Fluch der Karibik (VHS) Testbericht





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Auf yopi.de gelistet seit 10/2004
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Erfahrungsbericht von Hindenbook
Flüche, Fluchten, fauler Zauber
Pro:
Schöne Tricks, schöne Landschaften, Story ertragbar.
Kontra:
Witzlose Kalauer, unterforderte Darsteller, Leerlauf.
Empfehlung:
Ja
I. Inhalt
Zehn Jahre ist es her, dass der exzentrische Piratenkapitän Jack Sparrow sein geliebtes Schiff, die \"Black Pearl\", und fast sein Leben einbüßte. Dem Ersten Offizier Barbossa, der die Meuterer anführte, hat er ewige Rache geschworen. Erst jetzt kreuzen sich ihre Wege wieder: In Port Royal, der Hafenstadt auf der Karibikinsel Jamaica. Sie wird von Barbossa und seine Männer überfallen, die außerdem Elizabeth Swann, die schöne Tochter des Gouverneurs, entführen.
Weil sich die Obrigkeit schwertut mit der Verfolgung, verbündet sich Elizabeths Freund (und natürlich heimlicher Verehrer), der Waffenschmied Will Turner, mit Sparrow. Sie rauben ein Schiff und nehmen Kurs auf die Höhlen der Insel Tortuga, dem Stützpunkt der Piraten.
Freilich hat Sparrow seinem neuen Freund einige nicht unwichtige Informationen vorenthalten. So weiß nur er von dem üblen Fluch, der inzwischen auf Barbossa und der Besatzung der \"Black Pearl\" lastet. Sobald der Mond am Himmel steht, verwandeln sie sich in lebendige Skelette. Sie sind dazu verdammt, auf ewig untot über die Meere zu segeln. Eine Kette vertrackte Missverständnisse führt dazu, dass sie Elizabeth für den Schlüssel zu ihrer Erlösung halten. Das wird sich rasch ändern, und dann wäre es gut, wenn Jack und Will rechtzeitig zur Stelle wären, denn besonders diese Piraten kennen weder Geduld noch Mitgefühl ...
II. Darstellung
Ist es spielverderberisch, einem Film von vornherein Skepsis entgegen zu bringen, dessen Grundidee auf einer Art Hightech-Geisterbahn basiert, die ausgerechnet in Disneyland steht? Natürlich war man in Hollywood klug genug, sich um die elektrisch betriebenen, fechtenden, Rum saufenden, (maßvoll) ordinäre Lieder grölenden Seeräuber-Muppets eine Geschichte auszudenken. Eigentlich sollte sich dieser Aspekt der \"Piraten der Karibik\" also auf die (zumindest in den USA) werbewirksame Beschwörung der offenbar heiß & innig geliebten Freizeitpark-Attraktion beschränken.
Leider kann sich zumindest der lästerphile Kritiker - zumal aus Europa stammend - des Eindrucks schwer erwehren, dass besagte Piraten das ausführende Studio geentert und hinter den Kamera das Kommando übernommen haben. Nun überfallen sie Kinobesucher in aller Welt und berauben sie ihres Eintrittsgeldes; die wöchentlich triumphierend verkündeten Beutesummen künden vom Erfolg dieses Manövers.
Wie sonst lässt sich erklären, dass ein vergleichsweise leerer, lahmer, lauter, langer und auch langweiliger Streifen wie \"Piraten der Karibik\" ein solcher Blockbuster werden konnte? Man weiß gar nicht, wo man mit der Kritik ansetzen soll; man wagt es zudem zunächst gar nicht, da überall das Loblied auf diesen Film gesungen wird.
Immer ein guter Ansatz: die Story. Die ist nicht hirnrissiger als bei vielen anderen Piratenfilmen aus Hollywoods Glanzzeiten. Erzählt wird sie mit den Mitteln des modernen Actionfilms, der sich mit moderat romantischen Einschüben zu tarnen sucht. Das Ergebnis - und diese Feststellung werden wir hier noch öfter treffen müssen - ist weder Fleisch noch Fisch. Die Spektakel-Sequenzen geizen nicht mit durchtrainierten Stuntmen, Tricks und Pulverdampf. Man sieht sie allerdings völlig unbeteiligt, findet sie nicht einmal besonders spektakulär. Halten wir als erstes grundsätzliches Problem fest: \"Piraten der Karibik\" ist ein Film ohne Fantasie.
