Vidocq (DVD) Testbericht
D

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Auf yopi.de gelistet seit 04/2011
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Erfahrungsbericht von Tut_Ench_Amun
Le Pharao dans la Paris revolutionaire
Pro:
Unerwartet guter und spannender Thriller aus Fronkreisch mit Fantasy-Elementen. Anspruchsvoll und unterhaltsam
Kontra:
unverdient immer noch Geheimtipp, noch keine Fortsetzung in Sicht ;-)
Empfehlung:
Ja
Eigentlich war ich nie ein großer Fan des französischen Films und mit mir wohl auch so einige andere, daher nimmt es kein Wunder, dass dieser Film 2001 wohl nur in wenigen auserwählten, deutschen Kinos lief. Mir jedenfalls war der Streifen lange vollkommen unbekannt und ich wüsste auch nicht, dass er je in einem der hier so zahlreich vertretenen Multiplexen aufgeführt worden wäre. Eine Empfehlung aus dem Bekanntenkreis hat mich auf seine Spur gebracht. Nachdem ich ihn mir mal ausgeliehen hatte, war mir klar, dass ich die im April 2003 bei TOBIS/SUNFILM erschienende Doppel-DVD auf jeden Fall meiner Filmothek einverleiben musste. Da ich ein ziemlich wählerischer Patron bin, kommt das einem Ritterschlag gleich. Warum auch europäisches Kino zunehmend bei mir hoch im Kurs steht, will ich nicht vorenthalten.
_Zur Story_
Wir schreiben das Jahr 1830 in Paris, die Revolution steht kurz vor dem Ausbruch, die ersten Plünderungen und Aufstände schütteln die französische Metropole - Sie ist laut, schmutzig und verwahrlost, nie waren die Armen ärmer und die zerbröselnde Ordnungsmacht der Gendarmerie hilfloser. Bereits im Vorspann sehen wir Namensgeber Vidocq wie er durch die düsteren Katakomben einer Glasbläserei einem geheimnisvollen Phantom mit Spiegelmaske hinterherjagt. In einer unterirdischen Halle stellt er den Unhold, der massige und robust wirkende Vidocq auf der einen Seite, das elegant-flinke, in eine schillernde, schwarze Kutte gehüllte Phantom auf der anderen. Es kommt zum erbitterten Kampf der beiden ungleichen Kontrahenten.
Letztendlich unterliegt der massige Vidocq dem wieselflinken Phantom. Er stürzt in einen lodernden Schacht, an dessen Rand er sich nur mit Mühe soeben und entkräftet festklammern kann. Als seine Niederlage klar wird, bittet er den Unhold seine undurchdringliche Spiegelmaske zu lüften und ihm – wo er eh schon sterben muss – sein wahres Gesicht zu offenbaren. Dem kommt die Spukgestalt nach. Der Zuschauer sieht natürlich nicht wer oder was sich darunter befindet. Vidocq lässt sich hernach in den flammenden Schacht fallen, seinem Gegner den Triumph nicht gönnend ihn endgültig zu erledigen. Da er richtet sich lieber selbst. Allerdings war Vidocq offensichtlich nicht der einzige Zeuge der Demaskierung. Aufgeschreckt durch eine Bewegung fährt die nun wieder verhüllte Erscheinung herum, nur um jemanden weglaufen zu sehen...Ende des Prologs.
"Vidocq ist tot!" titeln am nächsten Morgen sämtliche Pariser Gazetten und illustrieren den Kampf des finsteren "Alchimisten" (so lautet der Name dieses lebendig gewordenen Volks-Mythos) mit reißerischen Zeichnungen, Fotos gab es zu dieser Zeit noch nicht, und überschlagen sich natürlich mit gnadenlosen Übertreibungen. Denn auch Vidocq selbst ist schon zu Lebzeiten ein Mythos – der ehedem entflohene Ex-Knacki stand einige Zeit in den Diensten der Polizei und verdingte sich in den letzten zwei Jahren vor den jüngsten Ereignissen, zusammen mit seinem Kompagnon Nimier, als Privatdetektiv. Nachdem man ihn bei der Polizei wieder gefeuert hatte. Vidocq galt als überaus heller Kopf mit - für damalige Verhältnisse - sehr unorthodoxen Untersuchungs- und Ermittlungsmethoden. Das hat ihn letztendlich weit über Paris hinaus bekannt gemacht. Ein Universalgenie irgendwo zwischen Sherlock Holmes und Dr. Quincy. Heute würde er als moderner Crime Scene Investigator durchgehen.
