Bild der Frau Testbericht

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Erfahrungsbericht von CoraLee

Der Schock: Verliebt in einen Heiratsschwindler

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Werbespots können ja manchmal verhängnisvoll sein, den shopping-freudigen Kunden zu allem Möglichen verführen, das man ohne sie nie gekauft hätte. Aber hört mal: eine Pasta-Diät! Das klingt doch perfekt! Zwei Mal am Tag Pasta essen, glücklich sein und jeden Tag ein Pfund abnehmen. Wenn ihr den Spot gesehen hättet, wärt ihr doch auch zum nächsten Büdchen geeilt... oder?

So kam ich jedenfalls zu meiner ersten „Bild der Frau“. Leider hat Stefan es kategorisch abgelehnt, sie für mich zu erwerben. Und auch ich wollte sie nicht beim Büdchenmann meines Vertrauens kaufen, denn ich bin 22 und die einzige Frauenzeitschrift, die ich von Zeit zu Zeit lese, ist „Allegra“. Niemand, der mich kennt, sollte mich mit diesem Blatt sehen! So schlich ich also am Montag Abend bei Einbruch der Dunkelheit aus dem Haus, drückte mich an Hauswänden entlang, erreichte auf leisen Sohlen das auserwählte Büdchen, dessen Besitzer mich eigentlich nicht kennen dürfte, blickte mich vorsichtig nach allen Seiten um und sagte leise: „Einmal die Bild der Frau, bitte.“

Ich hatte Glück, der Verkäufer fand mein Anliegen gar nicht befremdlich, reichte mir ein etwas über DinA 4 großes und erstaunlich dünnes Heft und verlangte fünfundachtzig Cent dafür. Ich dankte eilig, drehte die Zeitschrift zu einer Rolle und ließ sie in der Innentasche meines eigens zu diesem Zweck angezogenen Mantel verschwinden. Unbemerkt stahl ich mich nach Hause.

Da stand es, gleich auf der Titelseite: Die Pasta-Diät – macht satt und glücklich! S.22. Eigentlich hätte ich jetzt sofort besagte Seite aufschlagen müssen, aber ich lese normalerweise nicht selektiv und deshalb fing ich schön vorne an, denn wer weiß, was mir sonst entgangen wäre.

Gleich auf Seite 4 blickt mich Jeanette Biedermann mit großen, grünen Augen an. Ihr Mund ist zugenäht und ich spüre, wie Entzücken in mir aufkeimt: nie wieder „Go back to your mum“ und all den anderen Scheiß, denke ich freudestrahlend. Irgendein beherzter Kritiker hat allen Mut zusammen genommen und endlich getan, was schon längst fällig war, er hat Jeanette auf ewig am Singen gehindert! Wenn das mal keine gute Nachricht ist! Gleichzeitig hoffe ich, dass der Näher auch Enrique Iglesias, Céline Dion, Sarah Connor und Mola Adebisi erwischt. Stefan hingegen zerstört alle Hoffnung mit einem Schlag: als ich ihn darauf aufmerksam mache, dass Jeanette von nun an für immer schweigen wird, erklärt er mir, dass es sich nur um eine Kampagne handelt, die Politikverdrossene zum Wählen bewegen soll. „Ohne Stimme hört dich keiner!“ Ja, eben...

Aber links daneben, da finde ich etwas Tolles, Originelles, Romantisches! Ein kleines, rotes Herz mit der Inschrift „Ich liebe dich immer mehr!“ Rechts daneben steht der Hinweis: „Worte für den Liebsten (zum Ausschneiden)“. Ich bin völlig euphorisch! Na, so etwas habe ich IMMER gesucht, aber NIE hätte ich mir träumen lassen, dass ausgerechnet die „Bild der Frau“ mir bei der Realisierung all meiner romantischen Phantasien behilflich sein könnte. Flink schneide ich das Herzchen aus und überreiche es – mit einer ausreichend theatralischen Miene, wie ich meine – Stefan. Doch die Reaktion ist ernüchternd. Er findet es albern, hässlich und lieblos. Außerdem hätte ich nun das umseitige Inhaltsverzeichnis zerstört, sagt er.
... Undank ist der Welten Lohn...

