Kurzgeschichten Testbericht

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Erfahrungsbericht von BEDSusi

Die Geräusche der Stadt

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

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Die Gedanken und Fragen einer Jugendlichen, die ihren Weg sucht.
Als ich diesen Text schrieb, war ich gerade 18 Jahre und stellte alles in Frage, was mir über den Weg lief. Schade, dass man diese Neugier häufig mit dem Alter verliert. :)

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Die Geräusche der Stadt

Kennt Ihr die Geräusche Eurer Stadt bei Nacht? Habt Ihr sie jemals bewusst erlebt? Wenn ja, dann werdet Ihr die Eindrücke und Gefühle, die ich Euch jetzt beschreiben möchte kennen. Wenn nicht, folgt meiner Reise zu den Geräuschen der Stadt bei Nacht.

Auch bei Tag hat die Stadt ihre eigenen Geräusche, aber die sind uns viel zu selbstverständlich geworden, als dass wir sie besonders beachten würden. Wenn man sich abends hinlegt, wird einem zuerst alles ganz ruhig erscheinen, jedoch nach einer Weile bemerkt man, wie die Stadt da draußen arbeitet. Versucht nicht, die Geräusche zu identifizieren, sondern lasst sie einfach nur auf Euch wirken, kuschelt Euch in die Bettdecke, schließt die Augen und startet die Reise…

