Prosa Testbericht

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Erfahrungsbericht von Nyneave

Katzenleben

Pro:

Die Geschichte wird ständig überarbeitet, also bin ich über jeden hilfreichen Kommentar froh.

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Prolog

Das Leben an sich war gar nicht schlecht. Nein, wirklich, die meisten Leute waren freundlich zu mir, gaben mir zu essen und kümmerten sich um mich. Doch... trotz allem, hätte ich das Leben in meiner eigenen Gestalt vorgezogen. Als Mensch durch die Strassen zu wandern, mit den Leuten zu scherzen und zu handeln, einfach gehen, wohin man will. Doch diese Wahl hat man als Katze nicht.

Ich hatte nie was gegen Katzen, jetzt noch weniger denn je, aber ich hätte mir nie träumen lassen, das ich mein Lebensende als Katze fristen sollte. Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen.

*****

Ich war auf dem elterlichen Bauernhof gerade mit dem Melken der Kuh fertig geworden, (der armen Milly wäre sonst der Euter geplatzt), als mein Vater mich zu sich rief. ?Kind?, sagte er zu mir, ?Kind, lauf zum Gut deiner Großtante und bring ihr dies.? Mit diesen Worten drückte er mir ein schönes, beschnitztes Kästchen in die Hand. ?Was ist das?, fragte ich neugierig. Mein Vater lächelte nur, aber es war dieses unheilverheißende Lächeln. ?Das, mein Kind, geht dich nichts an. Ich vertraue darauf, dass du nicht neugierig sein wirst.? Dieser letzte Satz klang wie eine Frage. Ich beeilte mich, ihm zu versichern, dass ich nie im Leben neugierig sein würde und versprach ihm, nicht in das Kästchen hinein zu schauen. Mein Vater hatte ein seltsames Funkeln in den Augen, das bei uns Kindern gefürchtet war. Wir liebten unseren Vater, er war der gütigste und freundlichste Mensch auf Erden, aber wenn er dieses Funkeln in den Augen hatte, gehorchte man besser aufs Wort.

So ging ich los, mit einem Leinenbeutel umgehängt, in dem sich das geheimnisvolle Kästchen und ein wenig Wegzehrung befand. Schließlich dauerte der Marsch zum Gut meiner Großtante einen halben Tag. Ich hätte natürlich auch eins der Pferde nehmen können, aber mein Vater war der Ansicht, körperliche Betätigung würde niemanden schaden. Er hatte natürlich recht, normalerweise wurden die Pferde nur genutzt, wenn es um einen Notfall ging. Ansonsten führten sie ein recht ruhiges Leben auf den Weiden. Sie waren der ganze Stolz meines Vaters. Und das mit Recht. Er hatte eines Tages einen prachtvollen Hengst mitgebracht, der sicher unvernünftig teuer gewesen sein musste, aber er sprach nie von dem Preis, den er dafür gezahlt hatte. Dieser Hengst hatte die zwei Stuten gedeckt, die wir hatten und diese hatten wunderschöne Fohlen auf die Welt gebracht. Inzwischen waren sie natürlich keine Fohlen mehr.

In Gedanken beschäftigte ich mich, indem ich mich erinnerte, wie ich beiden Stutfohlen auf die Welt geholfen hatte. Anstrengend war es gewesen, schmerzhaft - ich konnte meinen Arm einen Tag lang nicht mehr bewegen, so blau und geprellt war er - aber ein großartiges Ereignis. Diese Fohlen bezeichnete ich insgeheim als ?meine?.

Den Kopf voller Träumereien, marschierte ich weiter auf dem Weg, grüßte Bekannte, die mir unterwegs begegneten oder hielt einen kurzen Plausch, um die Neuigkeiten zu erfahren. Gegen späten Mittag machte ich Halt, bei einem alten Stein, der schon seit Generationen dafür genutzt wurde. Mein Vater hatte mir erzählt, das dieser Stein früher eine Opferstätte gewesen sei. Ich setzte mich hin und fuhr während des Essens, mit einem Finger die Rillen nach, die in einer Spirale zur Mitte des Steins führten und in einem kleinen Loch endeten. Mein Vater hatte erzählt dies diene dafür, das Blut aufzufangen... das Blut von Tieren natürlich, hatte er hinzugefügt, als er meinen entsetzten Blick sah.

Ich legte mich ins Gras und ließ mir die Sonne auf das Gesicht scheinen. Ich träumte vor mich hin - und ich war ein sehr verträumtes Kind, hatte ich das schon erwähnt? In den alten Sagen hieß es immer, das Volk, das vor uns hier lebte, hatte Menschenopfer gebracht. In Zeiten der Not und des Krieges. Ich lächelte. Natürlich war das alles Humbug. Hier gab es keine Not oder gar Krieg. Wir lagen in unserem Tal so abgelegen, das selbst Neuigkeiten Monate brauchten, um uns zu erreichen. Das waren alles nur Märchen, erzählt von alten Großmüttern, um ihre Enkel das Fürchten zu lehren. Plötzlich fühlte ich einen Schatten auf meinem Gesicht. Jemand war mir in die Sonne getreten.

Ich setzte mich auf und sah mich um. Aber ich sah niemanden. Weit und breit nur die saftigen, grünen Wiesen. Seltsam, ich dachte wirklich, da wäre jemand gewesen. Aber es war eh Zeit weiter zu gehen. Als ich mich umdrehte, um meinen Beutel aufzuheben, saß ein Mann auf dem Opferstein.

Mit einem Aufschrei fuhr ich zurück, stolperte über einen Stein und fiel rücklings ins Gras. Der Mann sah mich vollkommen verdutzt an. Mein Schrei hatte ihn erschreckt. Recht so, dachte ich, er hat mich nicht minder verschreckt. ?Wer sind denn Sie!?, blaffte ich ihn an. Der Mann wollte scheinbar gerade was sagen und starrte mich nun überrascht an. ?Ich... äh...ein Freund.? ?Tolle Ausrede? dachte ich mir. ?Wenn du ein Freund bist, bin ich ein Drache.? Vorsichtig stand ich auf und ging zwei Schritte von ihm weg. Dann fiel mein Blick auf den Beutel. Der Fremde folgte meinem Blick und hob ihn auf. Der Schreck fuhr mir in die Glieder, als er Anstalten machte, hinein zu schauen. Ich wusste zwar nicht, was in dem Kästchen war, aber da mein Vater solch ein Aufheben darum gemacht hatte, wollte ich es nicht in fremde Hände fallen lassen. Mutig beugte ich mich vor und schnappte meinen Beutel aus den Händen des fremden Mannes.

Dieser blinzelte mich amüsiert an. ?Ich wusste nicht, das die Menschen aus dem Akours-Tal so misstrauisch sind.? Ich funkelte ihn grimmig an - zumindest hoffte ich, das es grimmig aussah, denn nun breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. Und was für ein Lächeln. ?Man könnte meinen, ich hätte ihn zum Abendessen eingeladen, so lächelt der Kerl!? Inzwischen war sein Lächeln in ein Grinsen übergegangen. Bei mir kochte langsam die Wut hoch. ?Was wollen Sie?? sagte ich und ging vorsichtshalber noch einige Schritte zurück. Er breitete die Hände aus, um zu zeigen, das er keine Gefahr für mich war. ?Ich wollte dich nur fragen, ob du den Weg zum Zauberer von Akours kennst.?

Ich sah ihn ungläubig an und fing dann an zu lachen. Seine Miene war erst überrascht und wurde immer finsterer, je länger ich lachte. ?WAS?? schnappte er. Es dauerte einige Zeit, bis ich ihm antworten konnte und selbst dann nur unter Prusten und Kichern. ?Ich weiß nicht, für was Sie mich halten, aber ich kann Ihnen sagen, ich bin 20 Jahre alt und niemand kann mir erzählen, dass es ernsthaft noch Leute gibt, die an Zauberei glauben! Ich jedenfalls gehöre nicht dazu.? Nun sah er mich ungläubig an. ?Du GLAUBST nicht an die Zauberei? So etwas habe ich ja noch nie gehört. Jeder WEISS das es Zauberei gibt.?

Ich verschränkte die Arme und sah ihn skeptisch an, obwohl ich mir noch immer das Lachen verkneifen musste. ?Ach? Ich kann Ihnen sagen, dass meine Eltern mir beigebracht haben, dass es keine Zauberei gibt. Und meine Eltern müssen es wissen - sie haben jahrelang in Deelor gelebt.? Ich war mit Recht stolz auf diese Tatsache. Es war Generationen her, seit irgendjemand aus dem Akours-Tal außerhalb des Tales gewesen war. Und meine Eltern hatten in DER Stadt gewohnt. Sie hatten dort gelebt und ich war dort geboren worden - sagten sie. Allerdings waren sie nach meiner Geburt sofort in das Tal zurückgekehrt. Die Hauptstadt war kein rechter Platz, für ein Kind zum Aufwachsen, sagten sie.

Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fremden richtete, fiel mir auf, wie aufgeregt dieser wirkte. ?Deelor sagtest du? Heißt dein Vater Ribard und deine Mutter Miako?? Misstrauisch sah ich ihn an. Mein Ja klang äußerst gedehnt. Daraufhin wurde er womöglich noch aufgeregter, sprang herum und umarmte mich plötzlich. Ich sprang zurück und suchte nach einem Stock, falls er mich angreifen wolle. ?Der gütigen Göttin sei Dank. Bring mich sofort zu deinen Eltern.?

Mein Vater sagte immer, ich sei störrisch wie ein Maulesel, wenn ich wollte. Ich stellte mich breitbeinig auf die Strasse, verschränkte die Arme und weigerte mich. Das Leuchten auf seinem Gesicht zerfiel in Erstaunen und Überraschung. ?Nein? Wie... ich meine...du musst mich hin bringen.? Ich drehte mich um und ging los. Über die Schulter sagte ich: ?Nein, ich habe einen Auftrag auszuführen. Wenn Sie glauben, dass meine Eltern Ihnen bei dieser Suche nach einem ?Zauberer? helfen können, dann folgen Sie der Strasse. Irgendwann begegnet ihnen jemand, der ihnen den Weg zum Hof meiner Eltern zeigt.? Damit drehte ich mich um und ging weiter.

Nach ein paar Schritten linste ich neugierig über meine Schulter. Überrascht blieb ich stehen. Von dem Fremden keine Spur. Nur eine Katze saß auf der Strasse und sah mir hinterher. Ich sah mich um. Viele Versteckmöglichkeiten gab es nicht. Nur den Alten Wald, aber der war in einiger Entfernung und dazu hätte der Mann sehr schnell querfeldein rennen müssen. Nach einem weiteren Blick in die Runde, zuckte ich mit den Achseln und ging weiter. Ich war nicht nur neugierig und störrisch, sondern steckte auch meine Nase nicht in die Angelegenheiten fremder Leute, besonders nicht, wenn sie so seltsam waren wie dieser Fremde

Ich war noch nicht weit gekommen, als plötzlich ein gewaltiges Rumpeln und Beben den Boden erschütterten. Ich fiel - zu meinem Leidwesen genau auf den spitzen Kies - als das Rumpeln von einer Sekunde auf die nächste wieder aufhörte. Mit blutigen Händen und Knien stand ich wieder auf und schimpfte vor mich hin. \'Toll, ein Erdbeben. Ob es Vater und Mutter wohl gut geht?\', dachte ich mir, als mir auf einmal ein vollkommen anderer Gedanke kam. ERDBEBEN? So etwas hatte es hier noch nie gegeben. Laut Vater waren wir viel zu weit von den unruhigen Erdkreisen entfernt, um jemals davon gestört zu werden.

Ich sah beunruhigt über meine Schulter, in die Richtung in der unser Hof lag. Dann nach vorn. Meine Großtante Alais lebte mit ihren Knechten und Mägden allein auf ihrem Hof. Onkel Kurant war vor einigen Jahren verstorben. Ich war jetzt näher an ihrem Gut, als an unserem Hof. Ich entschloss mich, zu meiner Tante zu eilen. Hoffentlich ging es ihr gut.

Als ich zum Gut kam, fand ich alle in heller Aufregung. Ich stand mitten auf dem Hof und sah mich mit offenem Mund um. Die Knechte jagten den Schweinen hinterher, die wild quiekend auf dem Hof rumrannten. Das gleiche Bild präsentierte sich mir bei den Hühnern. Aber scheinbar waren nicht alle mit der Kleinviehjagd beschäftigt gewesen, denn nach kurzer Zeit eilte mir meine Tante Alais entgegen.

\"Danae, wo kommst du denn her? Geht es dir gut? Geht es deinen Eltern gut?\" Dies konnte ich zwischenzeitlich verstehen, wenn sie mich mal losließ, um mich zu küssen, bis sie mich wieder umarmte und herzte. Sanft schob ich sie von mir. \"Ja, Tante Alais, mir geht es gut. Ich weiß nicht, wie es meinen Eltern geht. Ich wurde heute morgen von Vater hier her geschickt, um dir etwas zu bringen.\" Plötzlich trat ein wachsamer Blick in ihre blauen Augen. Mir war nie aufgefallen, wie scharf diese Augen blicken konnten.

\"So, mein Kind? Dann lass uns reingehen.\" Sie warf einen Blick in die quiekende, krähende und wiehernde Runde und ging dann seufzend in das Haus. Ich folgte ihr auf dem Fuß, denn langsam wurde mir die Sonne unangenehm. Mein Haar klebte mir nass an der Stirn und ich konnte fühlen, wie an meinem Rücken wahre Sturzbäche runterflossen. Dankbar trat ich in die kühle, dunkle Diele. Doch anstatt mich wie immer in das Wohnzimmer zu führen, brachte sie mich in einen Raum, den ich nie zuvor gesehen hatte. Es war der Raum, den ich niemals zuvor betreten durfte, denn er war immer abgeschlossen. Diesen geheimnisvollen Raum schloss sie jetzt auf und ging voraus. Mit offenem Mund - wurde das etwa zur Angewohnheit? - folgte ich ihr.

Das erste was ich sah, waren Bücher. Überall Bücher! Die Wände bestanden praktisch nur aus Bücherregalen. Mitten im Raum stand etwas einsam ein riesiger Sekretär und dahinter ein abgewetzter Sessel. Ich blieb zwei Schritte hinter der Tür stehen und sah mich um. Ich merkte, wie mein Mund begann aufzuklaffen und schloss ihn schnell wieder. Der Raum war bis unter die Decke mit diesen Büchern gefüllt. In einer Ecke entdeckte ich eine Leiter, die sich auf Rollen zu bewegen schien.

Ich war immer stolz gewesen auf unsere Bibliothek, aber das hier? Damit konnten die knapp fünfzig Bücher, die mein Vater besaß, nicht mithalten. Ich schluckte und sah zu Tante Alais. Die stand vor dem Fenster und zog gerade die schweren Gardinen zur Seite. In dem hellen Licht, sah ich sie nur noch als Silhouette. Ich blinzelte. Dann trat sie zur Seite und ging zu ihrem Sekretär.
\"Komm, Danae. Schließ die Tür und setz dich. \" Sie wies auf einen unscheinbaren kleinen Sessel, den ich gar nicht gesehen hatte, so überwältigt war ich von dem ehemals verbotenen Raum gewesen.

Ich ließ mich in den Sessel sinken. \"Tante Alais, weshalb hast du so viele Bücher?\" Sie lächelte. \"Nun, Kind, ich bin sehr belesen. Wusstest du das nicht? Durch die langjährige Krankheit deines Onkels, war das für mich die einzige Möglichkeit, etwas von der Welt da draußen zu erfahren. Ich habe die Welt gesehen und darin gelebt... in meinem Geist. Aber, darüber können wir uns ein anderes Mal unterhalten. Was hat dein Vater mir geschickt?\"

Ich kramte eilig die schöne Schatulle aus dem Leinenbeutel und gab sie ihr. Meine Neugierde brannte. Gleich würde sie es öffnen und ich würde sehen können, was darin ist. Aber meine Tante betrachtete das Kästchen in ihren Händen nur nachdenklich. Gedankenverloren strich sie mit ihrem Finger über die verschlungenen Schnitzereien und blieb dann über dem Verschluss stehen. Ich wippte aufgeregt mit den Füssen. Gleich, gleich würde sie es aufmachen und ich würde den Inhalt erfahren. Stattdessen öffnete sie mit einem tiefen Seufzer eine Schublade und legte die Schatulle hinein.

Ich öffnete gerade meinen Mund, um empört zu protestieren, als erneut ein Rumpeln den Boden rüttelte. Unvorbereitet wie ich war (unter anderem, weil ich auf der Sesselkante saß), fiel ich zu Boden. Im gleichen Moment hörte ich einen lauten Rums. Meiner Tante war es wohl nicht anders gegangen.

Natürlich war ich auf meinen aufgeschürften Knien gelandet. Ärgerlich wischte ich über die blutigen Wunden. Als ich mich aufsetzte, um nach Tante Alais zu sehen, vergaß ich meine schmerzenden Knie sofort. Meine Tante lag halb über ihren Schreibtisch und schien bewusstlos. Als ich sie zurücklehnte sah ich erst das ganze Blut. Es lief aus einer Wunde an ihrer Schläfe. Es war so viel! Ich wusste, das Kopfwunden stark bluteten, aber das war mehr als ungewöhnlich. Ängstlich lief ich zur Tür und rief ich nach Seana, der Haushälterin und nach ihrem Mann, der rechten Hand meiner Tante.

Korven kam als erster an und erbleichte beim Anblick meiner blutüberströmten Tante schlagartig. Als nächstes drängte Seana durch die Tür. Als sie meine Tante sah, schrie sie nach Verbandszeug und diversen Salben und befahl Korven, meine Tante in ihr Schlafzimmer zu bringen. Vorsichtig hob er sie aus ihrem Sessel und trug sie eilig die Treppen hoch. Ich war nur einen Schritt hinter ihm. Als Seana mit einer weiteren Magd kam, saß ich an Tante Alais Bett und hielt ihre Hand. Energisch scheuchte sie mich aus dem Zimmer.

