Schändung (Taschenbuch) / Jussi Adler-Olsen Testbericht

Carl Mørck, Leiter der Sonderdezernats Q, ist sich durchaus darüber bewusst, dass auch der erste und bisher einzig gelöste Fall des neu eingerichteten Sonderdezernats nicht wirklich etwas daran ändern wird, dass er auf das Abstellgleis geschoben wurde. Das Sonderdezernat Q hat die Aufgabe, lange zurückliegende und ungelöste Fälle nochmals aufzugreifen und nachzuermitteln. Trotzdem ist allen klar, das in Carl Mørck immer noch die Kraft eines der besten Ermittlers der dänischen Polizei steckt, den freilich der Tod eines Partners und die schwere Verletzung eines weiteren ihn so aus der Bahn geworfen haben, dass er für die normale Polizeiarbeit eine Belastung darstellt.
Zwar hat der erste Fall der nach Jahren der Geiselhaft befreiten Abgeordneten für gehörigen Wirbel gesorgt, das ändert aber zunächst nicht wirklich etwas daran, dass die Ausstattung des Dezernates zu wünschen übrig lässt: Im Keller untergebracht, als Hilfskraft einen irakischen Asylbewerber namens Assad, kann sich Carl Mørck auch nicht umschmeichelt fühlen. Letztere entpuppt sich zwar als wahre Nervensäge, aber auch durchaus als mehr als begabter Ermittler, der dennoch für so manchen Peinlichkeit zu haben ist.


Assad ist es auch, der auf eine Akte stößt, die gar nicht als ein Fall dem Dezernat überstellt worden war, und dennoch oben auf im Büro lag.
Der grausame Doppelmord an einem Geschwisterpaar 1987 wird darin aufgearbeitet. Verwunderlich ist nur, dass ein Täter eine lebenslange Haftstrafe verbüßt, der die Tat auch gestanden hat.
Schnell freilich erscheinen Ungereimtheiten: Der Täter war Mitglied einer Gruppe von Internatsschülern, die überaus auffälliges Verhalten zeigten.
Mehrfach ist es zu schweren Gewalttaten in dieser Zeit in dieser Gegend gekommen, einige Opfer starben. Beim Prozess um den Mord an dem Geschwisterpaar waren auch Namen andere Mitglieder der Gruppe in den Brennpunkt gerückt, die Schuld dieser aber konnte nicht nachgewiesen werden.
Über 20 Jahre später zählen die Mitglieder der Gruppe zu den Berühmtheiten des Landes, sind allesamt steinreich und allesamt pervers veranlagt.
Nur ein Mitglied der Gruppe, Kimmie, ist seit Jahren verschwunden, soll als "Pennerin" auf den Straßen der Hauptstadt leben.


Ungereimtheiten sind z.B., dass der inhaftierte geständige Internatsschüler während seiner Haftzeit enorme Gewinne auf dem Aktienmarkt macht. Auffällig ist auch, dass zumindest ein Überfallopfer der Gegend eine hohe Geldzuwendung erhalten hat, mit der eine gute Existenz aufgebaut werden konnte.
Carl Mørck wird klar, dass hinter dem Mord an dem Geschwisterpaar deutlich mehr steckt, als bei den damaligen Ermittlungen zu Tage getreten ist. Und dass sein Instinkt ihn nicht trügt, zeigen die Versuche, durch massiven politischen Druck die Ermittlungen des Sonderdezernats Q zu behindern und zu verhindern.
Schnell freilich steigt auch die Zahl der Menschen, die wegen der Ermittlungen aus dem Weg geschafft werden oder am Rande ums Leben kommen.
Carl Mørck hat in ein Wespennest gestoßen....


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Meinung
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Nachdem der skandinavische Krimiheld Wallander in die Dunkelheit der Alzheimer Erkrankung entschwunden ist, wird er fast nahtlos ersetzt von einem weiteren Spitzenermittler aus dem Land weiter südlich, Dänemark.
Carl Mørck bringt alles das mit, was Leser schnell an Protagonisten bindet: Ein Mann mit Schwächen, einer von ihm getrennt lebenden Ehefrau, die nach der Trennung ihre Fantasien mit wechselnden und durchgehend jungen Geliebten auslebt und den pubertierenden Sohn im Haus des Vaters zurückgelassen hat. Ein Assistent, der ihn bisweilen in den Wahnsinn treibt, nicht immer ganz aufrichtige Vorgesetzte und Kollegen, der aber dennoch gutmütig ist, scharfsinnig, in den Jahren des Polizeidienstes Tonnen von Erfahrung gesammelt hat.
Assad ist der Gegenpart: Immer fröhlich, Verständnisprobleme mit der Sprache hintern ihn nicht, freudig zu kommunizieren, Erfolg bei den Frauen aber gleichsam mit einem wachen Verstand gesegnet und einer unheimlichen Ausdauer, von der Carl Mørck annimmt, dass er diese bestimmt nicht in der Wüste gelernt hat.
Beide zusammen ergeben ein Ermittlerteam, das arg gegensätzlich ist, dass aus diese Gegensätzlichkeit durch aus humorvolle Szenen entstehen lässt, dass aber vor allem durch das Zusammenwerfen der Talente eine unheimlich scharfsichtige Ermittlungsarbeit zustande bringt.
Beide sind die die raufsüchtigen, pistolenschwingenden Ermittler, sondern Kopfmenschen und Denker, die Fälle mit der Ratio lösen, nicht mit dem Bizeps.
Jussi Adler-Olsen hat mit den beiden ein sympathisches Ermittlerdou gezaubert, dass im Band 2 der Reihe auf ein Trio aufgestockt wird. Rose tritt hinzu, ihres Zeichens nach eine Chefquälerin und selbstbewusstes Arbeitstier in einer Person.
Trotz dieser Merkmale wirken die Figuren nicht überzogen, sondern durchaus glaubhaft.

Wie im ersten Band "Erbarmen" ist der Spannungsbogen des Buches überaus überzeugend und durch das gesamte Buch hindurch tragend. Zwar ist dem Leser von Beginn an bekannt, was wirklich abgelaufen ist, die Art und Weise, wie sich Carl Mørck und sein Team Schritt für Schritt heranarbeiten bzw. heranpirschen müssen und das Auflösen der offenen Fragen und das Zusammenführen der einzelnen Fäden bringt aber Spannung genug.



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Buchangaben
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Jussi Adler-Olsen: Schändung
DTV (Deutscher Taschenbuch Verlag)
460 Seiten
ISBN 10: 3423247878
Preis : 14,90 Euro



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Fazit
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Adler -Olsen verwebt Charaktere der Figuren und eine überaus gelungen konstruierte Handlung wie in seinem ersten Band erneut zu einem Krimi, der auf gleiche Qualitätshöhe wie die Wallander-Reihe steht und auch den Vergleich mit den US-Autoren in keinster Weise zu scheuen braucht.
"Schändung" ist Krimikunst auf höchstem Niveau, dass es derzeit besser nicht gibt.


Michael