Bauchtanz Testbericht

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Erfahrungsbericht von Libraia

Bauchtanz - eine fiktive Reise in den Orient

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Gerade komme ich wieder zurück vom Bauchtanzunterricht, zu dem ich zweimal die Woche gehe.
Ich habe vor ca. 5 Jahren damit begonnen und tanze seitdem ziemlich regelmäßig.
Der Bauchtanz gehört mit zu meinen liebsten und befriedigendsten Freizeitbeschäftigungen überhaupt.
Vielleicht sollte ich ehrlicherweise hinzufügen, dass Tanzen allgemein für mich zu den schönsten Dingen gehört: nicht nur war ich immer eine begeisterte Discogängerin (das wäre ich eigentlich immer noch, aber leider finde ich nichts geeignetes für mein Alter), sondern ich liebe auch private Partys, bei denen die Leute irgendwann mal in die Gänge kommen (da gehöre ich dann immer zu den ersten, die herumhopsen). Mit Standardtänzen kann ich wenig anfangen, da liegt mir die Musik nicht so sehr, aber einen Tangokurs habe ich immerhin schon (nicht so recht erfolgreich allerdings) absolviert, ebenso einen afro-brasilianischen Kurs und – jetzt kommen wir der Sache wieder näher – einen für arabischen Folkloretanz.
Warum ich dann letztendlich am Bauchtanz hängen geblieben bin, liegt an mehreren Faktoren: ein mal ist mir die Musik im Laufe der Zeit immer näher gekommen, mittlerweile liebe ich sie sehr, andererseits ist es ideal für Frauen, deren Partner sich aus Tanzen gar nichts macht, denn das kann man gut alleine bzw. für sich tanzen oder noch schöner in einer Gruppe mit (möglichst) netten Frauen. Dass es auch noch andere Vorteile hat, dazu komme ich später.

Was ist eigentlich Bauchtanz?

Es ist einer der ältesten Tänze der Erde. Ursprünglich war es wohl eine Art Fruchtbarkeitstanz bei matriarchalischen Kulturen, der Tanz sollte eine Huldigung der Göttin darstellen. Bauchtanz gibt es zudem nicht nur in arabischen Ländern, der Türkei und Griechenland, sondern in etwas anderer Form auch in Afrika und in Indien. Selbstverständlich auch in den USA und Europa, bei uns wird aber fast ausschließlich die orientalische Form getanzt.
Es gibt ganze Bücher und Abhandlungen über die Geschichte des Bauchtanzes, das würde nun wirklich zu weit führen, ich wollte nur darauf hinweisen, dass es eine Tanzart ist, die es schon sehr lange gibt und die auf der ganzen Erde verbreitet ist.

Tanz der Frauen

Manche wissen gar nicht, dass es auch männliche Bauchtänzer gibt (sogar sehr berühmte und sehr gute), aber sie bilden natürlich die Ausnahme. Ich selbst hatte in meinem ersten Kurs einen syrischen Tanzlehrer, der ausgezeichnet war und auch sehr gut vermitteln konnte. Obwohl er einfach wunderbar tanzte, weigerte er sich, öffentlich aufzutreten oder vorzutanzen (uns, seinen Schülerinnen schon aber wir zählten nicht als Öffentlichkeit), das hätte als unmännlich gegolten.
Also, es gibt Bauchtänzer, ja, aber sie stellen natürlich nur eine kleine Minderheit dar.
Bauchtanz ist ein Tanz der Frauen.
Leider herrscht in der Öffentlichkeit das Bild vor, dass es vor allen Dingen ein Tanz von Frauen für Männer sei, das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Es ist in erster Linie ein Tanz von Frauen für und mit Frauen.
Noch heute ist es gerade in den traditionellen arabischen Ländern so, dass die „anständigen“ Frauen diesen Tanz ja gar nicht vor Männern aufführen würden, sie können ihn aber, lieben ihn und tanzen ihn auch ganz oft, aber eben „unter Frauen“.

Bild des Tanzes in der Öffentlichkeit

Als ich damals anfing damit, machte sich eine Freundin über mich lustig und meinte, dass ich wohl jetzt auch unter die weisen Frauen die bei Vollmond ihre Hüften und Bäuche kreisen lassen, um gemeinsam zu menstruieren, gegangen sei.
Andere wiederum meinten, ich wolle jetzt wohl auf meine alten Tage noch lernen, Männer besser und erfolgreicher anzumachen.
Nun, das sind beides Assoziationen, die der Bauchtanz, auch Raks Sharki genannt, auslöst…

1.die verführerische, etwas anrüchige Frau, die in Bars und Clubs auftritt, mit aufreizenden Bewegungen und aufforderndem Lächeln die Männer anmacht und sich freudig Geldscheine in BH und Höschen stecken lässt – wer weiß, wozu sie nach dem Tanz vielleicht noch alle bereit ist…?
Klar gibt es Bauchtänzerinnen, die in solchen Clubs auftreten, dennoch möchte ich auch diese verteidigen, denn in den meisten Fällen ziehen sie zwar ihre Show ab und freuen sich auch über das zugesteckte Geld, aber bitte verwechselt sie nicht mit Prostituierten. Eine Bauchtänzerin hat mit einer Prostituierten so viel zu tun wie eine Architektin mit einer Prostituierten zu tun hat: im Normalfall nämlich gar nichts!