?Komm, Mädchen, du kannst hier nichts tun. Schau, ob du unten helfen kannst und sag Korven, er soll nach dem Heiler schicken.? Bei diesen Worten wurde mir schwindlig. Sie musste es gesehen haben, denn ihr Gesichtsausdruck wurde... wie soll ich sagen...weich...obwohl das ein Irrtum sein musste. Die Miene von Seana ließ normalerweise selbst einen Granitblock butterweich aussehen. ?Keine Sorge, es ist sicher nichts Schlimmes.? Und mit diesen Worten wurde ihr Gesichtsausdruck wieder steinhart. ?Los, geh jetzt und mach dich unten nützlich,? waren die Worte die ich noch hörte, bevor sie mir die Tür vor der Nase zu knallte.

Ich schlich mich nach unten und sagte Korven Bescheid. Dann half ich dem Gesinde, die wieder entflohenen Hühner einzufangen. Dabei ließen nicht nur die Hühner Federn. Meine Kopfhaut fühlte sich nach dem dritten Huhn, das sich in meinen Haaren verkrallt hatte, an, als würde sie nur noch an einzelnen Haaren hängen.

Als wir die meisten Hühner eingefangen hatten, richtete ich mich erschöpft auf - und erstarrte. Der Mann, den ich vorhin auf der Straße getroffen hatte, schlich sich gerade ins Haus. ?Wie war das möglich? Er konnte niemals so schnell zu meinen Eltern und wieder zurück gelangt sein! Und vor allem, was wollte er hier?? Ich ließ das Huhn, das ich immer noch in den Händen hielt, fallen. Es gackerte mich empört an. Aber darauf achtete ich nicht mehr.

Schnell schlich ich mich bis an die Haustür und spähte ins Haus. Ich sah ihn eben noch um die nächste Ecke verschwinden. Er musste durch den Kücheneingang gekommen sein. Geschwind folgte ich ihm. Als ich sah, vor welcher Tür er stand, traf es mich wie ein Blitz. Wir hatten vergessen, die Tür zu Tante Alais? Arbeitszimmer wieder abzusperren! Der Fremde sah sich zögerlich um und ich versteckte mich schnell hinter der Vitrine im Gang. Dann hörte ich die Tür knarzen, als er sie aufdrückte.

Vorsichtig sah ich um die Ecke. Er hielt sich nicht weiter auf, den Raum zu bewundern, sonder ging geradewegs auf den Schreibtisch zu. Eilig huschte ich durch die offenstehende Tür und versteckte mich hinter ihr. Der Fremde hatte nichts davon bemerkt. Er krabbelte inzwischen unter dem Schreibtisch herum, als suche er etwas.

Ich schnappte mir einen schweren Kerzenständer von der Kommode neben mir und pirschte mich so leise wie möglich an. Inzwischen kniete er vor der Schublade, in die Tante Alais ihr Kästchen gelegt hatte. >Er wird doch wohl nicht...<, dachte ich mir, als er mit einem triumphierenden Ausruf die Schublade öffnete und natürlich die Schatulle entdeckte. Gerade als er danach greifen wollte, zog ich mit dem Kerzenständer auf. >Na warte, Bürschchen<, dachte ich mir, >nicht so schnell.<

Zu meinem Unglück musste er wohl meinen Schatten gesehen haben oder etwas in der Art. Auf jeden Fall hechtete er sich mit der Schatulle vorwärts, aus meiner Reichweite. Ich blinzelte verblüfft. Blitzschnell rappelte er sich auf und drückte dabei krampfhaft das Kästchen an seine Brust. Beinahe im gleichen Moment, sagten wir beide. ?Du? Was willst du hier?? Überrascht hielt ich inne. Dann fiel ich wütend über ihn her. ?Ich? Ich habe jedes Recht, hier zu sein. Welchen Grund hast du?? Ich stellte den Kerzenständer ab...er war wirklich verdammt schwer!

Ich machte einen Schritt auf ihn zu und er wich fast panisch zurück. ?Ich hole mir, was mir gehört!?, blaffte er mich an. Ich deutete auf das Kästchen. ?Das? Das gehört nicht dir. Mein Vater hat es meiner Tante geschickt. Wenn es jemanden gehört, dann ihr.? Mit diesen Worten stürzte ich mich auf ihn und versuchte ihm die Schatulle zu entwinden. Er ließ nicht los und kämpfte erbittert darum. Der Kerl krallte sich in meine ohnehin schon lädierten Haare, kratze und biss mich, als ginge es um sein Leben.

Und dann geschah dieses bedauerliche Unglück. Einer von uns beiden hatte den Verschluss der Schatulle gelöst und diese öffnete sich. Sogleich waren wir beide von einem schillernden, strahlenden Licht eingehüllt. Vollkommen überwältigt ließ ich das Kästchen los. ?Was ist das??, hauchte ich. Als keine Antwort kam, überwand ich mich, meinen Blick von dem Licht abzuwenden und blickte meinen Gegner an. Dieser hielt die Schatulle in seinen Händen und machte einen kreuzunglücklichen Eindruck. Und einen wütenden. Einen Augenblick brauchte ich und dann wurde mir klar, dass er auf mich wütend war.

In diesem Moment verblasste das Licht und ich hatte auf einmal eine Gänsehaut am gesamten Körper. Meine Haut prickelte ganz furchtbar. Und dann wurde ich auf einmal angeschrieen. ?Du dummes Mädchen. Weißt du eigentlich, was du da getan hast? Du hast mir meinen Wunsch zerstört, du Trampel. Du...du...ich wünschte...ich...ach...egal...das ist es nicht wert.? Mit diesen Worten warf er das Kästchen auf den Boden und stapfte aus dem Raum.

Völlig irritiert starrte ich ihm hinterher, dann besann ich mich. Ich stopfte das Kästchen zurück in die Schublade und rannte ihm hinterher. Als er meine Schritte hörte, drehte er den Kopf um über die Schulter zu sehen und wandte dann verächtlich den Blick ab. ?Warte doch?, schrie ich und rannte um ihn dann außerhalb des Tors einzuholen. ?Sag mir doch erst, was das war und weshalb du böse auf mich bist, bevor du einfach verschwindest. Und vor allem, hast du meine Eltern gefunden und wie geht es ihnen??

Ein betroffener Ausdruck trat in seine Augen. Allein aufgrund dieses Ausdrucks wurde mir schlecht und ich fiel einfach in Ohnmacht. Augenblicke später erwachte ich. Den Kopf auf dem Schoß des Fremden gebettet, wartete ich, bis die schwarzen Schlieren aus meinem Sichtfeld verschwanden und das Klingeln in meinen Ohren verklang. Und dann hörte ich diese schrecklichen Worte, die ich niemals vergessen werde.

?Als ich bei dem Gut deiner Eltern ankam, war es bereits zu spät. Das Haupthaus war eingestürzt. Ich habe deine Mutter, Miako, in der Nähe der Haustür gefunden. Ein herabfallender Ziegel scheint sie getroffen zu haben. Die überlebenden Mägde erzählten mir, dass dein Vater sich im Inneren des Hauses befand. Ich befürchte, er ist auch...?, den Rest sagte er nicht mehr. Das brauchte er auch nicht.

?Alle? Meine Eltern, sogar meine Geschwister??, wisperte ich. Ich fühlte mich, als hätte mich alle Kraft verlassen. Ich befürchtete, nie mehr vom Boden aufstehen zu können. Sanft streichelte mir der Fremde einige verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er lächelte mich sogar an. Sanft und tröstend wirkte es. ?Nein, deine Geschwister sind am Leben, Kleines. Sie waren alle außerhalb des Hauses. Ihnen ist nichts passiert.? Das erleichterte mich ungemein. So sehr, dass ohne Vorwarnung alle Schleusen bei mir brachen und ich hemmungslos das Schluchzen anfing.

Der Fremde nahm mich in die Arme und wiegte mich, während ich meinem Schmerz nachgab. Ich klammerte mich verzweifelt an ihn. Ich weinte, haderte und schrie meine Pein hinaus, während seine Arme mich weiterhin wortlos wiegten und nicht los ließen.

Irgendwann war ich zu erschöpft zum Weinen und zu heiser zum Schreien. Stumm war der Fremde jetzt, aber noch immer hielt er mich fest und bot mir Trost. Bilder blitzten vor meinen Augen auf. Die Gesichter meiner Eltern. Glückliche Gesichter. Mein Vater, wie er uns Kindern abends vor dem Kamin vorlas. Zufriedenheit und Stolz lag immer in seinem Gesicht, wenn er uns ansah. Meine Mutter, als sie mir dem Jüngsten schwanger war und am Fenster stickte. Die Sonne leuchtete auf ihrem goldbraunen Haar, aber das Strahlen in ihren Augen war stärker. Meine Eltern zusammen. Die Liebe, die aus ihren Blicken leuchtete, wann immer sie sich ansahen.

