Mehr zum Thema Private Rentenversicherung Allgemein Testbericht

No-product-image
ab 12,59
Auf yopi.de gelistet seit 09/2003

Erfahrungsbericht von calrissian

Altersvorsorge - Finger weg von fremdfinanzierten Renten!

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Fremdfinanzierte Rentenversicherungen sind en vogue. Nach den Berechnungen der Anbieter sind diese Kombi-Produkte das geradezu perfekte Altersvorsorge-Vehikel für alle Besserverdienenden im Alter zwischen 30 und 50. Quasi das Ei des Kolumbus der Altersvorsorge.

Pfiffig und clever sind die angebotenen Modelle mit ihren verschachtelten Versicherungs- und Kreditverträgen wirklich. Es stellt sich nur die Frage, ob bei dieser Einschätzung das Kundeninteresse oder die Provisionsinteressen der Anbieter und Vermittler gemeint sind. Denn eines ist klar: Es gibt wohl kaum ein provisionsträchtigeres Produkt als die fremdfinanzierte Rente.

Man nehme zwei möglichst langlaufende Rentenversicherungsverträge und maximiere die Versicherungssummen durch eine hohe Fremdfinanzierung. So kommen bei einer prognostizierten Jahresrente von € 12.000 und einem hierfür erforderlichen Finanzierungsaufwand von ca. € 0,5 Mio. schnell mal 40.000 € und mehr an Provision zusammen.

Der Initiator/Verkäufer gewinnt also immer. Wie sieht aber die Rechnung für den Versicherungsnehmer aus?
Er nimmt (im obigen Beispiel) ca. 0,5 Mio. € auf und muss zusätzlich € 38.000 als Eigenkapital aufbringen. Sein Geld wird (nach Abzug der Gebühren) in zwei Rentenversicherungsverträge investiert. Eine sofortbeginnende Rente von 12.000 € p.a. sowie eine aufgeschobene Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht als Tilgungsinstrument.
Nun zahlt er 15 Jahr lang die Zinsen für den Millionenkredit. Trotz Einbeziehung der Rentenzahlung und Steuervorteilen durch die Absetzbarkeit der Zinsen als Werbungskosten natürlich ein Zuschussgeschäft. Nach 15 Jahren soll sich die Tilgungsversicherung so gut entwickelt haben, dass eine vollständige Rückzahlung des Darlehens möglich ist und so gar ein Überschuss verbleibt. Ab diesem Zeitpunkt steht dem Anleger die lebenslange Rente (Ertragsteil muss versteuert werden) zur Verfügung.

Für diese Rente (1000 € in 15 Jahren entsprechen bei durchschnittlich 2,5 % Inflation nach heutiger Kaufkraft übrigens 700 €) geht er folgende Risiken ein:

Versicherungstechnisches Risiko

Die katastrophale Entwicklung an den Kapitalmärkten wirkt sich verheerend auf die Kapitalanlagen der Versicherungsunternehmen aus und bringt einige Versicherer in ernste Schwierigkeiten. Es wird zu einer drastischen Senkung der Überschüsse kommen - auch bei britischen Versicherungen. Gleichzeitig nimmt die Lebenserwartung der Versicherungsnehmer zu.("falsche" Sterbetafeln).

Die Folgen:
Die Überschussbeteiligung sinkt. Die Rentenzahlungen werden gekürzt. Die Anlaufleistung sinkt. Dies würde bei einer fremdfinanzierten Rente dazu führen, dass die Unterdeckung in den ersten Jahren wesentlich größer ist als versprochen und zur Tilgung des Darlehens nicht genügend Ablaufleistung vorhanden ist.

