weitere aktuelle Themen Testbericht

No-product-image
ab 17,32
Paid Ads from eBay.de & Amazon.de
Auf yopi.de gelistet seit 09/2003

Erfahrungsbericht von AK_Systemkritik

Legitimes Schmierentheater

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Darauf haben wir doch Alle gewartet : Anstatt der sonst im Bundesrat üblichen sachkompetenten Erörterung von Sachfragen und -zwängen wird endlich mal etwas Kultur zum besten gegeben : Nach einhelliger Meinung des Publikums leider nur billiges "Schmierentheater".

Erster Akt der Inszenierung : Bei der Abstimmung über das neue Zuwanderungsgesetz wertet Bundesratspräsident Wowereit unter sehr freier Auslegung der Gesetze die uneinheitlichen Stimmen des Landes Brandenburg ( Stolpe/SPD : Ja ; Schönbohm/CDU : Trotz mehrmaligem Nachfragen : Nein ) als klares Ja.
Jetzt wird der Schauspielkunst freien Lauf gelassen : Roland Koch haut mit der Hand auf den Tisch,grosser Tumult bricht aus,die Opposition verlässt erzürnt und spontan die Sitzung.Stoiber ruft dramaturgisch geschickt die „Verfassungskrise" aus und heisse Diskussionen beginnen in der demokratischen Öffentlichkeit.
Zweiter Akt : Peter Müller (CDU) bringt einen V-Effekt,der Brecht vor Neid erblassen lassen hätte : Er gibt zu,dass die Empörung abgesprochen war und führt die Veranstaltung dadurch ad absurdum,dass er das Theater als Theater enttarnt (aber legitimes !),was das Publikum natürlich schon vorher wusste aber in einer guten Inszenierung nicht unbedingt hören will.Von da an schwankt das Stück ins Tragische,denn eine der wichtigsten Eigenschaften demokratischer Politiker steht auf dem Spiel :
Die Glaubwürdigkeit .

In den beteiligten Parteien findet man deren Verlust nicht etwa deshalb so tragisch,weil man sich vor seinem Volk total zum Affen macht,sondern weil die Leute mit ihrem Vertrauen zugleich ihre Wahlstimme verschenken.Dabei sind diese auf eine ziemlich bescheidene Perspektive verwiesen,wenn sie sich nur darauf beschränken,ihren Herrschaftsfiguren gute Absichten zuzugestehen - oder eben nicht.Sie sind sich nämlich dessen durchaus bewusst,wem sie da vertrauen sollen - regierenden Politikern,also Leuten,die die Position und Macht haben,ihnen ihre Lebensbedingungen in allen Einzelheiten vorzuschreiben,was nicht im geringsten vom Willen und Urteil der Betroffenen abhängig gemacht wird.Dadurch wird es für das wählende Volk und damit auch für die Gewählten um so wichtiger,der Politik bei allem souveränen Schalten und Walten wenigstens gute Absichten zu bescheinigen,auch und gerade dann,wenn die praktischen Konsequenzen nicht so rosig ausfallen.
Wenn sich die Menschen jetzt so sehr über das unglaubwürdige Theater aufregen,melden sie sich also zu Wort als Unterworfene,die von ihren Herrschern nur noch eins fordern : Dass sie wenigstens meinen was sie sagen.

Für die Politiker ist die Beurteilung,der sie da ausgesetzt sind natürlich nicht nur bedrohlich,sondern lässt sich auch als Waffe im Wettstreit der Parteien einsetzen.Die einmalige Chance,die SPD als verschworene Gemeinschaft darzustellen,die mit billigen Tricks das Recht beugt,hat Verräter Müller natürlich vergeben : „'Aus eitler Dusseligkeit' habe der Saarländer 'den Vorteil der Union verspielt' und ein 'klassisches Eigentor' geschossen" (Die Welt,27.3.).Das kostet dann natürlich Punkte auf dem eigenen Glaubwürdigkeitskonto.
Es ist überhaupt eine seltsame Eigenschaft von Politikern,um die sich um Moment alles dreht.Der normale Mensch kennt das ja auch aus seinem Alltag : Er kennt Leute näher,macht sich ein Bild von ihnen und das Vertrauen stellt sich dabei ganz natürlich ein.Genauso soll er jetzt mit den Herrschenden verfahren,mit dem kleinen Unterschied,dass dies ganz und gar keine Beziehung von Gleich zu Gleich ist.Genau deshalb müssen Politiker ständig daran arbeiten,Vertrauen herzustellen,was am einfachsten mit der Beteuerung geht,man hätte es eh verdient.Es ist also keineswegs eine natürliche Charaktereigenschaft,glaubwürdig zu sein,sondern das Produkt einer gelungenen Manipulation an den Leuten.Wenn die einem abnehmen,dass man glaubwürdig ist,ist man's auch.Wenn dagegen „der Bürger spürt: Hier geht es nicht um einen Wettstreit von Ideen und Konzepten, sondern nur um den Erhalt der blanken Macht" (Die Welt,24.3.),dann wird's natürlich kritisch.Um einen rein sachlichen Austausch von Ideen und Konzepten geht's zwar in der Politik sowieso nie - aber als Ideal kompetenten Regierens lässt sich das allemal heranziehn.Und in manchen Situationen kann der blanke Wille zum Machterhalt die Glaubwürdigkeit der Selbstdarstellung als zäher Typ auch ganz schön fördern....

So landen Bürger bei der logischen Meisterleistung,die gelungene Manipulation an ihnen selbst als Ideal gegenüber der gescheiterten bzw. aufgeflogenen hochzuhalten.Und die ist ihnen schon derart in Fleisch und Blut übergegangen,dass sie schon ein Peter Müller mit der Nase drauf stossen muss,damit sich überhaupt noch ein wenig Empörung über das falsche Spiel der Polit-Akteure regt.Aber auch die wird sich bald wieder legen und der durchschnittliche Durchblicker am Stammtisch kann sein Gemüt mit der alten Erkenntnis beruhigen,dass „die da oben" eh machen,was sie wollen und uns brave Bürger dabei sowieso immer verarschen.Aber so ist halt die Welt...

Nach diesem Debakel wächst bei den Leuten nicht etwa ein Misstrauen gegenüber der Normalität der Politik,mit allen Tricks der „Vertrauensbildung" wohlwollende Zustimmung im Volk herzustellen,oder gar gegenüber ihrem Status als Objekte des Willens der jeweils regierenden Mannschaft.Ganz im Gegenteil : Ein stärkerer und effektiverer Staat muss her,um solche Uneindeutigkeiten in Zukunft zu verhindern.Da wird dann „der Ruf nach einer Reform des bundesstaatlichen Systems in Deutschland lauter"(Die Welt,4.2.),ausserdem solle man doch endlich mal „Mehr Zentralismus wagen!"(ebd.,23.3.) Dann können Deutschlands Bürger endlich wieder mit der Gewissheit leben,dass die da droben es wenigstens genau so meinen,wenn sie sagen,dass die Gürtel enger geschnallt gehören,die Renten gekürzt werden müssen,der Standort BRD schon mal 'nen Arbeitsplatz kosten darf und andere wohlbekannte Sachnotwendigkeiten existieren,gegen die man leider Gottes nichts machen kann.
Vorhang zu,Ende.

12 Bewertungen