Ein rotes Warnlicht im Hirn des Zuschauers leuchtet auf, sobald das Schlachtengetümmel abebbt. Weder Drehbuch noch Regisseur geschweige die Schauspieler vermögen auch nur einen emotionalen Funken in ihren Figuren zu entzünden. Sie alle geben große Gefühle nur vor, tauschen Phrasen aus, die man ihnen nicht glauben mag - mit Grund werden im Kino Unmutsseufzer laut, wenn wieder eine Feuerpause angesagt ist: \"Piraten der Karibik\" ist ein Film ohne Herz.
Die rechte Karibik- und Piraten-Atmosphäre muss man ebenfalls missen. Ausstattung, dröhnendes Digital-Getöse und laute Musik sollen sie ersetzen. (Besonders aufwändig wirken die Kulissen übrigens gar nicht; man fragt sich oft, was an diesem Streifen so teuer gewesen ist.)
Soll uns dies alles wundern, da die eigenen Autoren das Drehbuch systematisch verraten? \"Piraten der Karibik\" ist ein maßgeschneiderter Blockbuster und eine Jerry Bruckheimer- Produktion. Das bedeutet die konsequente Suche nach dem größten gemeinsamen, möglichst viele Zuschauer ins Kino lockenden Nenner, die Vordergründigkeit als Stilmittel und einen Overkill oft grobschlächtig zum Einsatz gebrachter Effekte.
Damit sind nicht die FX-Tricks gemeint - die sind in der Regel makellos, die Geisterpiraten wirklich ein Augenschmaus. Nein, es geht darum, dass Stimmung - Dramatik, Tragik, Romanik - durchaus aufkommen möchte, um immer wieder erbarmungslos einem flauen Kalauer geopfert zu werden. Der wird dann vom armen Schauspieler quasi mit dem Gesicht zur Kamera dargeboten, damit noch der dümmste Zuschauer begreift, dass er jetzt lachen soll.
Die Unbarmherzigkeit, mit der \"Piraten der Karibik\" seine Witzlosigkeit verbrämen will, erstaunt wirklich; sie wird zur Zeit wohl nur von der kühl kalkulierenden, \"scherzhaften\" Menschenverachtung der \"Bad Boys II\" übertroffen. Es gibt keinen Gag, der nicht ausführlich angekündigt, dann nach Schema F durchgespielt und durch eine Lachpause abgeschlossen wird. Die Stille an genau diesen Stellen ist zumindest in einer Abendvorstellung, in der sich das Durchschnittsalter des Publikums oberhalb der 12- Jahres-Grenze bewegt, ist geradezu peinlich.
Kompensieren sollen das groteske Fratzenschneider. \"Komisch\" aussehende Soldaten, Bürger, Seeleute etc. sollen wie der dumme August im Zirkus für Stimmung sorgen und um Gelächter heischen. Der wahre Fluch der Karibik besteht in dem sich selbst auferlegten Zwang, originell sein zu wollen, ohne über das dafür erforderliche Talent zu verfügen.
Gnädig übersehen möchte man dagegen die logischen Löcher im Drehbuch, obwohl sie zahlreich und von Ehrfurcht gebietenden Größe sind. \"Piraten der Karibik\" ist ein Popkornmovie. Da fragt man normalerweise nicht nach Wahrscheinlichkeiten, sondern freut sich an bunten, temporeichen Bildern. Leider klappt das nicht, wenn die Fadenscheinigkeit des Skripts immer wieder gar zu deutlich wird.
- Zu einem noch frühen Zeitpunkt der Geschichte finden zwei Piraten Jack Sparrow in seiner Zelle. Wir wissen noch nicht, dass sie Geister sind; ein geeigneter Ort, es zu enthüllen, wäre die \"Black Pearl\", an deren Bord die entführte Elizabeth dies entdeckt. Diese Szene gibt es auch, aber die echte Überraschung ist längst dahin: In besagter Zelle würgt einer der Piraten Sparrow mit seinem Arm, der sich jenseits des Zellengittern in blanke Knochen verwandelt - ein netter Effekt, der hier völlig vergeudet ist. (Abgesehen von der Frage, wieso sich nur dieser Arm derartig verändert, während die übrigen Piraten, die gerade die Stadt brandschatzen, ihre Menschenform behalten: Trifft sie denn nicht dasselbe Mondlicht ...?)
