Der Blumenkrieg (gebundene Ausgabe) / Tad Williams Testbericht
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Auf yopi.de gelistet seit 09/2004
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Erfahrungsbericht von vampire-lady
Theo nicht in Lodz
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
Gerade erschienen, schon gelesen! „der neue Roman des Großmeisters der Fantasy!“ sorry, der Spruch ist nicht von mir, aber ich leide noch – am Schock – das Teil genannt „der Blumenkrieg“ von Tad Williams erschien unlängst als Hardcoverausgabe in der deutschen Übersetzung bei Klett-Cotta und (jetzt kommt es) kostet sage und schreiben SCHWEINEPUCKELTEUREU UND UNVERSCHÄMTE € 26,50. Aber ich konnte dem inneren Kaufbefehl nicht widerstehen. Bei ebay findet man noch keine Angebote (ich checke das seit 5 Wochen). Die Originalausgabe erschien als „The War of the Flowers“ im letzten Jahr.
Zunächst mal die gute Nachricht: wir haben hier keinen Vierteiler vor uns, keine zweite Otherland-Reihe, sondern einen ganz entspannten abgeschlossenen einzelnen Roman von knapp 800 Seiten zuzüglich eines mehrseitigen Verzeichnisses von Namen, Personen und Orten, allerdings existiert keine Landkarte, was ich an dieser Stelle nur schon mal schreibe, damit ich nicht vergesse, später etwas zu diesem Aspekt zu sagen.
Zunächst aber ein Wort zum Schutzumschlag. Den finde ich nämlich wirklich gut getroffen. Er stellt die Welt des Fantasy-Romans wirklich nachvollziehbar dar und ist nicht einfach so dahin designt. Er gibt die Grundstimmung des Buches wieder.
Ich blätterte dann ein wenig herum, las den Klappentext – den kannte ich aber schon von Amazon und kam schließlich zur „Vorbemerkung des Autors“. Diese lese ich nicht unbedingt immer, aber bei Williams mache ich da eine Ausnahme. Leider kam nichts amüsantes, sondern Williams informiert den Leser darüber, daß einige Stellen im Buch an den 11. September 2001 erinnern mögen. Dies sei aber nicht beabsichtigt, sein Konzept hatte schon vorher so bestanden, sondern diese Ähnlichkeit wäre nicht mehr zu vermeiden gewesen. Schön, gut, akzeptiert, ich kann damit leben.
ABER:
Wenn der Autor sich quasi von den Zusammenhängen distanziert, sich quasi sogar vorab entschuldigt,
WARUM
müssen die PR-Verlagsfuzzis (die sich klappentextmässig nu gar nicht mit Ruhm bekleckert haben, s. u.) auf der Rückseite des Schutzumschlages gerade auf den (vermeintlichen) Bezug zum 11. September 2001 herumreiten??? Leider weiß ich nun, daß im Laufe des Buches der eine oder andere Turm umgepustet wird (nicht der erste und wahrscheinlich auch nicht der letzte im Bereich Fantasyliteratur). Ich werde in Zukunft zu meiner alten Gewohnheit zurückkehren: erst lesen, dann das Drumherum betrachten.
Und auch der Rest vom Klappentext... die Inhaltsangabe erzählt eine ganz andere Geschichte, verdreht die Fakten. Da wird die Hauptfigur als Boy Group Mitglied beschrieben, im Buch später singt er tatsächlich in einer Gothic-Garagen-Kapelle. Ok ich lege den Finger mal wieder auf ganz geringfügige Unterschiede... aber der Rest ist auch nicht besser.
(Ui, schon so viel geschrieben und nix über den Roman an sich! Und ich will doch auch noch einen Tad Williams Spoiler schreiben.)