2. die esoterisch - feministisch angehauchte Vollmondtänzerin, die sich angezogen fühlt von einem matriarchalischen Kult. Ihr kommt es vor allem darauf an, mit anderen Frauen gemeinsam etwas zu tun, die weiblichen Elemente des Beckenkreisens, (in vielen Kulturen wird Bauchtanz immer noch als Geburtsvorbereitungstanz ausgeübt), der sanften Bewegungen ziehen sie an.
Ja, auch diese Leute gibt es. Ich war eine Zeitlang in einem Tanzstudio, das von einer Leiterin, die auf diesem „Trip“ war, geführt wurde. Wir streckten uns nicht einfach nach oben, sondern „unsere Hände strebten dem Himmel zu, während unsere Füße fest mit der Erde verbunden waren und der Mittelpunkt unseres Kopfes ließ sich im Geiste noch weiter in den Himmel hinaufziehen“ oder so ähnlich. Immerzu versuchte sie, jede Bewegung esoterisch zu verbrämen und jeder Schrittfolge einen inneren Sinn zuzuweisen. Einfach grässlich! Damit hatte ich nichts am Hut…

3. die Frauen, die wirklich den Tanz als Kunstform perfektionieren wollen
Das sind diejenigen, die bemerkt haben, dass es unzählig viele Möglichkeiten und Arten gibt, sich auszudrücken und seinen Körper quasi als Musikinstrument einzusetzen. Frauen, denen klar ist, dass man diesen Tanz niemals „fertig lernen“ kann, sondern dass man ihn immer weiter entwickeln, sich immer wieder verbessern kann und muss, dass es ein Tanz fürs Leben ist. Das sind dann die Frauen, die auf der Bühne tanzen (z. B. bei uns in Berlin im Haus der Kulturen der Welt oder auf großen Festen, die auf Tourneen gehen etc.)
Ich bewundere diese Leute, denn sie geben viel von sich, ich weiß, wie viel Zeit, Energie und Anstrengung es kostet, halbwegs perfekt zu werden und hätte niemals selbst diesen Ehrgeiz, andererseits bedauere ich sie auch ein bisschen, denn dort „oben“ weht ein kalter Wind. So weit ich das mitgekriegt habe, ist bei den wirklich professionellen Kunsttänzerinnen nicht mehr so viel von weiblicher Solidarität die Rede, sondern es herrscht ein harter Konkurrenzkampf.

4.die Frauen, die vor allen Dingen Spaß haben wollen, die gerne tanzen, etwas für ihren Körper tun wollen, gerne mit anderen netten Frauen zusammen sind und natürlich auch so gut tanzen lernen möchten, dass man auch mal eine hübsche Choreographie vorführen kann.
Ihr könnt euch denken, dass ich mich zur letzten Kategorie zähle.
Dennoch möchte ich nicht verschweigen, dass auch die anderen drei Elemente irgendwie mitschwingen: Ja, der Bauchtanz hat natürlich ein starkes erotisches Element (mehr als Walzer oder Foxtrott, das ist klar) und wenn man auf den einen oder die andere im Raum bei einer Vorführung verführerisch wirken sollte, dann schadet das ja auch nichts ;))
Und: ja, natürlich finde ich es auch sehr schön, einen uralten Tanz, den Frauen schon immer miteinander getanzt haben, zu lernen und die Gemeinschaft mit Freundinnen (denn einige von unserer Truppe sind das wirklich geworden mittlerweile) würde ich niemals unterschätzen.
Und nicht zuletzt: auch wenn mir nach 5 Jahren Tanz klar ist, dass ich niemals über den Amateurstatus hinauskommen werde, träume ich doch ab und zu davon, auf der Bühne zu stehen und ganz und gar göttlich zu tanzen…

