Mensch (Single) - Herbert Grönemeyer Testbericht

Grönemeyers "Mensch" war ein Hit, aber war er "perfekt"? Grönemeyer schreibt sicher gefühlvolle Texte und eingängige Melodien. Aber versteht jeder seine Texte wirklich? Liegt hier nicht mit ein Geheimnis des Erfolgs. Die Melodie kann man mitsummen, den Text immerhin erahnen, denn dass Grönemeyer näselt und nuschelt kann niemand bestreiten. Er bleibt auch inhaltlich kryptisch, was nicht schlecht sein muss, aber berechtigterweise Fragen stellen lässt.
Ich denke, das Lied hat deutliche Schwächen.

Poesie darf man zwar nicht auf die Goldwaage legen, aber an einigen Stellen ist Kritik angebracht:

a) Ein Mensch IST ein Mensch, weil er ein Mensch ist und nicht weil er verschiedene Eigenschaften hat (sonst wären wir sehr schnell in einer Behindertendebatte). Er IST Mebsch, er HEISST nicht nur so.

b) Die Liste von Eigenschaften (die des Vergessens, Verdrängens, Kämpfens, Lachens) folgt keinem inneren Zusammenhang. Man könnte einen konstruieren: erst das Nichtwahrhabenwollen und Verdrängen, dann das Hoffen und Kämpfen, schließlich das Glauben und Vertrauen (auf Gott?). Dazwischen eingesprengt aber sind andere Eigenschaften, und auch die schon genannten wiederholen sich.

c) So manches ist dem Reim geschuldet: Was heißt es denn, wenn ein Mensch "STÄHLT"? Immerhin reimt es sich ja auch "ERZÄHLT". Aber ist das Rechtfertigung genug?

d) Das "ICH WILL NICHT DEINE LIEBE, ICH WILL NUR DEIN WORT" passt meiner Meinung nicht in den Textzusammenhang. Wenn dieses Lied seiner verstorbenen Frau gewidmet ist, was soll dann das?

Nicht dass ich missverstanden werde. Ich habe nichts gegen den Erfolg des Liedes (auch wenn mir Dein Weg wesentlich besser gefällt) und schon gar nichts gegen Grönemeyers gelungenes Comeback mit seiner ersten Nr. 1-Single überhaupt. Aber es muss erlaubt und sogar erwünscht sein, kritische Fragen an ein alles in allem gelungenes, wenn auch nicht voll überzeugendes Lied zu stellen.