Schändung (Taschenbuch) / Jussi Adler-Olsen Testbericht

Schaendung-taschenbuch
ab 9,56
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Summe aller Bewertungen
  • Niveau:  durchschnittlich
  • Unterhaltungswert:  hoch
  • Spannung:  hoch
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  ausschmückend

Erfahrungsbericht von LilithIbi

"Physisch würde der Mann überleben, aber innerlich war er tot."

4
  • Niveau:  anspruchsvoll
  • Unterhaltungswert:  durchschnittlich
  • Spannung:  durchschnittlich
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Stil:  ausschmückend
  • Zielgruppe:  Männer

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Aber dann fand auch sie Spaß an der Sache. Sie trugen den Jungen eigenhändig zur Schule zurück und sorgten dafür, dass der Krankenwagen kam und ihn abholte. Anfangs waren sie etwas besorgt, aber der Junge hielt dicht. Er kam überhaupt nie zurück in die Schule. Das Gerücht wollte wissen, dass ihn sein Vater mit nach Hongkong genommen hatte, aber das musste nicht stimmen. Ein paar Tage später schnappten sie sich im Wald einen Hund und prügelten ihn zu Tode. Von dort führte kein Weg mehr zurück.“
(Zitat, S. 24 – 25)

Nachdem ich erst den dritten und sodann den ersten Teil rund um Jussi Adler Olsen Thriller rund das Sonderdezernat Q gelesen habe, lag es beinahe auf der Hand, dass ich sobald als möglich ebenfalls

==“Schändung“==
lesen wollte. Die Weltbildausgabe gestaltet sich insgesamt handlicher als vorherige Bindungen; wodurch sich die 460 Seiten allerdings auch nicht schneller lesen lassen. Nichtsdestotrotz beanspruchte diese Lektüre mehr meiner Tageszeit; aus dem einfachen Grund heraus, dass es zum einen früher Dunkeln wird ~ und zum anderen darauf basierend, dass die Geschichte des Buches sich nicht so derartig fesselnd gestaltete, wie es bei den anderen Bänden der Fall gewesen ist.

Erfreulicherweise funktioniert "Schändung" ebenfalls völlig für sich alleine; Verknüpfungen zu vorangegangenen Ereignissen wunderbar eingewoben, so dass der Leser mit allen notwendigen Informationen vollends versorgt ist.
Die Einführung der Assistentin Rose bringt frischen Wind in Carl Mørck's Kellergeschossbüro und zu guter Letzt wurde sogar auf einen ausufernd behandelten zweiten Ermittlungsfall verzichtet. Jener läuft hier eher am völligen Rande ab, brachte kurz die meinige Vermutung mit sich, dass es schlussendlich doch nur ein einziger Täterkreis sein könnte, der hierfür verantwortlich sein würde... mit der Offenbarung, dass dem nicht so ist, nehme ich dem Buch meines Empfindens nach kaum etwas vorweg, eben weil „die Toten in den Müllcontainern“ während des Lesens der eigentlichen Geschichte generell beinahe in Vergessenheit gerät.
Durch einen Prolog wird der Leser erneut von der ersten Seite an mit einer Hochspannung konfrontiert, der zwar durch den Originaltitel „Fasandæberne“ (noch besser) fungiert hätte, sich abschließend jedoch als noch raffinierter erweist, als der Leser es eingangs verspüren dürfte.

Hinderlich daran, mich persönlich erneut regelrecht an die Seiten zu pappen lediglich der Aspekt, dass beinahe von Anfang an klar ist, zu welchen Taten die obendrein benannten Täter in der Lage sind und das die junge Kimmie sich dergestalt von ihnen löste, dass sie seit Jahren auf der Straße lebt. Das große „warum und was war genau“ lässt sich hier und dort ein wenig zu viel Zeit; der Autor spielt so eklatant mit Andeutungen, dass es mich bei diesem Werk ebenfalls wunderte, wie jemand nicht ad hoc auf die naheliegende Auflösung aka „was mag Kimmie da bloß in ihrer Tasche umhertragen“ kommen sollte.

Sprich: "Schändung" weist immer wieder ein paar Längen auf, überforderte mich persönlich vereinzelt mit einer überladenen Detailflut und machte es mir schwer, mich zwischen den ganzen Informationen und nicht zuletzt quasi 6 Täter-Lebensläufen fürwahr zurechtzufinden.
Pikant fürwahr, dass sich unter den Verdächtigen ausschließlich Kinder von reichen Eltern befinden, die, nachdem ein Einzelner von ihnen die alleinige Schuld für den zentralen Mord an einem Geschwisterpaar auf sich nahm, nach wie vor im Zentrum der Öffentlichkeit stehen.