Doch nun zur Story:
Theo Vilmos ist 30 Jahre alt, als sein Leben in San Francisco den Bach runtergeht. Seine Freundin verliert ihr Kind. Sie serviert Theo daraufhin ab, er zieht wieder zu seiner Mutter. Er hat Zoff mit seiner Band und der große Erfolg als Musiker wird sich nicht mehr einstellen. Als nächstes stirbt seine Mutter an Krebs nicht ohne die Verkündung, er wäre zwar immer ein ganz netter Junge gewesen, aber wirklich lieben konnte sie ihn nie. Theo verkauft ihr Haus und zieht in eine Berghütte, um sich zu sammeln. Hinzu kommt, daß Theo sich fremd fühlt in der Welt – komplett fehl am Platze. Das einzig Interessante im Nachlaß seiner Mutter war ein Notizbuch seines verstorbenen Großonkels Eamonn Dowd, welches er in einem Schließfach einer sehr merkwürdigen altmodischen Bank (=Geldinstitut) fand. Das Buch beginnt als Tagebuch eines Globetrotters, verliert sich dann aber immer mehr in die Welt Elfiens – Wahrheit und Fiktion scheinen zu verschwimmen. Theo weiß nicht, was er von dem Buch halten soll, klingen doch die Erlebnisse in dieser fremden Welt irgendwie glaubwürdig und wahr. Noch rätselhafter ist das plötzliches abgerissene Ende.
Bis zu diesem Punkt war ich ehrlich gesagt ziemlich gelangweilt. Einzig und allein einige kurze Einschübe, in denen finstere Figuren anscheinend düstere Pläne schmieden und ein paar Morde machten das ganze spannend. Zumindest wird klar, daß mehr dahinter steckt. Gerade war ich allerdings am Überlegen, ob ich nicht lieber doch einen neuen Laurell K. Hamilton Roman lese und darauf hoffe, daß Jean Claude auftaucht (*grins*) – da blätterte ich um, und Williams kam endlich aus der Hüfte. Theo bekommt zweierlei Besuch. Erstens ein Pestdämon in bester Zombiemanier, aber mit wenig sympathischen Absichten – zweitens eine winzige Fee mit einer umso größeren Klappe namens Apfelgriebs. Da der Pestdämon Theo nichts Gutes will, ist Theo nur zu bereit die einzige Fluchtmöglichkeit zu ergreifen. Er tritt durch eine magische Tür, welche die Fee ihm öffnet und landet........... na?????? Genau, in eben dem Elfien, welches Großonkel Dowd erwähnte. Tadddddddddaaaaaaaaaaaaaa!
Theo wird dort zum Spielball der Mächtigen des Landes. Es wird deutlich, daß er für irgendeinen Zweck unheimlich wichtig ist. Aber Theo weiß nicht warum ausgerechnet er, ein Mensch und ein Loser so wichtig sein soll. Hat er doch plötzlich nicht nur das Pestviech am Hals, sondern auch andere Bewohner der fremden Welt. Und niemand scheint ihn aufklären zu können – oder zu wollen. Erst als er seine Passivität aufgibt, sein Hirn einschaltet und auf eigene Faust eine Lösung seiner Probleme sucht, findet er Freunde, die ihm helfen einige Geheimnisse zu lüften, die ihn selbst, seinen Großonkel, aber auch die Mächtigen des Landes betreffen. Und nebenbei angelt er sich auch noch Poppi, ein reiches adeliges Dämchen. Mehr sag ich nicht mehr. Na ok noch eins, Elfien hat wie gesagt eine Verbindung zu Humanien und da Elfien gewissen Energieprobleme hat, denkt man dort darüber nach, Theos Heimat ein wenig anzuzapfen (=nicht so gut, echt nicht, sehr sehr böse) und sozusagen in die Steinzeit zu bomben.
Das Ende erinnert stark an „Herr der Ringe“. Die gleiche Ironie des Schicksals beseitigt das Böse und der fiese Gegner muß erkennen, daß er für sein großes Ziel zuviel aus den Augen gelassen hat. Nachdem Showdown gönnt Williams sich noch einige Seiten in denen Theo aus einer langen Ohnmacht erwacht (kennt man auch) und sich plötzlich in einer ähnlichen Aufbruchstimmung befindet, welche auch in Mittelerde herrschte... nur daß in Elfien schlicht und einfach mehr gestorben, denn westwärts gesegelt wird.
Warum der Roman allerdings „der Blumenkrieg“ heißt?
