Arbeitslosigkeit Testbericht

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Erfahrungsbericht von AnnaH

Allzulange Arbeitslosigkeit

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Arbeitslosigkeit
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Eigentlich dachte ich mal, wer arbeiten möchte, der findet auch eine Arbeit. So war es für mich früher auch. Damit hatte ich noch nie Probleme. Wirklich lang war ich noch nie arbeitslos, nach ein paar Tagen hatte ich immer eine Stelle. Mittlerweilen bin ich etwas älter,37 Jahre schon. Was heißt älter ? Eigentlich nur etwas reifer. Alt ist doch etwas anderes. Aber fürs Arbeitsleben wohl schon. Zumindest für meinen Beruf, ich habe eben Verkäuferin gelernt. Vielleicht sollte ich doch lieber Politikerin werden, da ist Alter kein Thema. Im Gegenteil. Mit 60 Jahren ist man da im besten Alter. Aber nachdem ich letztens als Elternbeirätin auch eine Gemeinderatsversammlung ( in der es um Kindergartenthemen ging) , begrabe ich diese Idee sogleich. Das waren alles so feine Honoratioren , in mehr oder weniger gesetztem Alter, natürlich im Anzug. Eine Gemeinderätin war dabei, die einzigste Frau in der Runde, sie wurde attackiert , sie solle nicht als Frau und Mutter argumentieren, sondern als Gemeinderätin, es ginge schließlich um viel Geld. Also, wenn da Frauen und Mütter so behandelt werden, nein- danke. Also wird es doch nichts aus einer Politikkarriere bei mir. Dabei hätte ich da schon ein Bonus, ein gewisses Alter und einen staatlichen Bürgermeisterbau, mit gewichtigem Umfang. Da ich aber keine Karriere in dieser Richtung anstrebe, ist das Alter eher hinderlich. Na ja 37 Jahre ist eben relativ. Mein größtes Problem ist, dass ich nicht mehr so schlank und zierlich bin. Und eine Verkäuferin ist ja, schließlich auch das Aushängeschild eines Ladens. Wer will schon solch ein Aushängeschild haben ? Und dann ist da noch ein Makel, dass ich vier Kinder habe. Ich betrachte meine Kinder als Segen, als Geschenk Gottes. Aber ein Arbeitgeber hat da natürlich Skepsis. Vier Kinder bedeutet auch, dass es Arbeitsausfall geben könnte, wenn die Kinder krank sind.