Seinem legendären Ruf folgt auch der junge Journalist Etienne aus der Provence. Der taucht bei Nimier im gemeinschaftlichen Detektiv-Büro am gleichen Tage der Todesnachricht Vidocqs auf. Er stellt sich diesem als Vidocqs offizieller Biograph und größter Bewunderer vor. Unter schweren Selbstvorwürfen und vom Alkohol leutselig erzählt Nimier über den Beginn des Falles. Es geht um rätselhafte Morde an drei hochgestellten Persönlichkeiten aus der Oberschicht, die auf mysteriöse Weise ums Leben kamen und zuvor scheinbar Jungfrauen in den Armenvierteln "aufgekauft" haben. Zu welchem Zweck ist jedoch unklar, genauso, wie der Verbleib der jungen Mädchen. Leichen werden nicht gefunden. Da Nimier augenfällig Flasche leer - und die Schnauze gestrichen voll - hat, nimmt Etienne auf eigene Faust die blutige Spur zum Alchimisten auf. Jenem Phantom, das angeblich nur ein Märchen ist, doch nunmehr sehr handfeste und reale Morde an allen Zeugen seiner Existenz begeht.
_Inszenierung_
Was Pitof und Grange (Autor "Die purpurnen Flüsse") hier abliefern ist ein Genre-Mix aus den verschiedensten Filmen und Epochen der Filmgeschichte vor dem Hintergrund des revolutionären Paris. Vidocq als Person war wirklich ein real existierender, charismatischer Volksheld der damaligen Zeit, diese hier verwurstete Geschichte jedoch ist frei erfunden und bedient sich lediglich der Figur des umtriebigen Privatdetektivs für die Rahmenhandlung. Die Kostümierung ist prima, wenn auch nicht in allen Punkten historisch korrekt, PiTOF erklärt aber im Interview was und wieso er es leicht angepasst hat. Eine Sonderstellung nimmt das Phantom ein, dessen Outfit nicht nur einen extremen Collness-Faktor aufweist, sondern natürlich ein hundertprozentigen Produkt der Phantasie ist. Hier war PiTOF vollkommen frei in der optischen Gestaltung, da es keinerlei Referenzen, lediglich vage zeitgenössische Beschreibungen, gab.
Der "Alchimist" ist aber nicht vollkommen aus der Luft gegriffen und entspricht einem märchenhaften Schreckgespenst, dem man im Cartier du Temple (dem Pariser Armenviertel) alle unaufgeklärten Morde damals in die Schuhe schob, somit haben wir es hier mit einer Art französischem Jack The Ripper zu tun. Man hat ihn lediglich weiter mystifiziert und ein wenig aufgepeppt, was Aussehen und seine (übernatürlichen) Fähigkeiten angeht, denn ziemlich schnell wird klar: Das ist kein normaler und sterblicher Serienkiller...oder etwa doch? Eine weitere Parallele zur Jack-The-Ripper Verfilmung "From Hell" ist beim Flair des Werkes nicht von der Hand zu weisen – Zeitschiene, Enge, düstere Gassen, Armenviertel, aufgeschlitzte Kehlen. Mit all dem musste sich schon Johnny Depp im viktorianischen London herumschlagen.
Ein naturwissenschaftlich (und mit Fähigkeiten eines "Profilers") ausgerichteter Ermittler jagt mit bis dato ungewöhnlichen Untersuchungsmethoden einem mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Antagonisten hinterher. Das kennt man wiederum auch von "Sleepy Hollow". Es finden sich auch Elemente aus diversen anderen Meilensteinen des Kinos (und Volkslegenden), eine eindeutige Klassifizierung fällt schwer, dafür sind einfach nur sehr viele. Denn auch bei einschlägigen Slasher Streifen hat man Anleihen gemacht, hier denke ich an Thriller, wie "Sieben", "Resurrection" aber auch "Scream" und so einige andere Werke des Psycho-Genres. Wie bei "Sleepy Hollow" wird zudem mit Farbpalette des Films kräftig gearbeitet, um bestimmte Stimmungen beim Publikum zu erzeugen. Die bei "Vidocq" verwendeten Sepia-Töne haben etwas surrealistisches aber dennoch Warmes und Organisches.
PiTOF und Grange ziehen nicht nur virtuos alle Register, um den Zuschauer auf subtiler Ebene zu beeinflussen, etwa mit der Farbwahl oder dem Sound, sie werfen im Plot auch ständig aktiv unzählige Nebelkerzen, die immer wieder auf eine falsche Fährte locken sollen. Wer könnte der Alchimist sein? Ist er wirklich eine übernatürliche Gestalt? Welche der Figuren hat welches Motiv? Rasante Schnitte bzw. die raffinierte Kameraführung tun ihr übriges bei dem Verwirrspiel. Die beiden machen es einem nicht gerade leicht, den Faden, den man gefunden zu haben glaubt, auch zu behalten. So manche Theorie erweist sich später als geschickte Finte der Macher - und am Ende kommt dann doch alles ganz anders. Wichtig ist es auf die Kleinigkeiten nebenbei zu achten – man kann nicht mal eben aufstehen und nen Kaffee holen ohne Gefahr zu laufen ein entscheidendes Detail zu verpassen, dass sich später als wichtig erweist.
