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Erfahrungsbericht von Featein

Erdenkind und Drachentod (Fantasy), 1. Teil

Pro:

Ach, da ich es selber verfasst habe....

Kontra:

... kann ich das nicht gut festlegen...

Empfehlung:

Nein

Erdenkind und Drachentod\"

© Featein

Prolog:

Gestern ist mir etwas Erstaunliches passiert.
Gestern bin ich gestorben.
Sicher, werden Sie jetzt einwenden, aber was soll daran erstaunlich sein? Tagtäglich sterben irgendwo irgendwelche Menschen. Vor allem, wenn man ihren Kopf mit einem Beil von ihrem Körper trennt. Zugegeben, es war keine sonderlich originelle Art zu sterben. Schon gar nicht zu einer Zeit, in der seine Lordschaft tagtäglich Leute hinrichten läßt. Und das meistens ohne Grund.
Aber mich hat es doch sehr erstaunt, denn erstens hatte ich nicht vor, zu sterben und zweitens habe ich nicht damit gerechnet, hinterher darüber schreiben zu können.

Lassen Sie mich erklären...



I.

Ich wuchs in einem kleinen Ort im Grenzgebiet auf. Meine Ziehfamilie und ich wohnten in einem kleinen, aber sehr gemütlichen Haus mitten in einem malerischen Dorf.
Ich denke, man kann sagen, daß es eine schöne Kindheit war. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem meine Ziehschwester heiraten wollte.

Damals war ich gerade fünfzehn und chronisch schlecht gelaunt.
Auch an diesem Tag, wir saßen gerade in der kleinen Küche um den Tisch und bereiteten uns auf die kirchliche Trauung vor, war ich in einer recht düsteren Stimmung, was vor allem daran lag, daß ich nicht verstehen konnte, was Maren, die große, schlanke und in meinen Augen wunderschöne Maren, an diesem grobschlächtigen und ungehobelten Kerl namens Frank Bryce finden konnte. Er habe versteckte Qualitäten, wurde mir erklärt. Ich konnte nicht umhin, ihn dafür zu loben, den so gut hatte ich noch nie jemanden irgendetwas verstecken sehen.
Maren lachte darüber. Sie lachte immer, wenn ich eine abfällige Bemerkung machte. Kleine Lachfältchen zeigten sich dann um ihre großen und strahlend grünen Augen. Ich mochte sie deswegen besonders gerne. Nie nahm sie mir meine Launen krumm, noch mußte ich mir neben ihr dumm und häßlich vorkommen, obwohl das absolut eine Berechtigung gehabt hätte: Sie war gut einen Kopf größer als ich, hatte langes goldgelocktes Haar, meins hingegen war rabenschwarz und ewig struppig und widerspenstig. Ich hatte es mir gegen den Willen meiner Ziehmutter aus Trotz lang wachsen lassen. Ihr Gesicht war schmal, zwei übergroße Augen mit langen schwarzen Wimpern umrahmt sahen einen daraus an. Die Nase war schmal und lang, nicht so plump und unelegant wie meine Himmelfahrtsnase. Ich habe sie ehrlich um ihr Aussehen beneidet.

Meine Ziehmutter Marianne sah meine Bemerkung weniger humorvoll. Vielleicht lag das daran, daß sie mich nicht besonders mochte. Ich konnte ihr das nicht übel nehmen, schließlich hatte ihr Mann sie damals nicht gefragt, als er mich zu sich genommen hatte, nachdem meine Eltern bei einem verherrenden Brand ums Leben gekommen waren. Und als er dann auch noch vor drei Jahren starb, stellte ich für die ohnehin ärmliche Familie eine nicht unerhebliche Belastung dar. Und als ich dann auch noch vor gut einem Jahr den Heiratsantrag des genauso alten wie vermögenden Peterson ausgeschlagen und ihn als \"pädophilen alten Bock\" bezeichnet hatte, hatte ich ich mir offenbar auch noch die lezten Sympathiepunkte von Marianne verspielt.

