Die Orks (Taschenbuch) / Stan Nicholls Testbericht

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ab 5,35
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Erfahrungsbericht von schranzkänguruh

:: Ein Herz für Orks ::

Pro:

phantastisch, phantasievoll, Entbindung der Orks von gültigen Wert- und Moralvorstellungen, ganz andere Sichtweise

Kontra:

Ungereimtheiten

Empfehlung:

Ja

Liebe Leser,

heute habe ich mal wieder einen Leckerbissen literarischer Art vorzustellen.
Da mir eine anstrengend lange Zugfahrt bevorstand, bin ich also mal wieder auf Bücherjagd in feindliche Gefilde eingedrungen – die Bücherregale meines Freundes.
Stan Nicholls „die Orks“ sind mir diesmal in die Klauen geraten und wurden sogleich verschlungen.



:: S t a n . N I c h o l l s ::
:: D I E . O R K S ::




:: (1) :: Inhalt


Stryke ist Hauptmann und somit Anführer des Kriegstrupps “die Vielfrasse“. Als berüchtigtester und gefährlichster Trupp werden die Vielfrasse mit der geheimen Mission betraut ein religiöses Artefakt aus den Händen einfältiger Menschen zu befreien. Bei ihrem eigentlichen Vorhaben haben die Orks leichtes Spiel.
Durch eine Disziplinlosigkeit ohnehin schon im Verzug, werden sie schließlich von Kobolden überfallen und sind das Artefakt los. Weil ihnen der Zorn ihrer unbarmherzigen Königin ihnen gewiss ist und viele Orks überdies unzufrieden mit der Tyrannin sind, beginnt sich ihr Bewusstsein zu verändern. Sie machen sich daran das Artefakt zurück zu erlangen, als sich ihnen plötzlich die Frage stellt, ob nicht auch ein Ork einer höheren Aufgabe folgen kann. Dieses Unterfangen jedoch würde das endgültige Desertieren des Trupps voraussetzen.

+ FÜR NEUGIERIGE

Da Stryke und die übrigen Offiziere seines Trupps sich darüber im Klaren sind, dass die Verzögerung sie das Leben kosten wird, beginnen sie allmählich zu desertieren. Zunächst sind sie Abtrünnige und sehen ihrer Freiheit nicht wirklich ins Auge. Mehr und mehr wird ihnen bewusst, dass sie auf sich allein gestellt sind.
Während Stryke zu einer Leitfigur unter den Gepeinigten Fußsoldaten der unbarmherzigen Königin wird, setzen sich die Vielfrasse das Ziel, die Artefakte, es gibt mehrere ihrer Art, zu sammeln.
Von paradiesischen Träumen geleitet glaubt sich Stryke zu dieser Aufgabe berufen. Nicht nur, weil Königin Jennesta ihnen Drachen, Kopfgeldjäger und andere Einheiten auf den Hals hetzt, sondern auch weil ganz Maras Dantien nur aus Feinden zu bestehen scheint, beginnt ein atemloser Kampf um Überleben und Bestimmung.

+ GLIEDERUNG

Der Roman „Die Orks“ ist in drei Bücher eingeteilt. Das gesamte Erzählwerk wiederum ist in etwa siebzig Kapitel gegliedert, die sich aber unabhängig von den Büchern zählen.
Die Titel der drei überordneten Bücher:
„Leibwächter des Blitzes“, „Legion des Donners“ und „Krieger des Sturms“.
Hieraus ergibt sich für mich ein großer Kritikpunkt.
Die Titel stehen meiner Meinung nach unkommentiert im Raum, da sie keinerlei Anlehnungen an den Kontext des gesamten Buches oder gar des zu erzählenden Abschnitts haben. So wohlklingend sie für orkische Ohren auch sein mögen, hat mich diese Tatsache ein wenig enttäuscht.
Sollte jemand Assoziationen gefunden haben - her damit ;-)




:: (2) :: Die Orks ::


Der Kriegstrupp der Vielfrasse, angeführt von Hauptmann Stryke, ist der erfolgreichste und gefährlichste Kriegstrupp von Königin Jennesta.
Mehr durch Zufall kommt es dazu, dass die Truppmitglieder schließlich offen ihre Zweifel und Bedenken gegenüber der Treue zur tyrannischen Königin aussprechen und abtrünnig werden.

