Erfahrungsbericht von annonymus
Adios Amor...
Pro:
Euro juchee :o))
Kontra:
DM ade :o((
Empfehlung:
Nein
Heute ist es nun soweit gewesen: wir sind unseren letzten gemeinsamen Weg gegangen, meine letzten DM-Münzen und ich. Eigentlich hatten wir uns schon verabschiedet, wie es sich für brave vorausschauende Neu-Euro-Bürger gehört vor einigen Wochen, als die Schlangen an den Banken langsam zurückgingen. Aber die DM ist hartnäckig und tückisch: soooo leicht sollte ich sie nicht loswerden – am einen Tag fand sich plötzlich doch noch ein versprengtes Münzchen im Geldbeutel, am nächsten lachte mir ein anderes frech aus einer Hosentasche entgegen; es gibt unendlich viele Verstecke für Münzen, die dem Umtausch-Tod entgehen wollen...
So hab ich resigniert, und sammelte bis zum letzten Tag – sentimental und nostalgisch, aber doch auch realistisch praktisch denkend. Schweren Herzens machten wir uns dann in einem zur Feier des Tages extra schönen Geldbeutel frühmorgens auf den Weg zur Bank meiner Wahl. Und was passierte? Die wollten uns nicht! Ungeachtet meiner wehmütigen Abschiedsgefühle schmetterte uns die Dame am Schalter entgegen: "Unter 6 DM nehmen wir nichts mehr an, das können wir nicht verbuchen; geben Sie's noch irgendwo aus, oder spenden Sie's." Nun denn, ich leide ja seit Jahr und Tag unter den rüden und seltsamen Methoden meiner lieben Zweitbank, und da man an einem solch denkwürdigen Tag nicht streitet, habe ich nur müde gelächelt, und Münzchen für Münzchen in das extra am Schalter plazierte Spardöschen klimpern lassen.
Interessant wäre es dennoch gewesen, mal vorsichtig nachzufragen, ob der Dame denn bekannt wäre, daß eigentlich seit dem 01.01. der Euro auch hierzulande das offizielle Zahlungsmittel ist, und niemand, nicht mal der Einzelhandel, mehr verpflichtet ist, DM-Restbestände anzunehmen. Außer den Banken... So wünsche ich allen Kassenkräften viel Spaß, wenn sie an diesem sonnigen Tag mit den allerletzten kleinen Schlafmünzen verzweifelter Bankkunden konfrontiert werden, die unbedingt auch ihre Unter-6-DM loswerden wollen und nicht so wohltätig gesinnt sind wie ich ;o))
Ich gebe es zu: ich war vermutlich einmal der größte Euro-Skeptiker von allen. Wozu schon wieder neues Geld? fragte ich mich heimlich, und ließ ich auch öffentlich verlauten. Ja, ich erinnere mich noch an die viiiiel schöneren alten DM-Scheine, und ebenso erinnere ich mich auch an die erstaunten und verblüfften Gesichter mancher Kunden an ‚meiner’ Kasse, die noch vergangenes Jahr mit alten Scheinen (wo immer sie die noch herzauberten) ihre Konsumgüter erwerben wollten, und denen ich leider mitteilen mußte: "Damit können Sie aber schon lange nicht mehr bezahlen."
Doch die Zeit ging ins Land, und auch ich fiel der Gehirnwäsche zum Opfer, und langsam, ganz langsam wie es sich für den behäbigen und leicht konservativen Süddeutschen gehört, begann ich ihn zu lieben, den Euro.
Im letzten Urlaub wurde es mir dann ganz deutlich klar: ich bin ihm bereits verfallen. Ich weilte in den benachbarten Niederlanden, und wie immer hatte ich das Urlaubsbudget zu knapp kalkuliert und stand vor der leidigen Entscheidung (wie schon so viele Male zuvor), entweder meine im Geldbeutel noch vorhandenen DM-Bestände einzutauschen, oder mich in noch größere Unkosten zu stürzen und Gulden vom Geldautomaten zu holen. Das wäre ja alles nicht so ärgerlich, wenn man bei der Rückkehr in heimische Gefilde allen Bemühungen zum Trotz nicht immer noch ein paar letzte Münzen im Urlaubsgepäck finden würde – zu viele, um sie einfach zu ignorieren, aber viel zu wenige, um die Bank damit zu belästigen ("Nein, Münzen tauschen wir generell nicht um – bei Fremdwährungen bitte nur Scheine!!!!"). Das erfordert vom müßigen Urlauber wieder Denk- und Kalkulationsleistungen: wieviel Geld werde ich noch benötigen? Muß ich am letzten Tag wieder krampfhaft überflüssige Souvenirs erstehen, um dem heimischen Umtausch-Gerenne zu entgehen? "Ach, hätten wir nur schon den Euro, dann wäre das alles gar kein Problem," hörte ich mich zu meinem eigenen Erstaunen zu meiner Urlaubsbegleitung sagen, und ich erntete beifälliges Nicken.