Jedenfalls wurde sie sehr sauer, als sie mich so über ihren Traumschwiegersohn in spe reden hörte.
\"Sei endlich still, du freche Göre!\" zischte sie mich an und Speichel flog ihr dabei in kleinen Flöckchen aus dem Mund. Sie sah Maren nicht sonderlich ähnlich, so daß man manchmal hätte meinen können, sie wäre meine und nicht Marens leibliche Mutter: Sie war ungefähr so groß wie ich, allerdings auch doppelt so breit. Kurzes, braungelocktes Haar wippte fröhlich und ungezähmt in der Luft- das einzige, was an ihr einen fröhlichen und ungezähmten EIndruck machte. Man sah ihr die letzten paar Jahre voller Sorgen an. Ich kann mich kaum daran erinnern, sie jemals lachen gesehen zu haben, obwohl Maren mir oft erzählte, wie humorvoll ihre Muttter war. Vielleicht gab es ja noch eine andere, die sich immer versteckte, wenn ich kam...
\"Was bist du nur für ein unausstehliches Wessen !\" schimpfte sie weiter und ihr mächtiger Busen wogte zornig unter dem großgeblümten Sonntagskleid. Sie stemmte die Fäuste in ihre breiten Hüften. \" Warum kannst du nicht ein bißchen sein wie Maren? Frank Bryce ist ein wunderbarer, ehrlicher und großartiger Mann!\"
\"Frank Bryce ist ein Dummkopf!\" erwiderte ich nicht sehr diplomatisch.
Marianne erhob erbost die Hand, als wolle sie zu einer Ohrfeige ausholen, überlegte es sich dann aber scheinbar anders und ließ die Hand wieder sinken. \"Geh nach oben!\" befahl sie mit heiserer Stimme. \"Geh und zieh dir das neue blaue Kleid an. Der alte Peterson wird heute auch kommen. Und so war ich hier stehe, wenn du dieses Mal seinen Antrag ablehnst, prügel ich dich eigenhändig zur Stadt raus!\"
\"Den alten Widerling?\" fragte ich naserümpfend. \"Ich denk ja gar nicht dran! Der ist doch schon seit Jahren scheintot!\" \"Geh hoch!\" sagte Marianne und zwang sich offenbar zur Ruhe. \"Und du wirst erst wieder runterkommen, wenn du bereit bist, Petersons großzügiges Angebot anzunehmen und aufhörst dich, wie eine verwöhnte Prinzessin zu benehmen!\"
Ich wußte, daß diskutieren hier keinen Zweck hatte. Sie würde dann nur wieder mit ihrem üblichen \"Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe\"-Gejammer anfangen und mir vorhalten, wie unendlich dankbar ich ihr doch sein mußte, daß sie mich nicht längst vor die Tür gesetzt hatte und so weiter. Ich drehte mich also auf dem Absatz um und ging die schmale Holztreppe hoch, die ins obere Stockwerk führte, wo ich direkt unter dem Dachgiebel ein kleines Zimmer hatte.
\"Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe!\" hörte ich Mariannes schrille Stimme aus der Küche. Ich ging in mein Zimmer und schloß polternd die Tür. Ich hatte nicht vor, wieder herunterzukommen. Jedenfalls nicht, bevor dieser elende Sabbergreis ins Gras gebissen hatte. Konnte sich ja nur um Tage handeln. Ich legte mich wie ich gerade war, in Jeans und Pullover, auf mein schmales Bett und starrte die dunklen Holzbohlen an der Decke an. Ich habe bestimmt mehr Stunden hier oben verbracht als irgendwo sonst. Ich erinnerte mich. daß ich früher tagelang hier oben gespielt hatte. Ich hatte mir vorgestellt, ich sei eine Prinzessin, von einer bösen Hexe in einem Turm gefangen und wartete auf den Ritter in glänzender Rüstung, der mich befreien sollte. Aber bitte nicht von einem Achtzigjährigen ! Das war so eine widerliche Vorstellung....man stelle sich vor, wenn man so einen alten Greis küßt, hatte man vielleicht hinterher sein Gebiß im Mund, oder so was.....
Es schüttelte mich. Ich lag eine ganze Weile einfach so da und dachte mir immer mehr Gründe aus, warum das nunmal nicht ging.