Ich blinzelte, doch meine Augen blieben trocken. Ich hatte keine Tränen mehr übrig. >Ich sollte aufstehen und nach Tante Alais sehen<, dachte ich müde. Der Fremde, als hätte er meine Absicht erkannt, ließ mich sofort los. ?Ich muss nach meiner Tante sehen. Sie wurde bei dem Erdbeben verletzt?, sagte ich ausdruckslos. Er stand auf und klopfte seine Kleider aus. ?Soll ich dich begleiten?? Ich schüttelte den Kopf. ?Geh, wohin du auch immer gehen wolltest. Es ist egal.? Ich wollte mich abwenden, doch dann siegten meine Manieren. Trotz allem, was passiert ist, funktionierte die Erziehung meines Vaters noch tadellos.

Ich reichte ihm die Hand. ?Danke. Für den Trost...? Er drückte wortlos meine Hand und wandte sich dann zum Gehen. Gefühllos sah ich ihm hinterher. In mir drin war alles tot. Ausgestorben und ausgebrannt.

Müde drehte ich mich um und ging schweren Schrittes zurück. Seana erwartete mich bereits aufgeregt. ?Da bist du ja, Danae. Ich habe dich schon überall gesucht. Dein Gesicht...was ist passiert? Hast du geweint?? Ich schüttelte unwillig den Kopf. ?Lass mich zu meiner Tante, Seana. Wie geht es ihr?? Ihr Gesicht nahm diesen besorgten Ausdruck an. ?Der Heiler meinte, es geht ihr im Moment gut, aber ihr Zustand kann sich wieder verschlechtern. In ihrem Alter ist das eine sehr gefährliche Verletzung. Geh zu ihr. Sie fragt schon nach dir.?

Als ich die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, war sie wach und sah mir entgegen. Auch sie fragte sofort, was passiert sei, als sie mein Gesicht sah. Ich setzte mich an den Bettrand und nahm ihre Hand. ?Meine Eltern...sie...bei dem Erdbeben...sie kamen ums Leben.? Traurigkeit verschleierte ihre Augen. ?Oh, mein armes Kind. Die Kleinen...geht es ihnen wenigstens gut?? Ich nickte. ?Wie geht es dir? Hast du starke Schmerzen?? Sie drückte meine Hand. ?Es geht. Im Moment ist aber etwas anderes wichtiger. Die Schatulle, die du mir gebracht hast...sie ist sehr, sehr kostbar.? Ich nickte nur. Mich interessierte nicht mehr, was es mit der Schatulle und dem Licht auf sich hatte.

?Es ist etwas geschehen, Tante Alais...?, ich schilderte ihr was passiert war. Auf ihrem Gesicht waren Bestürzung und Entsetzen zu sehen. ?Kind, du musst dich vorsehen. Dieser Fremde wusste genau, was es damit auf sich hatte. Du nicht. Ich muss es dir sagen. Diese Schatulle gehörte einst einem Magier namens Pandor. Ihr Inhalt...wie soll ich das erklären...wer sie öffnet...?, ihre Worte waren immer leiser geworden, ich beugte mich weiter vor, um sie zu verstehen, aber sie verstummte plötzlich. Ein Hauch von Besorgnis trübte meine Teilnahmslosigkeit. Ich fühlte ihren Puls, aber der schlug kräftig und regelmäßig.

In der Annahme, sie sei eingeschlafen, rief ich Seana. Ich unterdessen ging in eines der Gästezimmer und legte mich aufs Bett. Schlimme Kopfschmerzen plagten mich, doch ich schlief trotzdem irgendwann ein. Gnädigerweise wurde ich von Träumen verschont.

Einige Tage später, Tante Alais war noch immer nicht aufgewacht, überlegte ich mir, was zu tun sei. Offensichtlich wollte sie mir etwas wichtiges über die Schatulle mitteilen. Sollte ich nach dem Fremden suchen? Im Akours-Tal waren Fremde etwas, das man so leicht nicht vergessen würde. Ich würde schnell rausfinden, wohin er gegangen war. Oder nach Hause...wo mich alles an den großen Verlust erinnern würde. Andererseits, waren da meine Geschwister. Irgendjemand musste sich um sie kümmern.

Ich wälzte meine Gedanken und entschloss mich, nach dem Fremden zu suchen. Tante Alais hatte gesagt, er wisse, womit er es zu tun hatte. Es machte nicht den Anschein, als würde sie gleich wieder aufwachen. Der Heiler war ratlos. Wenn dieses Ereignis mit dem Licht etwas Gefährliches war, dann sollte ich wissen, um was es sich handelte. Um die Kleinen konnte sich die Haushälterin kümmern.

Begleitet von den guten Wünschen Seanas, einem von Tante Alais? Pferden, Gold und reichlich Proviant ausgestattet, zog ich los. Ich wollte in die Richtung reiten, in die der Fremde gegangen war. Zu Pferde müsste ich ihn bald eingeholt haben. Dachte ich mir.

Nach einigen Tagen erfolgloser Suche allerdings, war ich am Verzweifeln. Keiner hatte den Fremden gesehen, nicht einmal in der Stadt, die an der großen Hauptstrasse lag. Er konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Entschlossen lenkte ich mein Pferd auf die Hauptstraße. Ich war zwar noch niemals außerhalb des Tals gewesen, zumindest nicht, soweit ich mich erinnern konnte, aber ich musste den Fremden einfach finden.

Nach einigen mühevollen Wochen, in dem ich fast einem Raubüberfall zum Opfer gefallen wäre, zog ich mit der Handelskarawane, die mich gerettet hatte, in Deelor ein. Alle Hinweise deuteten darauf hin, dass der Fremde hierher wollte. Ich konnte kaum an mich halten, den Mund weit aufzureißen, als ich die Stadt das erste Mal sah. Sie war RIESIG! Und schmutzig und laut, aber trotzdem atemberaubend. Dann erst wurde mir klar, dass es fast unmöglich war, den Fremden HIER zu finden.

Nachdem ich mich von der Handelskarawane getrennt hatte, saß ich erst einmal ratlos am Marktplatz auf einer leeren Obstkiste herum und beobachtete die Menge. Mein Pferd hatte ich in einem Stall, nahe der Stadtmauer, untergestellt. Es war alles so fremd und so laut. Verwirrende Gerüche und Geräusche drangen auf mich ein. Ich hörte viele Sprachen, von denen ich nicht mehr als zwei erkannte. Ich erntete finstere Blicke von Frauen, die meine Reithose verächtlich ansahen. Und bewundernde von jungen Männern. Verängstigt von all den Eindrücken versuchte ich mich klein zu machen. Es gelang mir auch - eine Weile.

?Na, junge Dame. Sie sehen aber verloren aus.? Dies kam von einem dicken, freundlich lächelndem Mann, der mit einem Kasten vor dem Bauch umherlief und heiße Pasteten verkaufte. Nun war er bei mir stehen geblieben. Es lagen nur noch ein, zwei Pasteten auf dem Brett. Als mir der köstliche Duft in die Nase drang, knurrte mein Magen laut und vernehmlich. Der dicke Mann lachte herzhaft, während ich mich vor Verlegenheit wand. Dann betrachtete er mit einem abschätzenden Blick die etwas zerdrückten restlichen. Pasteten. ?Naja, die werde ich wohl eh nicht mehr verkaufen. Und meine Frau braucht ja davon nichts zu erfahren.? Er warf mir einen verschwörerischen Blick zu, als er mir eine Pastete in die Hand drückte.

Ich verstand zwar nicht, was er damit meinte, aber ich nahm die Pastete dankend an. Ich hatte am Morgen mein letztes Stück Proviant aufgegessen und war schrecklich hungrig. Gierig biss ich hinein und seufzte, als mir der heiße Fleischsaft in den Mund strömte. Die Pastete roch nicht nur furchtbar gut, sie schmeckte auch so. Kurze Zeit später leckte ich mir die Krümel von den Fingern. Der Pastetenverkäufer sah mich überrascht an und dann die Pastete, in die er hineinbeißen wollte und reichte sie mir mit einem Lächeln.

Ich wollte gerade danach greifen, als mir meine innere Stimme Einhalt gebot. Beschämt über meine Gier, lehnte ich ab. Der Dicke zuckte mit den Schultern, setzte sich neben mich und biss genussvoll in seine Pastete. Auch er war schnell fertig. Er seufzte. ?Meine Frau macht wirklich die besten Pasteten der Stadt. So werde ich wohl nie abnehmen.? Er zwinkerte mir zu und lachte. Ich lächelte schüchtern zurück.

?Na, dann erzähl mal. Was macht ein Mädchen vom Land hier in Deelor?? Überrascht sah ich ihn an. ?Woher...ich meine...Sie...merkt man mir das etwa an?? Er fing schallend an zu lachen. Die Händler an den Ständen sahen erstaunt zu uns hin und wandten sich dann schulterzuckend ab. ?Na, hör mal. Du sitzt mit offenem Mund da und betrachtest alles mit großen Augen, da braucht man nicht viel Verstand, um zu merken, dass du nicht von hier bist. Oder gar aus einer anderen Stadt.?

