Pro:
- Composite
- Design
- Bequem
- Ausstattung
- Funktionalität
- N-Com Ready
Kontra:
- Lautstärke bei höherer Geschwindigkeit
- Dürfte noch etwas leichter sein
Empfehlung:
Ja
Alle Jahre wieder, genauer gesagt deren fünf, ist ein Motorradhelm im Durchschnitt ablegereif, wobei es Thermoplasthüte eher betrifft, als ihre höherwertigen Vettern aus Verbundwerkstoff(en). Zwar gehört der bisherige Schuberth S1 des Pharaos zu letzteren und ist streng genommen auch nicht vollkommen fratze (die Magdeburger Helmbäckerei repariert in aller Regel, was sicherheitsrelevant vertretbar erscheint), jedoch kostet der Austausch des mittlerweile arg mitgenommene Innenfutters mehr, als Euer Knauserigkeit bereit ist dafür auszugeben bzw. die Differenz zu einem Neuen zu gering. So gern ich den Knitterfreien auch trug, so hat er gewiss über diese Zeit mehr als ein Mal auch seine Schwachpunkte offenbart.
Auch andere Mütter haben schöne Töchter und ein Blick übern Tellerrand, z.B. nach Bella Italia, lohnt sich. Dort ist das gute Design ja angeblich zuhause, was auch helmtechnisch sicher nicht unwahr ist. Bekannte und beliebte Marken wie SHOEI und NOLAN stammen von unseren südeuropäischen Nachbarn. X-LITE wiederum ist ein 100%iger Ableger eben jener Nolan-Gruppe - welche eigenen Angaben zufolge gar der "weltgrößte Helmhersteller" sein will - und ansässig in Bergamo. X-Lite bedient die Sportsparte des Hauses und sponsert seit einiger Zeit namhafte Rennfahrer der Moto GP und Supersport-Serie erfolgreich als Helmausrüster. Das adelt selbstverständlich und impliziert Qualität.
Wobei diesbezüglich zu bedenken steht, dass diese Herrschaften bei ihrer Rennstreckenhatz sicherlich keine einfachen StVO-Serienmützen auf der Rübe tragen, sondern individuell angepasste Versionen des X-802. Das ist das Top-Modell der (mit aktuell nur drei Integral- und einem Jet-Helm recht schmalen) X-Lite Palette. Zumindest was den Privatkundenbereich betrifft. Selbstverständlich gibt es die Hüte in diversen Farbvarianten von der entsprechenden Race Replik des 802 über verschiedene Dekore, die auch für seine kleineren Brüder der Serie 701 und 602 erhältlich sind, bis hin zu schwarz glänzend/matt. Geschmackssache einer- und Preisfrage andererseits. Dekore kosten grundsätzlich 60 Euro Aufpreis.
Mit folgenden Grundeigenschaften bzw. Vorzügen seiner Integralen buhlt man um die Gunst des Bikers:
* ECE 22-05 konform
* Verbundwerkstoff / Fiberglas
* Gewicht rund 1300 Gramm
* 3 verschiedene Helmschalengrößen
* Beschlagfreies Pinlock ® - Visier aus kratzfestem Lexan
* Visierwechsel ohne Werkzeug
* Kinnriemen mit Doppel-D Verschluss
* Sanitized ® Innenfutter - komplett herausnehm- und waschbar
* Verstellbare Belüftung(en) - Im Kinn-, Stirn- und Oberkopfbereich
* Nur X-802 und 701: Atemdeflektor und Windabweiser im Lieferumfang
* Nur X-701 und 602: Vorgesehen für N-COM Kommunikationssystem
Für die Straßenbrennerei ist vor allem der X-701 interessant, denn er bietet fast alles, was sein Race-Bruder auch kann und sogar noch etwas mehr: Er lässt sich nämlich mit vergleichsweise wenig Aufwand mit Nolans integriertem, Bluetooth-fähigem Kommunikationssystem auf- bzw. nachrüsten. Das prädestiniert ihn für's gemeinschaftliche Touring bei gleichzeitig sportlichem Touch. Er erhielt letztlich auch den Zuschlag, zunächst jedoch ohne das aufpreispflichtige N-COM, für moderate 359.- Euro in schwarz/uni. Natürlich erst nach ausführlicher Beratung mit dem freundlich-kompetenten Mitarbeiter der Louis-Filiale und anschließendem, ausgedehnten Probetragen, ob das Teil auch längere Zeit ohne Nebenwirkungen auf die pharaonische Runkel passt.
Grade diese Eigenschaft nämlich ist es, welche für den Kaufentscheid maßgeblich sein sollte: Bequemlichkeit. Selbstverständlich stehen die Sicherheitsaspekte und diverses Komfortschickimicki auch ganz oben auf dem Wunschzettel, doch was nutzt der sicherste Helm mit jeder Menge (womöglich sogar nützlicher) Spielereien, wenn die Schüssel nach kurzer Zeit garstig drückt. Oft ist es so, dass Menschen nur Helme eines bestimmten Herstellers problemlos tragen können, man spricht hier dann gern scherzhaft etwa von einem Shoei- oder auch Schuberthkopp. Da mein teutonischer Kofferschädel offenbar universell einsetzbar ist, leide ich prinzipiell eher selten unter solcherlei Markendünkel. Der X-701 passt mir (bei Gr. 58-59 in L) auf Anhieb wie angegossen - so soll es sein.