Irgendwann fingen die Kirchenglocken an zu läuten. Ich spürte einen sehnsüchtigen Stich in meinem Herzen. auf der Straße hörte ich die Leute, wie sie lachend zum Gottesdienst marschierten. Sie waren offensichtlich schon in einer sehr feierfreudigen Stimmung: Kinder lachten und kreischten, Männer gröhlten und Frauen johlten schrill und hell.
Da gingen sie also. Ohne mich.
Ich lauschte, bis sie weg waren. Wie gerne wäre ich doch bei ihnen gewesen, an Marens großem Tag. Aber nicht unter diesen Bedingungen!\" schimpfte eine innere Stimme. \"Sollen sie doch warten, bis sie schwarz werden!\"
\"Ach ja?\" antwortete eine ander Stimme. \"Und Maren im Stich lassen? Weiterhin der Familie zur Last fallen, obwohl sie sich kaum selbst ernähren kann?\"
\"Sicher \", antwortete die erste Stimme. \"Wenn die Alternative in einem grapschwütigen Lustgreis besteht, dann auf jeden Fall!\"
\"Hast recht\", antwortete die zweite Stimme.
Tief durchatmend genoß ich das Gefühl, wenigstens mit mir, wenn nicht schon mit meiner Umwelt, im Einklang zu sein. Ich fühlte mich stark und trotzig. Ich würde nicht nachgeben!
Plötzlich lauschte ich auf. War das nicht eben ein Donnergrollen gewesen ? Aber das konnte doch gar nicht sein, der Himmel war strahlend blau, und die Sonne schien warm durch mein kleines Fenster.Aber dann erklang das Grollen wieder. Ich streckte mich ein wenig und sah zu meinem kleinen Fenster hinaus zur Kirche.

Neben der kleinen hölzernen Kirche standen zwei Raumtransporter. Auf ihrer Seite prangte ein goldumrahmtes Wappen, das eine schwarze Drachen-silhouette auf tiefrotem Grund darstellte. Es waren Dragoniere, die Soldaten seiner Lordschaft.
Seine Lordschaft regierte das gesamte Grenzgebiet mit eiserner Faust. Die Leute gaben ihm einen Teil ihrer Ernte ab und er beschützte sie dafür. Meistens vor sich selber. Ich hatte ihn noch nie selber gesehen, aber man erzählte sich, daß er ein sehr stattlicher Hüne war, der es im Kampf locker mit einem Dutzend guter Kämpfer aufnehmen konnte.
Ich fragte mich, was die Soldaten hier wollten. Normalerweise kamen sie erst gegen Ende des zehnten Monats, wir hatten aber erst Mitte des Achten.
Hatte es etwas damit zu tun, was Frank Bryce neulich erzählte?

Frank hatte Maren in seiner gewohnt blasierten Art erzählt, daß dieses Jahr die Ernte sehr schlecht ausfiele, und man wahrscheinlich seiner Lordschaft nichts geben konnte, weil sonst das halbe Dorf den Winter nicht überleben konnte. Da wäre es ihm nicht klar, sagte er mit einem gehässigen Seitenblick auf meine Person, wie man nichtsnutzige Rumtreiber mit durchfüttern könne. Ich hatte ihn nur angegrinst und demonstrativ eine Oktarina ausgelutscht. Jedenfalls hätte er, Frank Bryce, sich darum gekümmert. Er habe unverzüglich Seiner Lordschaft eine Nachricht zukommen lassen und habe soeben die Nachricht erhalten, Seine Lordschaft würde sich darum kümmern.