Natürlich hatte ich schon vorher die Auf- und Abschwünge des noch fiktiven Euro skeptisch beobachtet, die der Dollar mit ihm anstellte. Eine wahre Zitterpartie, bei der dem zukünftigen Euro-Zahler und Harte-DM-Gewohnten eigentlich Angst und Bange hätte werden müssen – aber ich bin ja bekanntlich Optimist *lol*. In Mit-Euro-Ländern stand ja der Kurs lange schon fest, auch wenn es einige Zeit dauerte, bis ich das in meinen mathematisch-logisch eher trägen Kopf bekam. Doch wir sind alle Europäer, und so fand ich mich nach der Urlaubserfahrung auf dem Oktoberfest prompt in bierseliger Laune mit italienischen Mitbetroffenen in fröhlichem Plausch über ihn, den Euro. Außer mir wollte zwar bestimmt niemand wissen, wie der Gute denn nun in Italien ausgesprochen wird, aber was soll's *g*. Zumindest hatte ich gelernt: eine Blamage wie auf der letzten Familienzusammenkunft sollte mir nicht mehr passieren. Da – es war verzeihlich, da zu Anfang des Jahres 2001 – beging ich nämlich den etwas peinlichen Fauxpas, meinen österreichischen Verwandten zu erklären: "Und ja, WIR bekommen ja nächstes Jahr den Euro." *rotwerd*.
Und wie es sich für den Euro-Fan gehört, erwartete ich sehnsüchtig den Tag, an dem ich ihn das erste Mal in Händen halten konnte – nicht als schwarz-weiße Zahl auf dem Kontoauszug, sondern so richtig; und da ich schon ahnte, daß hier in der bayrischen Metropole die Schlangen für die Starter-Kits lang werden würden, rief ich kurzerhand die Mama an, damit sie für mich auf der gemütlicheren ländlichen Bank meines heimatlichen Dorfes ein solches Päckchen reservieren konnte.... und was sagte die noch Anfang Dezember daraufhin: "Wie Starter-Kit? Was interessiert mich denn jetzt schon der Euro??"
Bis auf die erfahrenen und nun schon leicht in Panik befindlichen Geldfälscher dachten wohl viele Landsleute ebenso: wozu sich denn jetzt schon mit dem Euro befassen? Ersteren habe ich es übrigens zu verdanken, daß ich im Lauf der vielen Jahre als Kassenkraft im Dezember die erste Blüte in Händen hielt, die mir je unterkam – hilflos, ratlos, ahnungslos. "Hilfe, Chef," rief ich, "was macht man bitte mit falschen Hundertern?" Und ebenso ratlos und schulterzuckend sah mich mein Chef an und murmelte etwas von: "Nicht annehmen... auf keinen Fall annehmen..." Die Weisung von 'oben' hing dann ein paar Tage später aus – offensichtlich war ich nicht der Einzige mit solchen Erfahrungen. Leider ist mir dann kein Falschgeld mehr begegnet, an dem ich mein neu erworbenes Wissen gleich mal hätte testen können :o(( Für alle Unwissenden übrigens: einkassieren, Polizei rufen, und den Erklärungsnotstand dem mehr oder weniger arglosen früheren Besitzer überlassen...
Die Geldfälscher sind natürlich eine Minderheit, so daß ein anderer Punkt wesentlich auffälliger war: gegen Ende Dezember setzte sie auch bei Otto-Normalbürger ein, die Erkenntnis, daß nun wirklich bald der Untergang des Abendlandes... äh, sorry... der geliebten DM natürlich, droht. Dies hatte für den Menschen an der Kasse zwei Auswirkungen: einmal ein immenser Andrang an Münzen, in ungewohnter Masse ("Kann ich bei Ihnen mit meinem Kleingeld bezahlen?" gefolgt von einem Haufen Mini-Münzen, der einem vor die Nase geknallt wurde und zu leidiger Zählarbeit führte...), zum anderen das ungewohnte Auftauchen wirklich großer Scheine, mit denen die mickrigsten Beträge beglichen werden sollten. Und das darauffolgende Unverständnis von König Kunde, wenn man erschöpft zum hundertsten Mal erklären mußte: "Tut mir leid, den kann ich nicht mehr wechseln." Weil nämlich schon viele andere Kunden vor ihm auf dieselbe glorreiche Idee gekommen waren – aber natürlich liegt es an der Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit des armen Kassierers, wenn er nicht Wechselgeld in Millionenhöhe verfügbar hat...