Der Autor gibt der Rasse der geborenen Krieger ganz neue, aber durchaus glaubwürdige Facetten. Die eher raubeinige orkische Natur bleibt stets erhalten. Die Orks kämpfen gern und haben den Krieg zum Mittelpunkt ihres Lebens gemacht. Der dumpfe Geist der brutalen Bestien, mit denen die Orks für gewöhnlich bedacht werden, wird hier durch eine ernstzunehmende orkische Kultur ersetzt.
Die Orks haben Ehre und Wertvorstellungen. So glauben sie an ihre Götter und verabscheuen die Sklaverei. Auch haben sie den Ehrenkodex, niemals Frauen und Kinder anzugreifen.
Das Denken und Handeln der Orks verändert sich hierdurch zwar nicht maßgeblich, doch die Intention ihres Handelns wird eine völlig andere.

+ CHARAKTERE

Stryke
Der Hauptmann des Trupps.
Stryke kann sich als intelligenter, wesensstarker und kampfbegabter Hauptmann sehr gut behaupten. Sein Trupp schätzt und folgt ihm. Im Verlauf der Handlung gewinnt Strke einige Wesenszüge hinzu und wird maßgeblich durch die Magie des Landes, aber auch durch die Abenteuer des Trupps geprägt. Er entdeckt eine neue Art von Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt und entwickelt schließlich sogar hilfreiche Vorahnungen. Wenngleich der mürrische Ork es oft nicht wahrhaben mag, wird er bald zu einem Symbol für Freiheit, Ehre und Besitmmung
Die Figur des Stryke entwickelt sich im glaubhaften Rahmen wahrscheinlich zum Besten, was eine Rasse aus Kriegern hervorbringen mag.

Jup
Feldwebel des Trupps.
Jup ist der einzige Zwerg des Trupps, aber auch einer der wichtigsten Berater des Hauptmanns. Seiner Rasse wird die Käuflichkeit nachgesagt, was gelegentlich für Streiterein mit Feldwebel Haskeer sorgt. Jup hat ein energisches Wesen und ist bestens an die Orks angegliedert. Auch er kann sein mutiges Wesen und seine treue Loyalität gegenüber Stryke und den Orks im Laufe der Geschichte beweisen.


Haskeer
Feldwebel des Trupps.
Der Ork ist der Barbarei verfallen. Gelegentlich tobt er in wilden, unkontrollierten Wutausbrüchen oder gerät während Schlachten in einen wahren Blutrausch. Haskeer ist das raubeinige und jähzornige Trampel des Trupps.
Von plötzlichem Sanftmut gepackt, wissen die Anderen schließlich nicht, ob Haskeer dem Wahnsinn verfällt oder zum Verräter wird...

Coilla
Gefreiter des Trupps
Coilla ist der einzige weibliche Ork im Trupp und ebenfalls eine wichtige Beraterin und Vertraute für Hauptmann Stryke. Coilla ist energisch und mutig und stet den männlichen Orks in ihrem kriegerischen Wesen um Nichts nach. Neben Stryke und Alfray gehört sie zu den intelligenteren Orks des Trupps.

+ VERMENSCHLICHUNG

Die Rasse der Orks ist, wie schon erwähnt, den eigentlich Orks aus Tolkiens Herr der Ringe sehr entrückt. Positiv fand ich, dass die Rasse weder als gut noch als schlecht dargestellt wird, da ich pauschale Werteinschätzungen nicht mag. So sieht man das Handeln und Denken der Orks ohne eine permanente Wertung. Der Autor verbindet dieses schroffe Wesen zu einer Kultur, die durchaus Ehre und Moral hat, und entbindet sie so der klassischen Fragestellung ob gut oder böse.
Im Verlauf der Handlung soll der Leser immer tiefer in Denken, Begreifen und Entscheiden der fremden Rasse eintauchen. Gelegentlich habe ich jedoch den Eindruck gewonnen, dass die Orks sich im Laufe der Handlung immer mehr an menschlichen Maßstäben orientieren. Zum Einen liegt das sicherlich daran, dass in der Literatur gewöhnlich nur den Menschen der ausgeprägte Freiheitssinn etc. zugeschrieben wird. Trotzdem denke ich, dass das orkische Verhalten dem Autor im Verlauf der Handlung häufig entgleitet. Ich finde es gut, dass die Orks nach Freiheit streben und sich ein Ziel setzten, welches auch ihre Welt retten soll, um das noch einmal zu betonen. Ihre Vorgehensweise hierbei neigt sich jedoch immer mehr dem menschlichen Leser zu.