Frank Bryce war ein ausgemachter Dummkopf. Ich hatte damals schon ein blödes Gefühl bei der Sache. Ein schrecklicher Verdacht keimte in mir auf. Als sich die riesigen Tore der Schiffe öffneten und aus ihnen schwerbewaffnete Dragoniere herausmarschierten, verstärkte sich mein ungutes Gefühl. Männer in Kampfanzügen und mit Lasergewehren waren nicht gerade geeignete Erntehelfer.
Mir wurde mulmig, um es mal harmlos auszudrücken. Die Dragoniere hatte angeblich auf anderen Planeten unseres Sonnensystems bereits einige Dörfer zerstört, weil sie den Tribut verweigert hatten. Sogenannte fliegende Händler, die manchmal hier landeten und Erzeugnisse aus allen Orten des Universums anpriesen, hatten davon berichtet. Aber das konnte nicht sein...die anderen Orte hatten nicht zahlen wollen, wir wollten, konnten aber nicht.
\"Seine Lordschaft kümmerte sich darum...\" Franks Worte spukten in meinem Kopf herum.
Andererseits...
Eine kalte Logik stand dahinter: wenn man verhindern wollte, daß ein halbes Dorf verhungert, wird eben ein halbes Dorf eliminiert. Aber das würden sie doch nicht allen Ernstes...
Aber damit schlachteten sie doch auch die Kuh, die sie melken wollten!
Atemlos beobachtete ich, wie sich etwa dreißig Dragoniere vor der Kirchentür in Position stellten. Ein weiterer Mann, er schien der Anführer zu sein, stellte sich ein wenig abseits.
Hastig lief ich zu meinem kleinen Nachttisch und holte das Fernglas vor, das mein Ziehvater mir zum zehnten Geburtstag geschenkt hatte.Es sah schon ein wenig mitgenommen aus und die Linsen waren auch schon ziemlich zerkratzt, aber es funktionierte noch einwandfrei.