Gelegentlich werden dem Film Unrealismus und Logikfehler vorgeworfen. Ersteres ist bei einer Geschichte, die in der Phantastik angesiedelt ist, wohl kaum verwunderlich. Genau der surreale Plot ist ja der Witz an der Sache. Logikfehler zu unterstellen ist jedoch übertrieben. Kleinere Unstimmigkeiten trifft es schon eher. Selbst nach mehrmaligem Schauen sind mir nur ein paar Kleinigkeiten zunächst nicht ganz schlüssig vorgekommen. Mit ein wenig eigner Phantasie sind diese scheinbaren Patzer bei genauerer Überlegung aber wieder plausibel erklärbar. Der einzige Vorwurf, den man den Machern vielleicht machen könnte, wäre dem Zuschauer diese (fehlenden) Fakten nicht auch noch mundgerecht vorgekaut zu haben, sondern ihn selbst nachdenken zu lassen. Vidocq will keine historisch korrekte Biographie oder gar Krimi sein. Also, entweder haben diese kritischen Leutchen den Film nicht ganz verstanden oder er entspricht schon vom Genre(-Mix) her nicht ihrem Geschmack.
Auch die Konfrontationen zwischen Depardieu und seinem schwarz gewandeten Widersacher sind glaubhaft. Es ist absolut verständlich, dass der gute Gerard nicht Matrix-Like draufhaut, das würde ihm niemand abnehmen. Dafür ist er schlicht zu massig. Für die Ausgestaltung des Alchimisten hat man sich jedoch bei diversen eleganten Martial-Arts Bewegungen bedient, ohne es jedoch zu übertreiben. Die Prügeleien sind ausgesprochen sehenswert, wenn diese konträren Kampfstile aufeinander prallen. Es entsteht eine interessante Dramatik und Dynamik wenn sich die ungleichen Gegner fetzen. Die zahlreichen, stimmungsvollen Tricks sind allesamt auf handelsüblichen PCs bzw. Apple G4-Computern entstanden und beweisen, dass gute, liebevoll erstellte Visuals nicht teuer sein müssen um mehr als ordentlich zu gelingen, hier kann Hollywood vom "Old Europe" einiges lernen, was kostengünstige und saubere Spezialeffekte angeht.
Schauspielerisch weiß Urgestein Gerard Depardieu aber auch der restliche Cast aus No-Names vollends zu überzeugen, dadurch, dass der Hauptdarsteller augenscheinlich bereits im Vorspann den Löffel reicht lässt erwarten, dass der Film häufiger Rückblicke und Flashbacks benutzt, dem ist auch so. Normalerweise mag ich es nicht, wenn quasi das Ende schon feststeht und dann erzählt wird, wie es dazu kam, doch hier macht es durchaus Sinn die Geschichte genau SO aufzuziehen – ohne jetzt zu viel verraten zu wollen. Bleiben wir lieber noch ein bisschen bei den Darstellern. Bis auf Ausnahmen sind hier frische (französische) Gesichter zu bewundern, das hat einerseits den Grund in dem recht geringen Budget der Dreharbeiten, andererseits gibt es jungen und/oder unbekannten Mimen die Chance sich ordentlich zu präsentieren – Das tun auch alle durch die Bank weg.
_DVDs und Bonusmaterial_
Die Chapter-Einteilung fällt etwas mager aus, dafür ist der Film mit 94 Minuten Laufzeit aber auch recht kurz, das kann man also verschmerzen, obwohl mir mehr Kapitel grundsätzlich immer lieber sind. Die Menüs auf beiden Scheiben sind teilweise animiert und auch musikalisch bzw. mit Effekten unterlegt – lobenswerterweise lassen sich alle Menüpunkte auch im 16:9 Modus bedienen ohne dass man das TV (gilt nur für Breitbild-Fernseher) eventuell zurück auf 4:3 schalten muss. Der gesamte Film wurde statt mit der üblichen 35mm-Kamera mit einer High Definition Digital-Cam gedreht, sodass auf der DVD im Gegensatz zum Kino die bessere (weil 1:1) Fassung vorliegt, das jedenfalls behaupten die Macher im Bonusmaterial immer wieder gern.