- Wieso mutiert Jack Sparrow, der sich freiwillig dem Fluch ergibt, umgehend zum Skelett? Dass die übrigen Piraten so verlottert aussehen, wundert nicht, denn sie geistern schon seit zehn Jahren als Leichen umher. Die schnöde Antwort: Es sieht im Film einfach besser aus, wenn Johnny Depp das Fleisch digital von den Knochen fällt ...
- Die Karibik weist offenbar die Ausmaße eines Goldfischteiches auf. Normalerweise könnte Gouverneurstöchterlein Elizabeth auch Wasserstoffbomben zünden, ohne dass dies in der Weite des Meeres auffallen würde. Hier lassen einige qualmende Palmwedel sogleich das rettende Schiff an -Horizont auftauchen.
- Apropos: Wieso setzt Geisterkapitän Barbossa Jack Sparrow eigentlich auf derselben Insel aus, von der diesem bereits früher die Flucht gelang? Und: Ist er extra zu dieser Insel gesegelt, um seinen Lieblingsfeind über die Planke zu schicken?
- Wie schaffen es Sparrow und Will Turner - zwei Männer - ein Riesenschiff wie die \"Interceptor\" zu segeln?
- Nachdem Commander Norrington Jack Sparrow permanent hängen und Will Turner erniedrigen wollte, verzichtet er im Finale großherzig auf Verfolgung, Rache & Braut? Das ist eine völlige Verkehrung seines bisher präsentierten Charakters und sogar für ein Happy-End ganz schön weit hergeholt.
Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Wie gesagt: Nicht ihre Existenz ist die Schande. Doch dass sich solche Fragen während des Anschauens einstellen, ist sicherlich kein gutes Zeichen! Zeit genug bleibt dafür, denn mit mehr als zwei Stunden Laufzeit ist \"Piraten der Karibik\" zu allem Überfluss auch noch viel zu lang geraten.
III. Schauspieler
Durchaus fähige Darsteller rackern sich unter den beschriebenen Umständen ab, ohne besondere Glanzlichter setzen können. Ist es verwunderlich, dass ein Mime wie Johnny Depp sich schminken lassen muss wie die späte Mae West (oder für unsere jüngeren Leser: wie der derzeitige Michael Jackson), um irgendwie aufzufallen? Tuntiges Benehmen soll den Heiterkeitseffekt steigern. Vom \"Rolling Stones\"-Gitarristen Keith Richards soll Depp inspiriert worden sein; statt dessen erinnert er eher an Marlon Brando in \"Duell am Missouri\" (1976). Bewundernwürdig ist es, dass der Schauspieler sich gegen diesen Schwachsinn durchsetzen kann und seinen Job gut erledigt.
Orlando Bloom oder Keira Knightley haben nicht das Glück bzw. die Fähigkeiten es Depp gleichzutun. Es spricht nicht für \"Piraten der Karibik\", dass die weibliche Hauptrolle mit einer durchaus ansehnlichen, aber bis zur Fadheit farblosen Schauspielerin besetzt wurde. Bloom muss den redlichen Helden mimen, der schließlich sein Mädchen kriegt - und redlich ist er, bis man es schier nicht mehr ertragen kann.
Geoffrey Rush (der in seiner Maske wirkt wie Gandalf als Strauchdieb) verwandelt sich des Nachts wenigstens in ein Gerippe. Das lenkt von Barbossas Dämlichkeit bei Tage ab, die ihn immer wieder auf Jack Sparrows mehr als durchsichtige Tricks hereinfallen lässt. (Wie ist es diesem \"Kapitän\" nur gelungen, in zehn Jahren mehr als 800 verwünschte & über die Karibik verstreute Medaillons zurückzuholen?)