Finanzierungstechnisches Risiko
Die Finanzierungskonditionen sind in der Regel nicht für die volle Laufzeit des Modells festgeschrieben. Ein höherer Anschlusszinssatz kann die Prognosen leicht über den Haufen werfen. Hinzu kommt: Bei dem Kredit handelt es sich nicht um einen Realkredit, die Bank kann jederzeit zusätzliche Sicherheiten verlangen - was sie unseres Erachtens auch tun wird, wenn sich die Krise bei den Versicherern ausweitet.
Und schließlich: Die Ablaufsumme des Tilgungsinstruments kann unter Umständen nicht ausreichen, eine Verlängerung der Finanzierung wird notwendig.

Währungsrisiko
Wie stark wird der Euro zukünftig sein, insbesondere, wenn es zur Osterweiterung kommt? Der CHF würde mit Sicherheit an Wert gewinnen. Und daß der japanische Yen ewig weiterschwächelt, ist auch nicht gesagt. In beiden Fällen würde die abzulösende Kreditsumme in Euro steigen - bei ggf. gleichzeitig geringerer Ablaufleistung der Lebensversicherung (s.o.)!

Persönliches Risiko
Wenn der Versicherungsnehmer arbeitslos oder berufsunfähig wird bzw. sein Einkommen aus anderen Gründen drastisch sinkt, leidet er mit einer fremdfinanzierte Rente doppelt: Die Steuervorteile sinken drastisch, damit steigt die Zuzahlung "aus eigener Tasche".
Auch nach Rentenbeginn sollte der Versicherungsnehmer nicht schwer krank werden: Die Auszahlung eines Einmalbetrags ist nicht möglich.
Das Konstrukt einer fremdfinanzierten Rente ist absolut unflexibel und lässt sich an veränderte Lebensziele bzw. -umstände nicht anpassen

Steuerliches Risiko 1:
Das Thema Schuldzinsenabzug ist noch nicht durch. Die Finanzverwaltungen werden weiterhin das Thema "Totalüberschuss" kritisch beäugen. Rechtsprechung und Finanzverwaltungen nehmen den Versicherungsnehmer im Hinblick auf laufende Anpassungen der Vertragskonstruktionen in die Pflicht. Die öffentliche Diskussion über Renditekürzungen bei den Rentenversicherungen muss den Anlegern bewusst sein. D.h. sie müssen in den Berechnungen mit den reduzierten Renditen rechnen und den Totalüberschuss nachweisen.

Ebenfalls kritisch: Höhere Zinsen bei der Anschlussfinanzierung könnten den Totalüberschuss gefährden. Höhere Zinsen wären unter anderem dann möglich, wenn Banken bei verschlechterter Rendite der Versicherungen Risikoaufschläge fordern.

Steuerliches Risiko 2:
Wie werden Rentenversicherungen zukünftig besteuert? Die Tilgungsversicherung wird vom Betrag so abgeschlossen, dass der Erlös (nicht garantiert, nur prognostiziert!!) nach Steuern (wie hoch?, welcher Streuersatz?) zur Tilgung ausreichen soll. Wird das in 15 Jahren wirklich funktionieren, wo sich doch jetzt schon eine Änderung der Rentenbesteuerung abzeichnet?

Sonstige Risiken
Kein Inflationsschutz!
Was sind 1.000 € in 15 Jahren wert?
Diese Risiken werden zwar in den Unterlagen aufgeführt, in den Verkaufsgesprächen aber nicht angesprochen bzw. verharmlost. (Ein Vermittler bot uns eine fremdfinanzierte Rente als "sehr konservative Anlage" an). Fatal: Fragt der Kunde seinen Steuerberater, dann konzentriert dieser sich in der Regel auf die steuerliche Seite und hinterfragt nicht die sonstigen Annahmen des Modells.