Die Außenschale spricht die Formensprache der Rennstrecke. Schlanke, aerodynamische Silhouette, sehr kompakt und mit einem stylisch ausgeformten Spoiler am Oberkopf - da befürchtet man komforttechnisch sportlich-harte Zeiten. Auch der aus dem Rennsport entliehene Doppel-D Verschluss des Kinnriemens haut in diese Kerbe. Allerdings empfängt einen das kuschelige Innenpolster überraschend einladend, wobei es dennoch spack auf der Rübe sitzt. Insbesondere die Aussparungen für die Horchlöffel (Nicht nur Gimmick, sondern wichtig für die Lautsprecher des N-Com) vermitteln dem Fahrergehirn subjektiv mehr Platz, als die Schale tatsächlich bietet. Das Auge meldet hingegen beinahe klaustrophobisch knappe Distanz zu Visier und Kinnteil, besonders bei aufgesetztem Atemdeflektor.
Das ist zumindest für mich, der die kathedralenartigen Dimensionen eines Schuberth S1 gewohnt ist, erst einmal ein wenig befremdlich. Man hat sich aber schnell damit arrangiert, zumal erstens das Sichtfeld schön breit und auch trotz Pinlock fast vollkommen barrierefrei ausfällt. Zweitens spart der insgesamt schmalere Zuschnitt des Helms auch Material, was logischerweise dem Gewicht zugute kommt. Dabei sind seine rund 1300 Gramm immer noch keine Offenbarung in Sachen Leichtbau - aber gegenüber meinem alten S1 deutlich spürbar. Kopfbewegungen fallen insgesamt leichter und auch Fahrt- sowie Seitenwind reißen nun nicht mehr so eklatant an der Nackenmuskulatur. Sprich: Das gesamte Handling geht tatsächlich in Richtung Sporthelm, jedoch ohne das Touristische zu vernachlässigen.
Wo Licht ist, lässt sich natürlich auch der Schatten nicht vermeiden. Im Vergleich zum Gros der Konkurrenz schneidet die Lautstärke noch akzeptabel ab. Gegen den S1 hat der X-701 aber keine Schnitte, der ist bis 100 km/h mit unter 80 dB geradezu ein Hort der Ruhe. Der X-Lite liegt bis etwa 80 km/h noch relativ gut im Rennen, pardon Luftstrom, bei höheren Tempi orgeln die Strömungsgeräusche dann doch mit größerer Vehemenz und dumpf brausend ans Ohr. Umso deutlicher, wenn die Belüftungskanäle auf Durchzug stehen. Diese sind im Übrigen sinnig angebracht, höchst effektiv und auch mit der behandschuhten Hand noch einwandfrei zu bedienen bzw. zu verstellen. Da hat sich der Konstrukteur tatsächlich einmal Gedanken gemacht. Das gleiche gilt für das Visier und seine Mechanik.
Das ziemlich kratzunempfindliche Polycarbonat-Visier gibt es unterschiedlichen Ausführungen. Als klare, getönte und verspiegelte Version. Allen gemein ist der werkzeuglose Wechsel per Knopfdruck und die Pinlock® Vorbereitung. Dieses zu 100% beschlagfreie Doppelscheibensystem ist mittlerweile fast überall Usus und Stand der Dinge. Ersatzvisiere kosten rund 46 Euro zuzüglich Pinlock-Innenscheibe. Diese ist in zwei Varianten erhältlich, nämlich mit und ohne Silikonrand. Letztere ist günstiger aber nicht wirklich empfehlenswert. Als pfiffige Detaillösung ist das Innenvisier mit Exzenterbolzen nachjustierbar, falls sich das Außenvisier mal geringfügig verziehen sollte. Ein weiterer Pluspunkt ist die überaus robuste und satt rastende Visiermechanik, die sich zudem einem Spalt weit offen arretieren lässt.
Fazit
Ein für diesen Preis erstaunlich ausgestatteter, durchweg sauber verarbeiteter, schnittiger Helm in welchem sich viel Sinn fürs Detail widerspiegelt. Allein die Möglichkeit ein kabelloses Kommunikationssystem zu integrieren, ist des Lobes wert. Der Spagat zwischen unverkennbar sportlichen Genen und Touringqualitäten gelingt der Nolan-Tochter X-Lite mit dem X-701 fast fehlerfrei. Noch einen Tick leichter sowie ein Eck leiser - auch und gerade - bei hohen Geschwindigkeiten, dann gäbe es an ihm überhaupt nichts herumzumäkeln. Das Preis-Leistungsverhältnis ist jedenfalls vollkommen in Ordnung, handelt es sich hier doch bereits um eine höherwertige Composite- und keine popelige Thermoplast-Mütze. Beim nächsten Helmkauf einfach mal anprobieren. weiterlesen schließen
Bewerten / Kommentar schreiben