Typische Elemente des Tanzes

Das Schöne am Bauchtanz ist, dass es nicht so viele wirklich verbindliche Regeln gibt, sehr Vieles ist möglich und sowieso sieht bei jeder Frau alles wieder ein bisschen anders aus. Man kann also sagen, dass das eine Tanzart ist, bei der sich die Tänzerinnen sehr stark selbst entwickeln können und einen eigenen Stil herausarbeiten. Dennoch gibt es natürlich einige Grundregeln:
1. Isolationsbewegungen: man lernt jeden Teil des Körpers einzeln, isoliert von den anderen zu bewegen. Im Klartext: wenn die Hüfte kreist, dann hat der Oberkörper möglichst still zu halten. Oder wenn man „Schlangenarme“ macht, dann soll nicht die ganze Schulter mitkreisen, sondern die Bewegung soll sich mehr auf die Ellbogen konzentrieren. Berühmt ist auch das „Kopfverschieben“, bei dieser Bewegung versucht man, den Kopf ohne dass der Hals sich bewegt, von links nach rechts zu befördern (schwierig!)
2. Shimmy: so nennt man die zitternden, vibrierenden Bewegungen, mit denen man die Hüften oder die Schultern (wer gut ist, kann es auch mit dem Bauch) kreisen lässt
3. Hüftkicks oder Hüftdrops – schnelle akzentuierte Bewegungen, die passend zur Musik eingesetzt werden
4. Drehungen – je nachdem, wie gut man ist, gibt es Lieder, bei denen man sich sehr viel und sehr schnell drehen muss, manchmal reicht aber auch eine oder zwei Drehungen, um eine Choreographie aufzulockern
5. Kamelgang – das sieht sehr schön aus, der Oberkörper bewegt sich dabei in eine andere Richtung wie der Unterkörper, ein sehr wiegender Schritt
6. die „Ente“ oder der „Ghazalschritt“ – auch hier gibt es wieder entgegengesetzte Bewegungen: die Hüfte geht nach links oben, während der Oberkörper und die Arme nach rechts unten streben
7. große und kleine Hüftkreise – manchmal kreisen nur die Hüften, der restliche Körper bleibt ruhig, manchmal geht der ganze Körper abgesehen vom Kopf mit
8. viele unterschiedliche Schrittfolgen, der Basis-Schritt, die Arabeske, der Suasaki –Schritt…

Nun reicht es, denn mir würden noch sehr sehr viele Elemente einfallen, aber ich schreibe ja kein Buch darüber?!

Kleidung

Zum Vorführen gehört selbstverständlich „angemessene“ Kleidung, das heißt, irgendwie glitzernd, ein schönes Hüfttüch, möglichst einige Silber- oder Goldplättchen, die klimpern können (oder auch nicht), einen Schleier, viel Schmuck etc. Bauchfrei ist meistens, aber es ist kein absolutes Muss, absolut notwendig ist aber ein sehr eng um die Hüften gebundenes Tuch, ansonsten sind alle Freiheiten gestattet. Ich selbst tanze manchmal in „voller Montur“ (dunkel-blau silbern durchwirkte Pumphose, schwarz – silberner Gürtel, ein schönes schwarzes Oberteil mit Fransen, Halsschmuck, Kopfschmuck etc.) oder aber nur in schwarzen Sporthosen und T-Shirt, aber dafür mit einem schönen rot-silbernen Hüfttuch, je nach Lust und Laune.
Manchmal stört mich das Getue um die passende Kleidung (die meisten Kostüme kosten ein Vermögen), aber andererseits gehört es nun mal ein bisschen dazu; im Jogginganzug zu tanzen, das ist sicher nicht das Wahre...

Was bringt es ?

Natürlich muss man einen gewissen Zugang zur orientalischen Musik haben, wer das alles nur als Gejaule ansieht, braucht es gar nicht zu versuchen. Ich denke zwar, dass es auf alle Fälle eine Bereicherung ist, sich ab und zu mal in arabische und türkische (oder indische und afrikanische) Musik reinzuhören, aber das ist sicher nichts für jede.

Wer diese erste Hürde aber entweder nicht als Hürde ansieht, oder bereit ist, sie zu überwinden, dem steht eine Menge Positives bevor:
Fitness, Muskelaufbau (man spürt Muskeln an Stellen, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt), Entspannung, ein wunderbares Mittel bei Periodenschmerzen, Freude und Spaß am Tanz und in der Gruppe, Unabhängigkeit von tanzfaulen Partnern, meist ein Zaubermittel gegen schlechte Laune und die unheimliche Freude, wenn man nach wochenlanger (manchmal monatelanger) Arbeit endlich eine Choreographie beherrscht. Wenn man sie vortanzen kann z.B. auf Geburtstagsfeiern oder auf Hochzeiten, wenn es die Zuschauer dann nicht komisch, sondern schön finden, wenn man sich selber dabei schön findet, wenn man spürt, dass der Körper im richtigen Rhythmus ist, wenn die Musik mit den eigenen Bewegungen übereinstimmt, das ist einfach toll!

Kurse werden mittlerweile eigentlich überall zu sehr unterschiedlichen Preisen angeboten, nicht nur in Großstädten (da gibt es sie wie Sand am Meer) sondern auch in den allermeisten Kleinstädten entweder als Volkshochschulangebote oder in eigenen Studios oder privat. Wenn es keine gibt, kann man einfach eine Anzeige aufgeben, ganz bestimmt wird sich jemand melden. Bauchtanz ist seit vielen Jahren sehr groß in Mode, die Tendenz ist eher steigend als abnehmend.

Fazit

Nichts, rein gar nichts spricht dagegen. Nur sehr vieles dafür. Man kann diesen Tanz in jedem Alter erlernen, zwar merke ich, dass die jüngeren Mädchen (es gibt auch Kurse für Kinder) schon schneller lernen als wir Älteren, aber das sollte nicht frustrieren, denn eine gute Lehrerin (ein guter Lehrer) wird es fertig bringen, Tänze zu entwickeln, die auch die Langsameren erlernen können, aber die Besseren dann einfach ein paar schwierigere Finessen einbauen.
Ich kann mir keinen Grund außer Krankheit vorstellen, warum ich damit jemals wieder aufhören sollte!

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