Nun kann ich wegen mangelnder Vergleichsmöglichkeiten diese Behauptung weder bestätigen noch dementieren, das Bild ist aber - mit einer minimalen Farbkompression in einer einzigen Nebel-Szene – über jeden Zweifel erhaben, also will ich diese Aussage mal glauben. Sound und Effekte sind DD 5.1 abgemischt, wer ein entsprechendes Surround-System hat kann auch die deutsche Spur in DTS geniessen, DD ist aber absolut ausreichend für meinen Geschmack und leistet sich keine Schwächen. Sowohl Musik als auch Raumklang sorgen für ordentlich Kinofeeling. Tonal sind die Effekte gut verteilt und weder Center- noch rückwärtige Surroundlautsprecher drängeln sich vor – ein Hoch auf die digitale Abmischung.
Das recht reichhaltige Bonusmaterial befindet sich sowohl auf Disc 1, als auch auf Disc 2. Wer bislang mit den Cello-schwingenden Metallern von "Apocalyptica" nichts anfangen kann, dem sei das komplette Musikvideo der Endcredits (sprich: des Abspanns) wärmstens empfohlen, die Jungs machen auch so einfach nur klasse Musik – nicht nur für diesem Film. Weiterhin hat man diverse Trailer auf die erste Scheibe gepresst, einen Audio-Kommentar sucht man indes vergebens, was relativ ungewöhnlich für heutige Verhältnisse ist.
Auf Silberling Numero Due ist dann Interview und Making Of Time angesagt: 2 sehr lange Befragungen von Pitof und Grange werden angeboten und ein Featurette, bei dem auch einige der Darsteller zu Wort kommen. Diese Interviews sind ziemlich langatmig und für wenig Interessierte Zuschauer wohl eher ohne Belang, wer sich allerdings über das wie und warum informieren möchte hat hier eine wahre Fundgrube, denn zu fast jedem wichtigen Aspekt des Films sagen die Macher etwas. Die beiden Making Ofs sind hingegen wesentlich kürzer doch sehr aufschlussreich und sehenswert, das gilt vor allem für das zweite, welches sich hauptsächlich mit den Spezialeffekten rund um die Person des Alchimisten und seiner Spiegel-Maske beschäftigt.
Ansonsten runden eine Fotogalerie, Teaser, Biographien und ein PC-DVD-ROM Teil die Sonderausstattung ab – Letzteres beinhaltet einige Screensaver und weiterführende Links, was für mich persönlich nur mäßig interessant ist, lobenswert finde ich die Bios, denn die sehe ich mir meist gerne an, um vielleicht auf weitere Perlen des filmischen Schaffens zu stossen – gerade bei einem solchen Underdog-Streifen ist es nicht ungewöhnlich, dass ich von dort aus weitere sehenswerte Filme entdeckt habe.
_Fazit_
Eins darf man hier definitiv nicht: Wegsehen / -hören oder sich sonstwie ablenken lassen. Das ist keine leichte Konsumier-Mich-Kost á la Hollywood, sondern ein übersinnlicher Thriller mit subtilen Feinheiten, welcher die Rübe fordert. Shock 'n Slash Einlagen gibt's auch ein paar, weswegen man auch berechtigterweise eine FSK 16 – Einstufung vorgenommen hat, das ist vertretbar und geht in Ordnung. Das Ende dieser intelligenten Mischung ist sogar dazu angetan, dass vielleicht eine Fortsetzung möglich wird, welche aber bislang wohl (leider) nicht (oder noch nicht) geplant ist. Fraglos ein Geheimtipp und seinerzeit unverdient nur in wenigen Lichtspielhäusern aufgeführt. Dabei ist es ein prima Aushängeschild für Suspense-Kino made in France. Macht nix, zum neuen Freund des französischen Films wird man leicht: Die prall gefüllte Doppel-DVD wird mittlerweile unterhalb der Fuffzehn-Euro-Schmerzgrenze angeboten. Amazon verscherbelt die Single-Disc sogar für unter 5 Euro: Zugreifen!
