Mo Hayder: Die Sekte Testbericht

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ab 9,74
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Summe aller Bewertungen
  • Niveau:  anspruchslos
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  ausschmückend

Erfahrungsbericht von mima007

Hexenjagd: das Ende der Vernunft

Pro:

spannend, gruselig, genial erzählt, sehr ironisch, aktuelle Aspkte

Kontra:

gibt’s noch nicht als Taschenbuch

Empfehlung:

Ja

Als der Journalist Joe Oakes eine zurückgezogen lebende Sekte auf einer abgelegenen schottischen Insel besucht, will er eigentlich nur das Rätsel um ein Touristenvideo lüften. Es zeigt zwei Sekunden lang ein großes Wesen, das auf zwei Beinen geht, aber einen langen Schwanz trägt. Sind die Sektenmitglieder Satanisten? Oakes kennt den Sektenführer Malachi Dove schon seit langen Jahren.

Doch Oakes Erwartungen werden enttäuscht. Dove ist verschwunden. Warum will absolut niemand in der Sekte etwas über die satanische Erscheinung auf dem Video sagen? Und was verbirgt sich hinter dem hohen Elektrozaun jenseits der zentralen Schlucht? Es kommt zu einer gewalttätigen und blutigen Auseinandersetzung. Und Oakes muss sich fragen, ob es nicht seine Einmischung war, die erst zu dieser Katastrophe geführt hat.

Mein Eindruck
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Joe findet auf der Insel nicht nur Malachi Dove, sondern auch dessen Tochter Angeline. Diese junge Frau von knapp 19 Jahren weist einige Besonderheiten auf. Was es mit ihrer Deformierung auf sich hat – damit muss nicht nur Joe, sondern auch dessen Frau Lexie zurechtkommen. Bei Joe löst sie einen erotischen Schub aus, bei Lexie, die Angeline zunächst halb fürsorglich, halb egoistisch aufgenommen hat, einen Schub blanker Eifersucht.

Überhaupt Lexie. Sie stammt im Gegensatz zu dem Arbeitersohn aus der oberen Mittelklasse. Nicht nur verrät ihr Wortschatz, den sie in ihren Briefen an ihren Psychotherapeuten schreibt, eine viel bessere Bildung, sondern auch völlig andere Werte, als Joe sie an den Tag legt. Das zeigt sich deutlich an der Reaktion der beiden auf den Arzt, der Angeline als erster untersuchen darf. Der richtig edel gekleidete Mann ist genau Lexies Kragenweite bei der Partnerwahl, doch für Joe ist er nur ein Kleiderständer, der sich doch eigentlich selbst lächerlich vorkommen müsste. Angelines Reaktion auf die unterschiedlichen beiden Menschen Joe und Lexie dementsprechend aus. Sie sucht Schutz, aber nur bei Joe.

Doch Joe hat dafür kaum einen Blick, ist er doch nur von einem besessen: von dem spurlos verschwundenen Malachi Dove. Zusammen mit den führenden Beamten der Polizei der Grafschaft Strathclyde Strujters und Danso jagt er einem Mann nach, der sich letzten Endes als Phantom erweist. Die Folgen sind nichts weniger als tragisch zu nennen.

Das dicke Ende

„Die Sekte“ scheint nach dem zweiten Drittel so dahinzuplätschern, aber der Schein trügt. Hätte nämlich der Leser etwas länger nachgedacht als Joe Oakes, dann wäre er auf die Lösung des Rätsels gekommen: Warum wurden in der Kapelle Spuren von 31 Menschen gefunden, obwohl doch in der Sekte nur 30 gelebt haben? Dass Malachi Dove den Tod gefunden haben könnte, will Joe einfach nicht in den Schädel. Lieber jagt er einem Phantom hinterher. Oder schreibt an seinem Buch über das, was er auf Pig Island erlebte.

Doch Angeline ist keine Puppe, die man in die Ecke stellen könnte, sondern ein lebendiges Wesen, das zwar anders gebaut ist, aber dennoch unbestreitbar weibliche Attribute aufweist: Er verliebt sich in sie. Sein Bruder Finn ist erst abgestoßen, dann fasziniert – das Buch, das Joe schreibt und er als Literaturagent verkauft, wird garantiert ein Bestseller. Und die Fotosession mit einer glamourös auftretenden Angeline wird bestimmt der Hammer.

Doch wie so oft hat auch diese Geschichte ein dickes Ende. Joe sieht es nicht kommen und der Leser, der aus seinem Blickwinkel die Entwicklung betrachten muss, ebensowenig. Die Überraschung, die Struthers und Danso auf Lager haben, stellt die bisher erzählte Geschichte auf den Kopf. Joe kann kaum so schnell denken, dass er gleich begreift, was hier nicht stimmt. Man hält ihn für den Schuldigen, dabei muss es doch jemand anderes gewesen sein! Können das die sturen Bullen denn nicht kapieren?

Mit Joe verstehen wir nur allzu gut. Und das zwingt den Leser, entweder die letzten Seiten mehrmals zu lesen oder den Roman nochmals von vorne anzufangen. Denn nun haben alle Beobachtungen und Deutungen, die Joe uns liefert, eine völlig andere Bedeutung, und zwar nicht nur am Anfang auf Pig Island, sondern auch später im Fall Lexie.

Diese Umkehrung aller Annahmen im Licht neuer Erkenntnisse und Folgerungen kann nur der Leser selbst leisten. Das erweist sich als Geniestreich der Autorin. Denn nun ist es der Leser selbst, der das Grauen erzeugt und schier am eigenen Verstand zweifelt. Wie konnte dieser oder jener Hinweis nur übersehen werden? Wie ist ist es möglich, dass man so leichtgläubig auf die Annahmen des braven Joe Oakes hereinfiel?

