Djerba Testbericht

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Erfahrungsbericht von saida

Djerba und der Anschlag vom 11.04.02: Tunesien kein Urlaubsziel mehr?

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

! ! ! ! - Achtung - Update am Ende des Berichtes - ! ! ! !

! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! !

Ich habe auch noch mehr Gedanken mitzuteilen über die ganze Geschichte. Hier meine Empfindungen dazu:

Als mein Mann und ich anfangs von dem Unglück auf Djerba hörten, war das in den Radionachrichten, nachmittags um 15:00 Uhr. Es hieß, es hätte eine einen LKW-Unfall mit anschließender Explosion gegeben.
Hm. In Anbetracht der Tatsache, daß uns die Sicherheit tunesischer Lastwagen und Transporter - oder, besser gesagt: Unsicherheit - bestens bekannt ist, weil wir uns jedes Mal wieder mit eigenen Augen davon überzeugen können, erschien uns die Unfall-Theorie recht plausibel.

Obwohl - es war uns bekannt, daß die tunesische Bevölkerung, vor allem aus Studentenkreisen, eine starke Solidarität gegenüber dem palästinensischen Volk empfindet. Mein Mann war Ende Februar in Tunesien, und auch damals wußte man bereits von Pro-Palästina-Demonstrationen in der Hauptstadt Tunis. Das ist wohl im Polizeistaat Tunesiens nicht wirklich zulässig, und die Demos wurden denn auch massiv durch den Polizeiapparat niedergeschlagen. Wovon man aber im tunesischen Fernsehen nicht sonderlich viel zu sehen bekam. Es hatte sich, wie so vieles, durch Mundpropaganda herumgesprochen.
Darum hegte ich doch geringste Zweifel, ob nicht doch ein terroristischer Hintergrund zu suchen wäre, alldieweil die Explosion bei einer Synagoge der jüdischen Gemeinde Djerbas stattgefunden hatte.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir auch mit Leuten in Tunesien telefoniert, um zu hören, was man dort über das Unglück zu berichten hatte. Die meisten Informationen für die Tunesier kamen nicht vom tunesischen Sender Tunis7, sondern vom Sender Al-Jazair, der auch die Videobotschaft Bin Ladens nach dem Anschlag in New York gesendet hatte. Es sei von 100 Toten die Rede, berichtete man uns. Und man hoffe bloß, daß es KEIN Anschlag gewesen sei...
100 Tote - das erschien mir zu unglaubwürdig, die Abweichung zu den Informationen in den deutschen Medien war denn doch zu kraß!

Schließlich klinkten sich die Deutschen Behörden bei den Untersuchungen mit ein, und es wurde bekannt, daß bereits die schlimmsten Explosionsspuren quasi wegrenoviert worden waren - über Nacht! Und daß ein Anschlag keinesfalls ausgeschlossen werden könne...

Ich fragte mich ernsthaft, wenn es ein Anschlag auf Juden hätte sein sollen, wer denn so unüberlegt vorgehen würde? Denn:
Jemand, der sich mit Tunesien und seiner Wirtschaft auch nur etwas auskennt, wird wissen, daß der Tourismus das zweite Standbein für die Wirtschaft darstellt. Und einem halbwegs intelligenten Kopf würde doch nicht solch ein gravierender Fehler unterlaufen, daß bei einem Anschlag auf eine Synagoge ausgerechnet die restliche und überwiegend arabische und damit von Geburt an muslimische Bevölkerung Tunesiens dabei einen gravierenden Schaden nehmen sollte. Denn dadurch, daß Touristen - welcher Nationalität auch immer - zu den auch noch am meisten Betroffenen wurden, versetzte dies der tunesischen Wirtschaft einen schweren Rückschlag!
Aber, andererseits, wenn jemand es auf Touristen, vielleicht auch noch speziell aus Deutschland, abgesehen hätte, warum dann ausgerechnet an einer Synagoge? Es gibt doch viel mehr frequentierte Sehenswürdigkeiten, an denen man viel mehr Schaden hätte anrichten können.