Der Befehlshaber, ein bleicher junger Mann mit wirren schwarzen Haaren, deutete auf die Tür und gab irgendwelche Anweisungen. Dann blickte er in meine Richtung und schien zu lächeln - und für einen Augenblick war mir, als könne dieser seltsame Mensch mich sehen. Ich setzte erschrocken das Fernglas ab. \"So ein Blödsinn!\" schimpfte ich . Das konnte wohl kaum sein, er war mindestens 800 Meter entfernt und ich stehe an einem Fenster, das so klein ist, daß selbst die Stubenfliegen es suchen mußten.
Ich hob das Fernglas wieder und stellte es auf eine Entfernung von 800-1000 m ein. Automatisch zoomte es mir die Bilder ran, als würde ich nur wenige Meter entfernt stehen. Der Mann in der Ferne lächelte und entblößte dabei eine Reihe nadelspitzer Zähne. Ein Schaudern lief mir über den Rücken. Ich hatte schon von ihm gehört. Jeder fliegende Händler hatte von ihm erzählt.Er wurde \"Drachentod\" genannt. Sie sagten, er sei eines Tages praktisch aus dem Nichts erschienen, eine Ausgeburt der Hölle, nur von dem einen Gedanken beseelt:zu töten. Seine Lordschaft hatte es verstanden, ihn in die richtigen - in SEINE Bahnen zu lenken und hatte ihn zu seiner rechten Hand ernannt. Im Prinzip war er DER Schlächter seiner Lordschaft, ihm treu ergeben. In seinem Auftrag hatte er schon mehr als hundert Dörfer niedergebrannt und ausgerottet...
Ich schluckte. Und begriff. Ohne weiter nachzudenken, ließ ich das Fernglas fallen und rannte los. Er würde sie alle töten\" Ich strauchelte und stürzte die Treppe runter. Haltsuchend taumelte ich an das Geländer. Ein stechender Schmerz durchfuhr mein linkes Bein, als ich umknickte. Aber ich humpelte weiter, so gut es ging. Panik machte sich in mir breit. Was sollte ich tun? Um Hilfe rufen? Aber wen? Die Leute warnen? Aber wie? Und was machte das für einen Sinn? Mich verstecken? Und dann? Sie würden mich ohnehin finden. Instinktiv griff ich nach dem alten Gewehr meines Ziehvaters aus der Halterung neben der Eingangstür. In diesem Moment scherte ich mich nicht darum, daß es seit Jahren nicht benutzt oder geputzt worden war und vermutlich nicht einen Schuß Pulver taugte. Ich wußte nur, daß ich Maren helfen mußte, wie auch immer die Folgen für mich wären.
Ich rannte aus dem Haus in Richtung Kirche. Die Sonne blendete mich und ich konnte kaum sehen, wohin ich lief, mein linkes Bein ein wenig hinterher ziehend. Der Schmerz war kaum mehr vorhanden.
\"Jaja!\" meldete sich eine innere Stimme vorwurfsvoll. \"lauf ruhig, wenn du es so eilig hast zu sterben.\" Meine Schritte verlangsamten sich ein wenig. Ich begann den Unsinn meiner Aktion zu realisieren.
Ich hörte Schreie, dann Schüsse und wieder Schreie. Ich beschleunigte wieder. Wenn alle starben, gab es für mich auch keinen Grund mehr, weiterzuleben. Ich spürte ein leichtes Bedauern in mir, diese Erkenntnis erst jetzt, wo es zu für die anderen schon zu spät war und ich in meinen sicheren Tod rannte, gewonnen zu haben. Ich lief weiter. Die Schreie waren inzwischen verstummt und eine grausige Stille war eingetreten. Ich hörte meinen Atem rasseln und das Blut pochte in meinen Schläfen.
Vor der Kirche lehnte der Mann, den sie Drachentod nannten, an der Wand und sonnte sich. Er sah aus, als würde er sich prächtig amüsieren. Hätte nur noch gefehlt, daß er sich die Fingernägel feilt! Einige Dragoniere traten mit Truhen und Kästen aus der Kirche, andere schlenderten gemütlich wie zu einem Einkaufsbummel ins Dorf. Keiner schien überrascht oder wenigstens annähernd beunruhigt zu sein, als ich mit dem Gewehr in der Hand an der Kirche auftauchte.
Drachentod blickte zu mir und lächelte, daß sich mir Nackenhaare aufstellten.
\"Geh ruhig rein, Mädchen!\" sagte er und deutete mit einem Kopfnicken auf die Tür. Seine Stimme klang heiser, als ob er erkältet wäre. \"Wenn du willst, dann geh rein. Ich würde es an deiner Stelle nicht machen. Aber du hast die Wahl... Nur...\" Er blinzelte betont lässig in die Sonne. \"Leg vorher das Ding da zur Seite, bevor du dir damit wehtust.\" Er deutete beiläufig auf das Gewehr und bevor ich mich versah, hatte einer der Dragoniere, ein widerlicher Kerl mit Pockennarben im Gesicht, mir im Vorübergehen die Waffe aus der Hand genommen und legte sie in eine der Kisten, die er gerade trug.
Ich war höchst verwirrt. Ich hatte alles erwartet, aber nicht sowas!
Ich blieb unsicher stehen. Er spielt mit mir, dachte ich. Er will mich töten, wenn ich gerade nicht damit rechne. Er macht sich einen Spaß draus!
Drachentod zog sardonisch eine Augenbraue hoch. \"Na, hat dich der Mut verlassen? Doch nicht so tapfer, eh?\"
Scham stieg in mir auf. Nein, ich wollte nicht wie ein Feigling wirken. Bestimmt würde er mich töten, sobald ich durch die Tür ging und ihm den Rücken zukehrte. Aber was spielte das für eine Rolle, wann und wie?
Ich reckte den Kopf und schob energisch mein Kinn vor. Langsam ging ich an ihm vorbei durch die Tür.