Meine Arbeitslosigkeit kam so. Wir hatten Landwirtschaft, mein Mann war Schäfer, und ich blieb zuhause bei den Kindern. Doch im Frühjahr 2001 gab er seine Schafe her. Nun mussten wir aber auch von irgend etwas leben. Da mein Mann 11 Jahre älter ist, als ich, und keinen Beruf erlernt hatte, sagte ich, das sei kein Thema. Wir wechselten eben. Ich ging arbeiten, da ich leichter Arbeit fand. Und er blieb zuhause bei den Kindern. Ich fand gleich eine schöne Stelle, im Hornbach, einem Baumarkt in Tübingen, als Kassiererin. Dort verdiente ich gut, der Anfahrtsweg war nicht zu weit. Die Arbeit hätte mir Spaß gemacht. Aber ich kam ein paar Mal fünf Minuten zu spät, zur Arbeit. Für mich war es eine Umstellung, dass ich eben nicht mehr die Kinder in Kindergarten bringen sollte, dass ich zur Arbeit gehe, und nicht mehr vorher das Essen kochen sollte. Ich tat mal dieses, mal jenes, dass es mein Mann einfacher haben sollte. Und schon kam ich zu spät. Nicht viel, eben nur ein paar Minuten, aber das ist in einem Betrieb eben schlecht. Meine Chefin sagte zu mir, wenn ich nochmals 5 Minuten zu spät komme, fliege ich raus. Und was tat ich ? Ich kam prompt wieder zu spät. Da hatte ich die schöne Arbeitsstelle gesehen. Ich war nur vier Monate dort. Danach hatte ich sechs Wochen nichts, ich beantragte auch kein Arbeitslosengeld. Ich hatte ja noch kein Jahr am Stück gearbeitet, und dachte mir steht keines zu. Dann fing ich in einer Metzgerei an. In einer größeren mit mehreren Filialen. Dort schimpfte mein Chef, ich sei zu nichts zu gebrauchen, da ich nach zwei Tagen die Wurstsorten noch nicht alle kannte. Ein Lehrmädchen hat in der Metzgerei drei Jahre Zeit zum lernen. Ich bin aber kein Lehrmädchen, und werde voll bezahlt. Also müsse ich auch schneller lernen. Der Chef in dieser Filiale ( der gleichzeitig Bezirksleiter ist) wollte mich nicht haben, also kam ich vorerst mal in eine andere Filiale. Nach Sondelfingen, dort war die Filialleiterin auch sehr mit mir zufrieden. Aber die hatte offensichtlich nichts zu sagen. Dort war es sehr ruhig, und sie konnte mir alles erklären. Aber ich wurde ja für die Tübinger Filiale eingestellt worden, und da muss nun mal schnell gearbeitet werden. In dieser Sondelfinger Filiale dürfte ich noch eine Woche bleiben, das war meine schönste Zeit dort. Das Arbeitsklima war auch toll. Aber der Chef hatte andere Pläne, ich sollte erst mal in die Produktion und Wurst abpacken. Na ja, mein Traumjob ist das ja nicht, aber von mir aus, besser als auf der Strasse stehen. Nur leider war ich da nicht schnell und geschickt genug. Die Atmosphäre dort war auch sehr frostig. Es war wenig Arbeit da, und sobald diese fertig war, hatten alle Feierabend. Also waren schon alle argwöhnisch, und wollten diese Neue die ihnen auch noch Arbeit wegnimmt, am liebsten los werden. Ich hatte keine gute Karten, und musste gehen. Danach hatte ich Glück, mir rief der Abteilungsleiter der Metzgerei im Real an und fragte ob ich immer noch eine Stelle suche. Er hätte noch eine ältere Bewerbung von mir vorliegen. Das kam wie gerufen. Es war zwar nur eine Halbtagesstelle, aber besser als auf der Strasse stehen. Ich verdiente sehr wenig ( weniger als ich jetzt Arbeitslosengeld bekomme). Aber ich hatte wenigstens Arbeit. Nach der Probezeit wurde mein Vertrag aber nicht erneuert. Er lief nur auf 3 Monate. Ich war wohl zu langsam. Zum Glück fand ich gleich anschließend wieder Arbeit in der kleinen Molkerei in Tübingen. Dort gibt es Käse und offenen Joghurt und Quark. Fast nur Bio-Produkte. Dort lief einiges. Der Laden war ständig voller Kunden, am Wochenende standen die Kunden noch vor dem Laden Schlange, und ich war leider nicht schnell genug. Den Käse hatte ich auch nicht schön genug heruntergeschnitten, da hatten sich Kunden beschwert. Ich bin zwar eine freundliche geduldige Verkäuferin, aber das ist heute nicht mehr so wichtig. Es muss halt überall schnell – schnell gehen. Ich kann gut reden, und erfolgreich verkaufen. Das ist aber in der Lebensmittelbranche nicht wichtig, Lebensmittel verkaufen sich von alleine. Da ist das Tempo viel wichtiger. In der kleinen Molkerei hätte ich sehr gerne gearbeitet, dort war das Arbeitsklima gut, die Chefs sehr nett, und die Arbeit hatte auch Spaß gemacht.

Nun ja, seither bin ich also leider arbeitslos. Die Konjunktur ist ja immer noch unten. Seither läuft gar nichts mehr. Es gibt ja nicht viele Arbeitsstellen, und wenn, dann werde ich nicht berücksichtigt.