Betrachtung von Alternativen
1. Anlage des voraussichtlichen Liquiditätsbedarfs in einen Aktiensparplan
Bsp: Fremdfinanzierte Rente: Mann, 33, ledig, Spitzensteuersatz, prognostizierte Rente von 1000 €/Monat ab sofort, hierzu Aufnahme eines Darlehns von ca. 480.000 € Ablösung durch "Tilgungsversicherung" geplant nach 15 Jahren, danach steht die Rente zur freiem Verfügung. Liquiditätsbedarf hierfür: 6 Jahre ca. 2500 €, dann noch mal 9 Jahre ca. 10.000 €
Wenn der Anleger dieses Geld in einen Aktiensparplan einzahlen würde, hätte er bei 8,5% nach den 15 Jahren ein Kapital von ca. 185.000 € bei 10% von ca. 205.000 (steuerfrei).
Hieraus ergeben sich bei einer sicherheitsorientierten Folgeanlage zu 6 % monatliche Renten von 900€ bzw. 1000 € ohne Kapitalverzehr. Also nur unwesentlich schlechter als die prognostizierte Rente der Rentenversicherung, wobei aber zu beachten ist, daß im Fall des Investmentsparplans das gesamte Kapital sofort zur freien Verfügung steht und damit auch vererbt/verschenkt werden kann!
Fazit: Ein Investmentsparplan ist eine viel sinnvollere Altersvorsorge. Hier bewahrheitet sich wieder die alte Regel, dass Ansparvorgang und Risikoabsicherung getrennt werden sollten.
2. Immobilienerwerb
(Wenn schon unbedingt Fremdkapital aufgenommen werden soll)
Unser 33-Jährige könnte sich bei gleichem Finanzierungsaufwand z.B. ein denkmalgeschütztes Mehrfamilienhaus kaufen, sanieren lassen und vermieten. Hier könnte er neben den Schuldzinsen auch noch die 10x10% Denkmal-AfA steuerlich geltend machen.
Die ersten 10 Jahre würde er dank der hohen Steuervorteile so hohe liquide Überschüsse realisieren, dass danach (bei entsprechender Zwischenanlage) eine Sondertilgung von ca. 180.000 € möglich wäre.
Unterm Strich wäre sein Haus nach ca. 15 Jahren zu 2/3 entschuldet, beim Verkauf könnte er einen Vermögensvorteil von mehr als 310.000 € steuerfrei realisieren. Der Clou: Als Sachwertanlage schlägt er der Inflation ein Schnippchen.
Denn hier sitzt der eigentliche Hebel: Anstatt auf eine kleine Zinsdifferenz zwischen Soll und Haben zu setzen, profitiert der Anleger von der Differenz zwischen inflationsgeschütztem Immobilienwert und durch die Inflation sinkender Realverschuldung.

Fazit
Eine fremdfinanzierte Rentenversicherung kann man bedenkenlos abschließen wenn man
a) glaubt, dass das Modell so renditestark ist, dass es verdeckte und offene Provisionen von mehreren 10.000 € mühelos verkraftet
b) fest an die Renditeversprechungen der Versicherungsgesellschaften glaubt
c) meint, dass die hohen Kursgewinne an den Aktienmärkten in den letzen Jahren auch zukünftig problemlos möglich sind (bei englischen Versicherungen als Tilgungsinstrument)
d) kein Währungsrisiko sieht bzw. Vertrauen in eine zukünftige Stärke des Euro hat
e) die nächsten 15 Jahre weiterhin sehr gut verdient, nicht krank wird und keine Flexibilität wünscht
f) weiß, dass man sehr lange leben wird
g) eine berechenbare, Kapitalanlegerfreundliche Steuerpolitik erwartet.
h) also zusammengefasst eine Spielernatur ist, die bereit ist, für relativ bescheidene zukünftige Erträge ein großes Rad zu drehen und hohe Belastungen und Risiken zu schultern.

Wenn es unbedingt eine fremdfinanzierte Rentenversicherung sein muss, dann sollte der Anleger vorher von einer unabhängigen Stelle eine Finanzplanung (inkl. Szenariobetrachtung Berufsunfähigkeit etc.) sowie eine worst-case-Analyse des Modells anstellen lassen.

8 Bewertungen