Inzwischen wissen wir ja, daß es wohl gegen Deutsche im Besonderen gerichtet gewesen sein soll. Es gab einen Drohbrief an die Deutsche Botschaft in Tunis, der zwei Tage später -zur Kenntnisnahme- an die tunesischen Behörden weitergeleitet worden war, und in dem man gewissermaßen Terroranschläge gegen Deutschland angekündigt hatte.
Irgendwie glaube ich aber immer noch nicht so ganz, daß diese tunesische Tochter der Al-Qaida-Organisation dahinterstecken soll. Es erscheint mir trotz allem irgendwie zu unprofessionell...
Es sei denn natürlich, man wollte sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, und hat einen Anschlag auf deutsche Touristen mit dem auf Juden verbinden wollen.
Wie gesagt, das scheint mir nicht recht plausibel zu sein.

Ich denke eher, es hatte sich um eine kleine Gruppe (wenn nicht sogar nur zwei oder drei Leute) gehandelt, die heroisch eigentlich hatte etwas für ihr Land tun wollen, also pro-palästinensisch und anti-semitisch, und dabei in der Planung nicht bedacht hatte, daß ab und zu eben ein Touristenbus dort ankommt.
Oder, vielleicht WILL ich das auch nur gerne denken. Weil eben die vielen Tunesier, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe, nicht so sind. Nicht so, wie hier häufig Vorurteile über -Die Araber- gehegt werden.

Ich habe die Tunesier als überaus freundliche, herzliche Menschen kennengelernt. Ohne Vorurteile rassistischer Art. Ich werde von der Familie meines Manne voll akzeptiert, und zwar als das, was ich eben bin: Europäerin. Noch niemand hat versucht, mir irgendwelche Traditionen aufzuzwingen. (Da hatte es mein Mann hier in Deutschland wesentlich schwerer!)
Und irgendwie kann ich aber auch verstehen, daß viele sich mit Palästina solidarisch fühlen. Es erscheint mir wie David gegen Goliath, oder Schwerter gegen Pflugscharen, was zwischen Israel und Palästina vor sich geht. Da wundert es wohl nicht, wenn gerade in vielen arabischen Ländern nun leider doch eine Art Rassismus aufkommt - der gegen das jüdische Volk in Israel.

Viele, die ich kenne, sind der absoluten Überzeugung, daß das Ende der Terrordrohungen und -anschläge erst dann gewährleistet sein wird, wenn Palästina als eigenständiger Staat anerkannt ist, Israel Frieden hält, und das US-Militär sich aus Saudi-Arabien zurückgezogen hat.
Vorher wird es immer wieder Fanatiker - von der Al-Qaida selbst oder Mitläufern und unprofessionellen Nachahmern - geben, die solche schrecklichen Dinge wie am 11.09.01 (NY) oder am 11.04.02 (Djerba) geschehen machen...

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Ich werde weiterhin nach Tunesien reisen. Aber eben, wie gehabt, als Individualtourist, und immer noch nicht in Nobelhotels absteigen usw.
Dieses -Schafherdentreiben- durch Reiseveranstalter liegt mir gottseidank sowieso nicht. Ich mag nicht mit einem Bus voller Menschen an einer sogenannten Touristenattraktion abgeladen werden, so, Sie haben eine Stunde Zeit, dann auf zum nächsten Sightseeing-Punkt. Und immer schön zusammenbleiben, und auch immer gut zuhören, was der Dompteur der Menge an Informationen zukommen läßt - oder auch nicht. Erfahrungsgemäß kann man alles, was die sogenannten geschulten Reiseleiter einem so erzählen, in jedem besseren Reiseführer selbst nachlesen. Wer sich also selbst vorbereitet, kann im Urlaub auf das -Hammelherden-Syndrom- getrost verzichten und sich ohne Hetze und in aller Ruhe das anschauen, was ihn tatsächlich interessiert. und das, solange er möchte. Zudem ist ja auch ein Mietwagen meist billiger als ein geführter Tagesausflug! Und das gilt nun für fast alle Urlaubsziele, ganz allgemein.
Außerdem werde ich eben weiterhin auch Djerba nicht bereisen, und auch in keine Regionen, in denen sich verstärkt Ansammlungen der wenigen 3.000 in Tunesein seßhaft gewordenen Juden befinden.

