Dr. Seltsam oder Wie ich lernte die Bombe zu lieben (DVD) Testbericht

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- Action:
- Anspruch:
- Romantik:
- Humor:
- Spannung:
Erfahrungsbericht von atrachte
We'll meet again, don't know where, don't know when
Pro:
wunderbare Satire, exzellent besetzt,
Kontra:
nichts,
Empfehlung:
Ja
„Gentlemen, you can't fight in here! This is the War Room.“
- Präsident Merkin Muffley -
In der heißen Phase des kalten Krieges Anfang der 1960er Jahre benötigt es nur jeder noch so kleinen Provokation um den dritten Weltkrieg, oder schlimmer, die Vernichtung allen Lebens auf der Erde durch die Zündung atomarer Sprengköpfe, auszulösen. Letzteres scheint tatsächlich die Absicht des Verrückt gewordenen US Air Force Generals Ripper (Sterling Hayden) zu sein, denn in seinem Wahn, das die Sowjets schon bald über die USA herfallen werden und bereits das Trinkwasser vergiftet haben um den amerikanischen Mann einer „Säfte“ zu berauben, tüftelt er den Plan aus selbständig, mit Atombomben bestückte, Bomber Richtung des Feindes zu schicken um diesen zuerst anzugreifen. Da der Befehl zum Angriff mit atomaren Sprengköpfen jedoch nur vom Präsidenten selbst gemacht werden kann, umgeht Ripper diese Bestimmung mit dem „Code Red“, der es auch Generälen und Offizieren ermöglicht ohne die Einwilligung der amerikanischen Führung zum atomaren Angriff zu blasen. Unter den entsetzten Augen des britischen Captain Mandrake (Peter Sellers, 1) werden die Bomber los geschickt.
Um den schlimmsten Ernstfall noch rechtzeitig zu verhindern, trifft sich die amerikanische Führung, unter Leitung von Präsident Muffley (Peter Sellers, 2), in einem unterirdischen Komplex, genannt den „War Room“. Hier ist man, bis auf den hitzköpfigen General Turgidson (George C. Scott), alles andere als begeistert von den Plänen Rippers, weshalb man sich gar entschließt direkt mit der sowjetischen Führung das weitere Vorhaben zu besprechen. Gleichzeitig versucht man noch immer vergebens Ripper direkt zu kontaktieren, dieser hat sich jedoch vollkommen auf seinem Stützpunkt verschanzt und setzt alles daran, das niemand die Rückzugcodes für die Bomber in die Hände bekommt. Als im War Room durch den russischen Botschafter de Sadesky (Peter Bull) auch noch verkündet wird das sobald die Sowjetunion angegriffen wird die „Weltvernichtungsmaschine“ gezündet wird, scheint der Untergang der Menschheit perfekt. Einzig und alleine der deutsche Wissenschaftler Dr. Seltsam (Peter Sellers, 3) scheint nun noch eine Lösung in seinem immer wieder zum Hitlergruß ausrufen wollenden Ärmel zu haben...
„Mein Führer! I can walk!“
- Dr. Seltsam -
„Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ gilt bei vielen Cineasten noch heute, und das sicherlich auch vollkommen zurecht, als eine der besten Satiren auf die Militärmaschinerie. Dabei war der Film ursprünglich gar nicht mal als schwarz-humoristische Sicht auf Generäle, ihre Besessenheit von Macht sowie den Politikern der einst verfeindeten USA und der Sowjetunion und deren wahnhaftes Wettrüsten gedacht, sondern entwickelte sich erst im Laufe des Drehs als bitterböse Abrechnung mit diesen. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Welt gerade erst haarscharf an dem Ausbruch des dritten Weltkrieges vorbeigeschossen ist (man erinnere sich an die Kuba-Krise 1962) und man in einem, von der Hetzjagd auf Kommunisten geprägten, Land wie den USA nicht sonderlich viel übrig hatte für kritische Politfilme. So ist es sehr bezeichnend das im Erscheinungsjahr von „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ ein weiterer, ebenfalls auf der Grundlage des Romans „Red Alert“ basierender Film namens „Angriffsziel Moskau“ erschienen ist, der im Prinzip die gleiche Thematik wie auch Kubrick behandelt, diese jedoch sehr viel ernster.
