Heaven Testbericht

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ab 309,26
Auf yopi.de gelistet seit 12/2006
Summe aller Bewertungen
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  durchschnittlich
  • Romantik:  durchschnittlich
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Spannung:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von katapult

Wer's glaubt wird selig

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Vielleicht wird Tom Tykwers „Heaven" einmal in die Filmgeschichte eingehen als einer der meist unterschätzten Filme des deutschen Kinos. Vielleicht ist es auch bedauerlich, dass bisher nur Tykwers „Lola rennt" im Ausland Erfolge feiern konnte, denn kaum ein Regisseur hat eine so prägnante Handschrift und den Mut, seine Visionen kompromisslos umzusetzen.
Auch diesmal hat der deutsche Ausnahmeregisseur keine Scheu vor den ganz großen Themen gezeigt. Schuld und Vergebung, die reine, über alles erhabene Liebe, Zufall und Schicksal, das alles sollen Filippo und Philippa uns vorführen. Leider aber wird einiges von dem nur gestreift, vieles bleibt reine Behauptung.

Am Anfang steht der Sündenfall. Die Englischlehrerin Philippa (Cate Blanchett) scheitert bei dem Versuch, einen Drogendealer ins Jenseits zu befördern. Diesen macht sie verantwortlich für den Drogentod ihres Mannes und ein paar ihrer Schüler. Doch die selbst gebastelte Bombe trifft die Falschen, es sterben vier Unschuldige in einem Fahrstuhl. In einer großartig komponierten Szene sieht der Zuschauer, wie der Fahrstuhl an der Außenwand eines Hochhauses nach oben fährt, während sich im gleichen Bild die Attentäterin vor dem Gebäude auf einer Rolltreppe nach unten bewegt.
Die wundersame Liebesgeschichte beginnt dann beim Verhör. Der als Dolmetscher einspringende Polizist Filippo (Giovanni Ribisi) verliebt sich in Philippa, verhilft ihr zur Flucht und wird auch zum Komplizen bei Philippas Vorhaben, dem Dealer beim zweiten Mordversuch keine Chance mehr zu lassen. Somit gehen die beiden einen Schicksalsbund ein, der sie zur Flucht aus Turin zwingt.

Bis dahin (die Mitte des Films ist in etwa erreicht) erzählt Tykwer eine recht spannende Geschichte, die viele Fragen auffächert. Eine positiv gezeichnete Mörderin sieht man selten im Kino. In der Toskana, dem Fluchtort der Gejagten, wird die Kriminalhandlung dann endgültig aufgegeben, und der Film scheint jetzt zum Punkt zu kommen. Die kompromisslose Racheengelin und ihr ebenso selbstloser Verehrer gehen den Pakt der Liebe ein und stellen sich so über alle Realitäten, sie sind erhaben und jenseits aller Moral, denn nichts auf aller Welt, vor allem keine weltlichen Instanzen sollen mehr über ihr selbstbestimmtes Schicksal regieren (der Song „Love, reign over me" von The Who - aus dem Film „Quadrophenia" - wäre hier das passende Leitmotiv). Aber Tom Tykwer, der wohl humorloseste aller großen deutschen Regisseure seit Wim Wenders, misslingt der Versuch, aus einem interessanten Plot eine überzeugende Geschichte zu basteln. Nahezu alles, was dieses moderne Märchen schlüssig machen würde, verkitscht oder geht in selbstverliebten Bilderfluten unter.

Der Kulminationspunkt von „Heaven" ist eine unglaublich eindrucksvoll fotografierte Szene. Filippo und Philippa fühlen sich unbeobachtet und laufen auf eine gewaltige Zeder zu, unter der sie sich zum ersten Mal lieben. Wenn der Film bis dahin glaubwürdig erzählt worden wäre, müsste man dahin schmelzen und diesen Moment ehrfurchtsvoll genießen. Aber das will nicht funktionieren, man ist es schon längst leid geworden, der Liebesgeschichte zu folgen. Cate Blanchett gelingt es zwar, die Rolle der Gesetzeslosen glaubhaft zu verkörpern. Sie ist einem sogar sehr schnell sympathisch. Die Gefühle für ihren Partner bleiben aber bis zum Ende nicht nachvollziehbar. Wenn der Film dann mit einer noch viel pathetischeren Szene sein Ende findet, reibt man sich verdutzt die Augen.

Tykwer scheint ganz auf die Überzeugungskraft seiner Charaktere und auf die spirituelle Kraft der Story gesetzt zu haben. Vielleicht ist ihm der Stoff irgendwann am Schneidetisch aus den Hände geglitten. Irgendwann stehen die grandiosen Bilder in keinem Verhältnis mehr zu der unausgegorenen Geschichte. Die Postproduktion soll wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen haben als die Drehzeit, und weil es eine internationale Großproduktion ist, musste er sogar Testvorführungen in den USA über sich ergehen lassen. Das Drehbuch stammt vom verstorbenen polnischen Regisseur Krzysztof Kieslowski, der mit seinen schweren und minimalistischen Geschichten immer mit einer gewissen Leichtigkeit umgegangen ist. Tykwer dagegen erschlägt den „Heaven" mit Bombast vorgetäuschtem Tiefsinn.

(Ich habe den Film auf der Berlinale in der OmU-Fassung gesehen. Die deutsche Bearbeitung soll angeblich größtenteils untertitelt worden sein. Ganz anders hat übrigens Ciao-Mitglied „posdole" den Film empfunden. Seine Kritik sollte man unbedingt lesen.)

13 Bewertungen, 3 Kommentare

  • w.gruentjens

    26.11.2002, 00:29 Uhr von w.gruentjens
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich kenne ihn nicht, aber ist er Kunst oder Kitsch?

  • suppengirl

    16.04.2002, 23:54 Uhr von suppengirl
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht, auch wenn ich nicht ganz deiner Meinung bin. Sollte wohl lieber den Bericht von posdole lesen! Grüßle, Suppi

  • Chris_ONeal

    16.04.2002, 23:49 Uhr von Chris_ONeal
    Bewertung: sehr hilfreich

    Guter Bericht der da von dir fabriziert wurde, schau mal bei mir vorbei...MFG Chris...