Der Skeptiker wird bekehrt

Joe ist ein abgebrühter Erforscher des sogenannten Übernatürlichen. Geistheilungen, weinende oder blutende Statuen, verkleidete Riesenaffen oder Urmenschen – er entlarvt alles als Scherz und Betrug. Er ist der geborene Skeptiker und sein Geschäft als Enthüllungsjournalist für die Sensationsblätter besteht genau darin, mit Mitteln der Vernunft den Betrug durch religiösen Wahn oder Aberglauben aufzudecken. Er würde sich für den Weißen Ritter der Vernunft halten, wenn dieses Bild nicht so abgeschmackt wäre.

Aber Joe ist es am Schluss, der heulend und schreiend an der Straße steht und einer wegfahrenden Frau nachbrüllt: „Du boshafte Hexe!“ Wie konnte es so weit kommen, dass er einen religiösen Begriff – boshaft– und einen des Aberglaubens – „Hexe“ – in einem Atemzug nennt und zwar voll irrationalem Hass? Es ist das Kunststück der Autorin, den Weg, der an diesen Endpunkt führt, geradezu unmerklich zu pflastern und dann noch einen draufzusetzen. Es sieht für die Polizei so aus, als sei es Joe, der am Massaker auf Pig Island schuldig sei. Durch seine eigene Blödheit, seine Verblendung durch Dove, hat er zugelassen, dass er nicht mehr klar denkt, und das Unheil quasi eingeladen, das nun schließlich über ihn hereinbricht.

Unterm Strich
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„Die Sekte“ ist ein selten fies erzählter Thriller. Wer meint, er hätte, wie Joe Oakes, die Lösung des Rätsels schon nach 125 Seiten, der irrt sich gewaltig. Das dicke Ende kommt noch. Sobald man den Schluss gelesen hat, muss man entweder von vorne anfangen oder schwer darüber nachgrübelen, welche Folgen diese Informationen für den Rest der Handlung haben. Das Grauen entsteht erst im Hirn des Lesers, nachdem das Buch geschlossen ist.

Somit steht „Die Sekte“ in einer Reihe mit der Klasse besonders fieser Thriller, deren Schluss den ganzen Rest des Buches umdeutet. Nur in seltenen Glücksfällen ahnt der gewitzte Leser nicht, was da auf ihn zukommt. „Die Sekte“ ist ein solcher Fall. Und das mit etlichen aktuellen Aspekten, die ich oben aufgeführt habe.

Weder Story noch Erzählstil sind herausragend, aber die Story haute mich um. Ich vergebe vier von fünf Punkten.

Michael Matzer © 2007ff

Info: Pig Island, 2006; Goldmann 2007, München; 384 Seiten; aus dem Englischen von Rainer Schmidt; ISBN 978-3-442-31019-7; Preis: 19,95 EU

49 Bewertungen, 18 Kommentare

  • morak90

    15.11.2007, 22:50 Uhr von morak90
    Bewertung: sehr hilfreich

    ganz klar sehr hilfreich, schau doch mal bei mir vorbei LG morak90

  • engelsbrief

    22.04.2007, 04:48 Uhr von engelsbrief
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh - liebe Grüsse

  • anonym

    20.04.2007, 18:32 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    Genial, lg Chrissy

  • anonym

    17.04.2007, 20:35 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG Damaris

  • NancyNoack

    17.04.2007, 14:35 Uhr von NancyNoack
    Bewertung: sehr hilfreich

    Klingt interressant

  • Sayenna

    16.04.2007, 11:44 Uhr von Sayenna
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :-)

  • sandrad198

    16.04.2007, 08:25 Uhr von sandrad198
    Bewertung: sehr hilfreich

    Liebe Grüsse!!!

  • Estha

    15.04.2007, 23:22 Uhr von Estha
    Bewertung: sehr hilfreich

    schön geschrieben und liebe grüsse

  • lena016

    15.04.2007, 20:41 Uhr von lena016
    Bewertung: sehr hilfreich

    SH & LG

  • Sabate

    15.04.2007, 20:25 Uhr von Sabate
    Bewertung: sehr hilfreich

    Grüsse aus Berlin...Todd

  • Clarinetta2

    15.04.2007, 18:13 Uhr von Clarinetta2
    Bewertung: sehr hilfreich

    guter bericht LG Clarinetta

  • Sweeaty

    15.04.2007, 17:27 Uhr von Sweeaty
    Bewertung: sehr hilfreich

    super bericht! :) liebe grüße!!

  • Volker111

    15.04.2007, 17:15 Uhr von Volker111
    Bewertung: sehr hilfreich

    ist bereits vorgemerkt, doch komme eh momentan nicht nach. Die restliche Snicket Bände kommen zuerst. ;-)

  • anonym

    15.04.2007, 16:55 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :o)

  • SuperIngrid3103

    15.04.2007, 16:50 Uhr von SuperIngrid3103
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sonnige Grüße aus Hannover Ingrid !!

  • jarolimi79

    15.04.2007, 16:42 Uhr von jarolimi79
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schönen Tag noch Lieben Gruß Jaro

  • Puenktchen3844

    15.04.2007, 15:27 Uhr von Puenktchen3844
    Bewertung: sehr hilfreich

    ‹^› ‹(•¿•)› ‹^› Liebe Grüße aus Berlin, Wilfriede

  • michaela_black

    15.04.2007, 14:30 Uhr von michaela_black
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr hilfreich und liebe Grüße von Michaéla aus Rostock !