht man vergebens. Andereerseits ist es auch keine Doku, die chronologisch vorginge. Man kann zwar eine Aufeinanderfolge von Ereignissen sowie das Älterwerden der Hauptfigur feststellen, auch die Zeitereignisse wie etwa der Erste Weltkrieg scheinen in Klimts Welt herein. Doch das eigentliche Thema, mit dem sich die Hauptfigur beschäftigt, sind Beziehungen.

Dazu gehören vor allem die rätselhafte Lea di Carlo, die in verschiedenen Verkörperungen auftaucht. In der gekürzten Fassung wird uns der schöne Körper der Darstellerin fast völlig vorenthalten, und so entsteht der Eindruck, dass sie, wie alle anderen Modelle, nur zur Dekoration der Kulissen dient und einen Vorwand liefern soll, Klimt, das Genie, in eine faustische Liebesfalle zu locken. Lea spielt den Part der schönen helena, nicht das Gretchen. Doch es gibt eine Art Mephisto: den Sekretär aus dem Ministerium, den Stephen Dillane wie den Wiedergänger eines Advocatus diaboli spielt.

Dieser mehr oder weniger erotisch angehauchte Rote Faden - wozu auch eine lustige Bordellszene mit dem Kultusminister gehört - wird immer wieder durch Szenen unterbrochen bzw. ergänzt oder gespiegelt, die auf Fakten beruhen. Da ist die umstrittene Vernissage in der Wiener Secession, da sind Gustls Mutter und Schwester, zudem sein Modell Mizzi und schließlich natürlich die Flöge. Während John Malkovich in den phantastischen Szenen um süffisante Kommentare nicht verlegen ist, zeigt er sich in Faktenszenen als ehrlich besorgter Vater, Bruder, Sohn und platonischer Freund. Offensichtlich herrscht ein Zwiespalt zwischen seiner vertrauten Umgebung und seiner Kunst, die für Skandale sorgt.

Dem Film fehlt der rechte Biss der erklären könnte, warum all diese Skandale stattfinden müssen. Warum bricht Klimts Werk ein Tabu ums andere, ebenso wie die Zeichnungen seines Freundes Egon Schiele? Die Dekadenz der k.u.k. Gesellschaft des fin de siècle kommt nur stellenweise zum Ausdruck, so etwa in der Bordellszene, in der die "Damen" Schnurrbart tragen und die Freier sich in einem Käfig zum Affen machen.

Das ist ein hübscher Einfall, doch was hat er mit Klimts Suche nach Lea di Carlo zu tun. Es hilft auch wenig zu erfahren, dass "die Hälfte aller Männer in Wien an der Syphilis erkrankt" seien, wie Klimts Arzt nebenbei erzählt. Heißt das also im Umkehrschluss, dass die Explosion der Kreativität in Kunst (Klimt, Mahler, Bruckner), Psychologie (Freud) und Medizin (Sauerbruch u.a.) auf eine verbreitete Geschlechtskrankheit zurückzuführen sei?

Wir wollen es nicht hoffen. Während es für Schiele und seine neue Freundin Mizzi, das jüdische Modell, noch Hoffnung gibt, bereitet sich Klimts Geist auf den Abgang vor. In einer poetischen Sequenz, in der Malkovich ein antikes Gedicht rezitiert und in der Klimt von einem Mädchen durch Schnee und Dunkelheit geführt wird, findet das Leben des Künstlers ein sanftes Ende.

Die DVD
°°°°°°°°°°°°°°

Technische Infos

Bildformate: 1,78:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: keine (außer im Making-of)

Extras:
- Trailer
- Making-of
- Programmhinweise (Trailershow)

Mein Eindruck: die DVD
°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°

Bild und Ton sind von durchaus respektabler Qualität. Der Ton liegt in Dolby Digital 5.1 vor, was für einen Streifen, der auch im Fernsehen laufen könnte, völlig ausreicht. Bei einem Actionkracher sähe das schon ganz anders aus. Das Bild ist in Ordnung, ich konnte weder Artefakte noch Gegriesel feststellen. Die Untertitel sollte man zuschalten, denn sie enthalten wichtige Informationen über Namen usw.

EXTRAS

1) Kinotrailer (1:55 min)

Der Trailer versucht, neugierig zu machen und spielt mit dem Faszinosum Klimt, dessen Werke ja immerhin zu den teuersten der Welt gehören. Ein paar Nackerte hier und da können dabei nicht schaden.

2) Making-of (31:35 min)

Das von Klaus Steindl erstellte Making-of sammelt in erster Linie Statements von seiten der an der Entstehung des Films Beteiligten. Dazu gehören wider Erwarten in erster Linie die vier Produzenten. Ihnen war von Anfang klar, dass es der fürs Arthaus-Publikum gedrehte Streifen schwer haben würde, seine Kosten einzuspielen. Also kam eine gesamteuropäische Produktion heraus. Das kann dem Zuschauer aber schnuppe sein.

Interessant ist da schon, was der Profi-Rechercheur über den Verbleib der skandalösen Fakultätsgemälde herausgefunden hat: Sie verbrannten allesamt in einem Schloss, als die Russen 1945 in Österreich einmarschierten. Die im Film zu sehenden Gemälde beruhen auf zeitgenössischen Fotografien, sind also rekonstruiert.

Ansonsten sagen die Darsteller, der Regisseur, die Kostüm- und Maskenbildnerin sowie der Kameramann einiges Erhellendes über die Eigenheiten des Films.