Die übrigen Piraten: eine Kollektion grotesker Witzfiguren. Zum Fürchten sollen und dürfen sie nicht sein: \"Fluch der Karibik\" ist ein schrecklich teurer Film, der eine möglichst niedrige Altersfreigabe erreichen sollte. So hat man ihn der eigentlichen Horror-Elemente beraubt. Geblieben ist der ursprüngliche Geisterbahn-Grusel. Das nervt entsetzlich, wenn ranzige Klischees (schlechte Zähne, Lumpenkleidung, Billardkugel als Glasaugenersatz usw.) und mühsam vorgetäuschte Hotzenplotz-Bösartigkeit echte Piratengefahr vortäuschen soll. Auch die Schlachtenszenen wurden bereits mit der Zensurschere im Kopf gedreht - nie sieht man einen Tropfen Blut, gedolcht wird stets im Off, zwischen Musketenschuss und Aufprall im Wasser wird der Kugeleinschlag gestrichen. Gewalt darf zwar nicht zum Schauzweck verkommen, aber sie dort, wo sie sich nun einmal abspielt, gänzlich und plump auszuklammern, ist einfach lächerlich.
IV. Fazit
\"Fluch der Karibik\" reiht sich grundsätzlich ein in die lange Kette gnadenlos und zu Recht gefloppter Reissbrett-Blockbuster des Jahres 2003 von \"Hulk\" über \"Tomb Raider II\" bis \"Drei Engel für Charlie II\" und \"Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen\". (Es gibt noch mehr.) Der Mirakel ist, dass Gore Verbinski aus diesem toten Rennen als glanzvoller Sieger hervorging. Womöglich kamen die Zuschauer zu dem Schluss, dass sein Karibik- Spektakel neben dem ganzen übrigen Zelluloid-Mist wie Piratengold glänzt. Unter dieser Voraussetzung könnte man sich dem Urteil anschließen. Leugnen lassen sich ebenfalls nicht oft außerordentliche Schauwerte. Objektiv betrachtet ist \"Fluch der Karibik\" aber genauso eine Enttäuschung wie die genannten Möchtegern-Chartstürmer.
IV. Filmdaten
... müssen hier nicht noch einmal aufgelistet werden. \"Fluch der Karibik\" wird in den Medien und im Internet dermaßen gepusht, dass es ein Leichtes ist, sich solche Informationen zu beschaffen. Es gibt sogar eine eigene deutschsprachige Website: www.fluchderkaribik.de.
(Copyright 22.10.2003/Dr. Michael Drewniok)
Zehn Jahre ist es her, dass der exzentrische Piratenkapitän Jack Sparrow sein geliebtes Schiff, die \"Black Pearl\", und fast sein Leben einbüßte. Dem Ersten Offizier Barbossa, der die Meuterer anführte, hat er ewige Rache geschworen. Erst jetzt kreuzen sich ihre Wege wieder: In Port Royal, der Hafenstadt auf der Karibikinsel Jamaica. Sie wird von Barbossa und seine Männer überfallen, die außerdem Elizabeth Swann, die schöne Tochter des Gouverneurs, entführen.
Weil sich die Obrigkeit schwertut mit der Verfolgung, verbündet sich Elizabeths Freund (und natürlich heimlicher Verehrer), der Waffenschmied Will Turner, mit Sparrow. Sie rauben ein Schiff und nehmen Kurs auf die Höhlen der Insel Tortuga, dem Stützpunkt der Piraten.
Freilich hat Sparrow seinem neuen Freund einige nicht unwichtige Informationen vorenthalten. So weiß nur er von dem üblen Fluch, der inzwischen auf Barbossa und der Besatzung der \"Black Pearl\" lastet. Sobald der Mond am Himmel steht, verwandeln sie sich in lebendige Skelette. Sie sind dazu verdammt, auf ewig untot über die Meere zu segeln. Eine Kette vertrackte Missverständnisse führt dazu, dass sie Elizabeth für den Schlüssel zu ihrer Erlösung halten. Das wird sich rasch ändern, und dann wäre es gut, wenn Jack und Will rechtzeitig zur Stelle wären, denn besonders diese Piraten kennen weder Geduld noch Mitgefühl ...