Den Spagat, eine im Grunde ernsthafte Thematik extrem zu überzeichnen und somit erst den Wahnsinn des ganzen aufzuzeigen, gelingt „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ mühelos. So bietet der Filmn ein Wechselbad der Eindrücke, auf der einen Seite lacht man darüber wenn Captain Mandrake versucht den Präsidenten über ein Münztelefon zu erreichen um ihn die Rückzugcodes für die Bomber zu geben, was jedoch daran zu scheitern droht das der Brite selbst nicht genug Kleingeld bei sich hat und man ihm partout nicht auf Kosten der Regierung zum War Room durch stellen will. Das ganze ist im Grunde natürlich zum schreien komisch, andererseits zeigt der ganze Film über, wie in Zeiten von Massenvernichtungswaffen vieles von sehr kleinen Dingen und einzelnen Menschen abhängt. Man stelle sich nur einmal vor, es hätte wirklich einen paranoiden Militärmann wie Ripper gegeben, der auf eigene Hand die Sowjets mit Atombomben beschießt. Die Tatsache, das der Film auf der einen Seite als äußerst humoristische Farce durchgeht, es aber gleichzeitig schafft zu sensibilisieren, ist erstaunlich und in diesem Maße beinahe konkurrenzlos.
General "Buck" Turgidson: „Hmm... Strangelove? What kind of a name is that? That ain't no Kraut name is it, Stainesey?“
Mr. Staines: „He changed it when he became a citizen. Used to be Merkwürdigeliebe.“
General "Buck" Turgidson: „Well, a Kraut by any other name, uh Stainesey?„
Inszenatorisch mag „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ für viele aus heutiger Sicht hoffnungslos veraltet sein, all denen sei jedoch gesagt, das dies keinesfalls den Genuss des Filmes auch nur im geringsten eindämmt. Denn Kubrick beweist hier, wie in kaum einen anderen seiner Filme, wie man aus wenigen Mitteln, viel machen kann. So sind alleine die Handlungsorte mit einer Anzahl von drei verschiedenen Hauptsets schon äußerst knapp gehalten, schaffen es aber auch nicht nur die Spur von Eintönigkeit aufkommen zu lassen. Ganz im Gegenteil. Das liegt nicht zuletzt an den exzellent besetzten Charakteren, welche einen Rundumschlag auf die damalige Polit- und Militärprominenz darstellt. Da hätten wir zum einen den vollkommen paranoiden General Ripper, dessen Nachname nicht nur zufällig an den britischen Frauenmörder aus der Legende angelehnt ist. Dieser vollkommen durchgedrehte Militärmann, der glaubt das die „Ruskis“ das amerikanische Trinkwasser vergiftet hätten um die Männer unfruchtbar zu machen und deshalb selbst nur noch destilliertes und Regenwasser trinkt, steht für die die fatale Paranoia der McCarthy-Ära, in welcher die Angst vor den Kommunisten nicht nur groteske, sondern auch erschreckende Züge angenommen hat. In dieser Zeit waren es ausgerechnet deutsche Wissenschaftler, ehemalige Nazis, die man sich ins eigene Boot geholt hat um gegen die Russen bessere Waffen zu bauen un im technischen Vorteil zu sein. Dr. Seltsam, bzw. Strangelove, wie er im Original heißt, steht genau für diese Gruppe, die in die USA emigriert, doch von der alten Idelogie kein bisschen abgewandert ist. Kubrick greift natürlich zu einer extremen Überzeichnung von Dr. Seltsam, so will seine rechte Hand eigenständig immer wieder zum Hitlergruß ausholen, er selbst bezeichnet den Präsidenten gar als Führer. Vor allem am Ende, in dem Dr. Seltsam einen Monolog über die einzige Möglichkeit hält, wie die Menschheit nach der Zündung der „Weltvernichtungsmaschine“ weiterbestehen kann, schließt sich der Kreislauf wieder, sodass die sich zutragende Szenerie so durchaus auch mit der deutschen Führung des dritten Reiches hätte stattfinden können.