Den letzten Tausender (ja, beim Euro gibt es ihn nicht mehr ;o) hielt ich in den Abendstunden des 31.12. in Händen, und ich gestehe: den hab ich aus reiner Bösartigkeit nicht mehr gewechselt. Denn schließlich ist der Euro keine Naturkatastrophe und kein plötzlicher Schicksalsschlag, der völlig überraschend und unerwartet am 01.01. über unser geliebtes Vaterland hereinbrechen sollte, sondern war lange geplant und angekündigt. Selbst nach Hinter-Hintertupfing hat sich das doch im Zeitalter der neuen Medien bestimmt schon zu jedem herumgesprochen, müßte man annehmen. Aber das Leben richtet sich anscheinend auch in diesem Fall nicht nach der idealistischen Denkweise des begeisterten Europäers....
"Ich bin nicht die Bank", wurde so zu meinem persönlichen Satz des Monats Dezember, gefolgt von der inzwischen auswendig heruntergeleierten Erklärung, wo sich das nächste derartige Institut befindet. Die Banken, deren Strategie es natürlich war und ist (siehe oben *g*), einen Teil der Umtauscharbeit auf den Einzelhandel abzuwälzen, werden sich darüber noch weit weniger gefreut haben als die ab und an etwas pikiert dreinschauenden Kunden...
Und dann war er endlich da: der Tag des Euros. Von der Silvesterparty frierend am Heimtorkeln, ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, am allernächsten Geldautomaten kurz haltzumachen und meinen neuen Freund zu begrüßen. Frisch sah er aus, im Gegensatz zu mir, faltenfrei und unzerknittert. Und er fühlte sich gut an, selbst in meinen halbabgefrorenen Fingern. Ja, ich habe ihn gleich ins Herz und den Geldbeutel aufgenommen. Größere Probleme bereiteten mir die zugehörigen Münzen, die ich als Wechselgeldbestand am gleichen Tag in die Hand gedrückt bekam: "Wow, schwer ist er, der Euro." war einer meiner ersten Eindrücke. Und nicht besonders schön, zudem – zumindest die Cent-Münzen (wer auf die glorreiche Idee kam, diesen doch etwas amerikanisch inspirierten Namen zu wählen, möchte ich doch auch mal gerne wissen.... ist denen nichts innovativeres eingefallen als ausgerechnet eine solche Hommage???).
Wer ihn schon so lange im Herzen trägt, den Euro, dem fällt es natürlich nicht schwer, die Preisansage von einem auf den anderen Tag umzustellen: 3 Euro 50 Cent hörte man von mir nie – und es regt mich bis heute auf, wenn jemand so was zu mir sagt *lol*. Vorher gab’s doch auch kein: "3 Mark und 50 Pfennig, bitte." Nein, für mich war der Euro gleich "Dreifünfzig" oder "Drei Euro fünfzig"; ersteres führt in den frühen Januartagen immer wieder zu Nachfragen: "DM oder Euro?" Natürlich kann man dem lieben Kunden dann nicht ironisch ins Gesicht sagen: "Na, was wohl? Glauben Sie, mein spendabler Arbeitgeber hätte zur Feier des Euros die Preise samt und sonders halbiert?" Im Gegenteil, ganz im Gegenteil... und das ist die dunkle Seite des Euros: da der Kunde ja hierzulande anscheinend für unfähig und dumm gehalten wird, hat so manch einer klammheimlich mit der Einführung der neuen Währung gleich noch die Preise miterhöht (jaja, ich weiß, die Umstellung kam für alle teuer und blablabla...). Ist ja auch soooo schwer umzurechnen für den Ex-DM-Bezahler, vielleicht merkt der das ja gar nicht im Eifer des Gefechts...
Anfänglich ging das alles beidseitig noch etwas zäh, und die Berührungsängste waren groß; vor allem ging mein großzügig kalkulierter Vorrat an Kleingeld schon bedenklich zur Neige, bis ich die Bestürzung über den Verlust des 5-DM-Stücks überwunden und realisiert hatte, daß es den 5-er sehr wohl noch gibt – nur eben als Scheinchen. Am lockersten im Umgang mit der neuen Währung waren die Kinder, die nur auf diese Chance gewartet hatten, um ihre unter dem Tannenbaum liegenden Starter-Kits an den Mann bzw. die Frau zu bringen: "Kann ich denn damit schon zahlen?" fragten sie hochmotiviert. Diesen Satz übrigens habe ich von keinem Erwachsenen je vernommen, da kam immer nur das verärgerte: "Wie, Sie nehmen keine DM mehr an? Sie müssen aber doch..."