Weniger gelungen meiner Meinung nach hingegen der Versuch, jedem einzelnen mit einer Hintergrundbasis auszustatten, um die Figuren für den Leser greifbarer zu machen ~ mag sein, dass der Umstand der mir nicht allzu geläufigen dänischen Namen, die naturgemäß nicht stetig mit Vor- und Zuname genannt werden, zu meiner Schwierigkeit beitragen, hier vollends diverse Charaktere vor mir zu sehen. Womöglich ist es im Grunde auch gar nicht allzu wichtig, sich zu merken, dass Bjarne in der Rangordnung ganz unten, Wolff hingegen ganz oben, Ditlev nebst Ulrik irgendwo dazwischenstehen und Torsten jener ist, der mit diversen Jagdverstantaltungen, die gegen zig Gesetze gleichzeitig verstoßen, Ansehen erhält.

Als ich das Buch jedoch aktuell las, konnte ich dies naturgemäß nicht wissen... und seufzte einmal mehr über meine eigene Unfähigkeit, mir so etwas wie ein Namensgedächtnis anzutrainieren.
Wie dem aber auch sei ~ "Schändung" kreist an für sich lediglich um die gegenseitige Verfolgungsjagd der einstigen Internatsgruppe, die quasi aus reinem Vergnügen heraus zufällige Opfer auswählte, um diese buchstäblich zu Tode zu foltern. Kimmie wandte sich seinerzeit nach eskalierenden gruppen-internen Ereignissen ab, wird seitdem von Lakaien und Privatdetektiv verfolgt, hegt ihrerseits einen mindestens genauso großen Groll auf die Jungs, die sich seinerzeit Freunde nannten.

Carl Mørck beschäftigt sich mit dem eigentlich abgeschlossenen Fall tatsächlich nur, weil die Akte scheinbar aus heiterem Himmel auf seinem Tisch landete und offensichtlich immer wieder Spuren gelegt werden, die für das Ermittlerduo Carl und Assad trotz des Verbotes von oberster Stelle, weiterhin nachzuforschen, über kurz oder lang einige Überraschungen und weitere aufgedeckte obskure Todesfälle parat halten.

~ Was der Autor hochspannend und nahezu nervenzerreißend gestalten wollte, mag den die Lesefreude des ein oder anderen durch die etlichen Verstrickungen ein wenig ermüden ~ so ganz offenbart sich meiner Ansicht nach nämlich nicht, wieso Jussi Adler Olsen nicht gradliniger vorgegangen ist. Hin und wieder erweckt “Schändung“ dein Eindruck, Zeit schinden zu wollen ~ Zeit, die jedoch kaum etwas wirklich wissenswertes oder gar den Leser umhauendes hervorbringt.

Lobenswert somit der Umstand, dass auf S. 285-286 förmlich eine Art Zusammenfassung der Eckpfeiler dargeboten wird, um auch den Leser nochmal auf den aktuellen und durchleuchteten Stand zu bringen ~ ein Usus, dem sich Jussi Adler Olsen ebenfalls in seinen anderen Thrillern bedient und somit einen absoluten Pluspunkt in meinem Herzen erhielt.

Gelungen zweifellos ebenso die steten Wechsel der Erzählperspektive, durch die die Geschichte von diversen Seiten aus vorangetrieben wird und immer wieder ein weiteres Puzzlesteinchen zu liefern versteht.
Besonders positiv hervorzuheben erneut der kongeniale Schreibstil, der von Carls sarkastisch-mürrischer Art vollends abgerundet wird. Zeilen wie