Ein bißchen unwohl fühle ich mich also schon, das gebe ich offen zu.
Aber die Angst vor Terror gegen Deutsche habe ich eigentlich eher weniger, sondern halt vor Eskalationen wg. des Nahostkonfliktes!
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UPDATE/geschrieben am 15.09.2002:
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Weitere Gedanken zum Thema Nahostkonflikt/bezogen auf Tunesien


Allgemein werden viele, die Tunesien öfter bereist haben und noch bereisen, feststellen, daß die Stimmung in Tunesien viel gespannter ist als noch vor eineinhalb bis zwei Jahren.

Bestimmt wurde durch den Djerba-Anschlag klar, daß Radikal-Islamisten auch in einem freidlichen Land wie Tunesien existieren (auch mir ist das inzwischen vollauf bewußt).

Aber als Tourist wird man diese Stimmung kaum auffangen - derartige Organisationen arbeiten bekanntlich im Untergrund, nicht öffentlich in Hotels.

Daß aber die Otto-Normal-Bürger aggressiver als früher reagieren, das läßt sich durch Nachdenken recht leicht erklären:

Sicherlich liegt es AUCH am Djerba-Anschlag. Oder vielmehr an den daraus entstandenen Konsequenzen:
Es gab einen Rieseneinbruch im Tourismus (auch wenn in vielen Reisemagazinen, wie z.B. letzte Woch in Voxtours, dies heftig dementiert wird). Was natürlich zur Folge hatte, daß wirklich SEHR viele Tunesier ohne Arbeit dastehen, oder aber Angst um ihren Arbeitsplatz haben - nicht einmal die Saisonarbeit im Sommer ist vielen geblieben... Viele unserer Bekannten haben diesen Sommer keine feste Arbeit, oder keine Arbeit mehr!

Dazu muß man sich vor Augen führen, daß oftmals in einer vier- bis achtköpfige Familie nur ein Verdiener das Geld nach Hause bringt. Die Kinder arbeiten ja schon auch, so früh es ihnen möglich ist, in den Ferien - wenn sie denn einen Ferienjob ergattern können. Oft nur als Feldarbeiter oder Bau-Helfer - aber da es nun diesen Winter schon das zweite oder dritte Mal in Folge schon wieder viel zu wenig geregnet hat, liegt auch die Landwirtschaft nahezu brach. Das bißchen, was an Tourismus noch geblieben ist, hält zumindest einige über Wasser...

Selbst mein Mann fand es entsetzlich, wie viele Leute (auch kleine Kinder von vielleicht sechs, acht Jahren schon!) in diesem Sommer an den staubigen Straßen standen, selbst in der glühende Mittagshitze, um mit dem Verkauf eines Eimers voll "Hindi" (= Kaktusfeigen) wenigstens Geld für Grundnahrungsmittel wie Brot, Nudeln oder Kartoffeln zusammenzubekommen.

So. Und nun fragt sich hoffentlich keiner mehr, wieso das Personal oder die Leute, die man auf der Straße trifft, nicht mehr so locker und lustig sind wie früher?

Wenn nun aber alle aus Furcht vor Terror nicht mehr in Tunesien-Urlaub gehen würden, dann ginge das Land binnen kurzer Zeit vermutlich völlig den Bach 'runter - es bleibt jetzt eigentlich nur der Export von Bodenschätzen, und von diesem Teil des Bruttosozialproduktes bekommen sicherlich die wenigsten der "kleinen Leute" etwas zu spüren...

Und der Terror sitzt schließlich auch in Deutschland - wo, bitte schön, hat man denn einige der Drahtzieher des 11.-September-Anschlages gefunden? War das nicht in Hamburg?
Dürfen wir uns dann das Recht herausnehmen, mit Fingern auf ganze Länder zu zeigen, und die Bewohner derselben, oder gar ganze Völkergruppen, als Terroristen bezeichnen?