Das liegt an der Welt Elfien – eine Art Parallele zur Erde (auch Humanien genannt), beide Welten sind miteinander verbunden. Was in Humanien für Magie gehalten wird, gilt in Elfien als Wissenschaft und umgekehrt. Außerdem ist die Technik dort sehr viel organischer. Elfien ist ziemlich abgedreht und wird von Elfen regiert und zwar von den Adeligen, den Angehörigen der sogenannten Blumengeschlechter, kurz „die Blumen“ genannt. Die spielen in Elfien die Bonzen und machen richtig einen auf High-Society. Ganz oben stehen die 7 Familien, die die Macht in Elfien nach dem Tod des Königspaars übernommen haben, darunter die kleineren Blumenfamilien, danach kommt lange nichts, immer noch nichts, gar nichts und irgendwo ganz hinten kommen die restlichen Bewohner Elfiens. Allesamt die Fußabtreter der Blumen. Die Blumen haben sich an Humanien ein Beispiel genommen. Es gilt so beispielsweise als umschick, mit Flügeln geboren zu werden. Und das Leben in einer klotzigen energieverschwenderischen Stadt ist sehr viel feiner, als grüne Wiesen und Wälder. Die Blumenfamilien zeichnen sich durch strenge familiäre Hierarchien aus, meist verbunden mit politischer, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Macht. Während Papa Blume die Geschäfte schmeisst, sind die Blagen mit Partys und arrogantem Gehabe beschäftigt. Während so die gesellschaftlichen Strukturen an die Zeit erinnern, bevor Adels in Humanien mit der Guillotine bearbeitet wurden, ist Elfien technisch und wissenschaftlich, aber auch von der Infrastruktur her ein bunter Mischmasch. Manchmal entspricht Elfien bei weitem nicht dem Standard Humaniens, vieles kann man als parallel/gleichwertig betrachten und in anderen Aspekten ist Elfien sogar weiter (so wie die Häuser der Blumen sich verhalten, würde Bill Gates mit seinem Computerhaus platzen vor Neid, platzen!!). Genau das wirkt sich auch auf die Sprache des Buches aus, häufig etwas antiquiert formuliert, stösst man immer wieder auf Redewendungen, die eher in die Moderne passen. Umso irritierender, wenn diese nicht aus Theos Munde, sondern aus dem eines Bewohners Elfiens kommen.
Durch das Wachstum der Stadt haben die Blumen aber Probleme mit der Kraftversorgung. Wobei die Kraft unserem Strom entspricht. Und dahinter verbirgt sich ein Geheimnis mit einem kleinen Touch von „Matrix“ über das ich jetzt nichts sagen will. Selber lesen macht schlau. Nachdem Theo eine Weile in Elfien herumgewuselt ist, war ich bald an dem Punkt an dem es mich nach einer Landkarte verlangte. Irgendetwas lief mir da nämlich quer. Wie oben erwähnt, war ich verwundert, daß dem Buch keine beigefügt war. Das sollte sich aber bald in dem verrückten Raum- und Zeitverständnis Elfiens erklären. Irgendwie funzt es wie ein schwarzes Loch. Die Welt ist schon faszinierend, aber wenig überschaubar, weil sie auch so überfüllt ist. Es gibt kaum eine Fantasyfigur (Goblins, Elfen, Feen, Nymphen, Werwölfe, Oger......) die nicht in Elfien herumturnt. Und hinzu kommt noch ein ganzer Reigen von Typen von denen nie ein Mensch zuvor gehört hat.
Ich hoffe Williams wird noch den ein oder anderen Roman in Elfien spielen lassen, damit man mehr darüber erfährt. Leider erzählt Williams nämlich das meiste aus Theos Sicht, und da Theo völlig fremd in dieser Welt ist, bleibt auch der Leser ähnlich verwirrt. Williams hat nämlich die Begabung eine Figur in einen abstrusen Zusammenhang zu werfen, in eine vollkommen unverständliche Situation, aber gleichzeitig die Handlung so interessant zu erzählen, daß man als Leser trotzdem dabei bleiben mag, obwohl man selten mehr erfährt als die Figur selbst. Der Leser entwickelt sich praktisch mit der Figur. Das hat meistens zur Folge, daß man hunderte von Seiten liest, kaum einen Plan hat, aber trotzdem dabei bleibt, um am Ende nach dem Aufgehen des Seifensieders zu der Erkenntnis zu kommen, daß man doch wieder ein starkes Buch gelesen hat.