Ich weiß nicht, wie oft ich erklärt habe, daß es in Deutschland eben keine offizielle Übergangsphase gibt, sondern lediglich eine freie Verpflichtung des Einzelhandels, bis zum 28.02. kulanterweise auch noch DM anzunehmen – und mein Arbeitgeber aber aus diesen und jenen durchaus nachvollziehbaren Gründen einen anderen Weg gewählt hatte. Als dummer und unwissender, aber dennoch berufsethisch zur Höflichkeit verpflichteter Service-Angestellter mußte man da einiges schlucken, die Krönung war: "Nicht alles, was der Chef sagt, ist richtig." In solchen Fällen ist es nicht immer leicht, die erforderliche Freundlichkeit zu wahren ;o)) Auch meinen schon im Dezember führenden "Ich bin nicht die Bank"-Satz konnte ich im Januar immer noch gut gebrauchen.
Rückblickend muß ich jedoch ehrlich sagen, daß ich mir die Umstellung schlimmer und mit mehr Diskussionen verbunden vorgestellt hätte. Ich persönlich war ja sowieso spätestens ab dem 01.01. von Kopf bis Fuß auf Euro eingestellt, aber auch das restliche München bewies ungeahnte und erstaunliche Toleranz dem neuen Geld gegenüber. Sollte das Klischee über die Sturheit und konservative Gesinnung des bayrischen Eingeborenen doch nicht so ganz richtig sein? Man darf die Hoffnung nie aufgeben... allerdings habe ich gerade von Bankangestellten da ganz andere Geschichten gehört, die wirklich schlimmen Euro-Ignoranten tobten sich dann wohl eher dort aus.
Auch weitere Geschichten machten die Euro-Einführung dann doch eher erheiternd: zum Beispiel das Rechenexempel, wie viele Ein-Pfennig-Stücke man einzeln zur Bank tragen müsse, um allein durch das Aufrunden auf einen Cent zum Millionär zu werden. Es lohnt sich leider nicht, denn so alt werden wir wohl alle nicht werden, um die dafür erforderliche Zeit aufzubringen. Schaade. Es wäre doch so einfach gewesen, diesen Fehler im System zu nutzen...
Tränen in die Augen trieben mir hingegen die Preise, die ich bei ebay für die finnischen Starter-Kits (Nennwert so um die drei Euro) erblicken mußte: warum hatte ich Trottel nicht frühzeitig einen Kurztrip gebucht, um mich dort in die Warteschlangen einzureihen und so im Handumdrehen zum Millionär zu werden? Wen interessiert denn schon das langweilige deutsche Paketchen?
Ich habe übrigens gewettet, wie lange es dauert, bis ich den ersten ausländischen Euro in Händen halten würde – und ich habe die Zeitspanne in meinen Augen niedrig auf eine Woche angesetzt. Gedauert hat es dann am 01.01. grade mal eine halbe Stunde, bis mir der erste niederländische Euro über den Weg lief. Und seither bin ich dem Sammelwahn verfallen, ich gestehe. Mein nächster Urlaub wird mich in ein Euro-Land führen, und zwar möglichst in eines, wo ich noch keine Münzen besitze (was die potentiellen Ziele inzwischen etwas einschränkt). Und wozu hat der Mensch Freunde, wenn er sie nicht zum Mitsammeln und Mitbringen verpflichten kann? Mit dem netten Nebeneffekt übrigens, daß einem dann die üblichen dämlichen und unnützen Mitbringsel erspart bleiben *freu*.
Der Abschied für mich war ein schneller und schmerzloser, leise Wehmut hab ich mir lediglich heute auf dem Weg zur Bank erlaubt – und dann auch noch eine solche Abfuhr erhalten... Erleichtert hat ihn mir vermutlich meine Angewohnheit, soweit es geht ohnehin alles mit Karte zu bezahlen, und dieses Procedere wird auch zukünftig meinen Geldbeutel im doppelten Sinne erleichtern – gesundheitliche Beschwerden wegen des Schleppens schwerer Euro-Münzen wird es bei mir also nicht geben. Und auch die Glückspfennig-Sammelflasche ist schon lange umfunktioniert: sie sammelt nun Ein-Cent-Stücke – bringen die eigentlich auch Glück? Man wird sehen...
So sag ich also hiermit leise Servus zu der Währung, die mich mehr oder weniger üppig mein ganzes Leben begleitet hat – bis auf die wenigen Wochen, in denen ich in fremden Ländern weilte, die nun zum Teil ihren exotischen Charme etwas verlieren werden dadurch, daß das Geld das Gleiche sein wird. Allerdings, so ganz trennen konnte ich mich nicht: eine besonders schöne und glänzende Münze hab ich mir von jedem Geldstück aufbewahrt.
Und ich sage noch einmal 'Hallo' zum Euro, dem Stück Europa, das ich nun erst so richtig 'begreifen' kann, und freu mich darüber, daß das Soll auf meinem Konto plötzlich rein in Zahlen gedacht nur noch halb so groß ist... Ihr auch?