_Die DVD-Daten auf einen Blick:_
Originaltitel : "Vidocq"
Nach einem Volksheldenmythos, Story von PiTOF und Grange
Ersterscheinungsjahr & Land: 2001 – Frankreich
Label: Sunfilm Entertainment / Tobis
Lauflänge: ca. 94 Min. + ca. 160 Min. Bonus
Genre: Fantasy- / Grusel- / Kostümthriller
Version & Altersfreigabe: Kinofassung / FSK 16
Bildformat: Widescreen 16:9 (1,85 : 1)
Tonformat: DTS (nur D) und DD 2.0 + DD 5.1 (D und F)
Sprachen: Deutsch und Französisch
Produktion: "PiTOF" & Jean-Christophe Grange
Regie: Jean-Christophe "PiTOF" Comar
Drehbuch: Jean-Christophe Grange
Musik: Bruno Coulais (End Credits von: "Apocalyptica")
Darsteller u.a: Gérard Depardieu (Vidocq), Ines Sastre (Préah), Guillaume Canet (Etienne), André Dussoulier (Lautrennes), Moussa Maaskri (Nimier)
Bonusmaterial
Apocalyptica Musikvideo (Disc 1)
Trailer zu Vidocq und anderen Titeln (Disc 1)
2 Interviews / PiTOF u. Grange (Disc 2)
2 Making Ofs / Film u. Spezialeffekte (Disc 2)
Interview Featurette mit Regie und Cast (Disc 2)
Fotogalerie, 2 Teaser & Bio- / Filmographien (Disc2)
PC-ROM-Teil / Screensaver u. Links (Disc2)
_Zur Story_
Wir schreiben das Jahr 1830 in Paris, die Revolution steht kurz vor dem Ausbruch, die ersten Plünderungen und Aufstände schütteln die französische Metropole - Sie ist laut, schmutzig und verwahrlost, nie waren die Armen ärmer und die zerbröselnde Ordnungsmacht der Gendarmerie hilfloser. Bereits im Vorspann sehen wir Namensgeber Vidocq wie er durch die düsteren Katakomben einer Glasbläserei einem geheimnisvollen Phantom mit Spiegelmaske hinterherjagt. In einer unterirdischen Halle stellt er den Unhold, der massige und robust wirkende Vidocq auf der einen Seite, das elegant-flinke, in eine schillernde, schwarze Kutte gehüllte Phantom auf der anderen. Es kommt zum erbitterten Kampf der beiden ungleichen Kontrahenten.
Letztendlich unterliegt der massige Vidocq dem wieselflinken Phantom. Er stürzt in einen lodernden Schacht, an dessen Rand er sich nur mit Mühe soeben und entkräftet festklammern kann. Als seine Niederlage klar wird, bittet er den Unhold seine undurchdringliche Spiegelmaske zu lüften und ihm – wo er eh schon sterben muss – sein wahres Gesicht zu offenbaren. Dem kommt die Spukgestalt nach. Der Zuschauer sieht natürlich nicht wer oder was sich darunter befindet. Vidocq lässt sich hernach in den flammenden Schacht fallen, seinem Gegner den Triumph nicht gönnend ihn endgültig zu erledigen. Da er richtet sich lieber selbst. Allerdings war Vidocq offensichtlich nicht der einzige Zeuge der Demaskierung. Aufgeschreckt durch eine Bewegung fährt die nun wieder verhüllte Erscheinung herum, nur um jemanden weglaufen zu sehen...Ende des Prologs.
"Vidocq ist tot!" titeln am nächsten Morgen sämtliche Pariser Gazetten und illustrieren den Kampf des finsteren "Alchimisten" (so lautet der Name dieses lebendig gewordenen Volks-Mythos) mit reißerischen Zeichnungen, Fotos gab es zu dieser Zeit noch nicht, und überschlagen sich natürlich mit gnadenlosen Übertreibungen. Denn auch Vidocq selbst ist schon zu Lebzeiten ein Mythos – der ehedem entflohene Ex-Knacki stand einige Zeit in den Diensten der Polizei und verdingte sich in den letzten zwei Jahren vor den jüngsten Ereignissen, zusammen mit seinem Kompagnon Nimier, als Privatdetektiv. Nachdem man ihn bei der Polizei wieder gefeuert hatte. Vidocq galt als überaus heller Kopf mit - für damalige Verhältnisse - sehr unorthodoxen Untersuchungs- und Ermittlungsmethoden. Das hat ihn letztendlich weit über Paris hinaus bekannt gemacht. Ein Universalgenie irgendwo zwischen Sherlock Holmes und Dr. Quincy. Heute würde er als moderner Crime Scene Investigator durchgehen.
Seinem legendären Ruf folgt auch der junge Journalist Etienne aus der Provence. Der taucht bei Nimier im gemeinschaftlichen Detektiv-Büro am gleichen Tage der Todesnachricht Vidocqs auf. Er stellt sich diesem als Vidocqs offizieller Biograph und größter Bewunderer vor. Unter schweren Selbstvorwürfen und vom Alkohol leutselig erzählt Nimier über den Beginn des Falles. Es geht um rätselhafte Morde an drei hochgestellten Persönlichkeiten aus der Oberschicht, die auf mysteriöse Weise ums Leben kamen und zuvor scheinbar Jungfrauen in den Armenvierteln "aufgekauft" haben. Zu welchem Zweck ist jedoch unklar, genauso, wie der Verbleib der jungen Mädchen. Leichen werden nicht gefunden. Da Nimier augenfällig Flasche leer - und die Schnauze gestrichen voll - hat, nimmt Etienne auf eigene Faust die blutige Spur zum Alchimisten auf. Jenem Phantom, das angeblich nur ein Märchen ist, doch nunmehr sehr handfeste und reale Morde an allen Zeugen seiner Existenz begeht.