Zu den Charakteren:
Theo – es ist schon dämlich für einen Roman, der zwar aus unterschiedlichen Erzählperspektiven betrachtet wird, aber dennoch zu etwa 85% aus der Perspektive der Hauptfigur, wenn der Leser (in diesem Falle ich) diese Figur nicht mag. Der Typ ist so ein Loser, den könnte glatt Toby Macguire spielen, der hat das seit Spiderman 2 ja schon drauf. Eigentich ist nicht mögen übertrieben, Theo war mir schlichtweg egal – ich wollte nichts von ihm hören, lediglich seine genervten Kommentare oder Gedankengänge konnten ganz witzig sein. Übrigens teile ich diese Meinung mit den Mädels des Buches, die Theo näher stehen (Apfelgriebs, Poppi und Cat) – umso interessanter fand ich es, als ich auf einmal feststellte, daß ich Theo plötzlich mochte, ich bin allerdings nicht dahinter gekommen, an welcher Stelle im Buch sich meine Meinung geändert hat. Theo ist allerdings leider auch die einzige Figur, die dem Leser wirklich nahe gebracht wird. Bei Theos engeren Freunden, vor allem Wuschel, Apfelgriebs und Poppi, aber auch Knopf (ein Goblin-Führer und Revoluzzer) und Primel (ein Blumenfürst mit normalen Ansichten) verhält es sich, wie mit Elfien – angekratzt, angedeutet, aber nicht richtig verstanden... auch wenn man die Figuren gut genug kennenlernt um mit ihnen warm zu werden. Besonders bei der winzigen geflügelten Apfelgriebs fällt das auch nicht weiter schwer, dafür sorgt schon ihr Temperament mit dem sie Theo immer wieder beschimpft und vor allem die große Klappe. Übrigens spielt die Beziehung Theo/Apfelgriebs auf Peter Pan an. Williams gibt das unverblümt zu, ich verstehe den Bezug nur leider nicht vollständig, weil ich Peter Pan nicht kenne. Poppi ist die Tochter eines Gegenspielers von Theo. Sie ist eigentlich ok, aber auch nicht wirklich mehr. Eine der typischen Frauenfiguren von Williams und natürlich der Klassiker – Held verliebt sich in Tochter des Feindes.
Womit ich zum angekündigten Tad Williams Spoiler kommen möchte, gedacht besonders für jene, die sich durch „Otherland“ gekämpft oder die „Grossen Schwerter“ gelesen haben:
Denn hier liegt ein Knackpunkt und damit die wesentliche Kritik an „der Blumenkrieg“. Elfien in seiner Verrücktheit könnte glatt eine der Welten aus Otherland sein, ein beunruhigender Gedanke *ächz*. Richtig übel war aber, daß sich die Charaktere (oder deren Beziehung untereinander) des Blumenkrieges gegen einige Hauptfiguren der beiden Vierteiler von Williams austauschen lassen. Bis zu einem gewissen Punkt hätte ich behauptet, die Hauptfigur (Theo) des Blumenkrieges hätte den Namen Paul Jonas (wichtige Figur aus Otherland). Gleiches Herumgeeiere, ähnliche Probleme. Ähnlich verhält es sich mit Poppi, der Tochter des Fürsten Stechapfel (=böses Blumenunkraut). Mir fällt gerade der Name nicht ein, aber sie erinnert mich überaus stark an die Tochter des Königs Elias aus der Schwertersaga, weil sich die Verhaltensmuster der beiden gleichen. Ich will jetzt nicht einzeln auf jede Figur eingehen, aber auch Xabbu oder Binabik sind im Blumenkrieg wieder aufgetaucht. Ich meine damit keine kleinen Ähnlichkeiten über die man vielleicht hinwegsehen könnte. Vielmehr will ich wirklich sagen, daß man die Namen der unterschiedlichen Bücher einfach austauschen könnte, so nahe sind sich die Figuren. Leider verhält es sich genauso mit anderen Elementen der Erzählung. Wie in „Otherland“ spielt auch ein seltsames Kind eine tragende Rolle und auch die Arbeiter in den Kraftwerken Elfiens haben eine starke Gemeinsamkeit mit dem Satellitenbewohner Otherlands. Williams hat gewisse Ideen einfach in ein neues Paket geschnürt. Das muß jetzt nicht unbedingt ein Nachteil sein, es kann spannend sein, das auseinander zu tüfteln – es birgt aber auch die Gefahr in sich, daß Williams (er macht so etwas nämlich nicht ungern) seine Leserschaft irgendwann zu Tode langweilt.