Copyright by annonymus, 28.02.2002
So hab ich resigniert, und sammelte bis zum letzten Tag – sentimental und nostalgisch, aber doch auch realistisch praktisch denkend. Schweren Herzens machten wir uns dann in einem zur Feier des Tages extra schönen Geldbeutel frühmorgens auf den Weg zur Bank meiner Wahl. Und was passierte? Die wollten uns nicht! Ungeachtet meiner wehmütigen Abschiedsgefühle schmetterte uns die Dame am Schalter entgegen: "Unter 6 DM nehmen wir nichts mehr an, das können wir nicht verbuchen; geben Sie's noch irgendwo aus, oder spenden Sie's." Nun denn, ich leide ja seit Jahr und Tag unter den rüden und seltsamen Methoden meiner lieben Zweitbank, und da man an einem solch denkwürdigen Tag nicht streitet, habe ich nur müde gelächelt, und Münzchen für Münzchen in das extra am Schalter plazierte Spardöschen klimpern lassen.
Interessant wäre es dennoch gewesen, mal vorsichtig nachzufragen, ob der Dame denn bekannt wäre, daß eigentlich seit dem 01.01. der Euro auch hierzulande das offizielle Zahlungsmittel ist, und niemand, nicht mal der Einzelhandel, mehr verpflichtet ist, DM-Restbestände anzunehmen. Außer den Banken... So wünsche ich allen Kassenkräften viel Spaß, wenn sie an diesem sonnigen Tag mit den allerletzten kleinen Schlafmünzen verzweifelter Bankkunden konfrontiert werden, die unbedingt auch ihre Unter-6-DM loswerden wollen und nicht so wohltätig gesinnt sind wie ich ;o))
Ich gebe es zu: ich war vermutlich einmal der größte Euro-Skeptiker von allen. Wozu schon wieder neues Geld? fragte ich mich heimlich, und ließ ich auch öffentlich verlauten. Ja, ich erinnere mich noch an die viiiiel schöneren alten DM-Scheine, und ebenso erinnere ich mich auch an die erstaunten und verblüfften Gesichter mancher Kunden an ‚meiner’ Kasse, die noch vergangenes Jahr mit alten Scheinen (wo immer sie die noch herzauberten) ihre Konsumgüter erwerben wollten, und denen ich leider mitteilen mußte: "Damit können Sie aber schon lange nicht mehr bezahlen."
Doch die Zeit ging ins Land, und auch ich fiel der Gehirnwäsche zum Opfer, und langsam, ganz langsam wie es sich für den behäbigen und leicht konservativen Süddeutschen gehört, begann ich ihn zu lieben, den Euro.
Im letzten Urlaub wurde es mir dann ganz deutlich klar: ich bin ihm bereits verfallen. Ich weilte in den benachbarten Niederlanden, und wie immer hatte ich das Urlaubsbudget zu knapp kalkuliert und stand vor der leidigen Entscheidung (wie schon so viele Male zuvor), entweder meine im Geldbeutel noch vorhandenen DM-Bestände einzutauschen, oder mich in noch größere Unkosten zu stürzen und Gulden vom Geldautomaten zu holen. Das wäre ja alles nicht so ärgerlich, wenn man bei der Rückkehr in heimische Gefilde allen Bemühungen zum Trotz nicht immer noch ein paar letzte Münzen im Urlaubsgepäck finden würde – zu viele, um sie einfach zu ignorieren, aber viel zu wenige, um die Bank damit zu belästigen ("Nein, Münzen tauschen wir generell nicht um – bei Fremdwährungen bitte nur Scheine!!!!"). Das erfordert vom müßigen Urlauber wieder Denk- und Kalkulationsleistungen: wieviel Geld werde ich noch benötigen? Muß ich am letzten Tag wieder krampfhaft überflüssige Souvenirs erstehen, um dem heimischen Umtausch-Gerenne zu entgehen? "Ach, hätten wir nur schon den Euro, dann wäre das alles gar kein Problem," hörte ich mich zu meinem eigenen Erstaunen zu meiner Urlaubsbegleitung sagen, und ich erntete beifälliges Nicken.