In der Ferne rollt langsam ein Zug heran, rauscht für eine Weile am lautesten und verschwindet langsam wieder. Ich weiß, dass es ein Zug ist, denke aber nicht weiter darüber nach, sondern lausche einfach nur der wunderbaren Musik des Klanges. Dazwischen immer wieder metallene Geräusche, wie als ob jemand Stahlstangen aus einer beträchtlichen Höhe fallen lassen würde. In meinem Zimmer ist es vollkommen still geworden, fast andächtig still, als würde alles in diesem Zimmer den Klängen von draußen lauschen wollen.
Kühler Wind bläst durchs Fenster, ich ziehe mir die Decke bis unters Kinn. Es scheint eine lange Nacht zu werden. Die Laute da draußen sind ein einziges Rauschen, mal höher, mal tiefer, dazwischen Einzelgeräusche.
Doch alles ganz sanft und rein. Mir ist, als würden die Töne Himmel und Erde miteinander verbinden, wie der Horizont Himmel und Erde miteinander verbindet. In Wirklichkeit sind diese beiden Elemente ja eins, nur der Mensch sieht sie getrennt, wie er alles trennt, was eigentlich zusammen gehört. Wir unterscheiden zwischen schön und hässlich, zwischen gut und böse, zwischen männlich und weiblich und vergessen dabei, dass alles was existiert, so ist, wie es ist, wie es entstand. Warum akzeptieren wir das nicht? Wir wollen alles verändern, einer bestimmten Form anpassen. Einer Form, die uns vertraut ist, mit der wir etwas anzufangen wissen. Nehmen wir einen Baum – er wächst geradeheraus, doch den Menschen gefällt er so nicht, man stutzt ihn, bis er eine bestimmte Form erhält. Weshalb tun wir das? Oft versteht man das Leben nicht. Und was macht man dagegen? Sich einen festen Punkt suchen, an dem man sich festhalten kann. Genau, wie mit diesem Baum, man passt ihn einer Form an und schon entspricht er dem Bild, das der Mensch sich von der Welt macht.
Und warum sieht der Mensch die Dinge nun getrennt? Vielleicht, weil er sich selbst auch getrennt von allem anderen betrachtet. Es gibt ihn und die anderen. Betrachtet man seine Mitmenschen mal, dann sieht man, wie sehr sie an dieser Vorstellung hängen. Man denkt, man unterscheidet sich von den anderen, weil man anders aussieht, eine andere Meinung hat, anders gekleidet ist. Doch all diese Sachen machen doch noch keinen Menschen aus. Wir alle gehören zu derselben Materie, dem Universum. Genauso wie eine Ameise, ein Baum oder ein Stein. Woher nehmen wir uns eigentlich das Recht, auf dieser Erde zu bestimmen, was schön und was hässlich ist, was gut und was böse ist? Der Mensch hält sich für etwas Besonderes auf diesem Planeten, er denkt, er hat das Sagen. Es gibt zu wenig Menschen, die darüber nachdenken. Sie folgen einfach dem, was vorgegeben wird. Möglicherweise wehren sie sich gegen die eine Form, folgen dafür aber einer anderen.
Langsam baut sich in mir ein Bild auf – eine ewige Weite, das Schwarz der Nacht wird zu hellem grau, ja wie Nebelschwaden, die in Wintermonaten die Landschaft einhüllen und einheitlich grau erscheinen lassen. Das Gefühl von Weite breitet sich aus, nimmt mir die Angst und Zweifel. Ich werde eins mit diesen sanften Lauten. Es scheint, als ob das Dach über mir fehlen würde, dann das ganze Haus. Es ist so, als ob ich im Freien liegen würde, ohne dabei zu frieren, denn ich habe mich ja schön mollig warm in meine Decke gekuschelt. Ich werde also nicht frieren da draußen.
Was sind diese Laute eigentlich – eine Bewegung. Ich befinde mich also mitten in einer Bewegung. Die Erde lebt und arbeitet weiter, selbst wenn ich schlafen gehe. Es ist eine ruhige, ständige Bewegung. Nicht Ruhe im Sinne von lautlos, sondern von Harmonie. Harmonie zwischen lautlosem und lautem, zwischen ruhendem und sich bewegenden. Fehlt diese Harmonie, werden wir uns nie wirklich wohl fühlen. Wir müssen Harmonie entwickeln zwischen dem was wir sind und dem was wir tun. Harmonie zwischen uns und dem ganzen Sein. Wir müssen mit dem, was existiert leben und können uns nicht davon abwenden. Wenn wir es nicht verstehen, Harmonie zwischen Körper und Geist zu entwickeln, wird der Geist uns beherrschen. Unsere Meinung und unsere Denkweise kann unseren Körper nachteilig beeinflussen, ja ihn sogar krank machen. Ich weiß dies alles, es ist nur nicht leicht, das Wissen auch umzusetzen. Warum ist es nur so schwer, sich von den festgesetzten Vorstellungen zu befreien?
Durch das Fenster fließt frische Luft und streift mein Gesicht. Ganz sacht fängt es an zu regnen. Das leise Tropfen des Regens verbindet sich harmonisch mit den Geräuschen der Stadt. Ich frage mich, warum es gerade mich gibt, warum es gerade mein Bewusstsein gibt. Wenn ich mir diese Frage oft genug stelle, durchfließt mich ein seltsames Gefühl, es gleicht dem Gefühl, das man hat, wenn am voller Entzücken eine wunderbare Landschaft betrachtet. Ich weiß noch nicht genau wie, aber irgendwie muss ich es schaffen, all die Fragen, die sich mir stellen, zu beantworten.
Es wird langsam hell, die Laute werden intensiver. Leben erwacht, Vögel fangen ganz leise an zu zwitschern, wie um den neuen Tag zu begrüßen. Langsam lösen sich die grauen Nebelschwaden, was bleibt, ist eine friedvolle Landschaft, die sich weit über mich hinaus erstreckt. Ich werde dieses Gefühl warm halten, dann begleitet es mich den ganzen Tag. Ich fühle mich frisch und frei. Mein Bewusstsein ist erweitert,… grenzenlos…

28 Bewertungen, 1 Kommentar

  • retilein

    13.04.2005, 21:11 Uhr von retilein
    Bewertung: sehr hilfreich

    starke gedanken einer 18-jährigen, meinen respekt, noch sg zur woche