Zunächst mal die gute Nachricht: wir haben hier keinen Vierteiler vor uns, keine zweite Otherland-Reihe, sondern einen ganz entspannten abgeschlossenen einzelnen Roman von knapp 800 Seiten zuzüglich eines mehrseitigen Verzeichnisses von Namen, Personen und Orten, allerdings existiert keine Landkarte, was ich an dieser Stelle nur schon mal schreibe, damit ich nicht vergesse, später etwas zu diesem Aspekt zu sagen.
Zunächst aber ein Wort zum Schutzumschlag. Den finde ich nämlich wirklich gut getroffen. Er stellt die Welt des Fantasy-Romans wirklich nachvollziehbar dar und ist nicht einfach so dahin designt. Er gibt die Grundstimmung des Buches wieder.
Ich blätterte dann ein wenig herum, las den Klappentext – den kannte ich aber schon von Amazon und kam schließlich zur „Vorbemerkung des Autors“. Diese lese ich nicht unbedingt immer, aber bei Williams mache ich da eine Ausnahme. Leider kam nichts amüsantes, sondern Williams informiert den Leser darüber, daß einige Stellen im Buch an den 11. September 2001 erinnern mögen. Dies sei aber nicht beabsichtigt, sein Konzept hatte schon vorher so bestanden, sondern diese Ähnlichkeit wäre nicht mehr zu vermeiden gewesen. Schön, gut, akzeptiert, ich kann damit leben.
ABER:
Wenn der Autor sich quasi von den Zusammenhängen distanziert, sich quasi sogar vorab entschuldigt,
WARUM
müssen die PR-Verlagsfuzzis (die sich klappentextmässig nu gar nicht mit Ruhm bekleckert haben, s. u.) auf der Rückseite des Schutzumschlages gerade auf den (vermeintlichen) Bezug zum 11. September 2001 herumreiten??? Leider weiß ich nun, daß im Laufe des Buches der eine oder andere Turm umgepustet wird (nicht der erste und wahrscheinlich auch nicht der letzte im Bereich Fantasyliteratur). Ich werde in Zukunft zu meiner alten Gewohnheit zurückkehren: erst lesen, dann das Drumherum betrachten.
Und auch der Rest vom Klappentext... die Inhaltsangabe erzählt eine ganz andere Geschichte, verdreht die Fakten. Da wird die Hauptfigur als Boy Group Mitglied beschrieben, im Buch später singt er tatsächlich in einer Gothic-Garagen-Kapelle. Ok ich lege den Finger mal wieder auf ganz geringfügige Unterschiede... aber der Rest ist auch nicht besser.
(Ui, schon so viel geschrieben und nix über den Roman an sich! Und ich will doch auch noch einen Tad Williams Spoiler schreiben.)
Doch nun zur Story:
Theo Vilmos ist 30 Jahre alt, als sein Leben in San Francisco den Bach runtergeht. Seine Freundin verliert ihr Kind. Sie serviert Theo daraufhin ab, er zieht wieder zu seiner Mutter. Er hat Zoff mit seiner Band und der große Erfolg als Musiker wird sich nicht mehr einstellen. Als nächstes stirbt seine Mutter an Krebs nicht ohne die Verkündung, er wäre zwar immer ein ganz netter Junge gewesen, aber wirklich lieben konnte sie ihn nie. Theo verkauft ihr Haus und zieht in eine Berghütte, um sich zu sammeln. Hinzu kommt, daß Theo sich fremd fühlt in der Welt – komplett fehl am Platze. Das einzig Interessante im Nachlaß seiner Mutter war ein Notizbuch seines verstorbenen Großonkels Eamonn Dowd, welches er in einem Schließfach einer sehr merkwürdigen altmodischen Bank (=Geldinstitut) fand. Das Buch beginnt als Tagebuch eines Globetrotters, verliert sich dann aber immer mehr in die Welt Elfiens – Wahrheit und Fiktion scheinen zu verschwimmen. Theo weiß nicht, was er von dem Buch halten soll, klingen doch die Erlebnisse in dieser fremden Welt irgendwie glaubwürdig und wahr. Noch rätselhafter ist das plötzliches abgerissene Ende.