_Inszenierung_
Was Pitof und Grange (Autor "Die purpurnen Flüsse") hier abliefern ist ein Genre-Mix aus den verschiedensten Filmen und Epochen der Filmgeschichte vor dem Hintergrund des revolutionären Paris. Vidocq als Person war wirklich ein real existierender, charismatischer Volksheld der damaligen Zeit, diese hier verwurstete Geschichte jedoch ist frei erfunden und bedient sich lediglich der Figur des umtriebigen Privatdetektivs für die Rahmenhandlung. Die Kostümierung ist prima, wenn auch nicht in allen Punkten historisch korrekt, PiTOF erklärt aber im Interview was und wieso er es leicht angepasst hat. Eine Sonderstellung nimmt das Phantom ein, dessen Outfit nicht nur einen extremen Collness-Faktor aufweist, sondern natürlich ein hundertprozentigen Produkt der Phantasie ist. Hier war PiTOF vollkommen frei in der optischen Gestaltung, da es keinerlei Referenzen, lediglich vage zeitgenössische Beschreibungen, gab.
Der "Alchimist" ist aber nicht vollkommen aus der Luft gegriffen und entspricht einem märchenhaften Schreckgespenst, dem man im Cartier du Temple (dem Pariser Armenviertel) alle unaufgeklärten Morde damals in die Schuhe schob, somit haben wir es hier mit einer Art französischem Jack The Ripper zu tun. Man hat ihn lediglich weiter mystifiziert und ein wenig aufgepeppt, was Aussehen und seine (übernatürlichen) Fähigkeiten angeht, denn ziemlich schnell wird klar: Das ist kein normaler und sterblicher Serienkiller...oder etwa doch? Eine weitere Parallele zur Jack-The-Ripper Verfilmung "From Hell" ist beim Flair des Werkes nicht von der Hand zu weisen – Zeitschiene, Enge, düstere Gassen, Armenviertel, aufgeschlitzte Kehlen. Mit all dem musste sich schon Johnny Depp im viktorianischen London herumschlagen.
Ein naturwissenschaftlich (und mit Fähigkeiten eines "Profilers") ausgerichteter Ermittler jagt mit bis dato ungewöhnlichen Untersuchungsmethoden einem mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Antagonisten hinterher. Das kennt man wiederum auch von "Sleepy Hollow". Es finden sich auch Elemente aus diversen anderen Meilensteinen des Kinos (und Volkslegenden), eine eindeutige Klassifizierung fällt schwer, dafür sind einfach nur sehr viele. Denn auch bei einschlägigen Slasher Streifen hat man Anleihen gemacht, hier denke ich an Thriller, wie "Sieben", "Resurrection" aber auch "Scream" und so einige andere Werke des Psycho-Genres. Wie bei "Sleepy Hollow" wird zudem mit Farbpalette des Films kräftig gearbeitet, um bestimmte Stimmungen beim Publikum zu erzeugen. Die bei "Vidocq" verwendeten Sepia-Töne haben etwas surrealistisches aber dennoch Warmes und Organisches.
PiTOF und Grange ziehen nicht nur virtuos alle Register, um den Zuschauer auf subtiler Ebene zu beeinflussen, etwa mit der Farbwahl oder dem Sound, sie werfen im Plot auch ständig aktiv unzählige Nebelkerzen, die immer wieder auf eine falsche Fährte locken sollen. Wer könnte der Alchimist sein? Ist er wirklich eine übernatürliche Gestalt? Welche der Figuren hat welches Motiv? Rasante Schnitte bzw. die raffinierte Kameraführung tun ihr übriges bei dem Verwirrspiel. Die beiden machen es einem nicht gerade leicht, den Faden, den man gefunden zu haben glaubt, auch zu behalten. So manche Theorie erweist sich später als geschickte Finte der Macher - und am Ende kommt dann doch alles ganz anders. Wichtig ist es auf die Kleinigkeiten nebenbei zu achten – man kann nicht mal eben aufstehen und nen Kaffee holen ohne Gefahr zu laufen ein entscheidendes Detail zu verpassen, dass sich später als wichtig erweist.
