Die Orks (Taschenbuch) / Stan Nicholls Testbericht

Vorwort
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Um es gleich vorweg zu nehmen: ich werde mein gelesenes Exemplar des Buches "Die Orks" wieder verkaufen. Jedoch nicht, weil ich von dem Buch enttäuscht bin, sondern weil ich die "hässlichere" Ausgabe in langweiligem schwarz des Piper-Verlages habe.

Das Buch & der Autor
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Das triste, einfache und langweilige Äußere hat das Buch wirklich nicht verdient. Doppelschneidige Orkaxt auf dem Cover hin oder her - das Auge liest mit. Die Erstveröffentlichungen im Heyne-Verlag mit dem viel ansehnlicheren Frontbild, mit zwar der selben Axt, aber noch einem Landschaftsstrich im Hintergrund, in abgestimmten Erd- und Brauntönen, stimmen da viel besser auf die bevorstehende Geschichte ein.
Wie es zu den beiden Erscheinungen kam, kann ich nicht sagen. Fakt ist: ein Buch, 2 Verlage. Mein Exemplar ist 2005/2006 als geistiges Eigentum von Stan Nicholls im Piper-Verlag erschienen. Christian Jentzsch übersetzte das Fantasy-Epos, welches eigentlich 3 Einzelbücher zusammenfasst (1.Buch: "Leibwächter des Blitzes"; 2.Buch: "Legion des Donners"; 3.Buch: "Krieger des Sturms") des gebürtigen Londoners. "Die Orks" machte als Überraschungsbestseller Nicholls, ehemals Buchhändler und Journalist, berühmt. 2007 erschien die Fortsetzung "Die Orks - Blutrache".

Als Fantasy-Fanatiker wusste Nicholls, wie er sein Debüt aufzubauen hatte. Bevor der Leser auf die Reise durch die 800 Seiten umfassende Geschichte geschickt wird, bekommt er von ihm noch eine Landkarte und ein altes Kriegstrupp-Marschlied mit auf den Weg. Diesmal heißt der Handlungsort "Maras-Dantien" oder "Zentrasien", wie ihn die Menschen nennen und ist ein Hort von Fabelwesen, Mythen und Legenden.

Die Geschichte
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Maras-Dantien liegt im Sterben. Das Land blutet magisch aus. Grund hierfür: der Raubbau der Unis und Mannis. Eine riesige Gletscherzunge schiebt sich von Norden unaufhaltsam über das Land und verändert das Klima merklich. Die älteren Rassen hegen deswegen einen erheblichen Groll gegen die Menschen. Allen voran die Orks, die einen erbitterten Kampf gegen die Neuankömmlinge führen. Jennesta, Königin der Orks und mächtige Zauberin, spürt deutlich den Verfall der Erdmagie, welcher sie selbst schwächt und ihre Eroberungspläne für ganz Maras-Dantien zu Nichte zu machen droht. Doch sie sieht eine Chance. Sie schickt ihren Elitetrupp - die Vielfraße - um ihr ein verschwundenes magisches Artefakt wiederzubeschaffen um somit die Entscheidung im Kampf gegen die Menschen herbeizuführen. Anfangs erscheint der Auftrag einfach, doch es gibt auch Andere, die auf der Jagd nach dem Instrumental sind und schon bald sieht sich Stryke einer weit größeren Frage gegenüber: Treue oder Freiheit.

Leseprobe
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Vor lauter Leichen konnte Stryke den Boden nicht mehr sehen. Er war taub vom Geschrei und vom Klirren des Stahls. Trotz der Kälte stach ihm der Schweiß in die Augen. Seine Muskeln brannten, sein Körper schmerzte. Blut, Schlamm und verspritze Hirnmasse befleckten sein Wams. Und jetzt gingen noch zwei von den widerlichen, weichen rosa Geschöpfen mit Mord im Blick auf ihn los. Er genoss den Spaß.
Er hatte keinen sicheren Stand mehr und strauchelte. Der reine Instinkt ließ ihn das Schwert hochreißen, um dem ersten Hieb zu begegnen. Der Aufprall fuhr ihm durch Mark und Bein, hielt die andere Klinge aber auf. Er wich hurtig einen Schritt zurück, duckte sich und stürzte wieder vorwärts, unter der Deckung seines Gegners hindurch. Das Schwert bohrte sich in den Bauch seines Feindes. Stryke riss es rasch aufwärts, tief und fest, bis es eine Rippe traf und Gedärme aus der Wunde glitten. Das Geschöpf ging mit verdutzter Miene zu Boden.