Bis zu diesem Punkt war ich ehrlich gesagt ziemlich gelangweilt. Einzig und allein einige kurze Einschübe, in denen finstere Figuren anscheinend düstere Pläne schmieden und ein paar Morde machten das ganze spannend. Zumindest wird klar, daß mehr dahinter steckt. Gerade war ich allerdings am Überlegen, ob ich nicht lieber doch einen neuen Laurell K. Hamilton Roman lese und darauf hoffe, daß Jean Claude auftaucht (*grins*) – da blätterte ich um, und Williams kam endlich aus der Hüfte. Theo bekommt zweierlei Besuch. Erstens ein Pestdämon in bester Zombiemanier, aber mit wenig sympathischen Absichten – zweitens eine winzige Fee mit einer umso größeren Klappe namens Apfelgriebs. Da der Pestdämon Theo nichts Gutes will, ist Theo nur zu bereit die einzige Fluchtmöglichkeit zu ergreifen. Er tritt durch eine magische Tür, welche die Fee ihm öffnet und landet........... na?????? Genau, in eben dem Elfien, welches Großonkel Dowd erwähnte. Tadddddddddaaaaaaaaaaaaaa!
Theo wird dort zum Spielball der Mächtigen des Landes. Es wird deutlich, daß er für irgendeinen Zweck unheimlich wichtig ist. Aber Theo weiß nicht warum ausgerechnet er, ein Mensch und ein Loser so wichtig sein soll. Hat er doch plötzlich nicht nur das Pestviech am Hals, sondern auch andere Bewohner der fremden Welt. Und niemand scheint ihn aufklären zu können – oder zu wollen. Erst als er seine Passivität aufgibt, sein Hirn einschaltet und auf eigene Faust eine Lösung seiner Probleme sucht, findet er Freunde, die ihm helfen einige Geheimnisse zu lüften, die ihn selbst, seinen Großonkel, aber auch die Mächtigen des Landes betreffen. Und nebenbei angelt er sich auch noch Poppi, ein reiches adeliges Dämchen. Mehr sag ich nicht mehr. Na ok noch eins, Elfien hat wie gesagt eine Verbindung zu Humanien und da Elfien gewissen Energieprobleme hat, denkt man dort darüber nach, Theos Heimat ein wenig anzuzapfen (=nicht so gut, echt nicht, sehr sehr böse) und sozusagen in die Steinzeit zu bomben.
Das Ende erinnert stark an „Herr der Ringe“. Die gleiche Ironie des Schicksals beseitigt das Böse und der fiese Gegner muß erkennen, daß er für sein großes Ziel zuviel aus den Augen gelassen hat. Nachdem Showdown gönnt Williams sich noch einige Seiten in denen Theo aus einer langen Ohnmacht erwacht (kennt man auch) und sich plötzlich in einer ähnlichen Aufbruchstimmung befindet, welche auch in Mittelerde herrschte... nur daß in Elfien schlicht und einfach mehr gestorben, denn westwärts gesegelt wird.
Warum der Roman allerdings „der Blumenkrieg“ heißt?
