Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte/r Testbericht

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Summe aller Bewertungen
  • Einstellungschancen:  gut
  • Aufstiegschancen:  gut
  • Verdienstmöglichkeiten:  gut
  • Sozialleistungen:  durchschnittlich

Erfahrungsbericht von Kira103

Das leidvolle Leben einer RENO

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

Im Jahre 1996 ging auch für mich der Ernst des Lebens los. Ich wusste damals mit 16 eigentlich noch überhaupt nicht was ich in der Zukunft gerne für einen Beruf ausüben wollte und da die Zeitungen voll von Ausbildungsangeboten zur Rechtsanwalt- und Notarfachangestellten sind, entschied ich mich dafür. Für alle die jetzt in der gleichen Situation sind, möchte ich hier einmal beschreiben was ihr als ReNo zu erwarten hättet.

Voraussetzungen

Grundsätzlich reicht ein Hauptschulabschluss für die Ausbildung. Es gibt jedoch mittlerweile viele Rechtsanwälte die Abitur oder zumindest Höhere Handelsschule voraussetzen. Mit ein wenig Geduld findet man aber bestimmt auch mit einem Hauptschulabschluss noch einen Ausbildungsplatz.


Tätigkeiten einer ReNo:

Neben den allgemeinen Schreibarbeiten nach Diktat sollte eine gute ReNo auch in der Lage sein, die Zwangsvollstreckung (z.B. Gerichtsvollzieher beauftragen, Konten sperren lassen, Arbeitslohn pfänden und lauter so lustige Sachen) sowie die Buchführung und die komplette Büroorganisation selbständig durchzuführen.

Außerdem ist ein recht umfangreiches Gebiet das Kostenrecht. Es hört sich leicht an, mal eben die Kostenrechnungen für den Anwalt zu erstellen, ist es aber nicht immer, da die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung wie alle Gesetzte sehr kompliziert und umfangreich ist. Im Grunde gibt es für jede Furz den der Rechtsanwalt lässt eine eigene Gebühr, die die ReNo kennen muß. Sonst gibt es zu wenig Geld für den Chef und der 3. Jaguar, die 10. Eigentumswohnung oder sonst was ist in Gefahr.

Des weiteren muß sich jede ReNo am Telefon behaupten können. Täglich sind Anfragen bei Gerichten, Behörden und natürlich auch Mandanten zu tätigen, die eingehenden Anrufer entweder weiterzuleiten oder selbst zufrieden zu stellen. Das man dabei nicht immer nur auf freundliche Menschen trifft und ab und zu eine gehörige Portion Durchsetzungsvermögen dazugehört ist wohl klar.

Einen ganz großen Teil vor allem in der Ausbildung nimmt aber ersteinmal die Aktenverwaltung ein. Akten anlegen, Akten raussuchen in denen Post gekommen ist, Wiedervorlage- oder Frist-Akten raussuchen, Akten wieder alle in den Schrank hängen, Akten ablegen und archivieren, Akten, Akten Akten so weit das Auge sieht.


Das Gehalt und sonstige Sozialleistungen:

Da ReNo´s leider keine Tarifverträge haben, sind sie völlig auf den gute Willen des Arbeitgebers angewiesen. (Der fällt bei Rechtsanwälten in der Regel eher mau aus)

Als Richtlinie für Azubis gilt im 1. Lehrjahr 750,00 DM, im 2. 850,00 DM und im 3. 1.000,00 DM. Das ist aber wie gesagt nur die Richtlinie, gezahlt werden kann auch mehr oder noch weniger! Allerdings halte sich die meisten Anwälte an die Richtlinie. Auch bei Urlaubstagen gilt meist das gesetzliche Minimum. Mit 24 Tagen war ich damals noch recht gut dabei, in meiner damaligen Berufsschulklasse gab es aber auch Kandidaten mit gerade 18 Tagen.

Fahrkostenbeteiligungen, Weihnachtsgeld usw. sind zumindest in der Ausbildung auch ungewöhnlich. Mein jetziger Chef weigert sich sogar Vermögenswirksame Leistung zu zahlen. Klar, als gute ReNo weiß ich natürlich, dass das Pflicht ist, aber fangt in einem 3-Mann Betrieb mal Streit wegen rund 13,00 DM an. Das lässt man dann doch eher bleiben. Oder sollte ich mir einen anderen Anwalt suchen und ihn verklagen???

Nach der abgeschlossenen Ausbildung beträgt das übliche Anfängergehalt ca. 3.000,00 DM. Hier lässt sich dann auch besser über Urlaubstage, Fahrtkostenbeteiligungen usw. verhandeln. Die Bezahlung ist sehr stark von Büro zu Büro verschieden, gerade wenn man längere Zeit in einem Büro arbeitet und der Chef einen als unentbehrlich ansieht kann das Gehalt nach oben gut gestreckt werden. Ich habe 1999 mit 2.900,00 DM angefangen und bin 3 Jahre später bei 3.700,00 DM angekommen. Das ist zwar immer noch wenig, aber ich denke für 3 Jahre eine recht gute Bilanz.


Weiterbildungsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven:

Als einzige Weiterbildungsmöglichkeit im Beruf selber bleibt einem der Bürovorsteher. Ein sehr undankbarer Job der in der Regel mit sehr viel Verantwortung und sehr kleinem Gehalt verbunden ist.

Besser sieht es da schon mit Perspektiven nach der Ausbildung in anderen Betrieben aus. Viele große Unternehmen wie Banken, Versicherungen, Inkassobüros etc. stellen in ihren Rechtsabteilungen aber auch für gänzlich andere Bürotätigkeiten ReNo´s ein. Eine frühere Berufsschulkollegin von mir ist heute in einer Lebensversicherung tätig und bearbeitet dort die Versicherungsfälle, eine andere ist in einer Bank untergekommen und arbeitet am Schalter.

Für was man sich danach auch entscheidet, einen Job findet man hier eigentlich immer. Auch Rechtsanwälte selbst suchen immer. Was wohl daran liegt, dass die meisten ReNo´s nach einiger Zeit eben wegen der schlechten Bezahung usw. nicht mehr in einem Anwaltsbüro arbeiten möchten und in andere Branchen überwechseln.


Die „Schattenseiten“:

Fast alle Rechtsanwälte sehen ihre Azubis als billige Schreibkraft an. Solltet ihr euch für eine Ausbildung in diesem Bereich entscheide, ist es ganz wichtig darauf zu achten, in was für einem Betrieb ihr landet. Ich denke einen guten Ausbilder kann man im Vorstellungsgespräch ruhig nach so was fragen. Die Reaktion wird schon einiges aussagen.

Nach der Ausbildung wird man kaum übernommen. Fast alle Kanzleien laufen nach dem gleichen Prinzip: eine Festangestellte und eine stets wechselnde „billige“ Auszubildende. Aber wie ja schon oben gesagt, man findet nach der Ausbildung leicht eine neue Stelle.

Ganz wichtig: Rechtsanwälte sind schwierige Menschen! Ich kann das recht gut beurteilen weil ich a) schon recht viele kennengelernt habe und b) viele ReNo´s in meinem Bekanntenkreis habe die davon auch ein Lied singen können. Der typische Rechtsanwalt hält sich grundsätzlich für was besseres, ist enorm arrogant und launig (meist schlechtlaunig) und kann sich selbst nicht einen einzigen Fehler eingestehen, findet bei anderen dafür um so mehr. Hiermit muß man umgehen können, bzw. die Geduld aufbringen sich seinen Cehf ein wenig zu erziehen.

Dazu kommt das nicht nur der Chef sondern auch die breite Masse einen wie eine dumme Tippse behandelt, die einfach nur nett ausschauen sollte. Das man sehr viel Verantwortung trägt und im Grunde alles alleine machen muß, weil der Chef sowieso von nichts Ahnung hat, sieht ein Außenstehender natürlich nicht.

Als ReNo gehört man wohl auch mit zu den einzige, die noch eine 40 Stunden-Woche haben. Freitags früher frei ist hier nicht. Die gängige Arbeitszeit ist Mo – Fr von 9:00 bis 18:00 Uhr. Da kommt vor allem im Sommer Freude auf! Fast alle Kanzleien haben z.B. auch am 24.12. und 31.12 zumindest einen halben Tag geöffnet. Sonst würde der Chef ja was verschenken.

Abraten kann ich nur davor, eine Ausbildung bei einem spezialisierten Rechtsanwalt (z.B. Familienrecht, Strafrecht usw.) anzufangen, da man hier teilweise wichtige Sachen nicht lernt. In Familiensachen z.B. gibt es so gut wie keine Zwangsvollstreckung, in Strafsachen lernt man kaum Gebühren kennen.

Ich persönlich würde diese Ausbildung NICHT noch einmal machen, sollte ich eines Tages aufwachen, noch mal 16 und mit allen Toren offen dastehen. Hier gibt es im Bürobereich einfach viel bessere Ausbildungen mit denen sich auch wesentlich mehr Geld verdienen lässt. Ich habe mich aber trotzdem bemüht halbwegs objektiv das Leben einer ReNo zu beschreiben.

Irgendwie ist der Bericht jetzt auch etwas arg lang geworden, aber vielleicht quält der eine oder andere sich ja doch bis zum Schluß durch :-) Dabei würde mir noch soviel mehr einfallen!

Ach ja, letzte Anmerkung: Ich war bisher nur bei Rechtsanwälten tätig, bei Notaren dürfte es aber ähnlich aussehen.

16 Bewertungen, 3 Kommentare

  • eponnin

    27.05.2002, 01:12 Uhr von eponnin
    Bewertung: sehr hilfreich

    Und ich dachte schon, mein Job wäre ... bescheiden *g*

  • Faleah

    26.05.2002, 23:35 Uhr von Faleah
    Bewertung: sehr hilfreich

    Jaja, wir haben schon ein scheiß leben :-) Bussi, Faleah.

  • romyal

    26.05.2002, 23:35 Uhr von romyal
    Bewertung: sehr hilfreich

    ich fand das sehr interessant