“Es war Ende September und über zwanzig Grad warm, was gab es da eigentlich zu grinsen? Die Menschen sollten den Kopf in den Nacken legen und erschrocken zum Ozonloch hochstarren“.
(Zitat, S. 156)

sowie

„Der Mann mochte zwischen sechzig und fünfundsechzig sein, er hatte weißes Haar und um die Augen lauter Lachfalten. Die hatte vermutlich das Entzücken über flauschige kleine Tierkinder im Lauf der Zeit eingefräst. In diesem Moment wirkte er weniger entzückt.“
(Zitat, S. 306)

lockern die Lektüre immer wieder auf, bringen mich persönlich zum amüsiert-begeisterten Grinsen und personifizieren das, was mich an den Veröffentlichungen rund um das Sonderdezernat Q so überzeugt. Wie bereits erwähnt wird Rose als Neuzugang bravourös eingeführt, die Dialoge, die sie mit Carl bestreitet, sind zugleich unterhaltsam wie zum fassungslosen Kopfschütteln prädestiniert. Sprich: man findet jene Momente eigentlich nur komisch, weil man nicht an Carls Stelle ist, der mit Rose's Eigenarten zurecht kommen muss.
Ferner findet der Verweis auf ihre Zwillingsschwester, die in dem darauffolgenden Werk “Schändung“ eine größere Rolle spielt, seinen wohlgeformten Platz, während man ebenso mehr und mehr Ungereimtheiten an Assads dargebotenen Charakterzügen feststellt. Auch jener Aspekt wird im Folgeband vertieft; schloss für mich, die mit dem dritten Teil anfing, rückwirkend ein paar Lücken, die gleichermaßen jedoch nicht zwangsläufig gefüllt hätten werden müssen.

Wenn jemand es beherrscht, Bücher in sich abgeschlossen zu schreiben, die nichtsdestominder ebenfalls aufeinander Bezug nehmen, ohne das man aber unbeirrbar jedes einzelne davon gelesen haben muss... dann ist es zweifellos (mitunter) Jussi Adler Olsen.

Wollte ich nur einmal gesagt haben.
Meine Kritik an „Schändung“ sorgt indes nur für geringen Punktabzug; hätte ich über diverse kleinere Langatmigkeiten wie auch den offensichtlichen Aspekt, dass der Autor einen Teil der Leser vermutlich unterschätzt (das, oder aber ich bin kriminell-denkend ausgebuffter, als ich dachte) noch hinwegsehen können, „stört“ mich im weiteren Kontext das nahezu bombastische Ende, welches darüber hinaus die meinige Theorie unterstützt, dass sämtliche Ermittlungsarbeiten an für sich überflüssig gewesen wären.

Wer „Schändung“ selbst liest, der wird aller Voraussicht nach wissen, auf was ich anspiele.
Wenn nicht, dann nicht.

==Summa summarum==
wäre ich naturgemäß weniger beeindruckt, würde „Schändung“ nicht ebenfalls durch diverse Denkanstöße bestechen und darüber hinaus den Leser obendrein vor eine Art ethischen Konflikt stellen. Förmlich unter die Haut ging und geht mir persönlich die nachfolgende Passage:

„Die Menschen sahen nur ihre aufgesprungenen Lippen und das strähnige Haar. Sie wichen vor ihren Händen und Armen zurück, die braun waren von verschorftem Blut und ein abstoßendes Bündel umklammerten. Sie sahen nicht den fiebernden Menschen in Not. Sie sahen nicht den Menschen, der da gerade zu Grunde ging.“
(Zitat, S. 371)

während das Unterfangen, ob man Kimmie nun vorrangig Mitgefühl oder doch eher Verachtung ob ihrer Taten entgegenbringen soll, eine waschechte Gretchenfrage darstellt.... zumal das abschließende Fragment des letztgenannten Zitates durchaus auf die Internats-Protagonisten selbst anwendbar sein dürfte.

Allumfassend sagte mir „Schändung“ nicht so sehr zu wie die Werke drumherum ~ trotz zweier sehr verstörenden Passagen geht der Thriller nicht so nahe, wie er könnte, verliert sich dieser jedoch ein paar Mal zu oft in ausufernden Verknüpfungssträngen, die meines persönlichen Geschmacks nach schlicht und ergreifend zu viel des Wollknäuels sind.

Ergo des Ergos: 4 Sterne, nicht ganz so rigorose Empfehlung.

25 Bewertungen, 4 Kommentare

  • Gilrae

    01.12.2014, 21:41 Uhr von Gilrae
    Bewertung: sehr hilfreich

    sh :)

  • Miraculix1967

    08.11.2011, 22:45 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein interessanter Bericht! Schönen Abend und LG aus dem gallischen Dorf Miraculix1967

  • sirikit06

    08.11.2011, 22:36 Uhr von sirikit06
    Bewertung: besonders wertvoll

    Wünsche Dir einen schönen Abend! LG

  • anonym

    08.11.2011, 13:17 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    LG und eine schöne Restwoche.