Das liegt an der Welt Elfien – eine Art Parallele zur Erde (auch Humanien genannt), beide Welten sind miteinander verbunden. Was in Humanien für Magie gehalten wird, gilt in Elfien als Wissenschaft und umgekehrt. Außerdem ist die Technik dort sehr viel organischer. Elfien ist ziemlich abgedreht und wird von Elfen regiert und zwar von den Adeligen, den Angehörigen der sogenannten Blumengeschlechter, kurz „die Blumen“ genannt. Die spielen in Elfien die Bonzen und machen richtig einen auf High-Society. Ganz oben stehen die 7 Familien, die die Macht in Elfien nach dem Tod des Königspaars übernommen haben, darunter die kleineren Blumenfamilien, danach kommt lange nichts, immer noch nichts, gar nichts und irgendwo ganz hinten kommen die restlichen Bewohner Elfiens. Allesamt die Fußabtreter der Blumen. Die Blumen haben sich an Humanien ein Beispiel genommen. Es gilt so beispielsweise als umschick, mit Flügeln geboren zu werden. Und das Leben in einer klotzigen energieverschwenderischen Stadt ist sehr viel feiner, als grüne Wiesen und Wälder. Die Blumenfamilien zeichnen sich durch strenge familiäre Hierarchien aus, meist verbunden mit politischer, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Macht. Während Papa Blume die Geschäfte schmeisst, sind die Blagen mit Partys und arrogantem Gehabe beschäftigt. Während so die gesellschaftlichen Strukturen an die Zeit erinnern, bevor Adels in Humanien mit der Guillotine bearbeitet wurden, ist Elfien technisch und wissenschaftlich, aber auch von der Infrastruktur her ein bunter Mischmasch. Manchmal entspricht Elfien bei weitem nicht dem Standard Humaniens, vieles kann man als parallel/gleichwertig betrachten und in anderen Aspekten ist Elfien sogar weiter (so wie die Häuser der Blumen sich verhalten, würde Bill Gates mit seinem Computerhaus platzen vor Neid, platzen!!). Genau das wirkt sich auch auf die Sprache des Buches aus, häufig etwas antiquiert formuliert, stösst man immer wieder auf Redewendungen, die eher in die Moderne passen. Umso irritierender, wenn diese nicht aus Theos Munde, sondern aus dem eines Bewohners Elfiens kommen.
Durch das Wachstum der Stadt haben die Blumen aber Probleme mit der Kraftversorgung. Wobei die Kraft unserem Strom entspricht. Und dahinter verbirgt sich ein Geheimnis mit einem kleinen Touch von „Matrix“ über das ich jetzt nichts sagen will. Selber lesen macht schlau. Nachdem Theo eine Weile in Elfien herumgewuselt ist, war ich bald an dem Punkt an dem es mich nach einer Landkarte verlangte. Irgendetwas lief mir da nämlich quer. Wie oben erwähnt, war ich verwundert, daß dem Buch keine beigefügt war. Das sollte sich aber bald in dem verrückten Raum- und Zeitverständnis Elfiens erklären. Irgendwie funzt es wie ein schwarzes Loch. Die Welt ist schon faszinierend, aber wenig überschaubar, weil sie auch so überfüllt ist. Es gibt kaum eine Fantasyfigur (Goblins, Elfen, Feen, Nymphen, Werwölfe, Oger......) die nicht in Elfien herumturnt. Und hinzu kommt noch ein ganzer Reigen von Typen von denen nie ein Mensch zuvor gehört hat.
Ich hoffe Williams wird noch den ein oder anderen Roman in Elfien spielen lassen, damit man mehr darüber erfährt. Leider erzählt Williams nämlich das meiste aus Theos Sicht, und da Theo völlig fremd in dieser Welt ist, bleibt auch der Leser ähnlich verwirrt. Williams hat nämlich die Begabung eine Figur in einen abstrusen Zusammenhang zu werfen, in eine vollkommen unverständliche Situation, aber gleichzeitig die Handlung so interessant zu erzählen, daß man als Leser trotzdem dabei bleiben mag, obwohl man selten mehr erfährt als die Figur selbst. Der Leser entwickelt sich praktisch mit der Figur. Das hat meistens zur Folge, daß man hunderte von Seiten liest, kaum einen Plan hat, aber trotzdem dabei bleibt, um am Ende nach dem Aufgehen des Seifensieders zu der Erkenntnis zu kommen, daß man doch wieder ein starkes Buch gelesen hat.