Ich merkte, wie ich rot anlief. Irgendwann würde ich mir meinen Mund zunähen lassen! Zögernd erzählte ich ihm meine zurecht gelegte Geschichte und fragte ihn, wie ich jemanden in so einer Stadt finden könnte. Er betrachtete mich. ?Na, erst mal stelle ich mich vor. Mein Name ist Devan. Meine Frau Liss hat einen Pastetenstand hier auf dem Markt. Ich werde dich ihr vorstellen.? Ich lief schon wieder rot an. Meine Manieren hatten mich im Stich gelassen. Ich wischte mir die Hände an der Hose ab und streckte sie ihm entgegen.

?Mein Name ist Danae. Ich bin aus dem Akours-Tal.? Ich konnte nicht verhindern, dass sich in meine Stimme so etwas wie Heimweh mischte. Devan sah mich an. ?Na, Mädchen, da bist du aber ganz schön weit weg von zu Hause.? Ich sah ihn erstaunt an. ?Sie kennen Akours? Ich dachte nicht, dass irgendjemand in dieser großen Stadt, unser kleines Tal kennen würde.? Der Mann lachte wieder. ?Na hör mal, Mädchen. Jeder in Deelor kennt Akours. Schließlich kam einer unserer berühmtesten Zauberer aus Akours.? Da war es wieder. Wieso glaubte scheinbar jeder das es Zauberei gab?

Ich beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. ?Können Sie mir helfen? Ich meine, den Mann zu finden, den ich suche.? Devan stand auf. ?Na, komm erst mal mit. Ich stelle dich Liss vor, dann schauen wir weiter.? Als er vorausging, schnappte ich mir schnell meine Satteltaschen und folgte ihm. Gut versteckt hinter seinem Rücken, denn allein wäre ich wohl in dem Gewirr untergegangen.

Liss war eine freundlich wirkende Frau, die meiner verstorbenen Großmutter ähnelte. Als Devan ihr meine Geschichte erzählte, nötigte sie mir gleich noch eine Pastete auf. Das kam mir gerade recht. Ich sollte später erfahren, dass die beiden die Ausnahme bildeten, mit ihrer Freundlichkeit.

?So, Mädchen. Dann erzähl uns mal, wie der Mann heißt, den du suchst.? Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. ?Das weiß ich nicht.? Beide sahen mich nun verständnislos an. ?Du willst nach jemanden suchen, dessen Namen du nicht kennst?? Ich nickte verlegen. ?Na gut, wie sieht er dann aus?? Stockend beschrieb ich den Fremden, so gut ich mich erinnern konnte. Devan schüttelte den Kopf. ?Blond, braune Augen, groß. Mädchen, ungefähr die Hälfte aller Männer hier sieht so aus. Geht es nicht ein wenig genauer? Hatte er Narben, auffällige Muttermale oder dergleichen??

Schamrot schüttelte ich den Kopf. Es war wirklich nichts auffälliges an ihm gewesen. Liss schnalzte mit der Zunge. ?Das wird eine verdammt lange Suche werden, Mädchen. Ich hoffe, das ist dir klar. Nun ja, bis es soweit ist, kommst du erst einmal mit zu uns. Du wärst ein gefundenes Fressen für alle Diebe und Halsabschneider.?

Ich fand bald raus, was sie für mich im Sinn hatten. Die beste Möglichkeit, jemanden in dieser Stadt zu finden, war auf dem Marktplatz. Ich erfuhr, dass dort nicht nur Handelswaren verkauft wurden, sondern auch Waffen und Rüstungen. Außerdem lag der Markt genau in der Mitte der Stadt, also musste früher oder später der Gesuchte dort vorbeikommen.

Damit ich nicht nur sinnlos herumsaß, übergab mir Liss einen Kasten, wie Devan ihn hatte und trug mir auf, zuerst auf der Südseite Pasteten zu verkaufen und dann mit Devan die Seite zu wechseln. So kam ich über den ganzen Markt und erleichterte gleichzeitig die Arbeit der beiden. Und ich verdiente mir Kost und Logis.

Nachdem Liss mir eine wattierte ?Schürze? gab, wusste ich auch, wie die Pasteten auf dem Rundgang heiß gehalten wurden. Unter dem Brett, auf dem die Pasteten lagen, war ein Fach, in das Liss heiße Steine legte. So würde sich kein Kunde über kalte Pasteten beschweren und das nächste Mal wieder bei ihr kaufen, teilte sie mir mit einem Zwinkern mit.

Am ersten Tag wanderte ich aufgeregt durch die Gassen, die die Stände bildeten und hielt Ausschau nach dem Fremden. Doch ich sah ihn nicht. Am zweiten Tag ebenso, wie auch am dritten, vierten und fünften Tag. Doch allmählich ließ die Aufregung nach, ich richtete meine Aufmerksamkeit auf andere Dinge und fügte mich in die Familie der Markthändler ein.

Bald kannten mich alle Standbesitzer, sie grüßten, scherzten und unterhielten sich mit mir. Ich war ein Teil von ihnen. Liss und Devan nahmen mich an, als wäre ich ihre Tochter, die sie vor Jahren an eine Seuche verloren hatten. Und ich nahm sie als meine Eltern an. Die Erinnerung an meine geliebten Eltern verblasste nicht, aber sie schmerzte nicht mehr.

Nach ein paar Monaten hatte ich beinahe vergessen, weshalb ich hier her gekommen war. Meine Aufmerksamkeit hatten Liss und Devan geschickt auf einen Neffen von ihnen gelenkt. Sie wollten mich richtig in die Familie aufnehmen. Und ich ließ mich nur allzu gern ablenken. Aris war ein wirklich netter Kerl. Charmant, witzig und verlässlich. Ich mochte ihn sehr.

So schlenderte ich eines Tages über den Markt, in Gedanken bei Aris und dem gestrigen Abend. Nach dem Essen hatten wir einen Spaziergang gemacht. Wie in jeder größeren Stadt war so etwas nachts gefährlich, aber Aris gehörte zur Stadtwache und trug IMMER sein Schwert. Ich hatte ihn einmal bei seinem Training gesehen...ich kannte mich zwar nicht aus, aber für meine Augen war er verdammt schnell. So fühlte ich mich vollkommen sicher.

Nach einer Weile waren wir in einem der kleinen ?Parks? angekommen, die es überall in der Stadt gab. Grünflächen mit Bäumen und Sitzbänken, die zur Verschönerung der Stadt dienten.
Er sah mich von der Seite an und lud mich zum Sitzen ein. Lächelnd setzte ich mich, meine Hand in der seinen. Still saßen wir da, genossen die Gegenwart des anderen, während das Licht des Vollmonds die Bäume um uns herum in Silber tauchte.

Er räusperte sich und verstummte dann. Ich sah ihn von der Seite an. Sein Gesicht lag zur Hälfte im Schatten, was ihm einen verwegenen Anschein gab. Ich betrachtete seine kühn geschwungene Nase, die langen Wimpern, seine schwarzen Augen, das dunkle Haar, das ihm immer in die Stirn fiel, egal wie oft er es wieder raus strich. Er sah auch mich an und nun lag sein Gesicht vollkommen im Schatten. ?Danae...ich...du weißt...dass ich...., stotterte er und verstummte dann.

Ich lächelte ihn an. Dann hob ich die Hand und streichelte sanft über seine Wange. Sein Atem stockte kurz, dann nahm er meine Hand und presste sie an seine Wange. Ich spürte wie er lächelte. Dann küsste er zärtlich meine Handfläche und wanderte hoch zu meinem Handgelenk, dort wo mein Puls wild pochte. Dann hielt er erneut inne. Ich spürte, dass er den nächsten Schritt nicht ohne Zustimmung wagen würde, also nahm ich das Ruder in die Hand. Ich beugte mich vor und küsste ihn.

Ich musste mit einem idiotischen Grinsen über den Markt gelaufen sein, denn Rovan, der Garnhändler rief mich spöttisch an. ?He, Danae, du strahlst ja heller als die Sonne. Läuft das Geschäft so gut?? Er lachte. Ich tauchte abrupt aus meinen Tagträumereien auf und gab ihm eine schlagfertige Antwort. Die Umstehenden lachten nun ihn aus, aber er nahm es gutmütig hin.

Ich grinste immer noch vor mich hin, als mich jemand anrempelte. ?Entschuldigung. Ich habe Sie nicht gesehen.? Ich sah nach oben, aber ich konnte sein Gesicht erkennen, da die Sonne hinter diesem Mann stand und mich blendete. ?Oh, Sie verkaufen Pasteten. Geben Sie mir eine. Ich bin hungrig wie ein Bär.? Ich runzelte die Stirn. Die Stimme kam mir so bekannt vor. Ich wickelte die Pastete in eine Serviette und reichte sie ihm. Er ging jemanden aus dem Weg und trat somit in den Schatten, wo ich sein Gesicht sehen konnte.

Ich starrte ihn entgeistert an. ?DU?!? Der Mann sah mich erstaunt an. ?Was? Kenne ich sie?? Auch ich trat aus der Sonne heraus, damit er mich ansehen konnte und nahm meine Mütze ab, die ich benutzte, um Sonnenbrand vorzubeugen. Er musterte mich angestrengt, dann trat ein Ausdruck des Erkennens in seine Augen. ?So. Du bist es. Geht es dir gut?? Ich merkte, das dass nur eine Höflichkeitsfrage war. Ich nickte stumm. Er betrachtete mich noch einen Augenblick und wandte sich zum Gehen. ?Entschuldige mich, ich muss gehen.?