Mit vier Kindern und keiner Traumfigur mehr, wird man nicht so einfach eingestellt. Und dann vor allem diese Zeugnisse im letzten Jahr. Vier Arbeitsstellen in einem knappen Jahr, das sieht natürlich nicht gut aus. Seither habe ich cirka 70 Bewerbungen geschrieben, nichts. Man wird ja immer deprimierter und glaubt nicht mehr an den Erfolg. Man verliert den Glauben an sich selbst. So langsam finde ich mich wirklich zu dick und zu dumm, um eine Stelle zu finden. Das Arbeitslosengeld bekomme ich für ein Jahr, und das läuft bald aus. Das Geld ist seither immer knapp. Ich kann den Kindern keine Schuhe mehr kaufen, nichts mehr. Ich bin Elternbeirätin in der Realschule und im Kindergarten. In der Realschule gab es einen Eltern / Lehrer Ausflug. Da wäre ich gerne mitgegangen. Da hatte man sich auf einer Hütte getroffen. Für die Lebensmittel und die Hüttenbenutzung hätte ich 8 Euro bezahlen müssen, und dann noch das Spritgeld dorthin auf die Alb. Nicht mal mehr das kann ich mir leisten, also blieb ich eben zuhause. Ich fragte auf der Bank nach Geld. Seit Weihnachten haben wir das Konto gewaltig überzogen, wir waren über 8000.- € im Soll. Ich bekam nicht mal mehr 20 Euro für Lebensmittel, und das vor Weihnachten. Uns war es oft zum Heulen. Die Bank schaltete sich auf stur. Wir sahen monatelang nicht mal das Arbeitslosengeld und das Kindergeld. Das alles wurde durch das Soll einfach aufgefressen, ich konnte kein Geld holen.
Ich musste meine Eltern fragen, damit ich wenigstens Geld hatte um in der Tafel einzukaufen. Dort gibt es Lebensmittel die bald ablaufen, für Arbeitslose, und Leute die eben extrem wenig Geld haben billiger. Dort kaufe ich zwei Mal die Woche für 2.50 Euro ein, für den gesamten Einkauf. Und das konnte ich mir schon kaum leisten. Nun hatten wir eine Lebensversicherung aufgelöst, um von diesem gigantischen Soll runter zu kommen. Aber wenn die Arbeitslosigkeit weitergeht, das Arbeitslosengeld der Arbeitslosenhilfe weicht, dann sind wir schnell wieder im Soll. Davor habe ich Angst. Was ist dann, wenn das Geld noch weniger wird ?

Mittlerweilen bekam ich vom Arbeitsamt ein Schreiben, eine Einberufung zu einer Trainingsmaßnahme , einem B.O.L. Kurs, das ist ein berufsorientierter Lehrgang. Da erstellt und vervollständigt man seine Bewerbungsunterlagen, erhält Hilfe beim Anfordern eines Arbeitszeugnisses, Rechtsberatung, Einzelberatung, und vor allem ist es auch ein PC-Kurs. Zur Erlernung von PC- Kenntnissen in Words und Internet. Das braucht man heute einfach im Arbeitsleben. Das ist ganz schön interessant, vor allem kommt man auch mit anderen Arbeitslosen zusammen, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Viele erfahren hier erst dass sie ein Recht auf Arbeitszeugnisse haben, und wer will, dem wird auch geholfen, eines einzufordern .

Aus dem Kurs heraus ist jetzt schon der erste in Arbeit. Ich hoffe natürlich auch durch bessere Bewerbungsunterlagen auch schnell wieder Arbeit zu finden. Im Moment genieße ich den Kurs einfach, mal am P.C. zu sitzen, und das alles mal richtig zu lernen. Meine Bewerbungsanschreiben sind jetzt auch flotter, ich bekomme so langsam endlich wieder Zuversicht. Das eigene Selbstvertrauen leidet ja schließlich gewaltig unter langer Arbeitslosigkeit.

© Sabine Luz, Tübingen den 11.03.2003 für Ciao und Yopi

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