II. Darstellung
Ist es spielverderberisch, einem Film von vornherein Skepsis entgegen zu bringen, dessen Grundidee auf einer Art Hightech-Geisterbahn basiert, die ausgerechnet in Disneyland steht? Natürlich war man in Hollywood klug genug, sich um die elektrisch betriebenen, fechtenden, Rum saufenden, (maßvoll) ordinäre Lieder grölenden Seeräuber-Muppets eine Geschichte auszudenken. Eigentlich sollte sich dieser Aspekt der \"Piraten der Karibik\" also auf die (zumindest in den USA) werbewirksame Beschwörung der offenbar heiß & innig geliebten Freizeitpark-Attraktion beschränken.
Leider kann sich zumindest der lästerphile Kritiker - zumal aus Europa stammend - des Eindrucks schwer erwehren, dass besagte Piraten das ausführende Studio geentert und hinter den Kamera das Kommando übernommen haben. Nun überfallen sie Kinobesucher in aller Welt und berauben sie ihres Eintrittsgeldes; die wöchentlich triumphierend verkündeten Beutesummen künden vom Erfolg dieses Manövers.
Wie sonst lässt sich erklären, dass ein vergleichsweise leerer, lahmer, lauter, langer und auch langweiliger Streifen wie \"Piraten der Karibik\" ein solcher Blockbuster werden konnte? Man weiß gar nicht, wo man mit der Kritik ansetzen soll; man wagt es zudem zunächst gar nicht, da überall das Loblied auf diesen Film gesungen wird.
Immer ein guter Ansatz: die Story. Die ist nicht hirnrissiger als bei vielen anderen Piratenfilmen aus Hollywoods Glanzzeiten. Erzählt wird sie mit den Mitteln des modernen Actionfilms, der sich mit moderat romantischen Einschüben zu tarnen sucht. Das Ergebnis - und diese Feststellung werden wir hier noch öfter treffen müssen - ist weder Fleisch noch Fisch. Die Spektakel-Sequenzen geizen nicht mit durchtrainierten Stuntmen, Tricks und Pulverdampf. Man sieht sie allerdings völlig unbeteiligt, findet sie nicht einmal besonders spektakulär. Halten wir als erstes grundsätzliches Problem fest: \"Piraten der Karibik\" ist ein Film ohne Fantasie.
Ein rotes Warnlicht im Hirn des Zuschauers leuchtet auf, sobald das Schlachtengetümmel abebbt. Weder Drehbuch noch Regisseur geschweige die Schauspieler vermögen auch nur einen emotionalen Funken in ihren Figuren zu entzünden. Sie alle geben große Gefühle nur vor, tauschen Phrasen aus, die man ihnen nicht glauben mag - mit Grund werden im Kino Unmutsseufzer laut, wenn wieder eine Feuerpause angesagt ist: \"Piraten der Karibik\" ist ein Film ohne Herz.
Die rechte Karibik- und Piraten-Atmosphäre muss man ebenfalls missen. Ausstattung, dröhnendes Digital-Getöse und laute Musik sollen sie ersetzen. (Besonders aufwändig wirken die Kulissen übrigens gar nicht; man fragt sich oft, was an diesem Streifen so teuer gewesen ist.)
Soll uns dies alles wundern, da die eigenen Autoren das Drehbuch systematisch verraten? \"Piraten der Karibik\" ist ein maßgeschneiderter Blockbuster und eine Jerry Bruckheimer- Produktion. Das bedeutet die konsequente Suche nach dem größten gemeinsamen, möglichst viele Zuschauer ins Kino lockenden Nenner, die Vordergründigkeit als Stilmittel und einen Overkill oft grobschlächtig zum Einsatz gebrachter Effekte.
Damit sind nicht die FX-Tricks gemeint - die sind in der Regel makellos, die Geisterpiraten wirklich ein Augenschmaus. Nein, es geht darum, dass Stimmung - Dramatik, Tragik, Romanik - durchaus aufkommen möchte, um immer wieder erbarmungslos einem flauen Kalauer geopfert zu werden. Der wird dann vom armen Schauspieler quasi mit dem Gesicht zur Kamera dargeboten, damit noch der dümmste Zuschauer begreift, dass er jetzt lachen soll.