Natürlich hatte ich schon vorher die Auf- und Abschwünge des noch fiktiven Euro skeptisch beobachtet, die der Dollar mit ihm anstellte. Eine wahre Zitterpartie, bei der dem zukünftigen Euro-Zahler und Harte-DM-Gewohnten eigentlich Angst und Bange hätte werden müssen – aber ich bin ja bekanntlich Optimist *lol*. In Mit-Euro-Ländern stand ja der Kurs lange schon fest, auch wenn es einige Zeit dauerte, bis ich das in meinen mathematisch-logisch eher trägen Kopf bekam. Doch wir sind alle Europäer, und so fand ich mich nach der Urlaubserfahrung auf dem Oktoberfest prompt in bierseliger Laune mit italienischen Mitbetroffenen in fröhlichem Plausch über ihn, den Euro. Außer mir wollte zwar bestimmt niemand wissen, wie der Gute denn nun in Italien ausgesprochen wird, aber was soll's *g*. Zumindest hatte ich gelernt: eine Blamage wie auf der letzten Familienzusammenkunft sollte mir nicht mehr passieren. Da – es war verzeihlich, da zu Anfang des Jahres 2001 – beging ich nämlich den etwas peinlichen Fauxpas, meinen österreichischen Verwandten zu erklären: "Und ja, WIR bekommen ja nächstes Jahr den Euro." *rotwerd*.
Und wie es sich für den Euro-Fan gehört, erwartete ich sehnsüchtig den Tag, an dem ich ihn das erste Mal in Händen halten konnte – nicht als schwarz-weiße Zahl auf dem Kontoauszug, sondern so richtig; und da ich schon ahnte, daß hier in der bayrischen Metropole die Schlangen für die Starter-Kits lang werden würden, rief ich kurzerhand die Mama an, damit sie für mich auf der gemütlicheren ländlichen Bank meines heimatlichen Dorfes ein solches Päckchen reservieren konnte.... und was sagte die noch Anfang Dezember daraufhin: "Wie Starter-Kit? Was interessiert mich denn jetzt schon der Euro??"
Bis auf die erfahrenen und nun schon leicht in Panik befindlichen Geldfälscher dachten wohl viele Landsleute ebenso: wozu sich denn jetzt schon mit dem Euro befassen? Ersteren habe ich es übrigens zu verdanken, daß ich im Lauf der vielen Jahre als Kassenkraft im Dezember die erste Blüte in Händen hielt, die mir je unterkam – hilflos, ratlos, ahnungslos. "Hilfe, Chef," rief ich, "was macht man bitte mit falschen Hundertern?" Und ebenso ratlos und schulterzuckend sah mich mein Chef an und murmelte etwas von: "Nicht annehmen... auf keinen Fall annehmen..." Die Weisung von 'oben' hing dann ein paar Tage später aus – offensichtlich war ich nicht der Einzige mit solchen Erfahrungen. Leider ist mir dann kein Falschgeld mehr begegnet, an dem ich mein neu erworbenes Wissen gleich mal hätte testen können :o(( Für alle Unwissenden übrigens: einkassieren, Polizei rufen, und den Erklärungsnotstand dem mehr oder weniger arglosen früheren Besitzer überlassen...
Die Geldfälscher sind natürlich eine Minderheit, so daß ein anderer Punkt wesentlich auffälliger war: gegen Ende Dezember setzte sie auch bei Otto-Normalbürger ein, die Erkenntnis, daß nun wirklich bald der Untergang des Abendlandes... äh, sorry... der geliebten DM natürlich, droht. Dies hatte für den Menschen an der Kasse zwei Auswirkungen: einmal ein immenser Andrang an Münzen, in ungewohnter Masse ("Kann ich bei Ihnen mit meinem Kleingeld bezahlen?" gefolgt von einem Haufen Mini-Münzen, der einem vor die Nase geknallt wurde und zu leidiger Zählarbeit führte...), zum anderen das ungewohnte Auftauchen wirklich großer Scheine, mit denen die mickrigsten Beträge beglichen werden sollten. Und das darauffolgende Unverständnis von König Kunde, wenn man erschöpft zum hundertsten Mal erklären mußte: "Tut mir leid, den kann ich nicht mehr wechseln." Weil nämlich schon viele andere Kunden vor ihm auf dieselbe glorreiche Idee gekommen waren – aber natürlich liegt es an der Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit des armen Kassierers, wenn er nicht Wechselgeld in Millionenhöhe verfügbar hat...
Den letzten Tausender (ja, beim Euro gibt es ihn nicht mehr ;o) hielt ich in den Abendstunden des 31.12. in Händen, und ich gestehe: den hab ich aus reiner Bösartigkeit nicht mehr gewechselt. Denn schließlich ist der Euro keine Naturkatastrophe und kein plötzlicher Schicksalsschlag, der völlig überraschend und unerwartet am 01.01. über unser geliebtes Vaterland hereinbrechen sollte, sondern war lange geplant und angekündigt. Selbst nach Hinter-Hintertupfing hat sich das doch im Zeitalter der neuen Medien bestimmt schon zu jedem herumgesprochen, müßte man annehmen. Aber das Leben richtet sich anscheinend auch in diesem Fall nicht nach der idealistischen Denkweise des begeisterten Europäers....