:: (3) :: Stilistisch ::


+ SPRACHE & SPANNUNG

Der Autor bedient sich einer einfachen und allgemein verständlichen Sprache. Die Handlung ist atmosphärisch geschildert, allerdings nicht ausschmückend. Entsprechend dem rauen Wesen der Orks ist die Sprache sachlich und nüchtern. Besonders bei den Dialogen hat sich der Autor große Mühe gegeben, das im besten Falle raubeinige Verhalten der Orks in derben Reden und Sprüchen wiederzugeben.
Zunächst war ich auf sprachlicher Ebene sehr enttäuscht, da ich doch eher auf wortverliebtere Literatur stehe. Nach einigen Seiten war ich jedoch sehr überrascht, mit welch einfachen Mitteln Spannung entsteht. Gelegentlich konnte ich das Buch nicht mehr weglegen und habe die 800 Seiten in wenigen Tagen verschlungen.+

+ CHARAKTERSCHAFFUNG

Auch von den Charakteren war ich zunächst überhaupt nicht begeistert. Sie schienen mir zwar irgendwie menschlich, aber ihr Handeln war kaum nachvollziehbar. Nach einigen Seiten zur Gewöhnung schließt man die Charaktere richtig ins Herz!! Wohingegen ich früher Elfen und Gremlins mochte, habe ich jetzt ein Herz für Orks ;)
Die Charakterschaffung ist, trotz oben genannter Kritik, gut gelungen. Die Charaktere haben bereits einen festen Wesenskern entwickeln sich aber dennoch weiter. Außerdem zeigt der Autor, dass jedes Wesen sich zu seinem Besten entwickeln und seine Fähigkeit nutzen kann. Wirklich schön.

+ ATMOSPHÄRE

Die Atmosphäre wird durch kurze, in die Handlung eingewobene Schilderungen geschaffen. Hierbei lässt der Autor viel Spielraum für Phantasie und Vorstellungskraft, ohne aber die Schauplätze zu „frei“ in den Raum zu werfen. Trotz der für mich sehr ungewohnt einfachen Sprache, hat mich dies fasziniert und begeistert. Die Schauplätze und Stimmungen sind mit erstaunlich einfachen und wenigen Worten sehr gut umrissen. Eine sicherlich hervorragende Leistung des Schreibers, die mir wirklich imponiert und gefallen hat.

+ WELT

Die Welt „Maras Dantien“ in der die Handlung spielt, soll an Herr der Ringe angelehnt sein. Tatsächlich ist hiervon wenig zu bemerken. Speziell im Verlauf der Handlung wird klar, dass die beiden Welten (Mittelerde und Maras Dantien) doch sehr verschiedener Abstammung und auch Gesinnung sind. Schade, dass es laut Klappentext trotzdem an Herr der Ringe angelehnt sein soll. Eigentlich macht die Fremdartigkeit es nur noch sympathischer, zumal es den Autor von Trittbrettfahrerei losspricht.
Die Welt ist mit großer Kreativität geschaffen. Besonders gut gefällt mir, dass der Autor eben nicht auf Mittelerde oder ähnliche (gleiche) Bedingungen zurückgegriffen hat. Er hat vorhandene Prinzipien und Hierarchien zu Rassen und deren Verhalten verworfen und häufig seine Orks, seine Zwerge, seine Braunwichtel usw. geschaffen. Dies hat mir ebenfalls ganz Besonders gut gefallen.