All diese grotesken Charaktere, es gibt natürlich einige mehr als die beiden oben beschriebenen, werden allesamt fabelhaft gespielt. Sterling Hayden („Der Pate“, Die Rechnung ging nicht auf“) spielt den vom Wahn befallenen Genreal Ripper mit einer perfekt funktionierenden Mischung aus purer Lächerlichkeit und bitter-bösen Ernst, Westernheld Slim Pickens („1941 – Wo bitte geht’s nach Hollywood“, „Bonanza“) spielt den patriotischen Cowboy aus Texas Major Kong, welcher die berühmte Rittszene auf der Atombombe gen Ende bestreitet, mit vollkommener Überzeugung an die amerikanischen Ideale glaubend, das man sich unweigerlich an den Bush-Clan erinnert fühlt, George C. Scott („Anatomie eines Mordes“, „Titanic“) als General Turgidson sorgt mit seiner vollkommen übertriebenen Mimik für wahres Gelächter. Den Höhepunkt des Filmes bietet jedoch Peter Sellers („Der rosarote Panther“, „Casino Royale“). Zum einen spielt er den wohlgesinnten Briten Captain Mandrake, der versucht Ripper aufzuhalten, den überforderten, aber doch sehr gut überlegten Präsidenten Merkin Muffley sowie den titelgebenden Dr. Seltsam. Drei sehr unterschiedliche Charaktere, die allesamt mit einer wahren Freude von Sellers gespielt werden und, vor allem Dr. Seltsam, unvergessen bleiben.
Original Filmtitel:
Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (1964)
Länge des Filmes:
Ca. 91 Minuten
Darsteller:
Peter Sellers...Group Captain Lionel Mandrake / President Merkin Muffley / Dr. Strangelove
George C. Scott...General 'Buck' Turgidson
Sterling Hayden...Brigadier General Jack Ripper
Keenan Wynn...Colonel 'Bat' Guano
Slim Pickens...Major 'King' Kong
Peter Bull...Russian Ambassador Alexi de Sadesky
James Earl Jones...Lieutenant Lothar Zogg
Tracy Reed...Miss Scott
...
Regisseur:
Stanley Kubrick
FSK:
Ab 16 Jahren
\\\\ Fazit ////
Seine Kernaktualität mag „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ mittlerweile sicherlich verloren haben, trotzdem kann man nicht abstreiten das die kongeniale Satire auf die Kriegsmaschinerie und den Wahnsinn des Wettrüstens auch in der heutigen Zeit noch immer funktioniert, in welcher viele Nationen weiterhin auf ihre Atombomben bestehen und das Militär noch immer in einer erschreckend mächtigen Entscheidungsposition steht. Filmisch gesehen überzeugt dieses noch recht frühe Werk von Kubrick, neben seinem schwarzen Humor, vor allem durch den hervorragend besetzten Cast, allen voran natürlich Peter Sellers.
9/10 Punkte für „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ und somit fünf Sterne als Wertung.
36 Bewertungen, 12 Kommentare
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28.03.2010, 15:44 Uhr von Steinbock78
Bewertung: sehr hilfreichLiebe Grüsse Steinbock78
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31.01.2010, 14:35 Uhr von topfmops
Bewertung: besonders wertvollDas ist ein PFLICHFILM!!
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29.01.2010, 17:13 Uhr von hjid55
Bewertung: sehr hilfreichSehr hilfreich und liebe Grüße Sarah
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29.01.2010, 16:03 Uhr von Lale
Bewertung: besonders wertvollAllerbesten Gruß
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29.01.2010, 15:03 Uhr von Skybob
Bewertung: besonders wertvolltolle Vorstellung - BW - GLG Sven
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29.01.2010, 14:52 Uhr von spaceman159
Bewertung: sehr hilfreichfreue nmich auf gegenlesung wenn sie lusthaben
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29.01.2010, 14:49 Uhr von sigrid9979
Bewertung: sehr hilfreichWünsche ein schönes Wochenende....Lg Sigi
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29.01.2010, 14:29 Uhr von liebes35
Bewertung: sehr hilfreichGut beschrieben. LG Steffi
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29.01.2010, 14:18 Uhr von Narcottic
Bewertung: sehr hilfreichSchonmal schönes Wochenende. lg
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29.01.2010, 14:12 Uhr von Tweety30
Bewertung: besonders wertvollBW und liebe Grüße von Tweety30!
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29.01.2010, 14:08 Uhr von derkleineLord
Bewertung: sehr hilfreichklasse Bericht..von mir dafür ein sh..Grüße
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29.01.2010, 13:56 Uhr von kongostar
Bewertung: sehr hilfreichGut, besser, dieser Testericht:)
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