"Ich bin nicht die Bank", wurde so zu meinem persönlichen Satz des Monats Dezember, gefolgt von der inzwischen auswendig heruntergeleierten Erklärung, wo sich das nächste derartige Institut befindet. Die Banken, deren Strategie es natürlich war und ist (siehe oben *g*), einen Teil der Umtauscharbeit auf den Einzelhandel abzuwälzen, werden sich darüber noch weit weniger gefreut haben als die ab und an etwas pikiert dreinschauenden Kunden...
Und dann war er endlich da: der Tag des Euros. Von der Silvesterparty frierend am Heimtorkeln, ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, am allernächsten Geldautomaten kurz haltzumachen und meinen neuen Freund zu begrüßen. Frisch sah er aus, im Gegensatz zu mir, faltenfrei und unzerknittert. Und er fühlte sich gut an, selbst in meinen halbabgefrorenen Fingern. Ja, ich habe ihn gleich ins Herz und den Geldbeutel aufgenommen. Größere Probleme bereiteten mir die zugehörigen Münzen, die ich als Wechselgeldbestand am gleichen Tag in die Hand gedrückt bekam: "Wow, schwer ist er, der Euro." war einer meiner ersten Eindrücke. Und nicht besonders schön, zudem – zumindest die Cent-Münzen (wer auf die glorreiche Idee kam, diesen doch etwas amerikanisch inspirierten Namen zu wählen, möchte ich doch auch mal gerne wissen.... ist denen nichts innovativeres eingefallen als ausgerechnet eine solche Hommage???).
Wer ihn schon so lange im Herzen trägt, den Euro, dem fällt es natürlich nicht schwer, die Preisansage von einem auf den anderen Tag umzustellen: 3 Euro 50 Cent hörte man von mir nie – und es regt mich bis heute auf, wenn jemand so was zu mir sagt *lol*. Vorher gab’s doch auch kein: "3 Mark und 50 Pfennig, bitte." Nein, für mich war der Euro gleich "Dreifünfzig" oder "Drei Euro fünfzig"; ersteres führt in den frühen Januartagen immer wieder zu Nachfragen: "DM oder Euro?" Natürlich kann man dem lieben Kunden dann nicht ironisch ins Gesicht sagen: "Na, was wohl? Glauben Sie, mein spendabler Arbeitgeber hätte zur Feier des Euros die Preise samt und sonders halbiert?" Im Gegenteil, ganz im Gegenteil... und das ist die dunkle Seite des Euros: da der Kunde ja hierzulande anscheinend für unfähig und dumm gehalten wird, hat so manch einer klammheimlich mit der Einführung der neuen Währung gleich noch die Preise miterhöht (jaja, ich weiß, die Umstellung kam für alle teuer und blablabla...). Ist ja auch soooo schwer umzurechnen für den Ex-DM-Bezahler, vielleicht merkt der das ja gar nicht im Eifer des Gefechts...
Anfänglich ging das alles beidseitig noch etwas zäh, und die Berührungsängste waren groß; vor allem ging mein großzügig kalkulierter Vorrat an Kleingeld schon bedenklich zur Neige, bis ich die Bestürzung über den Verlust des 5-DM-Stücks überwunden und realisiert hatte, daß es den 5-er sehr wohl noch gibt – nur eben als Scheinchen. Am lockersten im Umgang mit der neuen Währung waren die Kinder, die nur auf diese Chance gewartet hatten, um ihre unter dem Tannenbaum liegenden Starter-Kits an den Mann bzw. die Frau zu bringen: "Kann ich denn damit schon zahlen?" fragten sie hochmotiviert. Diesen Satz übrigens habe ich von keinem Erwachsenen je vernommen, da kam immer nur das verärgerte: "Wie, Sie nehmen keine DM mehr an? Sie müssen aber doch..."
Ich weiß nicht, wie oft ich erklärt habe, daß es in Deutschland eben keine offizielle Übergangsphase gibt, sondern lediglich eine freie Verpflichtung des Einzelhandels, bis zum 28.02. kulanterweise auch noch DM anzunehmen – und mein Arbeitgeber aber aus diesen und jenen durchaus nachvollziehbaren Gründen einen anderen Weg gewählt hatte. Als dummer und unwissender, aber dennoch berufsethisch zur Höflichkeit verpflichteter Service-Angestellter mußte man da einiges schlucken, die Krönung war: "Nicht alles, was der Chef sagt, ist richtig." In solchen Fällen ist es nicht immer leicht, die erforderliche Freundlichkeit zu wahren ;o)) Auch meinen schon im Dezember führenden "Ich bin nicht die Bank"-Satz konnte ich im Januar immer noch gut gebrauchen.