:: (4) :: Kommentar


Wie ich bereits geschrieben habe, war ich zunächst ganz und gar nicht begeistert. Der Beginn des Buches hat mich nicht sonderlich gereizt und so kam ich in der Tat nur schleppend voran. Für die ersten zehn Seiten mag ich ebenso lange gebraucht haben, wie für die restlichen 800. Dann kam der Sprung. Als eine gewisse Barriere überschritten war, konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Ich glaube nicht, dass der Roman tatsächlich einen so zähen Anfang hat. Vielmehr denke ich, dass es der krasse Genrewechsel war, der mir zunächst zu schaffen gemacht hat. Auch die einfache Sprache hat mich anfangs wirklich sehr verheddert. Spannung und erschafft die vorgelebte
Wenngleich „die Orks“ also sicherlich kein literarischer Genuss für Sprachverliebte ist, hat es mich doch irgendwie in seinen Bann gezogen. Der Roman entwickelt eine ganz eigene Spannung und erfindet Genre und Rasse beinahe neu. Mit einfachen Worten beschreibt der Autor die raubeinige Rasse der Orks und schafft es immer wieder aufs Neue, mit extrem wenig Worten extrem viel zu sagen.
Besonders fasziniert hat mich der Charakter Stryke, ebenso wie die Vielfalt der fiktiven Welt Maras Dantien. Diese hat ganz eigene Theorien zu ihrer Entstehung und der Rassenmischung und lässt zudem auf sehr intelligente Weise menschliche Problematiken und Religionskonflikte einfließen.

Faszinierend ist auch die Vielfalt der Rassen. Auf der Reise der Vielfrasse begegnen sie einigen Rassen und Wesen aus der Fantasywelt. Ob Kobolde auf ihren Kirgizilen, Braunwichtel die auf Drachen fliegen und diese für militärische Zwecke zähmen oder das genusssüchtige Volk der Zentauren: Nicholls schafft sie alle neu unter Einbeziehung der Werte- und Weltenvorstellung von seinem Maras Dantien. Dies hat mir ebenfalls sehr gut gefallen.

Das Ende hat mir persönlich leider weniger zugesagt. Während die Handlung immer sehr ausgewogen verlief und nie zu viel oder zu wenig Aktionsvielfalt darbot, scheinen die letzten Seiten doch sehr überfüllt. Die letzten Zeilen wiegen beinahe mehr als das restliche Buch, da sie derart schwer und überladen wirken. Dies sollte zukünftige Leser jedoch keinesfalls abschrecken, da ich das Buch zum Einen trotzdem als gelungen werte (eben mit diesem kleinen Wehrmutstropfen) und dies zum Anderen immer eine Frage persönlichen Geschmacks und persönlicher Definition ist.
Im Zuge des Endes habe ich weiterhin zu kritisieren, dass das Ende einige der Vorstellungen der Orks als Irrglauben aufzeigt. Diese falschen Vorstellungen sind jedoch so massiv gegensätzlich zur Wirklichkeit, wie sie sich am Ende ergibt, und rasseneinheitlich, das es beinahe so wirkt, als wäre das Ende ein spontaner Einfall gewesen und einfach angehängt. Dies fand ich zusätzlich sehr schade, wenngleich es das Lesevergnügen nicht vollends trübt. Möglicherweise hat hierzu jemand andere Ideen oder andere Theorien entwickelt: Ich würde mich freuen! ;)




:: (5) :: Fazit


Im großen und Ganzen bin ich von meinem ersten Ausflug in eine solche Phantasiewelt positiv überrascht. Wie ich bereits mehrfach angedeutet habe, hat mich die einfache Sprache zunächst sehr abgeschreckt. Das Buch konnte mich durch seine liebevoll gestalteten Charaktere und seine Spannung jedoch schnell für sich gewinnen! Ganz Besonders hat mir die Entbindung der Orks von klassischen Wertvorstellungen gefallen: „Den Bösen“ aus seiner Sicht zu erleben zeigt nur auf, dass es gut und böse prinzipiell nicht gibt. Nur unterschiedliche Handlungsweisen und Moralvorstellungen.
Zuviel mit der Story auseinandersetzen, darf ich mich jedoch nicht. Ich habe zunächst versucht sie logisch und kritisch zu hinterfragen und die verschiedenen Ungereimtheiten zu analysieren, habe aber festgestellt dass dies nur noch nachträglich das Lesevergnügen trübt. Lesen und nicht Nachdenken, sondern von der Faszination tragen lassen, dann wird es ein ganz besonderer Lesegenuss ;-)
Im Nachhinein würde ich „die Orks“ wieder lesen.

13 Bewertungen, 1 Kommentar

  • Blood-Angel

    21.11.2004, 13:22 Uhr von Blood-Angel
    Bewertung: sehr hilfreich

    cooler bericht. ganz schön lang