3) Bildergalerie

Die Diaschau, die der Zuschauer steuern kann, bietet 19 Farbfotos auf geteilten Bildschirmen. Darunter sind etliche Postkartenmotive des Films, aber auch ein oder zwei Fotos vom Dreh, auf denen die Hauptdarsteller mit dem Regisseur zu sehen sind.

4) Trailershow

a) Blackout Journey
b) Geboren in Absurdistan
c) Schwimmer in der Wüste (über die reale Hauptfigur von "Der englische Patient", Graf Almásy)

Unterm Strich
°°°°°°°°°°°°°°

Gustav Klimt ist in seinen Werken nicht nur einer der teuersten Künstler, sondern auch einer der faszinierendsten. Wie kam er auf die Einfälle, Gold zu verwenden und ornamentale Elemente? Warum stehen Frauen so häufig im Vordergrund seiner Motive, und zwar nicht nur in den zahlreichen Porträts? Eine zusätzliche Doku, wie ich sie auf ARTE gesehen habe, verschafft einen ansatzweisen Zugang zu seinem Ideenkosmos, räumt aber auch mit voyeuristischen Vorurteilen auf, wonach sich in seinem Atelier zu jeder Zeit mehrere nackte Modelle tummelten, um ihn zu "inspirieren".

Interessanterweise war in jener Doku von Lea di Carlo überhaupt nicht die Rede, sondern nur von der platonischen Beziehung zu Emilie Flöge, der Klimt Unmengen von Postkarten schickte. Das Auftauchen von Lea und der daraus resultierenden Faszination, wenn nicht sogar Obsession Klimts macht den Film wiederum interessant. Wie weit reichte Leas Einfluss, und warum wurden Doubles eingesetzt? Wollte Herzog Lernet-Holenia, der Strippenzieher hinter dem venezianischen Spiegel, Klimt eine Falle stellen oder nur sein Spielchen spielen? (Wer z.B. den Wikipedia-Artikel über Alexander Lernet Holenia, geboren 1897, erfährt, dass der bekannte österreichische Schriftsteller nie Herzog war, aber vielleicht einen zum Vater hatte.)

In jedem Fall kann auch dieser Film, der als Phantasie der Erinnerung anglegt ist, nur an der Oberfläche kratzen, nicht aber Antworten auf die obigen Fragen liefern. Sich vor dem Anschauen Hintergrundinformationen zu besorgen, ist sehr ratsam. Da die Kürzung nur Bruchstücke - eine Art "Best-of"? - übrigließ, sollte man mit einem endgültigen Urteil sehr vorsichtig sein und dies dem Director's Cut vorbehalten.

Ich jedenfalls habe mich selten bei einem Künstlerfilm derart gelangweilt. Ich empfand die Nackedeis lediglich als dekorative Fleischbeschau und Appetithäppchen. Über die Bilder war kaum etwas zu erfahren, und die Hauptfigur blieb meist blass und skizzenhaft. Lediglich gewisse Kaffeehausszenen, die Pariser Weltausstellung inklusive Lea di Carlo sowie der Besuch im Bordell fand ich erinnerungswert. Das ist alles in allem nicht gerade viel. Wer kein Kunstfanatiker ist, sollte zu einer anderen DVD greifen.

Die DVD

Die gekürzte Fassung mit nur einem Making-of und einer Bildergalerie als Extras, neben Werbung, kann wohl nur bescheidene Ansprüche zufriedenstellen.

Fazit: drei von fünf YOPI-Sternen.

Michael Matzer (c) 2012ff

51 Bewertungen, 11 Kommentare

  • goat

    05.08.2012, 22:56 Uhr von goat
    Bewertung: besonders wertvoll

    Mein ersters BW nach dem Urlaub geht an Dich. LG Melanie

  • Lucky130

    29.07.2012, 07:27 Uhr von Lucky130
    Bewertung: besonders wertvoll

    Wieder mal ein BESONDERS WERTVOLLer Bericht! LG...

  • morla

    29.07.2012, 01:04 Uhr von morla
    Bewertung: sehr hilfreich

    schönes wochenende lg. petra

  • Michaela_The_Princess

    28.07.2012, 23:12 Uhr von Michaela_The_Princess
    Bewertung: besonders wertvoll

    Liebe Grüße.........

  • XXLALF

    28.07.2012, 20:49 Uhr von XXLALF
    Bewertung: besonders wertvoll

    ...und ein wunderschönes wochenende

  • Miraculix1967

    28.07.2012, 20:20 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: besonders wertvoll

    Klares BW von mir! Schönes Wochenende und LG von Miraculix1967 aus dem gallischen Dorf

  • sirikit06

    28.07.2012, 19:51 Uhr von sirikit06
    Bewertung: besonders wertvoll

    Wünsche Dir ein schönes WE! LG

  • Tweety30

    28.07.2012, 15:32 Uhr von Tweety30
    Bewertung: besonders wertvoll

    BW und liebe SommerGrüße!

  • Noire

    28.07.2012, 15:15 Uhr von Noire
    Bewertung: sehr hilfreich

    Lieben Gruß und ein schönes Restwochenende. Noire

  • catmum68

    28.07.2012, 15:12 Uhr von catmum68
    Bewertung: besonders wertvoll

    besonders wertvoller Bericht, LG

  • katjafranke

    28.07.2012, 14:53 Uhr von katjafranke
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Wochenendgrüße. Katja