Auf der nächsten Doppelseite befinden sich zu meiner großen Überraschung Modetipps. Ich LIEBE Modetipps, die gibt es in der „Allegra“ auch zur Genüge. Mit dem Unterschied, dass sich die Klamotten aus der „Allegra“ kein Mensch leisten kann und man mit denen aus der „Bild der Frau“ wohl kaum an die Öffentlichkeit zu treten wagt. Es handelt sich um „Traum-Trachten“! Fieberhaft suche ich nach der Vorsilbe „Alp-“, aber die finde ich nicht. Statt dessen die Ermutigung: „Nicht nur fürs Oktoberfest! Der süße Look für den Herbst – verspielte Spitzen, Stickereien und Muster werden hier munter mit rustikalen Stoffen und Wildleder gemixt.“ Aber hallo! Hallo? Geht’s noch? Gibt es etwas Traurigeres, als junge, attraktive Frauen in rustikal-burschikos-raffiniert-klassisch-lieb-lässigen Trachten?

Enttäuscht blättere ich weiter und erfahre, dass zum knielangen Rock die verschiedensten Schuhformen passen. Wer hätte das gedacht. Und zufällig gibt es all diese Schuhe bei Otto, Quelle oder Neckermann, wie praktisch. Des Weiteren lerne ich, dass ich diesen Herbst (wann hat der angefangen? Im Mai?) unmöglich ohne „eine Jacke aus Denim mit Kunstfell-Besatz“ überleben kann. Nee, is klar. Und Stiefel und Netzstrümpfe brauche ich auch. Das alles kann ich dann erstaulicherweise mit dem knielangen Rock kombinieren. Eine „trendige Tasche“ mit „Zierschnalle in Altgold“ darf da natürlich auch nicht fehlen, ebenso wenig wie eine Bluse im „typischen Herrenhemdstil“ und ein „schmaler Flechtgürtel“. (Ich glaube, wenn ich irgendwann nochmal in peinlicher Mission zum Büdchen pilgere, ziehe ich den ganzen Kram an – da erkennt mich garantiert keiner mehr!)

Im Folgenden hilft mir die „Bild der Frau“ bei der Beseitigung meiner „Schönheitsprobleme“. Komisch, denke ich, die hat sie mir doch gerade erst selbst aufgehalst. Naja, vielleicht will sie ihren Fauxpas einfach wieder gutmachen, ich will mal nicht so sein. Ich lese mit Staunen, dass ich auch mit 50 durchaus noch das Recht habe, meine Figur zu zeigen, dass man Gurken u.ä. „prima als Masken verwenden“ kann, schöpfe neue Hoffnung, das Nikotongelb meiner Zähne mit Perlweiß (wie innovativ!) zu besiegen und bringe in Erfahrung, dass ich vor dem Waschen eines Kaschmir-Pullis „unbedingt das Pflege-Etikett beachten“ sollte.

Natürlich vergessen die Mode- und Kosmetikberater auch nicht, dass auf meinem Kopf Haare wachsen, die dringend einiger Zuwendung und Pflege bedürfen, und erklären mir bis ins kleinste Detail, wie ich zu Hause „den frechen Strubbel-Look“ und den „schulterlangen Bob mit ausgefransten Seiten und stufigen Spitzen“ style. Grandioserweise benötige ich dazu lediglich und ausschließlich Produkte aus dem Hause „Gard“. Und dann setzen sie noch einen drauf: ich kann nämlich „einen persönlichen Haarstylisten“ gewinnen! Schade, dass wir kein Zimmer mehr frei haben, sonst würde ich den armen, heimatlosen Menschen gerne bei uns aufnehmen.