Die gibt es wohl in jedem Land. Die Frage ist halt, in welcher Anzahl.
Und ich denke wohl, daß es da - prozentual gesehen - in Tunesien wahrscheinlich auch nicht mehr gibt als in unserem eigenen Land...

Persönlich mache ich mir eigentlich keine größeren Sorgen:
Die Familie meines Mannes lebt eben nun einmal in Tunesien, so daß wir mindestens ein, zwei Mal im Jahr dort sind. Eigentlich haben wir kaum Kontakt zu gefährdeten Bereichen wie Hotelburgen o.ä. Wir fahren meist nur Leute besuchen, oder bereisen für uns persönlich interessante Ziele, wie z.B. das Arabergestüt in Sidi Thabet, oder wir sitzen einfach nur mit Freunden in einem kleinen Cafè, abseits allen touristischen Rummels.

Trotzdem wird mir doch ein bißchen mulmig zumute, wenn ich an den bevorstehenden Winterurlaub denke: mein Mann will drei Wochen vor mir fliegen, weil wir einiges zu erledigen haben - vorausgesetzt, er bekommt unbez. Urlaub - und da mache ich mir doch leise Sorgen. Wegen der Flüge, aber auch wegen der Zeit, die er schon einmal alleine dort ist. Wenn wir gemeinsam reisen, finde ich die Gedanken an mögliche Katastrophen nicht ganz so schlimm - aber wenn einer von uns alleine in so etwas verwickelt würde - nicht auszudenken!

Und eigentlich liegt der Grund meiner Ängste nicht an den Tunesiern - nein, vor allem wg. der aktuellen Situation USA-Irak!!!
Das vor allem jagt mir eine Riesen-Angst ein...

Diese Ängste spüre ich auch hier. Nur sind sie dann nicht so real; hier scheint alles irgendwie noch weit weg zu sein.

Aber wenn ich nur daran denke, daß womöglich unsere Regierung doch Truppen zur Unterstützung der USA entsenden wird, daß eben wieder alles nur für den Wahlkampf umgedreht werden könnte, dann werde ich nur noch zornig. Warum können die Regierenden denn nicht einmal zu ihrer eigenen Meinung stehen? Würde denn eines der Oberhäupter, die es für erforderlich halten, daß der Irak angegriffen werden sollte, selbst vorneweg in den Krieg ziehen?

Nur schade, daß es nicht mehr die Zeit der Kämpfe mit Schwertern und hoch zu Ross ist - ich glaube, da wären etliche Kriege der heutigen Zeit nicht angezettelt worden, wenn die Staatschefs vorneweg hätten reiten müssen, mit erhobener Lanze... ?

So lasse ich das nun stehen.

Mag sich jeder selbst seine Meinung bilden - meine prsönliche heißt, kurz ausgedrückt :

NO WAR !!!!

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Vielen Dank für's Lesen meiner ganz persönlichen Gedanken.
Und alle, die es nun bis hierhin geschafft haben, werden bestimmt auch eine Meinung haben, ob dieser Bericht nun gut oder schlecht geschrieben ist? Dann bitte ich höflich um Stimmabgabe der User-Gemeinde. Vielen Dank!!!!
Liebe Grüße
/saida

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21 Bewertungen, 3 Kommentare

  • Tintenfisch_1

    16.06.2003, 15:03 Uhr von Tintenfisch_1
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ist ja sehr interessant, aber ich weiß nicht, ob das so unbedingt unter das Thema Djerba gehört, eher unter Terror oder so.

  • Skander

    20.09.2002, 13:18 Uhr von Skander
    Bewertung: sehr hilfreich

    Die Ausbeuter in Tunis um Ben Ali werden noch erreichen das in Tunesien fundamentalistischer Widerstand aufkommt.

  • ISd3d

    28.04.2002, 23:15 Uhr von ISd3d
    Bewertung: sehr hilfreich

    hilfe, wasn bericht....