Die Unbarmherzigkeit, mit der \"Piraten der Karibik\" seine Witzlosigkeit verbrämen will, erstaunt wirklich; sie wird zur Zeit wohl nur von der kühl kalkulierenden, \"scherzhaften\" Menschenverachtung der \"Bad Boys II\" übertroffen. Es gibt keinen Gag, der nicht ausführlich angekündigt, dann nach Schema F durchgespielt und durch eine Lachpause abgeschlossen wird. Die Stille an genau diesen Stellen ist zumindest in einer Abendvorstellung, in der sich das Durchschnittsalter des Publikums oberhalb der 12- Jahres-Grenze bewegt, ist geradezu peinlich.
Kompensieren sollen das groteske Fratzenschneider. \"Komisch\" aussehende Soldaten, Bürger, Seeleute etc. sollen wie der dumme August im Zirkus für Stimmung sorgen und um Gelächter heischen. Der wahre Fluch der Karibik besteht in dem sich selbst auferlegten Zwang, originell sein zu wollen, ohne über das dafür erforderliche Talent zu verfügen.
Gnädig übersehen möchte man dagegen die logischen Löcher im Drehbuch, obwohl sie zahlreich und von Ehrfurcht gebietenden Größe sind. \"Piraten der Karibik\" ist ein Popkornmovie. Da fragt man normalerweise nicht nach Wahrscheinlichkeiten, sondern freut sich an bunten, temporeichen Bildern. Leider klappt das nicht, wenn die Fadenscheinigkeit des Skripts immer wieder gar zu deutlich wird.
- Zu einem noch frühen Zeitpunkt der Geschichte finden zwei Piraten Jack Sparrow in seiner Zelle. Wir wissen noch nicht, dass sie Geister sind; ein geeigneter Ort, es zu enthüllen, wäre die \"Black Pearl\", an deren Bord die entführte Elizabeth dies entdeckt. Diese Szene gibt es auch, aber die echte Überraschung ist längst dahin: In besagter Zelle würgt einer der Piraten Sparrow mit seinem Arm, der sich jenseits des Zellengittern in blanke Knochen verwandelt - ein netter Effekt, der hier völlig vergeudet ist. (Abgesehen von der Frage, wieso sich nur dieser Arm derartig verändert, während die übrigen Piraten, die gerade die Stadt brandschatzen, ihre Menschenform behalten: Trifft sie denn nicht dasselbe Mondlicht ...?)
- Wieso mutiert Jack Sparrow, der sich freiwillig dem Fluch ergibt, umgehend zum Skelett? Dass die übrigen Piraten so verlottert aussehen, wundert nicht, denn sie geistern schon seit zehn Jahren als Leichen umher. Die schnöde Antwort: Es sieht im Film einfach besser aus, wenn Johnny Depp das Fleisch digital von den Knochen fällt ...
- Die Karibik weist offenbar die Ausmaße eines Goldfischteiches auf. Normalerweise könnte Gouverneurstöchterlein Elizabeth auch Wasserstoffbomben zünden, ohne dass dies in der Weite des Meeres auffallen würde. Hier lassen einige qualmende Palmwedel sogleich das rettende Schiff an -Horizont auftauchen.
- Apropos: Wieso setzt Geisterkapitän Barbossa Jack Sparrow eigentlich auf derselben Insel aus, von der diesem bereits früher die Flucht gelang? Und: Ist er extra zu dieser Insel gesegelt, um seinen Lieblingsfeind über die Planke zu schicken?
- Wie schaffen es Sparrow und Will Turner - zwei Männer - ein Riesenschiff wie die \"Interceptor\" zu segeln?
- Nachdem Commander Norrington Jack Sparrow permanent hängen und Will Turner erniedrigen wollte, verzichtet er im Finale großherzig auf Verfolgung, Rache & Braut? Das ist eine völlige Verkehrung seines bisher präsentierten Charakters und sogar für ein Happy-End ganz schön weit hergeholt.
Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Wie gesagt: Nicht ihre Existenz ist die Schande. Doch dass sich solche Fragen während des Anschauens einstellen, ist sicherlich kein gutes Zeichen! Zeit genug bleibt dafür, denn mit mehr als zwei Stunden Laufzeit ist \"Piraten der Karibik\" zu allem Überfluss auch noch viel zu lang geraten.