Er war erst ein paar Schritte gegangen, als mir einfiel, weshalb ich überhaupt erst hierher gekommen war. ?Warte?, rief ich ihm hinterher. Er drehte sich um, mit einem sichtlich ungeduldigen Ausdruck im Gesicht. ?Ich muss mit dir über die Schatulle reden und was damals passiert ist.? Er drehte sein Gesicht weg, aber ich sah genau, dass er die Augen verdrehte. >Dieser unverschämte Kerl. Was fällt dem eigentlich ein?< Er seufzte. ?Nun gut, wenn es sein muss. Im Moment geht es wirklich nicht. Ich muss zu einem dringenden Treffen. Wie wäre es in zwei Stunden am Bürgerbrunnen?? Er wartete kaum mein Nicken ab, als er sich bereits umdrehte und davonging.

Aufgeregt wie ein kleines Kind lief ich zum Stand von Liss. Zufällig war auch Devan da. Er holte sich wohl gerade einen Nachschub Pasteten. Sie waren nicht so begeistert von der Neuigkeit wie ich. Sie machten beide ein betretenes Gesicht. Ich hörte, wie Liss Devan etwas zuraunte, ich konnte allerdings nur den Namen Aris hören. Da wurde es mir klar. ?Glaubt ihr, dieser Kerl ist eine Liebschaft von mir? Natürlich, sonst würdet ihr nicht so gucken. Was denkt ihr? Ich habe nie auch nur etwas in der Richtung erwähnt, wie kommt ihr also darauf??

Devan sah mich erstaunt an. ?Na, Mädchen, welchen Grund hättest du sonst haben sollen? Wir dachten uns, wenn du aus Akours nach Deelor reist, muss es die Liebe sein. Mädchen vom Land reisen selten so weit wie du, ohne triftigen Grund. Wir dachten, Aris würde dir über deine unglückliche Liebe hinweg helfen.? Ich lachte. ?Ich soll verliebt sein in DEN Kerl? Nicht im Leben!? Liss räumte den Stand auf. ?Danae, lass uns nach Hause gehen und du erzählst uns, weshalb du ihn eigentlich gesucht hast. Ein ernsthaftes Gespräch führt man nicht im Stehen mitten auf dem Markt.?

Zu Hause zog ich mich um. Raus aus den schmutzigen und verschwitzten Sachen. Danach setzten wir uns an den zerkratzten Esstisch, der vor dem Kachelofen stand. In Ruhe erzählte ich ihnen von dem Vorfall. Als ich geendet hatte, hatten beide einen seltsamen Ausdruck im Gesicht. Devan schien nervös zu sein. Er rieb sich die Hände dauernd an der Schürze ab und Liss spielte mit ihrem angegrauten Zopf, der über ihre Schulter hing. Sie schienen beide nervös zu sein. ?Was ist denn los? Ihr seid so seltsam.? Devan räusperte sich mehrmals. ?Nun, Danae, wie soll ich es dir sagen...dein Vater...Ribard...nicht wahr? Er...naja, nun...wir wissen genau, das er lebt.?

Wie man sich vorstellen kann, war ich nach diesem Satz geschockt. Wie konnte das sein? Die Mägde hatten dem Fremden doch erzählt, mein Vater liege unter den Trümmern des Hauses begraben. Und außerdem...?Aber warum hat er mich dann nicht gesucht? Ich habe doch einen Brief nach Hause geschrieben, wo ich bin. Wenn er am Leben war, wieso hat er mich nicht gesucht?? Ich war fassungslos. ?Und woher wisst ihr denn, dass er am Leben ist? Habt ihr ihn gesehen?? Liss warf ihrem Mann einen verzweifelten Blick zu. ?Nein, Danae. Wir haben gehört, das er in der Stadt ist. Es wundert mich, das du es nicht mitbekommen hast. Die ganze Stadt redet davon.? Ich starrte beide an und versuchte, ihre Worte zu verstehen. ?Wie...wie kann das sein? Warum sollten die Leute über ihn reden??

Devan setzte zum Reden an, als Liss einen Blick auf die Uhr warf. ?Kind, du musst dich beeilen. Du kommst sonst zu spät zu dem Treffen mit deinem Fremden.? Ich sah teilnahmslos auf die Uhr. ?Wie könnt ihr erwarten, dass ich jetzt noch zu diesem Treffen gehe? Ihr habt mir gerade gesagt, das ich die Möglichkeit habe, meinen Vater wieder zu sehen. Ich muss sofort zu ihm.? Liss schüttelte den Kopf. ?Das geht nicht, Mädchen. Um diese Zeit wird niemand mehr zu ihm vorgelassen. Du musst bis morgen warten.? Sie scheuchte mich vom Stuhl und fast schon zur Tür hinaus. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, darüber zu protestieren oder gar Fragen zu stellen.

Auf dem Weg zum Bürgerbrunnen drehten sich meine Gedanken immer im Kreis herum. Mein Vater lebt...er lebt! Warum hat er nicht nach mir gesucht? Warum hat mir keiner Bescheid gegeben? Wieso waren Liss und Devan so seltsam, wenn sie von meinem Vater redeten?

Der Fremde war schon da. Er stand vor dem gewaltigen Brunnen und betrachtete ihn. Ich blieb stehen. Es war ziemlich windig geworden. Ich bereute schon jetzt, das ich dieses Kleid angezogen hatte. Wenigstens hatte ich einen Schal Langsam ging ich auf ihn zu. Er schien meine Schritte gehört zu haben, denn er drehte sich plötzlich zu mir um. ?Da bist du ja. Na komm, lass uns in eine Gastschenke gehen. Dann kann ich dir alles erzählen.? Er nahm mich am Arm und zwar ziemlich fest. Überrascht ließ ich meinen Schal los, um meinen Arm aus seinem Griff zu befreien.

Hätte ich das doch nur nicht getan. Der Wind erfasste meinen Schal und trug ihn hoch hinauf - bis er an der Spitze des Brunnens hängen blieb. Ich blieb stehen und ging zurück. ?Was ist denn jetzt? Ich dachte du willst diese Geschichte hören?? Ich winkte ab. ?Es geht ganz schnell. Ich muss nur meinen Schal holen.? Er schüttelte ungeduldig den Kopf. ?Ist dieser Schal denn so wichtig?? Sein Tonfall klang verächtlich. Ich blieb stehen und sah ihn giftig an - wenigstens dieser Blick wirkte so, wie er sollte, denn er sank ein wenig zusammen. ?Das ist ein Geschenk meiner Pflegemutter. Ich weiß nicht, wie du mit Geschenken umgehst, aber ich pflege sie gut zu verwahren.?

Ich kletterte in das Becken und erschauerte. Das Wasser war so richtig kalt. Ich wusste zwar, dass es von einer Quelle in den Bergen gespeist wurde, aber ich hatte gehofft, es würde etwas wärmer sein. >Was solls. Da muss ich jetzt durch.< Ich fing an, an dem Brunnen hoch zu klettern. Anfangs ging es noch leicht, aber etwa in der Mitte wurde es schwerer. Hatte ich schon erwähnt, dass der Brunnen wirklich GEWALTIG war?

Irgendwann kam ich nicht mehr weiter. ?Ich wünschte, ich wäre eine Katze.? Meine Haut prickelte. Ich muss schleunigst hier runter, bevor ich mir eine Lungenentzündung hole. Ich versuchte nach oben zu hangeln. Verdammt, ich war abgerutscht. Dieser Brunnen war auch noch ziemlich glitschig. Ich hätte daran denken sollen. ?Ich wünschte wirklich, ich wäre eine Katze, dann hätte ich damit kein Problem.? Jetzt wurde das Prickeln stärker. Verflixt, ich hatte keine Lust krank zu werden.

Ich versuchte es noch einmal und streckte mich und streckte mich und - DA...ich hatte ihn. Jetzt ging es schneller wieder runter als rauf. Kurze Zeit später stand ich neben dem Fremden und zitterte vor mich hin, aber meinen Schal triumphierend in der Hand. Der Mann war wenigstens so freundlich und legte mir seinen Umhang über die Schultern. Dann führte er mich schnellstens in die nächstgelegene Schenke.

Er ergatterte einen Tisch nahe am Feuer und setzte mich auf den dem Feuer zugewandten Stuhl. Dann bestellte er heißen Wein, damit mir warm werde und zwei Portionen des Eintopfs, der über dem Feuer köchelte. Bis das Essen kam, klapperten mir bereits die Zähne. ?Da-a-a-aan-kke...?, klapperte ich.