Auf Seite 16 wird’s dann eklig. Da erfahren wir alles über die „neue Laser-Technik“, die meines Wissens so neu gar nicht ist. Jedenfalls will ich keine Fotos sehen, die Besenreißer, geplatze Äderchen und Pigment-Flecken abbilden. Da informiere ich mich lieber ein paar Seiten weiter über den „Wellness-Tag im Schwimmbad“. Allerdings steht da schon wieder was von Frauen über 50, die sich einen solchen regelmäßig gönnen sollten, und von Fußpilz, den sich jeder früher oder später in öffentlichen Schwimmbädern einfängt, kein Wort. Das empört mich. Wie ignorant sind die eigentlich? Kopfschüttelnd blättere ich um.

OOOH! Da ist sie! Meine Pasta-Diät! Glücklich, satt und schlank, ihr wisst schon. Ich kucke mir mal nur die Bilder an (kochen kann ich ohnehin nicht) und die begeistern mich zutiefst. Ich kann zwar nicht erkennen, was da abgebildet ist, aber schööön sieht’s aus und lecker und so bunt. Jauchzend teile ich Stefan mit, dass ich ab morgen und für den Rest meines Lebens genau dies Diät zu machen gedenke, woraufhin er mir das Heft entreißt, um sich die Rezepte anzusehen. Die Ernüchterung folgt auf dem Fuße: Zum Frühstück gibt’s Pumpernickel mit Hüttenkäse – igitt – oder Tomaten und Eiern – pfui. Darüber könnte ich noch hinweg sehen, ich frühstücke sowieso nur selten, aber die Pasta-Gerichte sind unglücklicherweise furchtbar aufwendig und elend teuer. Fünfundachtzig Cent zum Fenster rausgeschmissen...

Ich bin maßlos enttäuscht. Alle Hoffnungen sind dahin. Lustlos blättere ich noch ein wenig weiter und staune über die innovativen Vorschläge und nützlichen Informationen der diversen Experten. Hüftspeck kriegt man durch Sport weg, Chips haben eine Menge Kalorien, Pflaumenkuchen nicht, die große Liebe gibt es nur einmal, die Jugend ist gar nicht so schlecht wie ihr Ruf, manche Männer sind Heiratsschwindler, Stehlen ist böse, ein Kind kann keine Beziehung kitten, Stillen ist ganz einfach, Lampen montieren ebenfalls, es gibt mehrere Sorten Chicken Nuggets, die Tochter von Rita S. aus F. hat das Zeug zur Sängerin, ...

Zu guter Letzt löse ich noch ein paar Kreuzworträtsel und ärgere mich, dass ich noch immer keine Ahnung habe, wie dieser verdammte „Strom in Zentralasien“ (eon? yello?) heißt oder was eine „gallertartige Substanz“ ist. Muss ich aber auch gar nicht wissen, denn ich weiß immer noch genug Anderes, um eine reale Chance zu auf „Omas Kochbuch“ zu haben, das man dabei gewinnen kann. Ein bisschen schockiert mich noch, dass Cora Schumacher, die eigentlich “als Trendsetter“ gilt, bei ihrem Hochzeitskleid total daneben gegriffen hat („schlimmer Stil-Mix, dazu viel zu viele Rüschen“). Nicht mal das Horoskop von „Bild der Frau-Astrologin Mauretania Gregor“ bringt irgendwelche neuen Erkenntnisse: Löwen sind immer noch starrköpfig, reich und erfolgreich.

Und so nehme ich Abschied von der „Bild der Frau“, der Zeitschrift des Banalen, Trivialen und Redundanten. Ein bisschen traurig, aber um einige Erfahrungen und Informationen reicher...
Vielleicht versuch ich’s in 30 Jahren nochmal.

(am 18.09.2002 bei ciao.com veröffentlicht)

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