III. Schauspieler
Durchaus fähige Darsteller rackern sich unter den beschriebenen Umständen ab, ohne besondere Glanzlichter setzen können. Ist es verwunderlich, dass ein Mime wie Johnny Depp sich schminken lassen muss wie die späte Mae West (oder für unsere jüngeren Leser: wie der derzeitige Michael Jackson), um irgendwie aufzufallen? Tuntiges Benehmen soll den Heiterkeitseffekt steigern. Vom \"Rolling Stones\"-Gitarristen Keith Richards soll Depp inspiriert worden sein; statt dessen erinnert er eher an Marlon Brando in \"Duell am Missouri\" (1976). Bewundernwürdig ist es, dass der Schauspieler sich gegen diesen Schwachsinn durchsetzen kann und seinen Job gut erledigt.
Orlando Bloom oder Keira Knightley haben nicht das Glück bzw. die Fähigkeiten es Depp gleichzutun. Es spricht nicht für \"Piraten der Karibik\", dass die weibliche Hauptrolle mit einer durchaus ansehnlichen, aber bis zur Fadheit farblosen Schauspielerin besetzt wurde. Bloom muss den redlichen Helden mimen, der schließlich sein Mädchen kriegt - und redlich ist er, bis man es schier nicht mehr ertragen kann.
Geoffrey Rush (der in seiner Maske wirkt wie Gandalf als Strauchdieb) verwandelt sich des Nachts wenigstens in ein Gerippe. Das lenkt von Barbossas Dämlichkeit bei Tage ab, die ihn immer wieder auf Jack Sparrows mehr als durchsichtige Tricks hereinfallen lässt. (Wie ist es diesem \"Kapitän\" nur gelungen, in zehn Jahren mehr als 800 verwünschte & über die Karibik verstreute Medaillons zurückzuholen?)
Die übrigen Piraten: eine Kollektion grotesker Witzfiguren. Zum Fürchten sollen und dürfen sie nicht sein: \"Fluch der Karibik\" ist ein schrecklich teurer Film, der eine möglichst niedrige Altersfreigabe erreichen sollte. So hat man ihn der eigentlichen Horror-Elemente beraubt. Geblieben ist der ursprüngliche Geisterbahn-Grusel. Das nervt entsetzlich, wenn ranzige Klischees (schlechte Zähne, Lumpenkleidung, Billardkugel als Glasaugenersatz usw.) und mühsam vorgetäuschte Hotzenplotz-Bösartigkeit echte Piratengefahr vortäuschen soll. Auch die Schlachtenszenen wurden bereits mit der Zensurschere im Kopf gedreht - nie sieht man einen Tropfen Blut, gedolcht wird stets im Off, zwischen Musketenschuss und Aufprall im Wasser wird der Kugeleinschlag gestrichen. Gewalt darf zwar nicht zum Schauzweck verkommen, aber sie dort, wo sie sich nun einmal abspielt, gänzlich und plump auszuklammern, ist einfach lächerlich.
IV. Fazit
\"Fluch der Karibik\" reiht sich grundsätzlich ein in die lange Kette gnadenlos und zu Recht gefloppter Reissbrett-Blockbuster des Jahres 2003 von \"Hulk\" über \"Tomb Raider II\" bis \"Drei Engel für Charlie II\" und \"Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen\". (Es gibt noch mehr.) Der Mirakel ist, dass Gore Verbinski aus diesem toten Rennen als glanzvoller Sieger hervorging. Womöglich kamen die Zuschauer zu dem Schluss, dass sein Karibik- Spektakel neben dem ganzen übrigen Zelluloid-Mist wie Piratengold glänzt. Unter dieser Voraussetzung könnte man sich dem Urteil anschließen. Leugnen lassen sich ebenfalls nicht oft außerordentliche Schauwerte. Objektiv betrachtet ist \"Fluch der Karibik\" aber genauso eine Enttäuschung wie die genannten Möchtegern-Chartstürmer.
IV. Filmdaten
... müssen hier nicht noch einmal aufgelistet werden. \"Fluch der Karibik\" wird in den Medien und im Internet dermaßen gepusht, dass es ein Leichtes ist, sich solche Informationen zu beschaffen. Es gibt sogar eine eigene deutschsprachige Website: www.fluchderkaribik.de.
(Copyright 22.10.2003/Dr. Michael Drewniok)
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