Zu den Charakteren:
Theo – es ist schon dämlich für einen Roman, der zwar aus unterschiedlichen Erzählperspektiven betrachtet wird, aber dennoch zu etwa 85% aus der Perspektive der Hauptfigur, wenn der Leser (in diesem Falle ich) diese Figur nicht mag. Der Typ ist so ein Loser, den könnte glatt Toby Macguire spielen, der hat das seit Spiderman 2 ja schon drauf. Eigentich ist nicht mögen übertrieben, Theo war mir schlichtweg egal – ich wollte nichts von ihm hören, lediglich seine genervten Kommentare oder Gedankengänge konnten ganz witzig sein. Übrigens teile ich diese Meinung mit den Mädels des Buches, die Theo näher stehen (Apfelgriebs, Poppi und Cat) – umso interessanter fand ich es, als ich auf einmal feststellte, daß ich Theo plötzlich mochte, ich bin allerdings nicht dahinter gekommen, an welcher Stelle im Buch sich meine Meinung geändert hat. Theo ist allerdings leider auch die einzige Figur, die dem Leser wirklich nahe gebracht wird. Bei Theos engeren Freunden, vor allem Wuschel, Apfelgriebs und Poppi, aber auch Knopf (ein Goblin-Führer und Revoluzzer) und Primel (ein Blumenfürst mit normalen Ansichten) verhält es sich, wie mit Elfien – angekratzt, angedeutet, aber nicht richtig verstanden... auch wenn man die Figuren gut genug kennenlernt um mit ihnen warm zu werden. Besonders bei der winzigen geflügelten Apfelgriebs fällt das auch nicht weiter schwer, dafür sorgt schon ihr Temperament mit dem sie Theo immer wieder beschimpft und vor allem die große Klappe. Übrigens spielt die Beziehung Theo/Apfelgriebs auf Peter Pan an. Williams gibt das unverblümt zu, ich verstehe den Bezug nur leider nicht vollständig, weil ich Peter Pan nicht kenne. Poppi ist die Tochter eines Gegenspielers von Theo. Sie ist eigentlich ok, aber auch nicht wirklich mehr. Eine der typischen Frauenfiguren von Williams und natürlich der Klassiker – Held verliebt sich in Tochter des Feindes.
Womit ich zum angekündigten Tad Williams Spoiler kommen möchte, gedacht besonders für jene, die sich durch „Otherland“ gekämpft oder die „Grossen Schwerter“ gelesen haben:
Denn hier liegt ein Knackpunkt und damit die wesentliche Kritik an „der Blumenkrieg“. Elfien in seiner Verrücktheit könnte glatt eine der Welten aus Otherland sein, ein beunruhigender Gedanke *ächz*. Richtig übel war aber, daß sich die Charaktere (oder deren Beziehung untereinander) des Blumenkrieges gegen einige Hauptfiguren der beiden Vierteiler von Williams austauschen lassen. Bis zu einem gewissen Punkt hätte ich behauptet, die Hauptfigur (Theo) des Blumenkrieges hätte den Namen Paul Jonas (wichtige Figur aus Otherland). Gleiches Herumgeeiere, ähnliche Probleme. Ähnlich verhält es sich mit Poppi, der Tochter des Fürsten Stechapfel (=böses Blumenunkraut). Mir fällt gerade der Name nicht ein, aber sie erinnert mich überaus stark an die Tochter des Königs Elias aus der Schwertersaga, weil sich die Verhaltensmuster der beiden gleichen. Ich will jetzt nicht einzeln auf jede Figur eingehen, aber auch Xabbu oder Binabik sind im Blumenkrieg wieder aufgetaucht. Ich meine damit keine kleinen Ähnlichkeiten über die man vielleicht hinwegsehen könnte. Vielmehr will ich wirklich sagen, daß man die Namen der unterschiedlichen Bücher einfach austauschen könnte, so nahe sind sich die Figuren. Leider verhält es sich genauso mit anderen Elementen der Erzählung. Wie in „Otherland“ spielt auch ein seltsames Kind eine tragende Rolle und auch die Arbeiter in den Kraftwerken Elfiens haben eine starke Gemeinsamkeit mit dem Satellitenbewohner Otherlands. Williams hat gewisse Ideen einfach in ein neues Paket geschnürt. Das muß jetzt nicht unbedingt ein Nachteil sein, es kann spannend sein, das auseinander zu tüfteln – es birgt aber auch die Gefahr in sich, daß Williams (er macht so etwas nämlich nicht ungern) seine Leserschaft irgendwann zu Tode langweilt.
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