Ich bereute es im selben Moment, in dem ich die Kirche betrat. Hätte ich mich doch als Feigling geoutet, es hätte mir diesen grausigen Anblick erspart: Männer, Frauen und Kinder lagen auf den Kirchenbänken und auf dem Boden verteilt in ihrem eigenen Blut. Wo sie versucht hatten zu fliehen, stapelten sich die Körper übereinander, in einer Reihe, wo sie beim Gebet überrascht worden waren. Da lagen sie, meine Freunde und Bekannten. Ein einsamer Hut, groß und blau mit einem Schleier löste sich vom Kopf meiner ehemaligen Nachbarin und rollte quer über den Mittelgang. Irgendwo hörte ich das leise Plätschern von Blut, das tropfenweise auf den harten Steinfußboden fiel.
Übelkeit stieg in mir auf, als ich über ihre toten Körper nach vorne ging, unfähig, mich von diesem Massaker abzuwenden.Ich würgte. Nicht mal die Kinder hatten sie verschont. Ich starrte die Leichen an, versuchte hier und dort ein Lebenszeichen zu entdecken. Nur eines, selbst ein schwaches wäre mir schon recht gewesen. Nur eben noch ein bißchen Leben in diesem Saal voller Menschen. Weiter hinten sah ich drei weitere leblose Menschen liegen, wie zu einem Dreieck angeordnet. Die Spitze bildete unser Pfarrer Delaware. Die toten Augen waren angstgeweitet und starrten an die Decke. In seinen Händen hielt er immer noch die blutverschmierte Bibel. Er hielt sie wie einen Schild vor sich. Sie hatte die Kugeln nicht aufhalten können, die ihn in der Brust getroffen hatten.
Zu seiner Rechten lag Frank Bryce, dessen Hand um das Schwert, das ihn als Ordnungshüter unserer kleinen Gemeinde kennzeichnete, geklammert war. Er hatte es noch nicht mal zur Feier des Tages abgenommen . Wie es aussah, hatte er zumindest versucht, sich den Dragoniern damit entgegenzustellen. Ich betrachtete seinen mehrfach durchlöcherten Körper recht mitleidlos. Schließlich war das hier genaugenommen sein Werk.
Und dann Maren. Maren. Sie lag halb von Frank Bryce Körper bedeckt in einer Lache Blut, die allmählich zu trocknen begann. Ein Einschußloch zierte ihre Stirn. Merkwürdigerweise war kein Blut aus der Wunde getreten. Ich schloß kurz die Augen, dann setzte ich mich neben sie. Ihre noch offenen Augen starrten mich vorwurfsvoll an. Ich gab ihr einen letzten Kuss zum Abschied auf die Wange und schloß dann ihre Augen.
\"Scheiße!\" stieß ich hervor. Es klang wie ein Wimmern. Ich wünschte mir, ich wäre bei ihr gewesen, als es passierte. Ich wünschte mir, ich wäre mit ihr gestorben. Ich wünschte, ich hätte weinen können.
Aber stattdessen hatte ich nur diesen Kloß im Hals und spürte, wie Zorn in mir aufstieg. Oh, ich war wütend. Verdammt wütend. Meine Hände verkrampften sich zu Fäusten, die Knöchel traten weiß hervor.
Auf Maren, weil sie einfach so tot war. Auf Frank Bryce, weil er dran schuld war. Und vor allem auf Drachentod, weil er die Befehle gegeben und sich dabei amüsiert hatte. Heißer Zorn brodelte in mir. Wütend starrte ich auf den Boden. Jede Muskelfaser in meinem Körper war bis zum Zerreißen gespannt.
Ich hörte Schritte, die langsam näher kamen. Drachentod hatte den Mittelgang betreten, süffisant lächelnd mit einem Schwert in seiner Hand.
\"Du elender Mistkerl!\" zischte ich und sprang auf. Er lächelte nur raubtierartig und schwang das Schwert lässig, als wolle er mich damit beeindrucken.
Die Luft begann vor meinen Augen zu flirren, als ob eine große Hitze aufsteigen würde. Ich spürte nur noch diesen Hass und dieses unendliche Bedürfnis, Drachentod zu packen und ihn an die Wand zu schleudern.
\"Mörder!\" schrie ich.
Drachentods Körper wurde wie von unsichtbarer Hand durch die Luft gewirbelt und krachte hart auf die Außenwand der Kirche. Das Schwert glitt aus seiner Hand und er sackte röchelnd in sich zusammen.
Mir war, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Der Zorn war verschwunden und mit ihm scheinbar auch meine ganze Kraft. Halb bewußtlos sank ich auf die Knie und starrte Drachentod an. Für einen Moment begegnete sich unser Blick, und ich glaubte, bei ihm die selbe Fassungslosigkeit festzustellen, die ich verspürte.
Dann aber faßte er sich wieder, rappelte sich auf und brüllte seinen Männern etwas zu. Ich bekam die Welt nur noch wie durch einen dichten Nebel mit. Meine Sinne begannen zu schwinden und die Welt drehte sich immer schneller. Ich sah kaum, wie sich ein pockennarbiger Soldat vor mich stellte und mit etwas, das ich für eine Pistole hielt, auf mich zielte. Halb bei Bewußtsein starrte ich ungläubig auf die schwarze Mündung vor mir.
Der Dragonier zwinkerte und drückte ab.
Die Welt verschwand.
Es wurde dunkel.
Ich glaubte zu sterben.
Aber ich starb nicht.
Manchmal habe ich mir gewünscht, ich wäre damals gestorben, gemeinsam mit Maren , Frank Bryce und den anderen. Es hätte mir viel erspart.

To be continued......

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