Während des Essens fragte er mich, was ich während meiner Kletterei vor mich hin gemurmelt hätte. ?Ach, als es nicht mehr weiterging, habe ich frustriert gesagt, ich wünschte, ich wäre eine Katze.? Jetzt war das Prickeln der Haut wirklich unangenehm. Doch die Reaktion des Fremden war schlimmer. Er erbleichte schlagartig. Diese Gesichtsfarbe sah gar nicht gut aus. Die Augen wirkten bei dieser Farbe wie dunkle Löcher. Ich sinnierte so vor mich hin, während er mich - scheinbar fassungslos - anstarrte. Und dann schrie er mich an. ?Bist du denn vollkommen verrückt geworden? Du hast kein bisschen Verstand in deinem Schädel, oder?? Alle Köpfe drehten sich schlagartig zu uns rum. Ich sank in meinen Stuhl und wünschte mir, im Erdboden zu versinken. ?Die Leute sehen uns an.?, piepste ich. ?Außerdem musst du mich nicht schon wieder anschreien. Das letzte Mal hat mir gereicht. Das ist eine schlechte Angewohnheit von dir?, rügte ich ihn.

Er senkte die Stimme und fragte mich eindringlich: ?Wie oft? Wie oft hast du diesen Wunsch ausgesprochen?? Ich runzelte die Stirn. War das etwa so wichtig. ?Zweimal auf dem Brunnen.? Er strich sich fahrig die Haare aus der Stirn. ?Also dreimal. Gerade eben hast du den Wunsch das dritte Mal ausgesprochen.? Ich war völlig ahnungslos, was er damit meinte. ?Muss ich verstehen, was du da sagst??

Er sah mich etwas traurig an. ?Das ist das, was ich dir heute Abend erklären wollte. In Pandor?s Box ist ein mächtiger Zauber gefangen. Er erfüllt dir den Wunsch, den du laut aussprichst, nachdem du mit ihm in Berührung gekommen bist.? Ich sah ihn an. ?Na und, ich habe mir in der Zwischenzeit schon einiges gewünscht, aber nichts davon ist in Erfüllung gegangen.? Jetzt sah er wütend aus, richtig wütend. ?Das versuche ich dir gerade zu erklären. Da wir beide von dem Zauber eingehüllt wurden, wurde die Macht geteilt. Nun muss man den Wunsch dreimal hintereinander laut aussprechen, damit er in Erfüllung geht. Das habe ich erst heute bei einem Zauberer erfahren.?

Das war noch ein Schock. Gleich der zweite an einem Tag. ?Soll...soll...das etwa heißen...ich...ich...verwandele mich in eine KATZE????? Ich war außer mir. ?Das ist alles deine Schuld. Wärst du damals nicht nach Akours gekommen, wäre das alles nicht passiert!? Jetzt schrie ich. Und wieder ruckten alle Köpfe zu uns herum. Diesmal war es mir aber egal. ?Mach diesen Zauber rückgängig. Los! Sofort!? Der Fremde sah mich traurig an. ?Das kann ich nicht. Kein Zauberer außer Pandor kann den Zauber rückgängig machen...und Pandor ist seit Jahren verschollen.? Wutentbrannt starrte ich ihn an. ?Wann? Wann wird dies passieren? Diese Verwandlung?? Er überlegte. ?Noch heute Nacht, denke ich.?

Das war zuviel. Ich rauschte aus der Schenke raus und flog geradezu nach Hause. Liss und Devan schliefen bereits. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich wollte bei ihnen bleiben. Aber als Katze? Ich wusste, das Liss von Katzen krank wurde. Sie würden mich nicht aufnehmen können. Was sollte ich tun?

Ich schrieb ihnen einen Brief, indem ich erklärte, was heute Abend passiert war und weshalb ich nicht bei ihnen bleiben konnte. Dann floh ich in die Nacht hinaus. Ziellos irrte ich umher, nur begleitet von einem immer stärker werdenden Prickeln der Haut. Irgendwann war ich soweit, dass ich mir die Haut vom Körper kratzen wollte.

Zufällig kam ich in den Park, in dem ich mit Aris gewesen war. Ich hörte sogar seine Stimme. Sofort lief ich auf ihn zu, schutz- und trostbedürftig wie ich war. Doch dann merkte ich, dass er nicht alleine war. Dort saß ein junges Mädchen. Ich kannte sie. Sie war die Tochter des Bäckers, die gegenüber von Liss und Devan wohnte. Sie hatte Aris immer angehimmelt, aber er hatte mir versprochen, dass sie viel zu jung für seinen Geschmack wäre. Offensichtlich nicht.

Ich hörte, wie er ihr Kosenamen ins Ohr flüsterte und das war zuviel. Ich stürzte mich aus meinem Versteck fauchend auf ihn. Und dann schlug er mich beiseite. Ich war den Tränen nahe. Wie konnte er nur. ?Verdammtes Drecksvieh?, hörte ich ihn sagen, bevor er Novi von der Bank zog. >Drecksvieh? Was meinte er damit?< Ich sah an mir herunter und dann schrie ich. Doch es war kein menschlicher Schrei mehr. Ich war bereits eine Katze.

Ich irrte stundenlang umher, auf der Suche nach...nach was suchte ich eigentlich? Einer Hilfe oder einem Wunder? Ich wusste es nicht. Nachdem es anfing zu regnen, suchte ich mir einen Unterschlupf. Es war kalt, nass und dunkel, obwohl ich seltsamerweise hervorragend sehen konnte. Und es stank erbärmlich. Während der Regen auf das Blechdach über mir tropfte, sah ein paar Mal Mäuse vorbei huschen. Ich konnte ihre Angst riechen, wenn sie mich sahen. Dabei wollte ich ihnen gar nichts tun. Ich fühlte mich hilflos. Traurig. Einsam.

Irgendwann in der Nacht, während der Regen in einem beständigem Rhythmus nieder prasselte, schlief ich ein. Als die Sonne aufging, wachte ich auf und traute mich aus meinem Versteck. Die Welt sah wie frisch gewaschen aus und roch neu und sauber. Überall glitzerte das Licht in den Wasserpfützen, die der Regen zurückgelassen hatte. Neugierig schlich ich mich heran, vorsichtig darauf bedacht, den bereits umher eilenden Menschen aus dem Weg zu gehen.

Als ich das erste Mal mein Gesicht im Wasserspiegel sah, sprang ich erschrocken miauend einen Schritt zurück. >War ich das etwa?< Ich holte tief Luft und ging wieder näher ran. >Hey, ich sehe ja gar nicht so schlecht aus,> dachte ich mit und drehte und wendete mich von allen Seiten. Was ich sah, gefiel mir ausnehmend gut. Der Zauber hatte mich in eine hübsche Katze mit tiefschwarzem Fell und einem samtig grauem Fleck an der Brust verwandelt. Aus meinem Katzengesicht sahen mich hellgrüne Augen an, die das einzig Vertraute aus meinem vorherigen Leben waren.

Ich schnurrte und dehnte mich. Mein Körper wurde plötzlich lang und machte einen riesigen Buckel. Gleichzeitig fuhren Krallen aus meinen Pfoten. Fasziniert zog ich mich wieder zusammen und fuhr gleich noch mal die Krallen aus und zog sie wieder ein. Ich lächelte, zumindest wollte ich das, aber ich weiß nicht, ob sich das auch auf meinem Gesicht zeigte. Ich betrachtete meinen neuen Körper erneut im Wasserspiegel.

Als ich mich so drehte und wendete, tapste ich versehentlich ins Wasser hinein und zerstörte somit mein Bild. Sofort überfiel mich eine tiefe Traurigkeit. Ich hatte momentan andere Probleme, als mich eitel im Wasser zu beobachten.

Während ich mutlos auf der Strasse saß, stieg mir plötzlich ein Geruch in die Nase, der mir seltsam vertraut vorkam. Als ich den Kopf wandte, entdeckte ich zuerst nichts. Bis ich die blauen Augen sah, die mir aus einem Hauseingang entgegen leuchteten. Sie starrten mich unentwegt an.

Verschreckt zog ich mich in die Schatten zurück. Als hätte meine Bewegung sie aufgeschreckt, bewegten sich die Augen aus ihrem Versteck heraus. Den Augen folgte ein Körper. Auf vier Pfoten. Es war ein Kater. Und er bewegte sich geradewegs auf mich zu.

Panisch zog ich mich zurück, in der Hoffnung, der Schatten würde mich verbergen. Er tat es nicht. Irgendwann hatte mich der rote Kater in die Enge getrieben. Fauchend fuhr ich meine Krallen aus und schlug nervös mit dem Schwanz.

Der Kater gab ein Geräusch von sich, das in meinen Ohren fast wie ein Lachen klang. Und dann sagte er Hallo. Ich starrte ihn ungläubig an und dachte ich hätte mich wohl verhört. Aber dann sagte er wieder Hallo - und ich fiel ihn Ohnmacht.

Ich wachte davon auf, dass mir jemand einen nassen Waschlappen über den Körper zog. Verwirrt versuchte ich den Waschlappen ab zu wehren, während ich aus dem Dunkel der Bewusstlosigkeit auf zu tauchen versuchte. Doch die Person mit dem Waschlappen ließ einfach nicht locker. Als ich die Augen langsam öffnete, sah ich den roten Kater - der mein Fell abschleckte!