Gelegentlich werden dem Film Unrealismus und Logikfehler vorgeworfen. Ersteres ist bei einer Geschichte, die in der Phantastik angesiedelt ist, wohl kaum verwunderlich. Genau der surreale Plot ist ja der Witz an der Sache. Logikfehler zu unterstellen ist jedoch übertrieben. Kleinere Unstimmigkeiten trifft es schon eher. Selbst nach mehrmaligem Schauen sind mir nur ein paar Kleinigkeiten zunächst nicht ganz schlüssig vorgekommen. Mit ein wenig eigner Phantasie sind diese scheinbaren Patzer bei genauerer Überlegung aber wieder plausibel erklärbar. Der einzige Vorwurf, den man den Machern vielleicht machen könnte, wäre dem Zuschauer diese (fehlenden) Fakten nicht auch noch mundgerecht vorgekaut zu haben, sondern ihn selbst nachdenken zu lassen. Vidocq will keine historisch korrekte Biographie oder gar Krimi sein. Also, entweder haben diese kritischen Leutchen den Film nicht ganz verstanden oder er entspricht schon vom Genre(-Mix) her nicht ihrem Geschmack.
Auch die Konfrontationen zwischen Depardieu und seinem schwarz gewandeten Widersacher sind glaubhaft. Es ist absolut verständlich, dass der gute Gerard nicht Matrix-Like draufhaut, das würde ihm niemand abnehmen. Dafür ist er schlicht zu massig. Für die Ausgestaltung des Alchimisten hat man sich jedoch bei diversen eleganten Martial-Arts Bewegungen bedient, ohne es jedoch zu übertreiben. Die Prügeleien sind ausgesprochen sehenswert, wenn diese konträren Kampfstile aufeinander prallen. Es entsteht eine interessante Dramatik und Dynamik wenn sich die ungleichen Gegner fetzen. Die zahlreichen, stimmungsvollen Tricks sind allesamt auf handelsüblichen PCs bzw. Apple G4-Computern entstanden und beweisen, dass gute, liebevoll erstellte Visuals nicht teuer sein müssen um mehr als ordentlich zu gelingen, hier kann Hollywood vom "Old Europe" einiges lernen, was kostengünstige und saubere Spezialeffekte angeht.
Schauspielerisch weiß Urgestein Gerard Depardieu aber auch der restliche Cast aus No-Names vollends zu überzeugen, dadurch, dass der Hauptdarsteller augenscheinlich bereits im Vorspann den Löffel reicht lässt erwarten, dass der Film häufiger Rückblicke und Flashbacks benutzt, dem ist auch so. Normalerweise mag ich es nicht, wenn quasi das Ende schon feststeht und dann erzählt wird, wie es dazu kam, doch hier macht es durchaus Sinn die Geschichte genau SO aufzuziehen – ohne jetzt zu viel verraten zu wollen. Bleiben wir lieber noch ein bisschen bei den Darstellern. Bis auf Ausnahmen sind hier frische (französische) Gesichter zu bewundern, das hat einerseits den Grund in dem recht geringen Budget der Dreharbeiten, andererseits gibt es jungen und/oder unbekannten Mimen die Chance sich ordentlich zu präsentieren – Das tun auch alle durch die Bank weg.
_DVDs und Bonusmaterial_
Die Chapter-Einteilung fällt etwas mager aus, dafür ist der Film mit 94 Minuten Laufzeit aber auch recht kurz, das kann man also verschmerzen, obwohl mir mehr Kapitel grundsätzlich immer lieber sind. Die Menüs auf beiden Scheiben sind teilweise animiert und auch musikalisch bzw. mit Effekten unterlegt – lobenswerterweise lassen sich alle Menüpunkte auch im 16:9 Modus bedienen ohne dass man das TV (gilt nur für Breitbild-Fernseher) eventuell zurück auf 4:3 schalten muss. Der gesamte Film wurde statt mit der üblichen 35mm-Kamera mit einer High Definition Digital-Cam gedreht, sodass auf der DVD im Gegensatz zum Kino die bessere (weil 1:1) Fassung vorliegt, das jedenfalls behaupten die Macher im Bonusmaterial immer wieder gern.
Nun kann ich wegen mangelnder Vergleichsmöglichkeiten diese Behauptung weder bestätigen noch dementieren, das Bild ist aber - mit einer minimalen Farbkompression in einer einzigen Nebel-Szene – über jeden Zweifel erhaben, also will ich diese Aussage mal glauben. Sound und Effekte sind DD 5.1 abgemischt, wer ein entsprechendes Surround-System hat kann auch die deutsche Spur in DTS geniessen, DD ist aber absolut ausreichend für meinen Geschmack und leistet sich keine Schwächen. Sowohl Musik als auch Raumklang sorgen für ordentlich Kinofeeling. Tonal sind die Effekte gut verteilt und weder Center- noch rückwärtige Surroundlautsprecher drängeln sich vor – ein Hoch auf die digitale Abmischung.