Erfahrung & Fazit
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In den letzten Jahren haben ja bereits andere Romane mit den Namen der jeweiligen handelnden Fabelwesen für Aufsehen gesorgt. Nicholls hat sich einer der dunklen, bösen Rassen der Fantasy angenommen. Nachdem ich schon Christoph Hardebuschs "Die Trolle" gelesen hatte, war ich natürlich gespannt, wie Nicholls den Spagat zwischen Heldenfigur und Grundcharakterzüge der Orks schaffen würde.
Auch Nicholls bedient sich des typischen, abrupten, unvermittelten Einstiegs in die Handlung.
Die Orks sind ein Kriegervolk und somit befindet man sich natürlich zu Anfang gleich in einem Gefecht wieder. Die verachtende, abstoßend darstellende Beschreibung der Menschen aus der Sicht der Orks klärt sofort die Fronten. Doch dieser raue, schlächterische Charakterzug weicht mit der Länge des Buches auf und Nicholls dreht den Spieß der boshaften Todesbringer in Richtung Retter der bekannten Welt.
Was der Autor hier an Charakteren herausgearbeitet hat gefällt auf Anhieb. Stryke als geborener, starker und intelligenter Anführer, Coilla als weibliche Gesprächsgefährtin, Haskeer und Jup, die Streithälse der Gruppe. Das ultimativ Böse findet in Jennesta eine würdige Figur. Blutrituale, Ergötzen am Leid anderer und harte, erbarmungslose Strafen für Versager zeichnen ein deutliches Bild. Teilweise trifft hier Brutalität und Grausamkeit auf Erotik und Wolllust - eine gute Mischung. Jeder bedeutende Charakter wirkt authentisch und durchdacht. Wie jedoch bei vielen Fantasy-Epen klebt auch an dieser Geschichte das Blut des "Herrn der Ringe". Eine Gruppe macht sich auf den Weg durch ein Vielvölkerland um Instrumentale zu suchen, die am Ende das große Übel abwenden bzw. zerstören sollen.
Doch es handelt sich bei "Die Orks" um mehr als eine billige Kopie. Nicholls zeichnet den Artenreichtum durch viele Begegnungen mit den einzelnen Rassen scharf. Egal ob Pixies, Zentauren oder Nyadd - die Anzahl der unterschiedlichen Rassen muss den Leser zwangsläufig irgendwann misstrauisch machen. Doch Nicholls hat seiner Phantasie hier deutlich freien Lauf gelassen und das lässt es nie langweilig werden.
Der Trupp um Stryke - die Vielfraße - kommt zudem nie zur Ruhe. Von einem Gefecht stürzen sie ins nächste, das dann aber ebenfalls nicht sehr lang dauert. Es gibt de facto keinen Gegner, der den Orks auch nur Ansatzweise gewachsen wäre.
Ein wenig unglaubwürdig stieß mir ebenfalls auf, dass kaum einer der kleinen Ork-Elitetruppe dabei sein Leben lässt. Zwar entstehen durch diesen Aufbau keine Längen, jedoch wird das ewige eintönige und zumeist recht knappe Gemetzel schnell langweilig. Weniger ist manchmal eben doch mehr.
Zu einfach erscheint mir auch die Suche nach den Instrumentalen. Keiner der Vielfraße hat eine Ahnung, was sie bewirken oder wo sie sich befinden, dennoch stolpern sie quasi über Leute, die es wissen. Hier haben die Haupthelden einfach zu viel vom Glück abbekommen. Es ist quasi vorprogrammiert, dass es ein Happy End geben muss.
Solche kleinen Schwächen bügelt Nicholls jedoch mit perfekten Szenenwechseln zwischen verschiedenen Zeitsträngen aus. Es wird nie langweilig. Die Handlung tritt nie auf der Stelle. Eine besonders gelungene Sache sind die "Träume" Strykes von einer perfekten Orkwelt. Sie zeigt die Orks nicht nur in einem anderen Licht, sondern schürt unterschwellig weiter die Zweifel an der Natürlichkeit der Artenvielfalt Maras-Dantien. Doch der Spannungsbogen, welche Macht die Instrumentale haben, bleibt bis zum Schluss. Nicholls lässt erst kurz vor Schluss die Katze aus dem Sack. Der Schluss wirkt wiederum etwas überhastet und abrupt. Ein wirkliches, abgeschlossenes Ende gibt es nicht. Vielmehr ist es eine Überleitung für einen weiteren Teil. Zum einen ist das schade, denn es zerstört einwenig die Atmosphäre des Buches und es lässt den Leser in seinem Wissensdurst einfach zurück. Man hat den Eindruck noch weiter lesen zu müssen, wo es jedoch nicht geht.
Erzähltechnisch kann man die Erfahrung und Fantasy-Begeisterung Nicholls deutlich erkennen. Szenen und Bilder beschreibt er ebenso detailliert und stimmungsvoll wie die Fabelwesen.
Die Geschichte ist gut durchdacht, verpackt und fesselt bis zum Schluss, ja sogar darüber hinaus. Kleine Lachmomente lockern immer wieder die Kampfatmosphäre auf.
Jedoch kommt man in der Geschichte immer wieder an Punkte, an denen man sich für eine Richtung entscheiden muss und Nicholls ist hier meist einen anderen Weg gegangen als den ich mir vorgestellt hatte. So hätte ich mir einen großen Endkampf zwischen Jennestas Armee und Strykes Deserteuren gewünscht. Es ist zwar nichts neues, wäre aber logisch und einleuchtend. Doch vielleicht wollte sich Nicholls noch einpaar Optionen offen lassen.
Ich bin jedenfalls bei all dem Genörgel ganz und gar nicht enttäuscht von dem 800-Seiten-Epos und kann es mit gutem Gewissen als erstklassige Unterhaltungsliteratur für Elfen-, Zwerge- und Trollfreunde weiterempfehlen.
ISBN 3492286135