Entrüstet miauend sprang ich aus seiner Reichweite. Der Kater blinzelte mich amüsiert an. ?Du hast es mir ganz schön schwer gemacht dich zu finden, Mädchen. Wie heißt du eigentlich?? Ich musste ihn ganz schön entgeistert angesehen haben, denn er lachte. Ja wirklich, er lachte. ?Danae?, war das einzige was ich herausbrachte. Wenigstens hatte ich meinen Namen nicht vergessen.

?Na dann, Danae. Komm mal mit.? Damit drehte er sich um und ging. Nach wenigen Schritten sah er über die Schulter und sah mich an. ?Was ist? Komm mit! Ich bringe dich zu deinem Vater.? Und schon ging er weiter. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich raste ihm hinterher. Als ich auf einer Höhe mit ihm war, blinzelte mich der Kater an. Es sah wieder amüsiert aus.

Er führte mich durch die gesamte Stadt, wobei er keine einzige meiner Fragen beantwortete. Ich hätte eigentlich stehen bleiben sollen und auf Antworten beharren sollen, aber die Aussicht, meinen Vater zu sehen, war einfach überwältigend. Auch wenn mich die arrogante Art dieses Katers zur Weißglut brachte.

Schließlich kamen wir bei einem palastartigen Gebäude an, von dem der Kater sagte, dies sei das Konzil der Magier. Auch wenn mir das rein gar nichts sagte. Er schlüpfte durch ein Loch im Zaun und ich zwängte mich eilig hinterher. Langsam kamen mir Zweifel, das dieser Kater mich wirklich zu meinem Vater bringen wollte. Warum sollte mein Vater sich in diesem Konzil der Magier befinden?

Der Kater schlich sich durch eine offene Tür ins Gebäude rein und marschierte geradewegs durch die Küchen. Ich tapste ihm ängstlich hinterher, darauf bedacht der streng aussehenden Köchin aus dem Weg zu gehen, die ihren Mägden gerade ärgerlich mit dem riesigen Kochlöffel drohte.

Der Kater führte mich durch eine prächtige Galerie, in denen Bilder von streng aussehenden Männern hingen - und vereinzelt auch einigen Frauen. Am Ende der Galerie war eine marmorne Wendeltreppe, die der Kater bereits hinauflief. Doch ich blieb vor dem letzten Bild stehen und gaffte. Das Portrait zeigte einen Mann in den mittleren Jahren, dunkelhaarig mit hellgrünen Augen. Auch er sah ernst aus, aber seine Mundwinkel verrieten Humor. Er trug eine dunkelrote Kutte mit schwarzem Kragen. Um seinem Hals hing eine goldene Kette mit einer Art Amtssiegel. Es war mein Vater.

Ich war wie erstarrt. So fand mich der Kater einige Augenblicke später. Er brachte jemanden mit. ?Danae? Bist du das?? Bei der vertrauten Stimme, erwachte ich aus meiner Bewegungslosigkeit. Ich drehte mich um. ?Vater?? Er war es wirklich. Ich maunzte und warf mich ihm an den Hals - zumindest soweit wie ich kam. Er fing mich auf, als ich mit meinen Krallen abrutschte. Das war die einzige Umarmung, die wir zustande brachten.

Nach kurzer Zeit unterbrach uns der Kater mit einem Miauen. Mein Vater räusperte sich und ließ mich auf den Boden. In seinen Augen glitzerte Feuchtigkeit, wie auch in meinen. Dann brachen aus mir die Fragen hervor. Was mit ihm passiert war, weshalb er mich nicht gesucht hatte und vor allem - was hatte er hier verloren. Allerdings verstummte ich bald, nachdem ich sah, wie er mich verständnislos ansah. Der Kater sah mich mitleidig an. ?Er versteht dich nicht. Ich bin der einzige, den er versteht.? Ich sah meinen Vater traurig an, unfähig ihm zu sagen, wie sehr ich ihn vermisst hatte.

Doch nicht für lange. Nachdem er uns in seinen Raum gebracht hatte, holte er ein Buch heraus und las etwas daraus vor. Er vollführte seltsame Gesten über meinem Kopf, wobei seine Finger Lichtspuren hinterließen. Plötzlich prickelte mein Körper wieder. Endlich erkannte ich es als Anzeichen dafür, wie sich Magie bei mir bemerkbar machte.

Danach konnte er mich verstehen. Nun endlich konnte er mir erklären, was damals mit ihm passiert war. Und das war das Unglaublichste, was ich je gehört hatte. Mein Vater behauptete, ein Magier zu sein. Nun, inzwischen hatte ich ja akzeptiert, das es Magie gab, aber das mein Vater ein Teil davon war?! Das konnte ich kaum glauben. Es dauerte einige Zeit und auch einige Zauber, bis er mich davon überzeugt hatte.

Er hatte alle möglichen Zauber versucht, um mich von diesem Fluch zu befreien. Zum Teil auch sehr schmerzhafte. Leider wirkten die Zauber nicht. Ich blieb eine Katze. Entmutigt rollte ich mich auf seinem Schoß zusammen. Sanft strich er mir übers Fell. Das war der einzige Trost, den er bieten konnte. Nach einer Weile rang ich mich dazu durch, ihn nach Pandor zu fragen. Nach ihm und seiner Schatulle.

?Pandor lebte vor etwa einem Jahrhundert und war der mächtigste Magier seiner Generation. Einer des achten Grades. Aber er lebte nur für seine Arbeit und war sehr, sehr einsam. Ihn störte das nicht, aber seine Kollegen machten sich Sorgen um ihn, denn wenn man sich zu sehr auf die Magie konzentriert, verschlingt sie dich eines Tages. Das wusste er, aber es war ihm egal. Doch eines Tages, wurde seine Konzentration gestört und zwar durch eine Frau. Sie kam von den Inseln und war eine mächtige Magierin, siebten Grades. Ihr Name war Indria und sie war fast ebenso stark wie Pandor. Sie holte ihn aus seiner Zurückgezogenheit und brachte ihn zum Leben. Seine Kraft ebenso wie ihre wuchs durch ihre Liebe und sie entwickelten sich zu Magiern des achten und neunten Grades. Es gab fast nichts, was sie hätte besiegen können. Bis...ja, bis eines Tages Indria durch einen Zauber tödlich verletzt wurde. Pandor wandte die mächtigsten Zauber an, die er kannte, aber nichts wirkte. Das einzige, was er tun konnte, war, sie in Stasis zu versetzen. Einem ewigen Schlaf, aus dem nur er sie auferwecken konnte. Er suchte und forschte nach noch mächtigeren Zaubern, aber er fand sie nicht. Eines Tages wandte er seine gesamte Magie auf und erschuf diese Schatulle. Sie sollte in der Lage sein, einem Menschen einen einzigen Wunsch zu erfüllen, was es auch sein möge. Damit brannte er seine ganze Magie aus. Wir wissen nicht, was er sich wünschte, aber man fand diese Schatulle in seinen Gemächern. Sie waren leer. Er und Indria waren spurlos verschwunden. Seitdem hat man nie wieder etwas von Pandor gehört.?

Ich schluckte einen Kloß im Hals herunter. Ich hätte nicht gedacht, das die Geschichte der Schatulle eine so traurige war. Nun verstand ich auch, weshalb der Fremde so aufgebracht war, als dieser Zwischenfall damals passierte. Das erinnerte mich daran, mich nach dem Kater umzusehen, aber der war verschwunden. Ich hatte ihm nicht einmal danken können.

*****

Epilog

Nun, jetzt habe ich mich daran gewöhnt eine Katze zu sein. Es hat Vorteile...natürlich auch Nachteile, aber daran ändern kann ich nichts mehr. Ich habe ein neues Zuhause gefunden, bei meinem Vater, der noch immer nach Zaubern sucht, die mich befreien könnten, aber bis jetzt war er damit erfolglos.

Ich lebe mit jemanden zusammen dort. Dem roten Kater, der mich fand. Vor einer Woche kam unser erster Wurf zur Welt. Vier süße kleine Dinger. Zwei sind tiefschwarz und haben blattgrüne Augen so wie ich. Eins sieht aus wie sein Vater, rot mit blassblauen Augen und das letzte ist eine niedliche Mischung aus uns beiden.

Er heißt Mattin. Er ist der Fremde, der mich in diesen ganzen Schlamassel brachte. Aber ich habe ihm schließlich doch verziehen. Ich erfuhr im Nachhinein, dass er unter dem selben Fluch leidet wie ich, für die wenigen Male in seiner menschlichen Gestalt hatte er sehr viel Gold zahlen müssen. Er hätte dem ein Ende setzen können - statt dessen teilte er seinen Wunsch mit mir. Er hatte Schuldgefühle. Einmal im Monat verwandelt er sich in einen Menschen. Und einmal im Monat gehe ich Liss und Devan besuchen - in meiner menschlichen Gestalt.

Nyneave

Diese Geschichte wurde von mir ebenfalls unter www.webstories.cc gepostet.

P.S.: für diejenigen die es interessiert. Diese Story ist 27 Seiten lang. Kompliment für eure Ausdauer.

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