Rückblickend muß ich jedoch ehrlich sagen, daß ich mir die Umstellung schlimmer und mit mehr Diskussionen verbunden vorgestellt hätte. Ich persönlich war ja sowieso spätestens ab dem 01.01. von Kopf bis Fuß auf Euro eingestellt, aber auch das restliche München bewies ungeahnte und erstaunliche Toleranz dem neuen Geld gegenüber. Sollte das Klischee über die Sturheit und konservative Gesinnung des bayrischen Eingeborenen doch nicht so ganz richtig sein? Man darf die Hoffnung nie aufgeben... allerdings habe ich gerade von Bankangestellten da ganz andere Geschichten gehört, die wirklich schlimmen Euro-Ignoranten tobten sich dann wohl eher dort aus.
Auch weitere Geschichten machten die Euro-Einführung dann doch eher erheiternd: zum Beispiel das Rechenexempel, wie viele Ein-Pfennig-Stücke man einzeln zur Bank tragen müsse, um allein durch das Aufrunden auf einen Cent zum Millionär zu werden. Es lohnt sich leider nicht, denn so alt werden wir wohl alle nicht werden, um die dafür erforderliche Zeit aufzubringen. Schaade. Es wäre doch so einfach gewesen, diesen Fehler im System zu nutzen...
Tränen in die Augen trieben mir hingegen die Preise, die ich bei ebay für die finnischen Starter-Kits (Nennwert so um die drei Euro) erblicken mußte: warum hatte ich Trottel nicht frühzeitig einen Kurztrip gebucht, um mich dort in die Warteschlangen einzureihen und so im Handumdrehen zum Millionär zu werden? Wen interessiert denn schon das langweilige deutsche Paketchen?
Ich habe übrigens gewettet, wie lange es dauert, bis ich den ersten ausländischen Euro in Händen halten würde – und ich habe die Zeitspanne in meinen Augen niedrig auf eine Woche angesetzt. Gedauert hat es dann am 01.01. grade mal eine halbe Stunde, bis mir der erste niederländische Euro über den Weg lief. Und seither bin ich dem Sammelwahn verfallen, ich gestehe. Mein nächster Urlaub wird mich in ein Euro-Land führen, und zwar möglichst in eines, wo ich noch keine Münzen besitze (was die potentiellen Ziele inzwischen etwas einschränkt). Und wozu hat der Mensch Freunde, wenn er sie nicht zum Mitsammeln und Mitbringen verpflichten kann? Mit dem netten Nebeneffekt übrigens, daß einem dann die üblichen dämlichen und unnützen Mitbringsel erspart bleiben *freu*.
Der Abschied für mich war ein schneller und schmerzloser, leise Wehmut hab ich mir lediglich heute auf dem Weg zur Bank erlaubt – und dann auch noch eine solche Abfuhr erhalten... Erleichtert hat ihn mir vermutlich meine Angewohnheit, soweit es geht ohnehin alles mit Karte zu bezahlen, und dieses Procedere wird auch zukünftig meinen Geldbeutel im doppelten Sinne erleichtern – gesundheitliche Beschwerden wegen des Schleppens schwerer Euro-Münzen wird es bei mir also nicht geben. Und auch die Glückspfennig-Sammelflasche ist schon lange umfunktioniert: sie sammelt nun Ein-Cent-Stücke – bringen die eigentlich auch Glück? Man wird sehen...
So sag ich also hiermit leise Servus zu der Währung, die mich mehr oder weniger üppig mein ganzes Leben begleitet hat – bis auf die wenigen Wochen, in denen ich in fremden Ländern weilte, die nun zum Teil ihren exotischen Charme etwas verlieren werden dadurch, daß das Geld das Gleiche sein wird. Allerdings, so ganz trennen konnte ich mich nicht: eine besonders schöne und glänzende Münze hab ich mir von jedem Geldstück aufbewahrt.
Und ich sage noch einmal 'Hallo' zum Euro, dem Stück Europa, das ich nun erst so richtig 'begreifen' kann, und freu mich darüber, daß das Soll auf meinem Konto plötzlich rein in Zahlen gedacht nur noch halb so groß ist... Ihr auch?
Copyright by annonymus, 28.02.2002
15 Bewertungen, 4 Kommentare
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04.06.2002, 22:29 Uhr von luzi_42
Bewertung: sehr hilfreichIch gestehe, ich mag den Euro auch nach nem halben Jahr noch nicht. :-)
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13.03.2002, 20:17 Uhr von Haramis
Bewertung: sehr hilfreichNa sowas, jetzt hab ich mangels Benachrichtigung doch tatsächlich deine erste Yopi-Meinung verschwitzt :-((
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12.03.2002, 23:33 Uhr von Studentekopp
Bewertung: sehr hilfreichsehr ausführlicher Bericht
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05.03.2002, 18:10 Uhr von Tanjamaus81
Bewertung: sehr hilfreichPuh, wie lange hast du daran geschrieben????
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