Das recht reichhaltige Bonusmaterial befindet sich sowohl auf Disc 1, als auch auf Disc 2. Wer bislang mit den Cello-schwingenden Metallern von "Apocalyptica" nichts anfangen kann, dem sei das komplette Musikvideo der Endcredits (sprich: des Abspanns) wärmstens empfohlen, die Jungs machen auch so einfach nur klasse Musik – nicht nur für diesem Film. Weiterhin hat man diverse Trailer auf die erste Scheibe gepresst, einen Audio-Kommentar sucht man indes vergebens, was relativ ungewöhnlich für heutige Verhältnisse ist.
Auf Silberling Numero Due ist dann Interview und Making Of Time angesagt: 2 sehr lange Befragungen von Pitof und Grange werden angeboten und ein Featurette, bei dem auch einige der Darsteller zu Wort kommen. Diese Interviews sind ziemlich langatmig und für wenig Interessierte Zuschauer wohl eher ohne Belang, wer sich allerdings über das wie und warum informieren möchte hat hier eine wahre Fundgrube, denn zu fast jedem wichtigen Aspekt des Films sagen die Macher etwas. Die beiden Making Ofs sind hingegen wesentlich kürzer doch sehr aufschlussreich und sehenswert, das gilt vor allem für das zweite, welches sich hauptsächlich mit den Spezialeffekten rund um die Person des Alchimisten und seiner Spiegel-Maske beschäftigt.
Ansonsten runden eine Fotogalerie, Teaser, Biographien und ein PC-DVD-ROM Teil die Sonderausstattung ab – Letzteres beinhaltet einige Screensaver und weiterführende Links, was für mich persönlich nur mäßig interessant ist, lobenswert finde ich die Bios, denn die sehe ich mir meist gerne an, um vielleicht auf weitere Perlen des filmischen Schaffens zu stossen – gerade bei einem solchen Underdog-Streifen ist es nicht ungewöhnlich, dass ich von dort aus weitere sehenswerte Filme entdeckt habe.
_Fazit_
Eins darf man hier definitiv nicht: Wegsehen / -hören oder sich sonstwie ablenken lassen. Das ist keine leichte Konsumier-Mich-Kost á la Hollywood, sondern ein übersinnlicher Thriller mit subtilen Feinheiten, welcher die Rübe fordert. Shock 'n Slash Einlagen gibt's auch ein paar, weswegen man auch berechtigterweise eine FSK 16 – Einstufung vorgenommen hat, das ist vertretbar und geht in Ordnung. Das Ende dieser intelligenten Mischung ist sogar dazu angetan, dass vielleicht eine Fortsetzung möglich wird, welche aber bislang wohl (leider) nicht (oder noch nicht) geplant ist. Fraglos ein Geheimtipp und seinerzeit unverdient nur in wenigen Lichtspielhäusern aufgeführt. Dabei ist es ein prima Aushängeschild für Suspense-Kino made in France. Macht nix, zum neuen Freund des französischen Films wird man leicht: Die prall gefüllte Doppel-DVD wird mittlerweile unterhalb der Fuffzehn-Euro-Schmerzgrenze angeboten. Amazon verscherbelt die Single-Disc sogar für unter 5 Euro: Zugreifen!
_Die DVD-Daten auf einen Blick:_
Originaltitel : "Vidocq"
Nach einem Volksheldenmythos, Story von PiTOF und Grange
Ersterscheinungsjahr & Land: 2001 – Frankreich
Label: Sunfilm Entertainment / Tobis
Lauflänge: ca. 94 Min. + ca. 160 Min. Bonus
Genre: Fantasy- / Grusel- / Kostümthriller
Version & Altersfreigabe: Kinofassung / FSK 16
Bildformat: Widescreen 16:9 (1,85 : 1)
Tonformat: DTS (nur D) und DD 2.0 + DD 5.1 (D und F)
Sprachen: Deutsch und Französisch
Produktion: "PiTOF" & Jean-Christophe Grange
Regie: Jean-Christophe "PiTOF" Comar
Drehbuch: Jean-Christophe Grange
Musik: Bruno Coulais (End Credits von: "Apocalyptica")
Darsteller u.a: Gérard Depardieu (Vidocq), Ines Sastre (Préah), Guillaume Canet (Etienne), André Dussoulier (Lautrennes), Moussa Maaskri (Nimier)
Bonusmaterial
Apocalyptica Musikvideo (Disc 1)
Trailer zu Vidocq und anderen Titeln (Disc 1)
2 Interviews / PiTOF u. Grange (Disc 2)
2 Making Ofs / Film u. Spezialeffekte (Disc 2)
Interview Featurette mit Regie und Cast (Disc 2)
Fotogalerie, 2 Teaser & Bio- / Filmographien (Disc2)
PC-ROM-Teil / Screensaver u. Links (Disc2)
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